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Stil. Morphologie Nach Bernhard Sowinski.doc
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Aber sag doch einer, wo der Moor bleibt? (Schiller, »Die Räuber«)

Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel. (Schiller, »Wallensteins Tod«)

In der Werbesprache der Gegenwart wird diese deiktische Funktion des bestimmten Artikels, die hier mitunter eine superlativische Funktion erfüllt, gern genutzt:

Philips bringt die Tiefenschärfe. (Rasiererwerbung)

Der große Magenbitter. Sechsämtertropfen. (Likörwerbung)

Die Haut-Hudsons – die ersten mit dem makellosen Sitz von schöner Haut ... (Strumpfhosenwerbung)

Zu beachten ist dabei die Wirkung des Suggestiv-Vertrauten des bestimmten Artikels, die sich aus seiner syntaktischen Verwendung als Wiederholungspronomen (nach vorheriger Kennzeichnung des Gemeinten)103 ergibt. Während der bestimmte Artikel häufig erst nach einer andersartigen Umschreibung des Bezugssubstantivs im Text erscheint, kann der unbestimmte Artikel (ein) sogleich am Textanfang stehen. Auch er individualisiert das Gemeinte, aber nur, indem er es aus anderem der gleichen Gattung hervorhebt. Der unbestimmte Artikel erweist sich so als charakteristisch für Texte mit geringem Individualisierungsgrad, z.B. Fabeln, Märchen, Exempel, während der bestimmte Artikel zur Individualisierung und größeren Vertrautheit des Bezeichneten beiträgt und daher in Romanen, Erzählungen u.dgl. bevorzugt wird.

Stilwerte der Personal- und Possessivpronomen

Von den übrigen Pronomina seien hier nur die Personal- und Possessivpronomen erwähnt. Ihre sprachliche Leistung besteht im Ausdruck der persönlichen Bezugnahme des einzelnen oder kollektiven Sprechers auf sich selbst, auf einen angesprochenen Partner oder eine besprochene Person oder Sache. Diese Kennzeichnung der persönlichen Perspektive, die auch bei den Possessivpronomen (besitzanzeigenden Fürwörtern) gegeben ist, ermöglicht es, die Formen der dritten Person dieser Wörter stellvertretend für Substantive in bestimmten Texten zu verwenden. Personal- und Possessivpronomen werden dadurch zu wichtigen Stilmitteln bei der Vermeidung von Wiederholungen und zu wichtigen Mitteln der Textkonstitution.104

In den meisten Fällen erscheinen Personal- und Possessivpronomen als stellvertretende Wiederholungswörter, die sich auf ein vorangehendes Substantiv (bzw. Personalpronomen bei 1. oder 2. Person) beziehen.

Texte, die sogleich mit Personal- und Possessivpronomen einsetzen, erschweren das Verständnis und gleichen Rätselformen, die die Lösung offenlassen; sie zwingen zu erhöhter Aufmerksamkeit und erwecken den Eindruck, daß man unmittelbar an einem Geschehen teilnimmt,weil die Vertrautheit mit den Fakten vorausgesetzt wird. Dieser Effekt tritt etwa in Werbetexten auf, besonders wenn die Kennzeichnung durch ein Bild gegeben ist (z.B. Er raucht nur x. – Ich wasche nur mit y.). In anderen Texten ist er selten zu finden. Doch sei an die Erzählung »Schwere Stunde« von Thomas Mann erinnert, die nur Personalpronomina als Subjekt kennt und Hauptpersonen, den Wallenstein-Dichter und seinen Weimarer Gegenpart, aus den geschilderten Umständen verdeutlicht. Ähnlich verfährt H. v. Hoffmannsthal in dem Gedicht »Die Beiden«, in welchem ein junger Mann nur durch »er« und ein junges Mädchen durch »sie« gekennzeichnet wird.

Der wiederholte Gebrauch von Personalpronomen bringt für Schreiber und Leser manche Schwierigkeiten mit sich. Je größer der Abstand zwischen Bezugswort (Substantiv) und Pronomen ist, desto unklarer kann der Zusammenhang werden, wenn andere Substantive dazwischentreten (vgl. S. 54 ff.). Meidet man den Ersatz durch Pronomina, so besteht leicht die Gefahr der Wortwiederholung. Hier gilt es, das rechte Maß zwischen Übersichtlichkeit und Ausdrucksvariation zu finden.

