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Stil. Morphologie Nach Bernhard Sowinski.doc
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Der Stilwert des Adverbs

Über den wortschatzmäßigen Umfang und die syntaktische Verwendung des Adverbs hat es in letzter Zeit manche Diskussion gegeben. Von neueren Forschern93 werden als Adverbien nur die Wörter angesehen, die als ergänzende Angaben zu finiten Verben oder anderen Wörtern erscheinen, ohne gegenstandsbezogen oder als Adjektiv attributiv verwendbar, deklinierbar und komparierbar zu sein (z.B. heute, oben, dort, nicht aber: schön, hoch, teuer, fleißig u.ä.), während nach älteren Auffassungen (entsprechend den Verhältnissen in anderen Sprachen) auch die als Verberläuterung (ad-verbum) verwendeten Adjektive zu dieser Wortart gezählt wurden. Die syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten und Stilwirkungen dieser Wörter ergeben sich aus ihrer Funktion als nähere Bestimmungen von Verben (hier sprechen, heute fahren), Substantiven (das Haus dort), Pronomina (ihr hier), anderen Adjektiven (sehr schön) und anderen Adverbien (schon heute).

Häufig übernehmen Adverbien eine stellvertretende Funktion, indem sie an Stelle einer (längeren) substantivischen adverbialen Bestimmung erscheinen (vgl. S. 133). Dies gilt nicht nur für Ortsadverbien wie hier, dort, da, drüben, dahinten, hinauf, herab u.dgl., sondern auch für zahlreiche Zeitadverbien wie jetzt, nun, dann, eben, gerade usw. sowie für modale Adverbien wie so, aber, ebenfalls, auch u.dgl., denen gleichfalls eine verweisende Funktion eigen ist.

Satzteile und Sätze, die durch adjektivische wie nicht-adjektivische Adverbien näher erläutert werden, unterscheiden sich von nichterläuterten Einheiten insofern, als ihre Angaben stärker determiniert und relativiert erscheinen, in bestimmten zeitlichen, örtlichen, modalen oder kausalen Bindungen verstanden werden müssen und dementsprechend ausführlicher, aber auch wenig absolut wirken.

Zusätzliche stilistische Möglichkeiten bietet die Gruppe der »Satzadverbien« oder Modalwörter96, die »die Einschätzung des Inhalts irgendeiner syntaktischen Beziehung» (oft des ganzen Satzes) »von Seiten des Sprechenden ausdrückt«, also nicht das Merkmal eines Vorgang oder einer Gegebenheit (Lage u.ä.) bezeichnet. Solche »Modalwörter« (wie natürlich, freilich, praktisch97, gewissermaßen, vielleicht, wahrscheinlich, möglicherweise, wohl, doch u.a.) werden auch dann gebraucht, wenn der Sprecher bzw. Autor eine Aussage in ihrer Gültigkeit einschränken oder bekräftigen will (z.B. Er wird wohl krank sein. Er hat sich natürlich entschuldigt.). Eine syntaktische Zuordnung dieser Modalwörter zu einem bestimmten Satzglied ist kaum möglich, es bleibt nur der Bezug auf die gesamte Satzaussage.

Der wiederholte Gebrauch einschränkender Wörter dieser Art (wie auch der ähnlicher Einschränkungen, z.B. wenn man so will, man könnte meinen) kann als charakteristisches Kennzeichen eines unsicheren, tastenden Stils98 angesehen werden, als Ausdruck eines vorsichtigen und unentschlossenen Schreibers, der sich nicht festlegen will. Allerdings wird man zwischen einer stilistischen Manier und einer vorhandenen Unsicherheit in der Sache differenzieren müssen.

Das Gegenstück zu derartigen Aussageeinschränkungen bilden die Aussageverstärkungen mit Hilfe von bestimmten Adverbien wie ja, zweifelsohne, selbstverständlich, durchaus, ganz und gar, gewiß, sicher(lich), stets, immer, keineswegs, keinesfalls, schlechterdings, natürlich, überhaupt u.ä. Sätze mit solchen Beteuerungszusätzen (die oft überflüssig sind) sollen durch eine besondere Bestimmtheit ausgezeichnet sein.99 Die Überbetonung des tatsächlich Gegebenen kann allerdings auch unnatürlich und ironisch wirken, so daß die beabsichtigte Wirkung in ihr Gegenteil umschlägt.

