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Лексикология современного немецкого языка 162 :: 163 :: 164 :: 165 :: 166 :: Содержание 3.2.4. WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN SONDERLEXIK UND ALLGEMEINWORTSCHATZ

Die Wechselbeziehungen zwischen der Sonderlexik und dem Allgemeinwortschatz standen immer und stehen auch heute im Mittelpunkt des Interesses. Schon F. Kluge, der sich als einer der ersten mit den Sonderwortschätzen des Deutschen befasste, sprach seinerzeit von Sondersprachen als einer Quelle, aus der sich die Gemeinsprache fortwährend bereichert. Auch spätere Forschungen beachteten diesen wichtigen Aspekt, vgl. die Worte von A. Schirmer: "Es ergibt sich also, dass die Sondersprachen einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Ausbildung des gemeinsprachlichen Wortschatzes haben"54.

Die Bereicherung der Gemeinsprache, in diesem Fall des Allgemeinwort-schatzes, durch die Sonderwortschätze ist aber kein einseitiger Prozess. Die moderne Wortforschung untersucht deshalb die beiderseitigen Einwirkungen bzw. Wechselbeziehungen zwischen Sonder- und Allgemeinwortschatz. Diesem Problem ist eine umfangreiche einschlägige Literatur gewidmet, darunter sind viele Arbeiten, die sich mit den Einflüssen der Fachlexik auf den Gemeinwortschatz auseinandersetzen. Das hängt damit zusammen, dass die Fach- Wörter

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verschiedener Bereiche immer stärker den Wortbestand der Gemeinsprache beeinflussen. Darum spricht man heute von einer zunehmenden Intel-lektualisierung auch der Gemeinsprache als Folge einer immer stärker von Wissenschaft und Technik beeinflussten gesellschaftlichen Entwicklung55.

Die Intellektualisierung der Gemeinsprache im Bereich der Lexik vollzieht sich vor allem dadurch, dass Fachausdrücke für Gegenstände und Erscheinungen der geistigen und materiellen Kultur aus den entsprechenden Fachsprachen in die Gemeinsprache eindringen.

Ehemalige wissenschaftliche Termini, die heute im Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Entwicklung immer stärker von der Gemeinsprache adoptiert werden, sind Analyse, Basis, Charakter, Element, Faktor, Kettenreaktion, Kollektiv, Perspektive, Struktur u.v.a.m.

Eine wichtige Rolle spielen hier die ständige Erhöhung des Bildungsniveaus, die zunehmende Bedeutung populärwissenschaftlicher Arbeiten usw. Da Philosophie und Politik alle Bereiche des menschlichen Lebens durchdringen, erklärt ihre vielfach vorgeschobene Stellung im fachbezogenen Bereich der Lexik56.

Ehemalige wissenschaftliche Termini, die ursprünglich nahezu ausschließlich in den Fachsprachen verwendet wurden, sind unter anderem: Begriff, Inhalt, Urteil, (das) Sein, Bewusstsein, wobei das letztere zur Grundlage vieler Komposita geworden ist57.

Aber das Eindringen der ehemaligen Termini in die Gemeinsprache ist wiederum nicht ein einseitiger Prozess, denn der Bedarf an neuen Fachwörtern wird (von Entlehnungen aus Fremdsprachen abgesehen) in bedeutendem Umfang unter Zuhilfenahme von Wortmaterial aus dem nichtfachbezogenen Bereich der Lexik gedeckt, d.h. aus dem Allgemeinwortschatz. Die Verfahrensweisen, die zur Bildung neuer Termini angewendet werden, sind mannigfaltig - vor allem aber ist das die Spezialisierung der Wortbedeutung gemeinsprachlicher Lexeme. So hat z.B. das alte Wort Strom "großes, fließendes Gewässer" spezialisierte Bedeutung durch die Elektrotechnik erhalten: Stromnetz, Wechselstrom usw. Ähnlich ist es bei Fluss, es wird in den Komposita Verkehrsfluss und Arbeitsfluss im Sinne von "kontinuierlicher, störungsfreier Ablauf" verwendet u.v.a.m.

Sehr produktiv ist ferner die metaphorische Bedeutungsübertragung, z.B. Schnecke als Tier und Schnecke in der Medizin für "Teil des inneren Ohres". Für den Bereich der Termini ist allerdings typisch, dass die weitaus größte Zahl aller Metaphern nur als Elemente von Komposita auftreten, z.B. -hals, -feld in Zahnhals, Wortfeld usw.58

Die Lexik der Gemein- und Umgangssprache wird ständig durch Gruppenwortschätze bereichert. Die synonymischen und thematischen Reihen des Allgemeinwortschatzes werden mit stilistischen und ideographischen Synonymen, Lexemen und Phraseologismen der gruppenspezifischen Wortschätze der sozialen Gruppen aufgefüllt. Die Übernahme der Gruppenwortschätze in die Gemeinsprache wird, je nach der Art derselben, von verschiedenen semantischen Transformationen begleitet, was in unserer Germanistik ausführlich beschrieben wurde59.

