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Лексикология современного немецкого языка 92 :: 93 :: 94 :: 95 :: 96 :: 97 :: 98 :: Содержание 2.4. METHODEN DER WORTBILDUNGSANALYSE

2.4.1. MORPHEMANALYSE

Das Wort als komplexe Ganzheit besteht aus kleineren strukturellen Bauelementen und zwar aus Morphemen, die man als "kleinste bedeutungstragende sprachliche Einheiten" definieren kann, und die zum Unterschied von den Gegenstand der Lautlehre bildenden Phonemen und Silben, zur Morphologie (im weiteren Sinne des Wortes, d.h. zur Flexion und Wortbildung) gehören. Dieser Definition, die wir auch in der klassischen russischen Grammatik finden49, widersprechen nicht die Definitionen in der modernen Linguistik, die deskriptive Linguistik mitgezählt50. In der klassischen deutschen Germanistik wurde die Morphemanalyse als solche nicht durchgeführt und der Begriff des Morphems nicht erschlossen, obwohl die einzelnen form-und wortbildenden Elemente ausführlich behandelt wurden. Zum Unterschied von der traditionellen Sprachlehre beschäftigen sich die Germanisten unserer Zeit mit allen Fragen des Morphembestandes des Wortes, unabhängig davon, welche "Linie" oder welchen "Aspekt" sie vertreten. In unserer Germanistik wird der Morphemanalyse besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und sie wird sowohl auf dem Gebiet der Grammatik als auch auf dem Gebiet der Wortbildung konsequent durchgeführt, was nicht nur den Forderungen der modernen Sprachwissenschaft entspricht, sondern auch die Tradition der klassischen rassischen Grammatik fortsetzt. Was die germanischen Sprachen betrifft (d.h. ein weites Gebiet umfassend), so sind die Arbeiten von E.S. Kub-rjakova von besonderem Interesse.

Es muss betont werden, dass manche Aspekte der Morphemanalyse auf eine neue Art und recht ausführlich untersucht worden sind. Das ist teilweise den Bemühungen der Vertreter der amerikanischen deskriptiven Linguistik zu verdanken, obwohl manche von ihren Grundthesen nicht anzunehmen sind. Zu diesen Thesen gehört in erster Linie die Meinung, nicht das Wort, sondern das Morphem sei die grundlegende sprachliche Einheit, das Wort aber bloß eine Morphemkonstruktion, eine Folge oder Sequenz von Morphemen wie auch jede syntaktische Fügung. Diese These, die in der deskriptiven Fachliteratur ebenfalls bei weitem nicht konsequent beibehalten wird, widerspricht der realen Funktion der Sprache als des Mittels der Gestaltung und der Wiedergabe unserer Gedanken. Wir denken nicht mit Hilfe von Morphemen, sondern bedienen uns der Wörter in ihrer gegenständlichen Bezogenheit; wir benennen die Gegenstände und Erscheinungen der realen Welt mit Wörtern und nicht mit Morphemen. Sogar in dem

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Fall, wenn das Wort nur aus einem Morphem besteht (d.h. wenn es ein Wurzelwort ist), ist es mit diesem Morphem nicht identisch, denn nicht das Wurzelmorphem erscheint in der Paradigmatik als Komplex von grammatischen Formen, in der Syntagmatik als Träger einer bestimmten grammatischen Bedeutung, sondern das Wort; an der Wortbildung nimmt dagegen nicht das Wort, sondern das Wurzelmorphem teil. Abgesehen von dieser wie auch von einigen anderen nicht überzeugenden Thesen (siehe weiter unten) spielt der von den Deskriptivisten ausgearbeitete Apparat der Morphemanalyse in der modernen Linguistik eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Oben wurde das Morphem als kleinste bedeutungstragende sprachliche Einheit definiert.

