Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
Сборник упражнений по лексикологии.doc
Скачиваний:
23
Добавлен:
24.11.2019
Размер:
541.18 Кб
Скачать

Allseitige analyse

Übung 1. Schreiben Sie aus folgenden Texten die Wörter uml Wortverbindungen aus, die Sie lexikologisch charakterisieren können, und erklären Sie diese vom Standpunkt der Wortbildung, der Entlehnung, des Bedeutungswandels, der Phraseologie usw. aus:

I. Und dieser Mann um die Fünfzig, dieser alt gewordene Herumtreiber, Nichtstuer und Weiberheld be­llete wie ein Schulkind: Ach, lieber Gott, laß mich doch noch einmal Glück haben, nur dieses einzige Mal noch! Ich will auch ganz bestimmt ein anderes Leben anfäll­igen, nur mach, daß mich die Hete aufnimmt!

So betete, bettelte er. Und dabei wünschte er doch, daß es noch recht lange hin bis zum Ladenschluß sein möchte, bis zu dieser ausführlichen Aussprache und seinem Geständnis, denn irgend etwas gestehen mußte er der Hete, das war klar. Wie sollte er ihr sonst begreiflich machen, warum er hier mit Sack und Pack angerückt kam, und mit einem so dürftigen Sack und Pack dazu! Er hatte doch vor ihr immer den großen Mann gespielt.

Und dann war es plötzlich doch soweit. Schon längst war die Ladentür geschlossen, anderthalb Stun­den hatte es dann noch gekostet, all seine Bewohner mit frischem Wasser und Futter zu versehen und den Laden aufzuräumen. Nun saßen die beiden einander gegenüber an dem runden Sofatisch, hatten gegessen, ein wenig geplaudert, immer ängstlich das Hauptthema vermeidend, und plötzlich hatte diese zerfließende, ver­blühte Frau den Kopf erhoben und gefragt: «Nun, Hänschen? Was ist es? Was ist dir geschehen?»

Kaum hatte sie diese Worte in einem ganz mütter­lich besorgten Ton gesprochen, da fingen bei Enno die Tränen an zu fließen; erst langsam, dann immer reich­licher strömten sie über sein mageres, farbloses Gesicht, dessen Nase dabei stets spitzer zu werden schien.

Er stöhnte: «Ach, Hete, ich kann nicht mehr! Es ist zu schlimm! Die Gestapo hat mich vorgehabt...»

Und er barg, laut aufschluchzend, den Kopf an ihrem großen, mütterlichen Busen.

Bei diesen Worten richtete Frau Hete Häberle den Kopf auf, in ihre Augen kam ein harter Glanz, ihr Nacken steifte sich, und sie fragte fast hastig: «Was haben sie denn von dir gewollt?»

Der kleine Enno Kluge hatte es — in nachtwand­lerischer Sicherheit — mit seinen Worten so gut, wie es nur möglich war, getroffen. Mit all seinen ändern Ge­schichten, mit denen er sich an ihr Mitleid oder an ihre Liebe hätte wenden können, wäre es ihm nicht so gut ergangen wie mit diesem Wort Gestapo. Denn Witwe Hete Häberle haßte Unordnung, und nie hätte sie einen liederlichen Herumtreiber und Zeittotschläger in ihr Haus und in ihre mütterlichen Arme genommen. Aber das eine Wort Gestapo öffnete ihm alle Pforten ihres mütterlichen Herzens, ein von der Gestapo Verfolgter war von vornherein ihres Mitleids und ihrer Hilfe sicher.

Denn ihren ersten Mann, einen kleinen kommuni­stischen Funktionär, hatte die Gestapo schon im Jahre 1934 in ein KZ abgeholt, und nie wieder hatte sie von ihrem Mann etwas gesehen und gehört, außer einem Paket, das ein paar zerrissene und verschmutzte Sa­chen von ihm enthielt. Obenauf hatte der Totenschein gelegen, ausgestellt vom Standesamt II, Oranienburg, Todesursache: Lungenentzündung. Aber sie hatte spä­ter von andern Häftlingen, die entlassen worden wa­ren, gehört, was sie in Oranienburg und in dem nahe gelegenen KZ Sachsenhausen unter Lungenentzündung verstanden.