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Bezeichnend für alle Lexeme und Phraseologismen, die in die Umgangssprache oder Schriftsprache aus den Gruppenwortschätzen übernommen werden, ist, wie oben bereits erwähnt, ihre zusätzliche semantische Umformung. Entweder sind die Bedeutungen im Vergleich zu denen der Sonderlexik erweitert oder - und das ist vor allem für Wortgruppen kennzeichnend - es tritt eine metaphorische Bedeutungsübertragung ein, wodurch Phraseologismen entstehen.

Ein typisches Bild zeigen Lexeme und Phraseologismen, die aus alten Berufssprachen und Gruppensprachen, wie z.B. Jägerlexik, Bergmannssprache stammen. Bei einigen Lexemen und Phraseologismen ist die metaphorische oder metonymische Bedeutungsübertragung oder Bedeutungserweiterung deutlich zu sehen, z.B. Kesseltreiben, hetzen, spüren, aufstöbern, das Hasenpanier ergreifen, durch die Lappen gehen. Der letzte Phraseologis-mus entsteht aufgrund einer homonymischen syntaktischen Wortgruppe, die beschreibt, wie das Wild gejagt wird: durch das Umstellen des Wildes mit aufgehängten Tüchern. Bei einigen Wörtern ist die semantische Ableitung nicht so augenfällig. So bedeutet (einer Sache) nachhängen eigentlich: tun wie der Jagdhund, der eifrig eine Fährte verfolgt, während ihm der Jäger das Leitseil locker hängen lässt.

Als naseweis konnte einst nur ein Hund mit guter Spürkraft bezeichnet werden. Vorlaut wurde jener Hund genannt, der auf frischer Fährte vorzeitig "laut" wurde, d.h. bellte, ehe er das Wild aufgesprengt hatte. Bärbeißig nennt man die zur Bärenjagd abgerichteten Hunde, die zur Jagd auf Schwarzwild verwendeten dagegen Schweinehunde. Auch unbändig stammt aus der Jägerlexik: bändig (oder führig) ist der am Hängeseil abgerichtete Hund.

Ähnliche semantische Transformationen sind auch in der Lexik festzustellen, die aus der Bergmannssprache in die Gemeinsprache übernommen wurde, vgl. das Verb fördern "vorwärtsbringen, unterstützen", das im Vergleich zur konkreten Bedeutung "Kohlen zutage fördern" eine Bedeutungserweiterung erfahren hat. Oder das Substantiv Fundgrube, das in der Bergmannssprache ein ergiebiges Bergwerk bedeutete und in der Gemeinsprache durch die metaphorische Bedeutungsübertragung "eine reiche Quelle" im Allgemeinen bezeichnet.

Die erste Erscheinungsform der deutschen Sprache, die gewöhnlich durch die Sonderwortschätze der sozialen und Altersgruppensprachen bereichert wird, ist die Umgangssprache, aus der gewöhnlich unter bestimmten Bedingungen auch das weitere Eindringen der Sonderlexik in die Schriftsprache möglich ist.

Über die Wechselbeziehungen zwischen Jugendlexik und Umgangssprache schreiben viele deutschsprachige und russische Linguisten, denn der Beitrag dieses Sonderwortschatzes zur Erweiterung der expressiven, stilistisch markierten Lexik ist in den letzten Jahrzehnten bedeutend. Gerade die Jugendsprache ist, wie das in jüngster Forschung gezeigt wird60, eine der wichtigsten Quellen der gängigen Ausdrücke bzw. Modewörter in der saloppen Alltagsrede. Dies geschieht nämlich vor allem dann, wenn das sprachliche Invertar der Jugendlichen von anderen übernommen wird, die außerhalb

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der sozialen Gruppe der Jugendlichen stehen und somit eine andere Funktion erfüllt als gruppenspezifischer Wortschatz der Jugendsprache. Zu beobachten war das in den 60er Jahren bei dem Wort Klasse "hervorragend, ausgezeichnet". Gegenwärtig, erlebt die Wendung Ich denk', mich tritt ein Pferd! eine ähnliche Entwicklung. Zu diesem Ausdruck der Verwunderung entstehen in der Jugendsprache neue Parallelbildungen, die sehr schnell von der saloppen Alltagsrede - und pointiert gebraucht auch von der gehobenen Alltagsrede - übernommen werden: Ich denk', mein Hammer bohnert. Ich denk', mein Goldfisch pfeift. Ich denk', mich knutscht ein Elch61. Aus der Jugendsprache stammen auch Wörter und Wendungen, die sich in den 50er - 60er Jahren einer besonderen Popularität erfreuten und heute fast völlig aus der Umgangssprache verschwunden sind wie Heule, auch Kofferheule, heiße Musik; Zahn l Biene für "Mädchen", besonders in den Komposita Goldzahn für "reiches Mädchen", Barzahn für "Mädchen, das in der Bar arbeitet", Wucht l Wolke (großartige Sache) u.a.