Zum Bereich der modalen Adverbien sind auch die meisten Verneinungswörter zu zählen (z.B. nein, nicht, keineswegs. keinesfalls, niemals, nirgends, nirgendwo), deren Gebrauch eine Reihe von stilistischen Variationen erlaubt. Hier kann nur kurz darauf hingewiesen werden.100 Das Negationswort nein tritt als selbständiges negatives Satzäquivalent auf, nicht dagegen als Satzgliedverneinung. Die reichsten Verwendungsmöglichkeiten sind dabei der Negation nicht eigen, die allein oder mit bejahenden Adverbien oder Konjunktionen (z.B. nicht – sondern, aber, vielmehr u.ä.) in verschiedener Stellung auftreten kann, so etwa als Verneinung des Subjekts (z.B. Nicht er, sondern sein Bruder hat es getan), des Objekts (Er fand nicht das Geld, sondern einen Brief: Er fand das Geld nicht, aber einen Brief), des Prädikatsverbs (Er lernte nicht, er träumte nur), des Prädikativs (Er ist nicht Student, sondern Vertreter), des adjektivischen Prädikativs (Er ist nicht krank), der adverbialen Angaben (Er kam abends nicht – Er kam nicht mehr).

Gelegentlich kann oder muß das Negationswort nicht durch gleichwertige Wörter ersetzt werden, z.B. können keine Seele und nicht eine Seele als synonym aufgefaßt werden, ebenso nicht und keineswegs, keinesfalls. Die lokalen Negationen nirgend, nirgendwo wirken dagegen verstärkend gegenüber einfachen nicht hier u.ä., sind aber nur durch an keiner Stelle u.ä. substituierbar. Ähnlich verhält es sich mit der Zeitnegation niemals, nie, die durch kein einziges Mal ersetzt werden kann, ebenso wie niemand durch kein einziger, kein Mensch.

Die Negation kann im Deutschen, je nach dem Sinn des verneinten Wortes bzw. Syntagmas, absoluter oder nur konzessiver Natur sein. Man vergleiche etwa: Er kommt nicht: Er läuft nicht (er fährt); nicht genug: nicht alle; nicht er tat es (sondern ich): er tat es nicht; er war nicht glücklich: er war unglücklich: er war nicht glücklich,sondern verärgert.

Das Verständnis der Negation hängt also oft vom Kontext wie von dem angesprochenen Gesamtzusammenhang (Wortfeld des Gemeinten, enger oder weiter Bedeutung u.ä.) ab. Das Negationswort nicht wird oft auch in relativem Sinne verwendet, z.B. als ironische Abschwächung (litotes): Er war nicht besonders klug = Er war dumm. Er war kein großer Held= Er war kein Held.

Negationen sind aufgrund ihrer Bindung an bestimmte Bejahungen ein beliebtes Stilrnittel, um positive Aussagen einzuleiten, Vergangenes und Gegenwärtiges abzugrenzen oder Fehlendes und Vorhandenes gegenüberzustellen. Die kontrastive Gegenübersetzung von Negiertem und Bejahtem, oft in der Form von Reihungen, ist ein beliebtes Stilmittel in der Lyrik, in Reden, Aufsätzen u.ä. Wie schon das älteste deutsche Gedicht, der »Wessobrunner Hymnus» (um 800) zeigt, ließ sich das Vorhandene, hier die Präexistenz Gottes, gut aus dem Gegensatz zum noch nicht vorhandenen übrigen Sein verdeutlichen:

Das erfuhr ich unter den Menschen als das bedeutendste Wissen,

Daß Erde nicht war noch Himmel oben,

Noch Baum ... noch Berg,

Noch irgendein Stern, noch die Sonne schien,

Noch der Mond leuchtete, noch das herrliche Meer.

Als da nichts war der Enden und Grenzen,

Da war doch der eine allmächtige Gott ... (Übersetzt v. G. Schneidewind)

Auch in der neueren Dichtung ist diese Stilform noch beliebt. Sie vermag das Negative in seiner Wirkung noch zu steigern, z.B. in Gedichten mit sozialem Bezug:

Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas

Zieht die Straße den gescheckten Gurt

Der Fassaden. Keine Bahnspur summt.

Immer glänzt das Pflaster wassernaß. (P.Zech, »Fabrikstraße tags«)

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