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erich_maria_remarque_drei_kameraden.doc
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13.04.2015
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Ich kletterte über das Sofa zu Köster hinüber. Mir war plötzlich etwas eingefallen. »Otto, du mußt mir mal einen Gefallen tun. Ich brauche morgen abend den Cadillac.«

Braumüller unterbrach das intensive Studium einer wenig bekleideten kreolischen Tänzerin. »Kannst du denn schon Kurven fahren?« erkundigte er sich. »Ich dachte bis jetzt, du könntest nur geradeaus fahren, wenn ein anderer für dich steuert.«

»Sei du ruhig, Theo«, erwiderte ich, »aus dir werden wir beim Rennen am Sechsten schon Hackfleisch machen.«

Braumüller gluckste vor Lachen. »Also wie ist das, Otto?« fragte ich gespannt.

»Der Wagen ist nicht versichert, Robby«, sagte Köster.

»Ich werde wie eine Schnecke schleichen und wie ein Omnibus hupen. Nur ein paar Kilometer in der Stadt.«

Otto schloß die Augen bis auf einen kleinen Spalt und lächelte. »Gut, Robby; meinetwegen.«

»Brauchst du den Wagen vielleicht zu deiner neuen Krawatte?« fragte Lenz, der herangekommen war.

»Halt den Schnabel«, sagte ich und schob ihn beiseite.

Aber er ließ nicht locker. »Zeig mal her, Baby!« Er befühlte die Seide. »Herrlich. Unser Kind als Gigolo. Mir scheint, du willst auf Brautschau!«

»Du kannst mich heute nicht beleidigen, du Verwandlungskünstler«, erwiderte ich.

»Brautschau?« Ferdinand Grau hob den Kopf. »Warum soll er denn nicht auf Brautschau gehen?« Er wurde lebhafter und wandte sich mir zu. »Tu's ruhig, Robby! Du hast noch das Zeug dazu. Zur Liebe gehört eine gewisse Einfalt. Die hast du. Bewahre sie dir. Sie ist ein Gottesgeschenk. Nie wieder zu kriegen, wenn man sie mal verloren hat.«

»Nimm dir's nicht allzusehr zu Herzen«, grinste Lenz. »Dumm geboren zu werden ist keine Schande. Nur dumm zu sterben.«

»Schweig, Gottfried.« Grau wischte ihn mit einer Bewegung seiner mächtigen Tatze beiseite. »Auf dich kommt's nicht an, du Etappenromantiker. Um dich ist's nicht schade.«

»Sprich dich nur ruhig aus, Ferdinand«, sagte Lenz. »Aussprechen erleichtert immer.«

»Du bist ein Drückeberger«, erklärte Grau, »ein pathetischer Drückeberger.«

»Sind wir alle«, grinste Lenz. »Wir leben nur noch von Illusionen und Krediten.«

»Jawohl«, sagte Grau und sah uns der Reihe nach unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an. »Von Illusionen aus der Vergangenheit und Krediten auf die Zukunft.« Dann wandte er sich mir wieder zu. »Einfalt habe ich gesagt, Robby. Nur neidische Leute nennen es Dummheit. Kränke dich nicht deswegen. Es ist kein Fehler, sondern eine Begabung.«

Lenz wollte etwas einwerfen. Aber Ferdinand sprach schon weiter. »Du weißt, was ich meine. Ein einfaches Gemüt, noch nicht zerfressen von Skepsis und Überintelligenz. Parzival war dumm. Wäre er klug gewesen, hätte er nie den heiligen Gral erobert. Nur wer dumm ist, siegt im Leben; der andere sieht viel zu viele Hindernisse und wird unsicher, ehe er beginnt. In schwierigen Zeiten ist Einfalt das kostbarste Gut — ein Zaubermantel, der Gefahren verbirgt, in die der Superkluge wie hypnotisiert hineinrennt.«

Er trank einen Schluck und sah mich mit seinen riesigen blauen Augen an, die wie ein Stück Himmel in dem zerklüfteten Gesicht saßen. »Nie zuviel wissen wollen, Robby! Je weniger man weiß, desto einfacher ist es, zu leben. Wissen macht frei — aber unglücklich. Komm, trink mit mir auf die Einfalt, die Dummheit und was zu ihr gehört — auf die Liebe, den Glauben an die Zukunft, die Träume vom Glück —, auf die herrliche Dummheit, das verlorene Paradies...«

Er saß schwer und massig da, plötzlich in sich selbst und seine Trunkenheit versunken, wie ein einsamer Hügel von unangreifbarer Schwermut. Sein Leben war kaputt, und er wußte, daß er es nicht mehr zusammenbringen konnte. Er hauste in seinem großen Atelier und hatte ein Verhältnis mit seiner Haushälterin. Die Frau war fest und derb. Grau dagegen, trotz seines mächtigen Körpers, empfindsam und haltlos. Er kam nicht los von ihr, und es war ihm wohl auch schon egal. Er war zweiundvierzig Jahre alt.