Die nächste Frage der Morphemtheorie bezieht sich auf die Funktion der in der Sprache vorhandenen Morpheme. In der deskriptiven Linguistik werden sie in der Regel in zwei Klassen eingeteilt: in freie und gebundene Morpheme. Eine gleiche Einteilung gibt auch W. Fleischer, aber mit einer weiteren Systematisierung51. Die freien Morpheme können, wie er schreibt, allein als Grundmorpheme den lexikalischen Stamm des Wortes bilden, die gebundenen Morpheme erscheinen nur in Verbindung mit freien Morphemen. Es kann aber eine andere Einteilung vorgeschlagen werden, die Einteilung in lexikalische und grammatische Morpheme, die sich mit der obigen kreuzt, ohne mit ihr zusammenzufallen. Die ersten konstituieren den lexikalischen Stamm (die lexikalische Basis) des Wortes, d.h., dass sie den Träger seiner gegenständlichen Bezogenheit gestalten; die zweiten drücken die grammatische Bedeutung im Kommunikationsprozess aus. Die lexikalischen Morpheme können frei und gebunden sein; im ersten Fall sind es Wurzelmorpheme, im zweiten Fall lexikalische (wortbildende) Präfixe und Suffixe; die grammatischen Morpheme sind immer an den lexikalischen Stamm gebunden. Eine solche Einteilung, die als der sprachlichen Realität entsprechend anzunehmen ist, ist aber mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Erstens sind die lexikalischen Morpheme nicht immer einwandfrei von den grammatischen zu trennen. Ein Problem bildet das Suffix des Infinitivs -en. In unserer Germanistik wird es, wie oben bereits erwähnt, zu den grammatischen Morphemen gezählt. W. Fleischer meint, es handle sich einerseits um ein Wortbildungsmorphem, andererseits im System der Flexionsformen des Verbes um ein Flexionsmorphem52. Auch andere Fälle wären zu erwähnen wie z.B. die Suffixe der Steigerung, denn diese Kategorie wird manchmal als grammatische, machmal als wortbildende Kategorie betrachtet (strittig ist in erster Linie der Elativ, der in der Regel eine lexikalisierte Form darstellt, man vgl.: im äußersten Norden, aufs Schlimmste gefasst sein u.a.m.).

Im Deutschen lassen sich die Morpheme in linearer Verbindung meist leicht voneinander abgrenzen, d.h., dass auch das Grundmorphem leicht auszusondern ist. Es gibt aber Fälle, wo es immer "gebunden" ist: Das bezieht sich in erster Linie auf die verbale Wurzel, die (wie auch jeder andere verbale Stamm) ohne grammatisches Morphem nicht erscheint (mit Ausnahme von einigen Fällen, wo der Imperativ Singular mit dem Stamm zusammenfällt: Komm! Geh! Schreib!). "Gebunden" sind auch einige Wurzelmorpheme

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neben dem unbetonten Suffix -e, das leicht eliminiert wird: Affe - Äffin, Erde - Erdball u.a.m. (eliminiert werden können auch andere Endlaute - siehe weiter unten).

Die gebundenen grammatischen Morpheme bilden ein geschlossenes System, was sich jedoch auf die gebundenen lexikalischen Morpheme nicht vorbehaltlos bezieht. Einerseits gibt es solche Affixe, die sich nur noch isoliert erhalten haben (Zier-de\ Wüte-rich); andererseits beobachten wir einen interessanten Prozess, den W. Fleischer "Morphematisierung fremdsprachiger Elemente" nennt. Als solche erwähnt er z.B. tele-(Teleklub, Television), mini-(Minirock, Ministraßenbahn u.a.). Auch die sogenannten Halbaffixe (siehe weiter unten) bilden kein deutlich umrissenes System, denn einige von ihnen verlieren in verschiedenem Maße ihre Verbindung mit den ihnen entsprechenden Wörtern, die anderen stehen noch den Komponenten einer Zusammensetzung nahe.