Den Personalpronomen (und den zugehörigen Possessivpronomen) kommen im einzelnen recht unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten und Stilwerte zu (vgl. W. Schneider105). Schon die Pronomina der 1. Person können stilbestimmend sein. Sie dominieren natürlicherweise dort, wo es um den persönlichen Erlebnis- und Gefühlsausdruck geht (in Briefen, Tagebüchern, Berichten, persönlichen Reden, Gebeten, in der Ich-Lyrik, im Ich-Roman und im dramatischen Gespräch und Monolog), wo die subjektive Sicht der Dinge oder die eigene Absicht hervorgehoben werden sollen. Der Wechsel von Singular zum Plural schafft weitere Aussagevarianten, ermöglicht den Ausdruck des Gemeinschafts- oder Kollektivbewußtseins wie die überrepräsentative Steigerung zum Pluralis mejestatis (z.B. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ...) oder seinem Gegenstück, dem bescheiden klingenden Pluralis modestiae (Plural der Bescheidenheit) vieler Autoren, die in sachlichen Texten das Ich der Selbstaussage selbst dann zu vermeiden suchen, wenn sie nicht eine Verstehensgemeinschaft mit den Lesern bilden.106

Gelegentlich wird diese kollektive Ausdrucksform auch von der Werbesprache aufgegriffen:

Das ist der Geschmack, der uns lächeln läßt.

Genießen Sie ihn. (Weinbrandwerbung)

Die Du-Form, ebenso wie die entsprechende Ihr-Form im Plural, Ausruck der vertraulicheren Anrede, kann auch zur Selbstanrede in monologischen Reflexionen wie in ermahnenden oder belehrenden Texten benutzt werden und dadurch zugleich auf Hörer oder Leser wirken:

Und was ist dein Beginnen? Hast du dir’s

Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht

Die ruhig, sicher thronende erschüttern ... (Schiller, »Wallensteins Tod«)

Vergnüge dich an dir, und acht es für kein Leid,

Hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen ...(P. Fleming, »An sich«)

In der neueren Prosa tritt an ihre Stelle oft die »erlebte Rede« oder der »innere Monolog« (vgl. S. 155 ff.).

Außerhalb dieser dichterischen Formen und des persönlichen Anredebereichs (zu dem auch die zahlreichen kommunikativen Situationen des Alltags gehören), ist die Du-Anrede nicht oft anzutreffen, allenfalls versteckt in imperativischen Wendungen in der Werbung (z.B. Nimm Blumen mit. Blumen verzaubern.) oder in allgemeinen Ermahnungen auf Plakaten (Hör auf deine Frau. Fahr vorsichtig!). Noch seltener stoßen wir hier auf die Ihr-Anrede, die erstmals eine höfliche Anrede war, bevor sie vom distanzierenden Sie abgelöst wurde. Gelegentlich versuchen Werbetexter ganze Gruppen im unmittelbaren pluralischen Ihr anzusprechen, wenn auch in der imperativischen Form ohne Personalpronomen:

Spült mal – fühlt mal: Kuschelweich macht Eure Wäsche kuschelig weich.

Die gängige Anredeform der Werbung, wie auch des amtlichen und nichtvertrauten Briefverkehrs und Gesprächs bleibt indes das höflichere Sie, das aber nach Situation und Kontext verschiedene Grade der Distanz einschließen kann.

Im Gegensatz zu den vertrauteren Anreden (Du, Ihr) erscheint die Sie-Anrede nur selten in der Lyrik, und zwar fast ausschließlich bei ironischen Dichtern (z.B. Heine, Kästner, Benn).

Die Personal- und Possessivpronomen der 3. Person sind als Kennzeichnungen der »besprochenen Personen« insbesondere in erzählenden, berichtenden und erläuternden Texten und Gesprächen anzutreffen. Eine Sonderstellung in stilistischer wie grammatischer Hinsicht kommt dabei den Pronomina es und man zu.

Es kann auftreten: als Nominativ oder Akkusativ des neutralen Personalpronomens (oft verkürzt zu ’s), als vordeutendes vorläufiges Subjekt (Es war einmal ein König ...), als Subjekt unpersönlicher Verben (es regnet), als allgemeiner Objektsakkusativ (Mit dir nehme ich es noch auf) und als (selten gebrauchter) archaischer Genitiv (Ich bin es sicher). Neben den üblichen Ersatzfunktionen kommen hier also Stilwerte des Archaischen und des Unbestimmten, auch zuweilen Unheimlichen, zur Geltung, z.B. in Balladen, Volksliedern und ähnlichen Dichtungen.

Das unbestimmte indeklinierbare Personalpronomen man »umfaßt singularische und pluralische Vorstellungen und reicht von der Vertretung des eigenen Ich bis zu der der gesamten Menschheit«107, wobei der pluralische Inhaltswert und der Stilwert des Anonym-Allgemeinen überwiegen. Das Pronomen eignet sich daher für Texte, die etwas Allgemeingültiges ausdrücken, ohne hier das Subjekt des Handelns näher bestimmen zu wollen, z.B. für Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte, aber auch für Gerüchte und (»gezielte«) Indiskretionen.

Die wenigen Hinweise machen deutlich, daß mit den einzelnen Personalpronomina durchaus Gebrauchs- und Stilnormen verknüpft sind, die bestimmte Wirkungen zeitigen.

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