Und nun hatte sie wieder einen Mann in ihren Armen, einen Mann, für den sie bisher seines schüchter­nen, anschmiegenden, liebebedürftigen Wesens halber schon Sympathie empfunden, und wieder war er von der Gestapo verfolgt.

«Ruhig, Hänschen!» sagte sie tröstend. «Erzähle mir nur alles. Wenn einer von der Gestapo verfolgt wird, der kann von mir alles haben!» (H. Fallada.)

II. Karl Alexander schickte Magdalen Sibylle prächtige Geschenke, flandrische und venezianische Gobelins, goldene Parfümfläschchen mit persischem Ro­senöl, ein arabisches Reitpferd, ein Perlengehänge. Er war kein Filz, er ließ sich nicht lumpen, und er betrachtete Magdalen Sibylle als seine erklärte Mätresse. Täglich kam der Kammerdiener Neuffer, fragte förmlich im Auftrag des Herzogs nach dem Befinden der Demoiselle.

Magdalen Sibylle ließ sich alles kalt und wortlos gefallen. Sie ging stumm wie eine Tote, starr das männlich kühne, schöne Gesicht, verpreßt die Lippen, die Arme seltsam steif. Sie verließ das Haus nicht, sie sagte guten Morgen, guten Abend, sonst nichts, sie aß allein, sie kümmerte sich nicht um das Hauswesen. Sie hatte zu niemandem, zu ihrem Vater nicht, zu nieman­dem über die Sache mit dem Herzog gesprochen, es kam vor, daß sie ihren Vater tagelang nicht sah.

Weißensee wagte keinen Versuch, sie aus ihrer Starre zu wecken. Er war nobilitiert worden, er hatte jetzt den Rang eines Konferenzministers. Er war flat­terig und sehr elend, er fühlte das Mißtrauen seiner Kollegen vom engeren landschaftlichen Ausschuß, er wollte sich aussprechen mit Harpprecht, dem Juristen, mit Bilfinger, der ein rechter, ehrlicher Mann war und sein Freund. Er wagte es nicht.

Magdalen Sibylle saß stundenlang und starrte. Sie war aus sich herausgeworfen, zertrampelt, zerfetzt, zer­wüstet.

Waren dies ihre Arme? Wenn sie sich stach, war das ihr Blut? Das Seltsamste war, sie hatte keinen Haß gegen den Herzog (L. Feuchtwanger).

III. Die Vorgänge auf dem Friedhof und bei dem darauffolgenden Imbiß im Reitherschen Hause sollten noch lange Zeit in der sogenannten besten deutschen Gesellschaft Prags durchgehechelt werden.

Da war zuerst der skandalöse Zwischenfall an der offenen Familiengruft. Er ereignete sich während der Grabrede, die Doktor Koch vom «Tagesanzeiger» hielt. Der etwas asthmatische Chefredakteur geriet bei der Schilderung seines ersten Zusammentreffens mit Alexan­der Reither, zur Zeit der Dreyfus-Affäre, unversehens in einen Dithyrambus auf das holde Frankreich und wurde von Rankl, der diese Französelei als Herausfor­derung empfand, rüde unterbrochen. Es folgte ein Wortwechsel, in dessen Verlauf Doktor Koch seinen Gegner einen anmaßenden Parvenü und intolerablen Fremdkörper im Reitherschen Hause nannte, was wie­derum Rankl dermaßen in Wallung versetzte, daß er mit erhobenen Fäusten auf Koch eindrang, um ihn Mores zu lehren. Wäre der Sarg nicht plötzlich zur Seite gekippt und in die Tiefe gepoltert, so hätte das Begräbnis in einer regelrechten Schlägerei geendet.