Ein besonderes Problem ist das Problem "des Nullmorphems", das eigentlich zum grammatischen System gehört, manchmal aber auch im Zusammenhang mit der Wortbildung erwähnt wird. In der Grammatik versteht man unter der "Nullform" eines Wortes eine grammatische Form, die durch kein gebundenes Morphem gestaltet ist, z.B. Komm! (Imperativ Singular), (ich lese) das Buch (Akkusativ Singular), (das Kind ist) krank (kurze Form eines Adjektivs) u.a.m. Die Nullformen existieren nur in dem Fall, wenn sie flektierten Formen in ein und demselben Paradigma gegenübergestellt werden, vgl. komm! im verbalen, Buch im substantivischen, krank im adjektivischen Paradigma. Die Nullform wird durch das Fehlen eines grammatischen Morphems, mit anderen Worten, durch ein "Nullmorphem" gestaltet, denn das Fehlen eines Morphems ist im Vergleich mit den durch Morpheme gekennzeichneten Formen ein Zeichen der grammatischen Bedeutung. Was die Wortbildung angeht, so wird manchmal die Meinung geäußert, dass die af-fixlose oder implizite Ableitung mit Hilfe eines "Nullmorphems" ihren Ausdruck findet53, was uns aber strittig zu sein scheint, denn hier werden ganz unterschiedliche sprachliche Fakten identifiziert.

Die Identität der Morpheme und ihre Kriterien gehören zu den Fragen, die in der deskriptiven Linguistik ausführlich beleuchtet wurden. An und für sich ist das Problem nicht neu. Es ist allgemein bekannt, dass sich das Wurzelmorphem eines Wortes bei der grammatischen Abwandlung verändern kann, wobei die lexikalische Bedeutung des Wortes stabil bleibt, z.B. lesen - las, (du) liest u.a. bei den Verben; Haus - Häuser bei den Substantiven; stark - stärker bei den Adjektiven. In der deskriptiven Linguistik wird das Morphem als Komplex betrachtet, als eine Gesamtheit von Varianten, die als dessen Manifestierung in konkreter Umgebung realisiert werden. Diese Varianten werden Allomorphe oder Morphemalternanten genannt. Als Kriterien der Identität des Morphems (d.h. auch der Definition eines Allomorphs) werden genannt: 1. gleiche Bedeutung; 2. komplementäre Distribution; 3. das Auftreten in parallelen Konstruktionen54.

Wie bekannt, ist die Distribution die Summe aller Kontexte, in denen eine sprachliche Einheit gebraucht wird, zum Unterschied von den Kontexten,

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in denen sie nicht erscheinen kann. Die komplementäre Distribution ist die Umgebung einer sprachlichen Einheit, die die Umgebung aller übrigen sprachlichen Einheiten ausschließt: Im gegebenen Fall heißt es, dass jedes Allomorph in einer solchen Umgebung gebraucht werden kann, die für die übrigen Allomorphe des betreffenden Morphems nicht möglich ist. So kann z.B. das Allomorph/mö?- (finden} in der Distribution des Präteritums (man vgl. fand-} oder des Partizips (gefunden} nicht erscheinen; dagegen gilt für fand- nur die Distribution des Präteritums, für -fund- des Partizips II; haus ist an den Singular, haus- an den Plural gebunden u.a.m.

