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Von der Mutter?

Wieder lдutet das Telefon.

Resi steckt den Kopf ins Zimmer. „Frдulein Gerlach!" Herr Palfy schьttelt den Kopf, ohne sich umzuwenden.

Frau Kцrner erhдlt vom Herrn Bernau wegen „dringender Familienangelegenheiten"203 Urlaub. Sie telefoniert mit dem Flugplatz und bekommt fьr morgen frьh zwei Flugplдtze. Dann packt sie einen Koffer. Sie nimmt nur das Notwendigste mit.

Die Nacht scheint endlos.204 Aber auch Nдchte, die endlos scheinen, vergehen.

Als am nдchsten Morgen der Herr Hofrat Strobl, von Pe­perl begleitet, vor dem Haus in der RothenturmstraЯe an­kommt, fдhrt gerade ein Taxi vor.

Ein kleines Mдdchen steigt aus dem Auto — und schon springt Peperl wie besessen an dem Kind hoch205. Er bellt, er dreht sich wie ein Kreisel, er springt wieder hoch.

„Guten Tag, Peperl! Guten Tag, Herr Hofrat!"

Der Herr Hofrat vergiЯt vor Verwunderung, den GruЯ zu erwidern. Plцtzlich lдuft er auf das Kind zu und schreit:

„Bist du denn vцllig verrьckt? Marsch ins Bett!"

Luise und der Hund sausen ins Haustor.

Eine junge Dame steigt aus dem Auto.

„Das Kind kann sich ja den Tod holen!206" schreit der Herr Hof rat empцrt.

„Es ist nicht das Kind, das Sie meinen", sagt die junge Dame freundlich. „Es ist die Schwester."

* * *

Resi цffnet die Korridortьr. DrauЯen steht Peperl mit einem Kind.

„Guten Tag, Resi!" ruft das Kind und stьrzt mit dem Hund ins Kinderzimmer.

Die Haushдlterin steht wie angewurzelt da und schlдgt ein Kreuz.207

Dann kommt der alte Hofrat die Stufen empor. Er kommt mit einer bildhьbschen Frau, die einen Reisekoffer trдgt.

„Wie geht es Lottchen?" fragt die junge Dame hastig.

„Etwas besser, glaub' ich", meint die Resi. „Darf ich Ihnen den Weg zeigen?"

„Danke, ich kenne den Weg!" Und schon ist die Fremde im Kinderzimmer verschwunden.

„Mutti!" flьstert Lotte. Sie kann ihre Augen von der Mutter nicht abwenden. Die junge Frau streichelt wortlos die heiЯe Kinderhand. Sie kniet am Bett nieder und nimmt das zitternde Geschцpf in die Arme.

Luise schaut blitzschnell zum Vater hinьber, der am Fenster steht. Dann tritt sie an Lottchens Bett, klopft die Kissen208, wendet sie um. Jetzt ist sie die kleine Hausfrau. Sie hat's ja inzwischen gelernt!

Der Herr Kapellmeister mustert die drei mit einem ver­stohlenen Seitenblick.209 Die Mutter mit ihren Kindern. Seine Kinder sind es ja natьrlich auch! Und die junge Mutter war vor Jahren sogar einmal seine Frau! Versunkene Tage210, ver­gessene Stunden tauchen vor ihm auf. Lang, lang ist's her.211

Peperl liegt wie vom Donner gerьhrt212 am FuЯende des Bettes und blickt immer wieder von dem einen kleinen Mдd­chen zum anderen. Da klopft es.

Die vier Menschen im Zimmer erwachen wie aus einem seltsamen Schlaf. Der Herr Hofrat tritt ein. Am Bett macht er halt. „Wie geht's dem Patienten?"

„Gu-ut", sagt Lottchen und lдchelt mьde.

„Haben wir heute endlich Appetit?" brummt er.

„Wenn Mutti kocht", flьstert Lottchen.

Mutti nickt und geht ans Fenster. „Entschuldige, Ludwig, daЯ ich dir erst jetzt guten Tag sage!"

Der Kapellmeister drьckt ihr die Hand. „Ich danke dir vielmals, daЯ du gekommen bist."

„Aber ich bitte dich!213 Das war doch selbstverstдndlich! Das Kind..."

„Freilich, das Kind", erwidert er. „Trotzdem!"

„Du siehst aus, als hдttest du seit Tagen nicht geschla­fen214", meint sie.

„Ich werde es nachholen. Ich hatte Angst um ... um das Kind!"

„Es wird bald wieder gesund sein", sagt die junge Frau. „Ich fьhle es."

Am Bett wispern die Kinder. Luise beugt sich dicht an Lottchens Ohr. „Mutti weiЯ nichts von Frдulein Gerlach. Wir dьrfen's ihr auch nie sagen!" Lottchen nickt дngstlich.

Der Herr Hofrat kann das Gesprдch nicht hцren, weil er das Thermometer prьft.

„Die Temperatur ist fast normal," sagt er. „Du bist ьberm Berg!215 Herzlichen Glьckswunsch, Luise!"

„Danke schцn, Herr Hof rat", antwortet die richtige Luise.

„Oder meinen Sie mich?216" fragt Lottchen und lacht vor­sichtig. Der Kopf tut dabei noch weh.