Diese Vorfälle und ein Wintergewitter, durch das der Regen in einen Wolkenbruch verwandelt wurde, bewirkten, daß nur ein kleiner Teil der Trauergesell­schaft sich zu dem traditionellen Nach-Begräbnis-Imbiß einfand. Es waren trotzdem immer noch zu viele uner­wünschte Zeugen bei dem Familienkrach anwesend, zu dem es kam, als Max Egon Reither, über dessen Fehlen bereits getuschelt worden war, nun mit einemmal auf­tauchte: nicht in der Uniform des Freiwilligen Automo­bilkorps (als dessen Mitglied er bei einem Armee­kommando im Osten Dienst tat), sondern in einem zerknitterten Pepita-Anzug. Er erklärte der peinlich berührten Karoline, ihm sei beim Umsteigen in Przemysl der Koffer mit seinem Extrawaffenrock gestohlen worden; völlig durchnäßt in Prag angelangt, habe er dann stundenlang unter seinen eingekampferten Zivil­sachen nach einem, der Gelegenheit entsprechenden, Anzug gesucht, der ihm noch halbwegs sitzen würde, und darüber schließlich die Beerdigung versäumt. Mit einem zerstreuten Lächeln fügte Max Egon hinzu, er fühle sich trotzdem eher erleichtert als bedrückt, da ihm Begräbnisse seit jeher eine unüberwindliche Abneigung einflößten — eine Regung, die übrigens von seinem Vater verstanden worden sei (F. C. Weiskopf).

IV. Aber der menschliche Genius weiß sogar die Unnatur zu verklären, vielen Malern gelang es, die unnatürliche Aufgabe schön und erhebend zu lösen, und namentlich die Italiener wußten der Schönheit etwas auf Kosten des Spiritualismus zu huldigen und sich zu jener Idealität emporzuschwingen, die in so vielen Darstellungen der Madonna ihre Blüte erreicht hat. Die katholische Klerisei hat überhaupt, wenn es die Madonna galt, dem Sensualismus immer einige Zugeständnisse gemacht. Dieses Bild einer unbefleckten Schönheit, die noch dabei von Mutterliebe und Schmerz verklärt ist, hatte das Vorrecht, durch Dichter und Maler gefeiert und mit allen sinnlichen Reizen ge­schmückt zu werden. Denn dieses Bild war ein Magnet, welcher die große Menge in den Schoß des Christentums ziehen konnte. Madonna Maria war gleichsam die schöne Dame du Comptoir der katholischen Kirche, die deren Kunden, besonders die Barbaren des Nordens, mit ihrem himmlischen Lächeln anzog und festhielt.

Die Baukunst trug im Mittelalter denselben Charak­ter wie die andern Künste, wie denn überhaupt damals alle Manifestationen des Lebens aufs wunderbarste miteinander harmonierten. Hier, in der Architektur, zeigt sich dieselbe parabolische Tendenz wie in der Dicht­kunst. Wenn wir jetzt in einen alten Dom treten, ahnen wir kaum mehr den esoterischen Sinn seiner steinernen Symbolik. Nur der Gesamteindruck dringt uns un­mittelbar ins Gemüt. Wir fühlen hier die Erhebung des Geistes und die Zertretung des Fleisches. Das Innere des Doms selbst ist ein hohles Kreuz, und wir wandeln da im Werkzeuge des Martyriums selbst; die bunten Fenster werfen auf uns ihre roten und grünen Lichter wie Blutstropfen und Eiter; Sterbelieder umwimmern uns; unter unseren Füßen Leichensteine und Verwesung, und mit den kolossalen Pfeilern strebt der Geist in die Höhe, sich schmerzlich losreißend von dem Leib, der wie ein müdes Gewand zu Boden sinkt. Wenn man sie von außen erblickt, diese gottischen Dome, diese un­geheuren Bauwerke, die so luftig, so fein, so zierlich, so durchsichtig gearbeitet sind, daß man sie für ausge­schnitzelt, daß man sie für Brabanter Spitzen von Märmor halten sollte: dann fühlt man erst recht die Gewalt jener Zeit, die selbst den Stein so zu bewältigen wußte, daß er fast gespenstisch durchgeistet erscheint, daß sogar diese härteste Materie den christlichen Spiritua­lismus ausspricht (H. Heine).