Die phonematische Ähnlichkeit oder Nichtähnlichkeit der Allomorphe wird nicht in Betracht gezogen. In der Sprachwissenschaft unseres Landes wird im Gegenteil anerkannt, dass das Vorhandensein von Allomorphen durch ihre phonematische Ähnlichkeit bedingt sein muss, d.h. dass das Vorhandensein einer phonematischen Invariante als viertes Kriterium der Identität des Morphems anzunehmen ist55. Von diesem Standpunkt aus enthalten die suppletiven grammatischen Formen (sein, ich bin ... war, gut, besser u.a.) keine Allomorphe, sondern unterschiedliche Wurzelmorpheme, die in ein und demselben Paradigma vereinigt werden (zum Unterschied von lesen, du liest - las; klug - klüger u. a. m., wo man es mit Allomorphen ein und desselben Morphems zu tun hat). Auch sind die Verkleinerungssuffixe -chen und -lein wie auch die partizipialen Suffixe -en und -t keine Allomorphe, sondern verschiedene Morpheme, obwohl sie gleiche Funktionen erfüllen. Das Vorhandensein von Allomorphen ist typisch für die Wurzelmorpheme der starken Verben, auch oft der Substantive und der Adjektive. Dabei gilt für die grammatische Abwandlung der Verben der Ablaut, die Tonerhöhung und der Umlaut, z.B. geben - (du) gibst, gabst, gäbest, der Substantive und der Adjektive nur der Umlaut, z.B. Schrank - Schränke, stark - stärker. Die Allomorphe kennzeichnen auch manche Wurzelmorpheme bei der Wortbildung, wobei hier dieselben Prinzipien gelten wie bei der grammatischen Abwandlung, wenn auch mit einigen Besonderheiten: stabil bleiben aber immer die komplementäre Distribution und die phonematische Invariante. Die Semantik kann mehr oder weniger variieren im Zusammenhang mit den entsprechenden Wortbildungsprozessen, wobei aber das Wurzelmorphem durch eine semantische Invariante gekennzeichnet wird, die das "Wortbildungsnest" zusammenhält, man vgl.: der Garten - der Gärtner (ein Mann, dessen Tätigkeit mit Gärten verbunden ist); der Berg - das Gebirge (mehrere Berge, eine Gesamtheit von Bergen); das Haus - das Gehäuse (Behältnis nach der Art eines Hauses); singen - der Sänger (jmd., der singt); warm - wärmen (warm machen); springen - der Sprung (die dem "springen" entsprechende Aktion, gegenständlich gedacht) u.a.m. Während sich die Sprache entwickelt, kann die semantische Verbindung zwischen den etymologisch verwandten Wörtern verschwinden, und die Allomorphe des Wurzelmorphems verwandeln sich in homonyme Wurzelmorpheme, z.B. Gift - geben, Mitgift, Hof- höflich u.a.m.

Speziell ist zu betonen, dass die Allomorphe in der Wortbildung oft den Allomorphen bei der grammatischen Abwandlung des Wurzelwortes entsprechen,

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man vergleiche: der Garten - die Gärten und der Gärtner, der Kranz - die Kränze und bekränzen; das Buch - die Bücher und das Büchlein; klug - klüger und ausklügeln; groß - größer und die Größe; stark - stärker und die Stärke, stärken; trinken - trank - tränke - getrunken und der Trinker, der Trank, der Trunk, tränken; bergen - birgst und der Berg, das Gebirge; binden - band - bände - gebunden und die Binde, der Band - die Bände, der Bund u.a.m.

Was das Kriterium "parallele" Konstruktionen angeht, so kommt es in der Wortbildung nicht so konsequent wie bei der grammatischen Abwandlung zum Ausdruck. Wie schon gezeigt wurde, sind die Allomorphe in der Grammatik und in der Worbildung identisch, aber das heißt durchaus nicht, dass hier eine vollständige Symmetrie vorherrscht. So gibt es Fälle, wo einem in der Grammatik polyallomorphen Morphem nur ein monoallomor-phes Morphem in der Wortbildung entspricht, und umgekehrt, man vgl.: •werben - wirbst - warb - würbe - geworben und die Werbung, der Bewerber; klar - klarer und klären; Schule - Schulen und der Schüler u.a.m. Diese Assymetrie lässt sich durch komplizierte historische Prozesse erklären, die mit der Wortbildung verbunden sind.

