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erich_maria_remarque_drei_kameraden.doc
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13.04.2015
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Ich holte rasch ein paar Sachen für Köster und mich. Wir gingen ins Dorf. »Bist du müde?« fragte ich.

»Nein«, sagte er, »wir wollen uns noch irgendwo hinsetzen.«

Nach einer Stunde wurde ich unruhig. »Wenn er dableibt, ist es doch sicher gefährlich, Otto«, sagte ich. »Weshalb sollte er es sonst tun...«

»Ich glaube, er bleibt aus Vorsicht da«, antwortete Köster. »Er mag Pat sehr gern. Er hat es mir erzählt, als wir hier einfuhren. Er hat schon ihre Mutter behandelt...«

»Hat die denn auch...«

»Ich weiß nicht«, sagte Köster rasch, »kann auch was anderes gewesen sein. Wollen wir schlafen gehen?«

»Geh ruhig, Otto. Ich möchte doch noch mal — nur so von weitem...«

»Schön. Ich geh' mit.«

»Ich will dir was sagen, Otto. Ich schlafe sehr gern draußen bei dem warmen Wetter. Laß dich nicht stören. Hab's letzthin schon öfter gemacht.«

»Es ist ja naß.«

»Das macht nichts. Ich mach' Karls Verdeck hoch und setze mich da ein bißchen 'rein.«

»Gut. Ich schlafe auch gern mal draußen.«

Ich merkte, daß ich ihn nicht loswurde. Wir packten ein paar Decken und Kissen zusammen und gingen zurück zu Karl. Wir machten die Gurtbänder los und drückten die Vordersitze nach hinten. So konnte man ganz gut liegen. »Besser als manchmal im Felde«, sagte Köster. Der helle Fleck des Fensters schien durch die diesige Luft. Ein paarmal sah ich den Schatten Jaffés davor. Wir rauchten eine Schachtel Zigaretten leer. Dann wurde das Licht abgeschaltet, und es brannte nur noch die kleine Nachttischlampe.

»Gott sei Dank«, sagte ich.

Es rieselte auf das Verdeck. Ein schwacher Wind wehte. Es wurde kühl. »Kannst meine Decke auch noch haben, Otto«, sagte ich.

»Nein, laß nur, bin warm genug.«

»Tadelloser Kerl, der Jaffé, was?«

»Tadellos. Sehr tüchtig, glaub' ich.«

»Bestimmt.«

Ich fuhr aus einem unruhigen Halbschlaf empor. Es war grau und kühl draußen. Köster war schon wach. »Hast du nicht geschlafen, Otto?«

»Doch.«

Ich kletterte aus dem Wagen und schlich über den Gartenweg zum Fenster. Die kleine Nachttischlampe brannte noch immer. Ich sah Pat mit geschlossenen Augen im Bett liegen. Einen Moment fürchtete ich, daß sie tot sein könnte. Aber dann bemerkte ich, wie ihre rechte Hand sich bewegte. Sie war sehr blaß. Aber sie blutete nicht mehr. Jetzt machte sie wieder eine Bewegung. Im selben Moment öffnete Jaffé, der auf dem zweiten Bett schlief, die Augen. Ich trat rasch zurück. Ich war beruhigt; er paßte auf.

»Ich denke, wir verschwinden hier«, sagte ich zu Köster, »damit er nicht sieht, daß wir ihn kontrolliert haben.«

»Alles in Ordnung drinnen?« fragte Otto.

»Ja, was man sehen kann. Hat den richtigen Schlaf, der Professor. Pennt bei Trommelfeuer, aber erwacht, wenn eine Maus an seinem Brotbeutel knabbert.«

»Wir können baden gehen«, sagte Köster. »Wunderbare Luft hier.« Er dehnte sich.

»Geh du«, sagte ich.

»Komm mit«, erwiderte er.

Der graue Himmel zerriß. Orangerote Streifen quollen hindurch. Am Horizont hob sich der Wolkenvorhang, und dahinter erschien ein sehr klares Apfelgrün.

Wir sprangen ins Wasser und schwammen. Das Wasser leuchtete in Grau und Rot.

Dann gingen wir zurück. Fräulein Müller war schon auf. Sie schnitt Petersilie im Garten. Sie zuckte zusammen, als ich sie ansprach. Verlegen versuchte ich ihr klarzumachen, daß ich gestern wohl etwas zuviel geflucht hätte. Sie fing an zu weinen. »Die arme Dame. Sie ist so schön und noch so jung.«

»Sie wird hundert Jahre alt«, sagte ich ärgerlich, weil sie weinte, als müsse Pat sterben. Pat würde nicht sterben. Der kühle Morgen, der Wind, das helle meergepeitschte Leben in mir: Pat konnte nicht sterben. Sie konnte nur sterben, wenn ich den Mut verlor. Da stand Köster, mein Kamerad — da stand ich, Pats Kamerad —, erst mußten wir sterben. Solange wir lebten, würden wir sie herausholen. So war es immer. Solange Köster lebte, konnte ich nicht sterben. Und solange wir beide lebten, konnte Pat nicht sterben.

»Man muß demütig gegen das Schicksal sein«, sagte das alte Fräulein und sah mich mit seinem braunen, verrunzelten Bratapfelgesicht etwas vorwurfsvoll an. Wahrscheinlich meinte sie meine Schimpferei.

»Demütig?« sagte ich. »Wozu demütig? Es nützt ja nichts. Man muß alles bezahlen im Leben, doppelt und dreifach. Wozu soll man da demütig sein?«

»Doch, doch — es ist besser.«

Demütig, dachte ich. Was änderte das? Kämpfen, kämpfen, das war das einzige in dieser Balgerei, in der man zuletzt doch unterlag. Kämpfen um das bißchen, was man liebte. Demütig konnte man mit siebzig Jahren werden.

Köster sprach ein paar Worte mit ihr. Sie lächelte rasch wieder und fragte ihn, was er zu Mittag essen wolle.

»Siehst du«, sagte Otto, »das ist das Geschenk des Alters. Tränen und Lachen — alles wechselt schnell. Ohne Widerhaken.

Das sollte man auch für sich vorwegnehmen«, meinte er nachdenklich.

Wir strichen um das Haus herum. »Gut für jede Minute, die sie schläft«, sagte ich. Wir gingen wieder in den Garten. Fräulein Müller hatte ein Frühstück fertiggemacht. Wir tranken heißen schwarzen Kaffee. Die Sonne ging auf. Es wurde sofort warm. Die Blätter der Bäume funkelten von Licht und Nässe. Vom Meer hörte man das Schreien der Möwen. Fräulein Müller stellte einen Busch Rosen auf den Tisch. »Den wollen wir ihr nachher geben«, sagte sie. Die Rosen dufteten nach Gartenmauer und Kindheit. »Weißt du, Otto«, sagte ich, »ich habe ein Gefühl, als wäre ich selber krank gewesen. Man ist doch nicht mehr wie früher. Ich hätte ruhiger sein müssen. Überlegter. Je ruhiger man sich hält, um so besser kann man helfen.«

»Geht nicht immer, Robby. Habe auch so Zeiten gehabt. Je länger man lebt, um so nervöser wird man. Das ist wie bei einem Bankier, der immer neue Verluste hat.«

Da ging die Tür. Jaffé kam im Pyjama heraus. »Gut, gut«, winkte er ab, als er sah, daß ich fast den Kaffeetisch umwarf, »so gut es möglich ist.«

»Darf ich 'rein?«

»Noch nicht. Jetzt ist erst das Mädchen drin. Waschen und so was.«

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