Zur Besonderheit dieser Sonderlexik gehört die Tatsache, dass sie ohne sekundäre semantische Transformation in der Umgangssprache fungiert.

Es gibt noch einen Sonderwortschatz, dessen Jargonismen ähnlich der Jugendlexik vorwiegend ohne sekundäre semantische Prozesse in die Gemeinsprache übernommen wurden. Das ist die Gaunersprache (Argot, Rotwelsch). Diese Jargonismen, vielfach als Argotismen bezeichnet, drangen in erster Linie in die saloppe oder grobe Umgangssprache ein: Kittchen "Gefängnis", Polente "Polizei", berappen, blechen "widerwillig bezahlen", me-schugge "verrückt", Schlamassel "Unglück" u.a.

Einige Argotismen sind in die Schriftsprache eingegangen, wie z.B. Hochstapler, Ganove. Diese Wörter haben auch einen Bedeutungswandel erfahren. Hochstapler ist eine Substantivbildung zu dem gaunersprachlichen stapeln "betteln" und bezeichnete zunächst "den ,hoch' (d.h. ,vornehm') auftretenden Bettler62. Heute bedeutet das Wort: "jmd., der durch betrügerisches Auftreten eine geachtete gesellschaftliche Stellung vortäuscht, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen"63. Vgl. den Titel des Romans von Th. Mann "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krall".

Auch Ganove fungiert heute in der Umgangssprache nicht in der spezialisierten gaunersprachlichen Bedeutung "Dieb", sondern in der erweiterten - als "Verbrecher" im Allgemeinen. Das sicherte den Übergang dieses Argotismus in die stilistisch markierte, abwertende Lexik der Gemeinsprache, vgl. den Gebrauch des Wortes in der Presse: Ganoven "Kriegsbrandstifter", "Verbrecher gegen die Menschheit" u.a.

Bei der Betrachtung der Erscheinungsformen der deutschen Sprache, der Stratifikation des deutschen Wortbestandes und der Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Schichten desselben kann man folgende grundsätzliche Schlüsse ziehen:

1. Aus synchroner Sicht ist der Wortbestand ein vielschichtiges Gebilde, das die Kommunikation einer Sprachgemeinschaft gewährleistet.

Die zentrale Schicht bildet der Allgemeinwortschatz oder der gemeinsprachliche Wortschatz, der den Begriffsschatz der Sprache repräsentiert,

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was seine Multivalenz bedingt, d.h. seine Gültigkeit in allen Gebrauchssphären. Diese Schicht ist außerdem durch normative Vorbildlichkeit für alle Sprachträger und einen Reichtum an funktional-stilistischen Varianten gekennzeichnet64.

Um diesen Kern liegen weitere oder periphere Schichten, von denen in erster Linie zu nennen sind die zahlenmäßig bedeutende Schicht fachgebundener Lexik (Termini, Halbtermini, Fachjargonismen), ferner die Gruppenwortschätze sozialer Gruppen und der Altersgruppen. Und schließlich ist in der Schichtung die territorialgebundene Lexik (dialektale und landschaftliche) zu verzeichnen, die nachstehend näher erörtert wird (3.3.).

2. Aus diachroner Sicht ist der Wortbestand Produkt zahlreicher sozialbedingter und sprachlicher Übergange aus zentraler Schicht in periphere und umgekehrt. Die Wechselbeziehungen zwischen Allgemeinwortschatz und fachbezogener Lexik einerseits und Allgemeinwortschatz und Gruppenwortschätzen andererseits werden von verschiedenen semantischen Prozessen begleitet.

Die Übergänge gemeinsprachlicher Lexeme in Gruppenwortschätze sind mit gruppenspezifischer sprachlicher Absonderung bzw. Spezialisierung verbunden.

Die Übergänge der Grappenwortschätze in den Allgemeinwortschatz sind durch Erweiterung der sozialen Geltung und funktional-stilistischen Anwendung der letzteren bedingt, da sie sich in der Gemeinsprache in stilistisch markierte, meistens abwertende Synonyme verwandeln, wie das beispielsweise der Gebrauch des ehemaligen Argotismus Ganove in der Pressesprache zeigt.

Bei der Übernahme von Jargonismen und Argotismen in die Schrift-und Umgangssprache handelt es sich nicht nur um rein mechanische Auffüllungsprozesse, sondern auch um zusätzliche semantische und funktional-stilisti-sche Transformationen, die die soziale Geltung des Lexems verändern: vom beschränkten gruppenspezifischen Gebrauch zum gemeinsprachlichen.

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