Für die gebundenen Wortbildungsmorpheme (Präfixe und Suffixe) gelten die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Morphemvariierung nicht. Nur in einigen Fällen lässt sich eine ähnliche Erscheinung aussondern, wenn neben einem älteren Suffix, dessen Verbindung mit einem anderen Suffix oder eine Verschmelzung mit dem Auslaut des Wortstammes im Wortbildungssystem vorhanden sind; vgl.: -er, -ler, -ner, -aner, -ianer, -enser; -heit, -keit, -igkeit; -ei, -erei, -elei u.a.m. In der Regel haben solche Suffixvarianten gleiche kategoriale Bedeutung (siehe weiter unten) und werden durch komplementäre Distribution gekennzeichnet, denn sie treten an verschiedene Stämme - Lehr-er, Künst-ler, Schaff-пег, Amerik-aner, Hall-enser, Frei-heit, Fröhlich-keit, Arbeitslos-igkeit, oder (wenn sie an ein und denselben Stamm angehängt werden) verleihen sie den Wörtern verschiedene Bedeutung Neuheit - Neuigkeit. Was die Präfixe anbelangt, so verfügt die deutsche Sprache der Gegenwart nur über ein einziges Beispiel solcher Variation, und zwar miss-: Misserfolg, -ernte, -ton, -laune usw. und Misse-tat. Präfixale Allomorphe erscheinen in Entlehnungen: ad - assimilieren, Assistent, in - illegal, irregulär56.

Wie bereits gesagt, lassen sich die deutschen Wörter im allgemeinen leicht in Morpheme zerlegen; dabei hat jedes Morphem seinen eigenen Inhalt. Es gibt aber auch Fälle, wo die Morphemanalyse mit Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Fälle lassen sich nicht eindeutig erklären. Allgemein bekannt ist, dass ein Kompositum oft Fugenelemente (Bindelemente) enthält, die die beiden Komponenten miteinander verknüpfen. Formell fallen sie mit den grammatischen Morphemen zusammen, und zwar mit den genitivischen Flexionen oder den Pluralsuffixen der Substantive: -(e~)s, -(<?)", -er, -e, -ens (selten), was ihrer Herkunft auch entspricht; (teilweise erscheint -e als Rest eines stammbildenden Elementes, vgl.: fr. nhd. gras-e-mücke, tag-e-lön; auch nach einem verbalen Stamm wie in Werdegang, Nagetier u.a.m.).

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In den meisten Fällen entspricht auch jetzt das Fugenelement den grammatischen Morphemen der ersten Komponente, vgl.: Tageslicht, Menschenkraft, Bücherschrank, Pferdestall. Als Ausnahmen sind zu nennen: das "unorganische ,s"' nach einer Konstituente weiblichen Geschlechts, oft nach "schweren" Suffixen, d.h. solchen, die mehrere Konsonanten enthalten: Wirtschaftsplan, Erholungsheim, Freiheitskampf u.a. und auch nach der Konstituente liebe - Liebesdienst, Liebespaar u.a. oder -n als Rest alter Kasusformen Sonnenstrahl, Schwanenlied. Was die Semantik anbelangt, so entspricht das Fugenelement bei weitem nicht immer der genitivischen oder der pluralischen Bedeutung der Verbindung, man vgl.: Jägersmann, Lieblingsbuch, Kinderkopf, Städtename usw. Auch fehlt das Fugenelement da, wo es zu erwarten wäre (Augapfel, Hausflur, schließlich gibt es strukturelle Varianten mit gleicher Bedeutung (Schiff- und Schiffsbau, Herz- und Herzensbruder u.a.m.). So kann man zur Schlussfolgerung kommen, das Fugenelement sei in der Gegenwartssprache kein regelrechtes Morphem, sondern nur ein fakultatives Funktionszeichen der Verbindung von zwei Konstituenten miteinander, das teilweise infolge einer historischen Tradition, teilweise aus phonetischen Gründen, dabei aber bei weitem nicht immer konsequent genug gebraucht wird. Das heißt, dass das Fugenelement eine Art von "leerem Morph", ein strukturelles Element ohne Inhalt darstellt. Dasselbe gilt für das "unorganische t" (auch "Übergangslaut" oder "Gleit-t" genannt): Dieses t erscheint aus rein phonetischen Gründen innerhalb des Wortstammes zwischen der Lautverbindung -en, -ne und einem wortbildenden Element: wesentlich, eigentlich, wöchentlich; meinet-, deinetwegen u.a.m.

