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5 Die Kinderstimme klingt immer zцgernder — Детский голос зву­чит менее уверенно.


„Lache nicht zu frьh! Soviel ich deine Tochter kenne, hat sie bereits die Mцbelpacker bestellt!" Wьtend eilt die Dame die Treppe hinunter.

Als der Kapellmeister ins Atelier zurьckkommt, hat Lotte schon begonnen, das Kaffeegeschirr abzuwaschen. Er schlдgt ein paar Takte auf dem Flьgel an.98 Er geht mit groЯen Schrit­ten in dem Raum auf und ab. Er starrt auf die Partiturset-ten...

Lotte bemьht sich, nicht mit den Tellern und Tassen zu klappern. Als sie alles abgetrocknet und in den Schrank zurьckgestellt hat, setzt sie ihr Hьtchen auf und betritt leise das Atelier.

„Auf Wiedersehen, Vati ... Kommst du zum Abendessen?"

„Nein, heute nicht."

Das Kind nickt langsam und streckt ihm zum Abschied schьchtern die Hand hin.

„Hцr, Luise, — ich hab's nicht gern, wenn sich andere Leute fьr mich den Kopf zerbrechen, auch meine Tochter nicht! Ich weiЯ selber, was ich brauche!"

„Natьrlich, Vati", sagt sie ruhig und leise. Noch immer hдlt sie die Hand zum Abschied ausgestreckt.99

Er drьckt sie schlieЯlich doch und sieht dabei, daЯ dem Kind Trдnen in den Augen stehen. Ein Vater muЯ streng sein. Also tut er, als sдhe er nichts100, sondern nickt kurz und setzt sich an den Flьgel.

Lotte geht schnell zur Tьr, цffnet sie leise — und ist ver­schwunden.

Der Herr Kapellmeister fдhrt sich ьbers Haar101. Kinder­trдnen, das fehlte noch! Dabei soll man nun eine Kinderoper komponieren! Es ist schrecklich, wenn so einem kleinen Ge­schцpf Trдnen in den Augen stehen...

Seine Hдnde schlagen einige Tцne an. Er neigt lauschend den Kopf. Er spielt die Tonfolge noch einmal. Es ist die Mollvariation102 eines frцhlichen Kinderliedes aus seiner Oper. Er дndert den Rhythmus103. Er arbeitet.

5 Die Mollvariation — вариации в миноре


О diese Kьnstler! Gleich wird er Notenpapier nehmen und Noten malen. Und schlieЯlich wird er sich hochbefriedigt zurьcklehnen und die Hдnde reiben, weil ihm ein so wun­derbar trauriges Lied in c-moll104 gelungen ist.

  • * *

Wieder sind Wochen vergangen. Frдulein Irene Qerlach hat die Szene im Atelier nicht vergessen. Sie hat den Vor­schlag des Kindes, die Wohnung in der RingstraЯe gegen die Wohnung des Malers Gabele zu tauschen, richtig ver­standen: Es war eine Kampfansage.105 Eine richtige Frau — und Irene Gerlach ist (obwohl Lotte sie nicht leiden mag106) eine richtige Frau, — die lдЯt sich nicht lange bitten107. Sie kennt ihre Waffen und weiЯ, sie zu gebrauchen.108 Alle ihre Pfeile hat sie auf die Zielscheibe, das Kьnstlerherz des Ka­pellmeisters, abgeschossen. Alle Pfeile haben ins Schwarze getroffen.109 Jetzt sitzen sie im Herzen des geliebten Mannes fest. Er kann sich nicht mehr wehren.

„Ich will, daЯ du meine Frau wirst", sagt er. Es klingt wie ein zorniger Befehl.

Sie streichelt sein Haar, lдchelt und meint spцttisch: „Dann werde ich morgen mein bestes Kleid anziehen, Lieb­ling, und bei deiner Tochter um deine Hand bitten."

Wieder sitzt ein Pfeil in seinem Herzen? Und diesmal ist der Pfeil vergiftet.

  • * *

Herr Gabele zeichnet Lotte. Plцtzlich legt er den Blei­stift hin und sagt: „Was hast du denn heute, Luise?110 Du siehst ja aus wie sechs Tage Regenwetter!111"

Das Kind atmet schwer. „Ach, es ist nichts Besonderes!"

„Hдngt's mit der Schule zusammen?"

Sie schьttelt den Kopf. „Das wдr* nicht so schlimm.112"

Herr Gabele legt den Block weg. „WeiЯt du was? Wir wollen fьr heute SchluЯ machen!" Er steht auf. „Geh spazie­ren. Das bringt den Menschen auf andere Gedanken!113"

„Oder vielleicht spiele ich ein biЯchen auf dem Klavier?"

„Noch besser!" sagt er. „Das hцre ich durch die Wand. Da hab' ich auch was davon.114"

Sie gibt ihm die Hand, knickst und geht.

Er schaut gedankenvoll hinter der kleinen Person her. Er weiЯ, wie schwer Kummer auf ein Kinderherz drьcken kann. Er war selber einmal ein Kind und hat es (im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen!115) nicht vergessen.

Als aus der Nachbarwohnung Klavierspiel ertцnt, nickt er zufrieden und beginnt, die Melodie mitzupfeifen. Dann zieht er mit einem Ruck die Decke von der Staffelei, nimmt Palette und Pinsel zur Hand, betrachtet das Bild und beginnt zu arbeiten.

* * *

Herr Ludwig Palfy kommt in die RothenturmstraЯe. Er hдngt den Mantel und den Hut an einen Garderobehaken. Luise spielt Klavier? Nun, sie muЯ eben jetzt ihr Spiel un­terbrechen und ihm eine Weile zuhцren. Er zieht das Jackett straff116, dann цffnet er die Zimmertьr.

Das Kind schaut von den Tasten hoch117 und lдchelt ihn an. „Vati? Wie schцn!" Sie springt vom Klavierstuhl. „Soll ich dir einen Kaffee machen?" Sie will sofort in die Kьche laufen. Er hдlt sie fest. „Danke, nein!" sagt er. „Ich muЯ mit dir sprechen. Setz dich!"

Sie setzt sich in den groЯen Sessel, in dem sie klein wie eine Puppe aussieht, und blickt erwartungsvoll zu ihm hoch.

Er rдuspert sich nervцs, geht ein paar Schritte auf und ab118 und bleibt vor dem Sessel stehen.

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