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Stil. Morphologie Nach Bernhard Sowinski.doc
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Der Stilwert des Artikels

Neben den semantisch und morphologisch bestimmten Hauptwortarten gibt es im Deutschen mehrere rein funktionale Wortarten ohne semitischen Eigenwert. Von ihnen erweist sich der Artikel in seinen Aufgaben als besonders ambivalent und stilistisch variabel verwendbar. Von seinem Ursprung her als Demonstrativpronomen ist ihm oft noch eine hinweisende (deiktische) Bedeutung eigen (z.B. der (dieser) Mann war es!), als Geleitwort des Substantivs kennzeichnet er, oft in redundanter Weise, dessen grammatische Bezüge (Kasus, Numerus, Genus) und erlaubt in den Oppositionen von bestimmtem und unbestimmtem Artikel sowie im Gebrauch von Singular und Plural individualisierende und generalisierende Kennzeichnung 101 (vgl. S. 121).

Im folgenden seien einige Möglichkeiten des stilistisch bedeutsamen Artikelgebrauchs aufgeführt.102 Dabei ist zunächst zwischen grammatischem und stilistischem Artikelgebrauch zu unterscheiden. Der Zusaiz eines Artikels zu einem Substantiv kann im Deutschen als Regelfall angesehen werden, allerdings gibt es zahlreiche grammatisch übliche Ausnahmen. So fehlt er zumeist a) bei allgemeineren Substantiven mit Adjektivattributen (dichter Nebel) und bei allgemeinen Pluralangaben (fröhliche Kinder); b) bei Begriffswörtern (Tugend besteht); c) bei Eigennamen (Gott, Herr Meier, Karl); d) in (abstrahierenden) Sprichwörtern (Not lehrt beten); e) bei feststehenden Wendungen, besonders mit Präpositionen (von Haus und Hof); f) in Kurztexten (Protokollen, Telegrammen, Befehlen: Angeklagter gestand, Sendung eingetroffen, Gewehr ab); g) in Überschriften u.ä. (Vertrag unterzeichnet, Kind verunglückt, Zimmer gesucht u.ä.); h) bei Stoffnamen mit unbestimmter Menge (ich brauche Geld); i) bei erstarrten Präpositionalgefügen (an Bord, bei Tische usw.).

Wird in diesen Fällen ein Artikel zugefügt, so wird das Genannte hervorgehoben und individualisiert (z.B. der dichte Nebel – ein dichter Nebel; die fröhlichen Kinder; die Tugend; der Herr Meier; die Not usw.).

Es gibt Autoren, die diese grammatischen Möglichkeiten stilistisch nutzen. So hat z.B. Adalbert Stifter eine Vorliebe für den (deiktischen wie individualisierenden) bestimmten Artikel, auch an Stellen, wo er überflüssig ist:

Diese Frage ist allerdings eine wichtige und ihre richtige Beanrwortung von der größten Bedeutung. (Stifter, »Nachsommer«)

Um die Form bestimmter Artikel nicht einzuschränken, verzichtet Stifter auch auf die Verschmelzung mit Präpositionen:

Ich hatte Freude an allem, was als Wahrnehmbares hervorgebracht wurde, an dem Keimen der ersten Gräsleins, an dem Knospen der Gesträuche, an dem Blühen der Gewächse, an dem ersten Reif, der ersten Schneeflocke, an dem Sausen des Windes, dem Rauschen des Regens, ja an dem Blitze und Donner, obwohl ich beide fürchtete. (Stifter, »Nachsommer«)

Auch in Gesetztexten werden Artikel oft dort eingesetzt, wo sie entbehrlich sind. Vielleicht spielt dabei das Bestreben nach gründlicher, lückenloser Formulierung eine Rolle:

Die Eigentümer und Besitzer von Verkehrseinrichtungen können verpflichtet werden, diese ganz oder teilweise an einen zu bezeichnenden Ort zu bringen (§ 15, 2 Verk. SiG).

Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 sind nur auf Grund einer Weisung oder Ermächtigung des Bundesministers für Verkehr zulässig.

In der expressionistischen Prosa hingegen findet sich bei einzelnen Autoren eine Neigung zur Artikellosigkeit, die eine Form ihrer effektsuchenden Sprachgestaltung darstellt:

Und Dünkel ist Bild der kaum mehr tönenden Gefühle.(P. Zech, »Auf der Terrasse am Pol«)

»Er mußte über Boden gehen, der war weich ...« (G. Benn, »Der Geburtstag«)

Wie er nun dalag und ruhen wollte, brach Sonne schräg durchs Fenster ...

Es schien ihm aber ... Gebärde und Lachen infam ... (Sternheim, »Busekow«)

Ein wirkungsvoller Stileffekt wird auch erreicht, wenn ein Artikel gegen den üblichen Sprachgebrauch dem Substantiv zugefügt wird. Derartige deiktische Artikelsetzungen finden sich in der Alltagssprache oft vor Eigennamen (der Hans, die Liese, der Müller usw.).

In literarischen Texten schafft diese Personenkennzeichnung eine volkstümliche Vertrautheit:

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