Obschon ich wußte, daß es die Betrunkenheit war, fühlte ich doch einen leisen, merkwürdigen Schauer, als ich ihn so sah. Er kam nicht oft und trank fast immer allein in seinem Atelier. Das bringt einen rasch 'runter.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er drückte mir ein Glas in die Hand. »Trink, Robby. Und rette dich. Denk daran, was ich dir gesagt habe.«

»Gut, Ferdinand!«

Lenz zog das Grammophon auf. Er hatte einen Haufen Negerplatten und spielte ein paar — vom Mississippi, von Baumwollpflückern und von den schwülen Nächten an den blauen tropischen Flüssen.

VI

Patrice Hollmann wohnte in einem großen gelben Häuserblock, der durch ein schmales Rasenstück von der Straße getrennt war. Vor dem Eingang stand eine Laterne. Ich parkte den Cadillac direkt darunter. Er sah in dem bewegten Licht aus wie ein mächtiger Elefant aus fließendem schwarzem Glanz.

Ich hatte meine Garderobe noch weiter vervollständigt. Zu der Krawatte hatte ich noch einen neuen Hut und ein Paar Handschuhe gekauft — außerdem trug ich einen Ulster von Lenz, ein herrliches graues Stück aus feinster Shetlandwolle. So ausgerüstet, wollte ich meinen ersten säuferischen Eindruck nachdrücklich in die Flucht schlagen.

Ich hupte. Gleich darauf flammte wie eine Rakete in fünf Fenstern übereinander die Treppenbeleuchtung auf. Der Lift begann zu summen. Ich sah ihn herunterschweben wie einen hellen Förderkorb, der vom Himmel herabgelassen wurde. Patrice Hollmann öffnete die Tür und kam rasch die Treppe herunter. Sie trug eine kurze braune Pelzjacke und einen engen braunen Rock.

»Hallo!« Sie streckte mir die Hand entgegen. »Ich freue mich so, herauszukommen. Ich war den ganzen Tag zu Hause.«

Ich hatte gern, wie sie die Hand gab — mit einem Druck, der kräftiger war, als man vermutete. Ich haßte Leute, die einem schlaff die Hand hinhielten wie einen toten Fisch.

»Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt«, erwiderte ich. »Ich hätte Sie dann schon mittags abgeholt.«

»Haben Sie denn soviel Zeit?«

»Das nicht. Aber ich hätte mich schon frei gemacht.«

Sie holte tief Atem. »Wunderbare Luft! Es riecht nach Frühling.«

»Wenn Sie Lust haben, können wir in der Luft herumfahren, soviel Sie wollen«, sagte ich, »nach draußen, vor die Stadt, durch den Wald — ich habe einen Wagen mitgebracht.« Damit zeigte ich so nachlässig auf den Cadillac, als wäre er ein alter Ford.

»Der Cadillac?« Überrascht sah sie mich an. »Gehört der Ihnen?«

»Heute abend, ja. Sonst gehört er unserer Werkstatt. Wir haben ihn aufgearbeitet und wollen das Geschäft unseres Lebens damit machen.« Ich öffnete die Tür. »Wollen wir zuerst in die ›Traube‹ fahren und essen? Was meinen Sie dazu?«

»Essen schon, aber wozu gerade in der ›Traube‹?«

Ich sah verdutzt auf. Die »Traube« war das einzige elegante Restaurant, das ich kannte.

»Offen gestanden«, sagte ich, »etwas anderes weiß ich nicht. Ich denke auch, der Cadillac verpflichtet uns etwas.«

Sie lachte. »In der ›Traube‹ ist es bestimmt steif und langweilig. Gehen wir doch woanders hin!«

Ich stand ratlos da. Meine seriösen Träume lösten sich in Dunst auf.

»Dann müssen Sie schon etwas vorschlagen«, sagte ich. »Die Lokale, die ich nämlich sonst noch kenne, sind etwas handfest. Ich glaube, das ist nichts für Sie.«

»Warum glauben Sie das?«

»Das sieht man doch so ungefähr...«

Sie blickte mich rasch an. »Wir können es ja mal versuchen.«

»Gut.« Ich warf entschlossen mein ganzes Programm um.

»Dann weiß ich was, wenn Sie nicht schreckhaft sind. Wir gehen zu Alfons.«

»Alfons klingt schon sehr gut«, erwiderte sie, »und schreckhaft bin ich heute abend auch nicht.«

»Alfons ist ein Bierwirt«, sagte ich, »ein guter Freund von Lenz.«

Sie lachte. »Lenz hat wohl überall Freunde?«

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