Eine andere Erscheinung liegt in den Fällen vor, wo neben einem regelrechten Wurzelmorphem oder einem Wortbildungselement sich ein Lautkomplex aussondern lässt, der weder zu der ersten noch zu der zweiten Art von Morphemen gezählt werden kann. Das Wurzelmorphem kann natürlicherweise an der Komposition und an der affixalen Ableitung teilnehmen, aber als Test bleibt die Möglichkeit, es als einziges stammbildendes Morphem zu gebrauchen; vgl.: Lebensglück, Unglück, glücklich und das Substantiv Glück, dessen Stamm dem Wurzelmorphem glück identisch ist. Gebundene Wortbildungsmorpheme - Präfixe und Suffixe - besitzen die Fähigkeit, serienweise in verschiedenen Wörtern zu erscheinen, wobei sie ihnen in der Regel eine bestimmte kategoriale Bedeutung verleihen, man vgl.: Unglück, Unsinn, Undank (negative Bedeutung); rötlich, ärmlich, ältlich, säuerlich (Milderung des durch das Grundmorphem ausgedrückten Merkmals). Ganz anders steht es mit den Lautkomplexen innerhalb der Wortstämme, die weder den Kriterien der Wurzelmorpheme noch der Wortbildungsaffixe entsprechen. Solche Lautkomplexe können unikalen Charakter haben oder in einer ganzen Gruppe von Wörtern erscheinen. Unikalen Charakter haben Lautkomplexe neben Wortstämmen: -gam in Bräutigam, -gall in Nachtigall, de-in Demut u.a.m. und neben Wortbildungsaffixen:/er- in Ferkel, löff- in Löffel, -liefer in Ungeziefer, -geheuer in Ungeheuer, -ginnen in beginnen, -Heren in verlieren, -gessen in vergessen u.a.m. Solche Lautkomplexe erhalten in der Fachliteratur verschiedene Benennungen: "Quasi morphe", "Submor-

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phe" u.a. Unserer Meinung nach ist hier der Ausdruck "Restelement" berechtigt, obgleich solche Lautkomplexe historisch auf Morpheme zurückzuführen sind: in der Synchronie sind es unikale "Reste", die sich nach dem Abstreichen der Wurzel- oder Wortbildungsmorpheme aussondern lassen. Solche Wörter sind als Ganzheiten nur teilweise motiviert (Nachtigall ist mit der Nacht verbunden; Ungeheuer hat negative Bedeutung u.a.m.) und gehören zu den peripheren Gebilden, die den Wurzelwörtern naheliegen.

Eine andere Art von Lautkomplexen stellen solche Elemente dar, die ebenfalls nicht den Kriterien der regelrechten Morpheme entsprechen, aber zum Unterschied von den "Restelementen" keinen unikalen Charakter haben: Sie erscheinen in einem ganzen Wortnest neben verschiedenen Affixen. Solche Wortnester sind zahlreich im Bestand der Entlehnungen, die mehr oder weniger eingedeutscht sind wie auch die entsprechenden Wortbildungsaffixe, man vgl.: studieren, Student, Studium', demonstrieren, Demonstrant, Demonstration; elektrisch, Elektrizität, Elektrik u.a. Die Lautkomplexe stud-, de-monst-, elektr- u.a. schlagen wir vor, "Pseudowurzeln" zu nennen, denn, obgleich sie immer an Affixe gebunden sind, verleihen sie den Wörtern des Wortnestes, die einander gegenseitig motivieren, ein und dieselbe Grundbedeutung.

Auch im Bestand der Entlehnungen gibt es Wörter mit unikalen "Restelementen" wie bar- in Baron, balk- in Balkon u.a. Speziell sind Wörter zu nennen, die aus zwei gebundenen Elementen bestehen, wobei schwer zu bestimmen ist, welches Element als Pseudowurzel zu betrachten ist, man vgl.: Kosmodrom, Kosmonaut, Aerodrom u.a. In den erwähnten Fällen, die in der modernen Sprache recht verbreitet sind, wirken gleichzeitig zwei Faktoren: eine stets zunehmende Tendenz zur Entlehnung von ganzen Wörtern und Wortbildungselementen, außerdem die Neigung zur Analogie, die in der Wortbildung eine große Rolle spielt.

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