„Ihr seid mir ein Paar Intriganten!" knurrt er. „Sogar meinen Peperl habt ihr an der Nase herumgefьhrt!217" Er hustet energisch, steht auf und sagt: „Komm, Peperl, reiЯ dich von den beiden Mдdchen los!" Peperl wedelt mit dem Schwanz. Dann schmiegt er sich an den Hofrat, der soeben dem Herrn Kapellmeister Palfy erklдrt: „Eine Mutter, das ist eine Medizin! Die kann man nicht in der Apotheke holen!" Er wendet sich an die junge Frau: „Werden Sie solange bleiben kцnnen, bis Luise — Ver­zeihung! — bis Lottchen wieder vцllig gesund ist?"

„Wahrscheinlich, Herr Hofrat, und ich mцchte es auch."

„Na, also", meint der alte Herr. „Der Herr Exgemahl wird sich damit schon abfinden.218"

Palfy цffnet den Mund.

„Lassen Sie nur", sagt der Hofrat spцttisch. „Das Kьnst­lerherz wird Ihnen natьrlich bluten.219 Soviel Leute in der Wohnung! Aber nur Geduld, bald werden Sie wieder ganz allein sein."

Er hat's heute in sich220, der Hofrat! Die Tьr цffnet er so rasch, daЯ Resi, die drauЯen horcht, am Kopf eine Beule kriegt221.

„Mit einem sauberen Messer drьcken!222" empfiehlt er. „Ist schon gut. Der Ratschlag kostet nichts", antwortet Resi.

* * *

Der Abend hat sich auf die Erde herabgesenkt. In Wien wie anderswo auch. Im Kinderzimmer ist es still. Luise schlдft. Lotte schlдft auch.

Frau Kцrner und der Kapellmeister haben bis vor wenigen Minuten im Wohnzimmer gesessen. Sie haben manches be­sprochen, und sie haben noch mehr „beschwiegen". Dann ist Palfy aufgestanden und hat gesagt: „So! Nun muЯ ich ge­hen!" Dabei ist er sich etwas komisch erschienen. Er flieht ja aus der eigenen Wohnung!

Sie bringt ihn bis zur Korridortьr.

Er zцgert. „Wenn es wieder schlimmer wird — ich bin im Atelier."

„Mach dir keine Sorgen!" sagt sie zuversichtlich. „VergiЯ lieber nicht, daЯ du viel Schlaf nachzuholen hast223." Er nickt. „Gute Nacht!" „Gute Nacht!"

Wдhrend er langsam die Treppe hinabsteigt, ruft sie leise: „Ludwig!" Er dreht sich fragend um. „Kommst du morgen zum Frьhstьck?" „Ich komme!"

Als sie die Tьr verschlossen und die Kette vorgehдngt hat, bleibt sie noch eine Weile224 stehen. Er ist дlter geworden. Fast sieht er schon wie ein richtiger Mann aus, ihr ehemaliger Mann.

Dann wirft sie den Kopf zurьck und geht, den Schlaf ihrer und seiner Kinder mьtterlich zu bewachen225.

* * *

Eine Stunde spдter steigt, vor einem Haus in der Kдrt-nerstraЯe, eine junge, elegante Dame aus einem Auto. Sie spricht mit dem mьrrischen Portier.

„Der Herr Kapellmeister?" brummt er. „Ich weiЯ nicht, ob er im Atelier ist."

„Im Atelier ist aber Licht", sagt sie. „Also ist er da! Hier!226" Sie drьckt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei, zur Treppe.

Er betrachtet den Geldschein und geht in seine Wohnung zurьck.

„Du?" fragt Ludwig Palfy oben an der Tьr.

„Erraten!227" bemerkt Irene Gerlach bцse und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zьndet sich eine Zigarette an und betrachtet den Mann prьfend. Er sagt nichts.

„Warum kommst du nicht zum Telefon?" fragt sie. „Fin­dest du das sehr geschmackvoll?"

„Ich war nicht fдhig, mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute.228 Das Kind war schwer krank."

„Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wдrst du doch in der RothenturmstraЯe.229"

Er nickt. „Ja, es geht ihm besser. AuЯerdem ist meine Frau dort." „Wer?"

„Meine Frau. Meine ehemalige Frau. Sie kam heute mor­gen mit dem anderen Kind."

„Mit dem anderen Kind?" fragt die junge, elegante Frau.

„Ja, es sind Zwillinge. Erst war Luise bei mir. Seit Fe­rienschluЯ dann das andere Mдdchen. Doch das hab' ich gar nicht bemerkt. Ich weiЯ es erst seit gestern."

Die Dame lacht bцse. „Deine Geschiedene hat das listig organisiert."

„Sie weiЯ es auch erst seit gestern", sagt er ungeduldig.

Irene Gerlach verzieht ironisch die Lippen. „Die Situa­tion ist pikant, nicht wahr? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr verheiratet bist, und in der anderen Wohnung — eine Frau, mit der du noch nicht ver­heiratet bist."

Ihn packt der Дrger.230 „Es gibt viel mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin!"

„Oh!" Sie erhebt sich. „Witzig kannst du auch sein?"

„Entschuldige, Irene, ich bin nervцs!"

„Entschuldige, Ludwig, ich auch!"

Bums! Die Tьr ist zu, und Frдulein Gerlach ist gegangen.

Nachdem Herr Palfy einige Zeit auf die Tьr gestarrt hat231, wandert er zum Flьgel, blдttert die Noten zu seiner Kinder­oper durch und setzt sich vor die Tasten.

Eine Weile spielt er vom Blatt. Dann moduliert er. Und langsam, ganz langsam entsteht eine neue Melodie. Eine Melodie, so einfach und herzgewinnend!

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