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18.11.2019
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Künstliche IntelligenzDenkkraft ohne Selbstbewusstsein

Von Frank Patalong

Mensch (von Leonardo da Vinci): Was er selbst nicht kann, schafft er mit Werkzeugen

Wenn Maschinen in Denkdisziplinen Menschen schlagen, flammt stets die Diskussion um künstliche Intelligenz neu auf. Für manche ist das eine Verheißung, für andere ein Alptraum. Aber vor allem ist es ein Irrtum: Wir unterschätzen, wie überlegen wir der Maschine eigentlich sind.

Das Ergebnis steht, es gibt wenig daran zu deuteln: Im intellektuellen Wettstreit des Rechners IBM Watson gegen zwei Vertreter der Menschheit sahen letztere nicht gut aus. Und das nicht etwa im Schach, diesem prinzipiell berechenbaren Strategiespiel. Hier haben die meisten Menschen gegen ein gutes Programm schon seit mehr als zwei Jahrzehnten keine Chance mehr, unsere Schachgroßmeister wurden ab 1997 (Rechner Deep Blue, ebenfalls IBM) in Serie geschlagen.

Geht es um solches "Number Crunching" (wörtlich: "Zahlen zermalmen", gemeint ist die Verarbeitung numerischer Informationen), haben Wettbewerbe zwischen Mensch und Maschine längst ihren Reiz verloren. Handelsübliche Programme wie Fritz oder Shredder sind heute auf normalen Desktop-PC kaum mehr zu schlagen. Inzwischen gibt es Schach-Apps für Smartphones, an denen sich selbst starke Spieler den Schädel zerbrechen.

Den Nimbus der überlegenen menschlichen Intelligenz hat das nie auch nur ankratzen können. Deep Blue mochte die Möglichkeit haben, in Sekundenbruchteilen Millionen von Berechnungen anzustellen, ansonsten aber war er doof wie Bohnenstroh, wenn man ehrlich ist. Rechner wie Deep Blue lösen kein Problem, beantworten keine Frage, auf die man sie nicht vorbereitet hat.

Ein Schachprogramm - die eigentliche "Intelligenz" eines Rechners sitzt in der Software, nicht in der modular skalierbaren Hardware - wirft nichts aus, was man in Form von Regeln nicht vorher hineingefüttert hätte. Die Intelligenz des Programms ist also ein Spiegel der Intelligenz seiner Programmierer. Deep Blue wurde programmiert, um Menschen schlagen zu können: ein beeindruckendes Beispiel menschlicher Intelligenz.

Werkzeug bleibt Werkzeug

Der Rest ist eine "Mechanik", die Rechenprozesse um Potenzen schneller abarbeitet als unser Gehirn das je könnte, ansonsten an zerebraler Kapazität aber vor allem Quantitatives zu bieten hat: riesige, potentiell unendliche Speicherkapazitäten. Eine nach Moores Gesetz sich alle paar Monate verdoppelnde Komplexität der Schaltkreise. Unermüdliche Arbeitskraft. Ideal für Number Crunching.

Jetzt aber mussten zwei Großmeister einer Disziplin ihre Niederlage eingestehen, die wir bisher für unser ureigenstes Revier hielten: die Beantwortung von Fragen, basierend auf ambivalenten, teils obskuren oder verklausulierten Informationen. Bei der Quizshow "Jeopardy" werden den Kandidaten Aussagesätze vorgegeben, zu denen sie als Antwort die passende Frage finden sollen - eine Invertierung der normalen Reihenfolgen. Das verlangt nicht nur Sachwissen, sondern auch semantisches Verständnis und nicht selten sprachlichen Witz.

Ein Beispiel: Eine Frage der Show am Mittwoch lautete "Ein kürzlich veröffentlichter Bestseller von Muriel Barbery heißt 'Dies des Igels'". IBM Watson korrigierte den "falschen" Buchtitel und brachte ihn in die Form der erforderlichen Frage: "Was ist Eleganz?"

Ein Mensch, der nie von Muriel Barbery oder ihrem Buch "Die Eleganz des Igels" gehört hat, ist da verblüfft und irritiert, bis der Groschen fällt: Das Wort "Dies" im Aussagesatz war offensichtlich ein Platzhalter, der erkannt und korrigiert werden sollte. Kein Mensch würde bezweifeln, dass diese Erkenntnis eine kognitive Leistung ist - einer der wichtigsten Faktoren, der bisher menschliches Denken von maschineller Datenverarbeitung unterschied.

Aber das ist ein Irrtum.

Was IBM Watson in den drei Tagen des "Jeopardy"-Quiz vorführte, sah so aus wie menschliche kognitive Prozesse, funktionierte aber grundlegend anders.

Konfrontiert mit dem Aussagesatz, aus dem eine Frage zu destillieren war, musste Watson Folgendes leisten: Der Rechner musste den Satz anhand seiner Form als Aussagesatz erkennen. Er musste durch inhaltlichen Abgleich mit seinen Informationen erkennen, dass die darin enthaltende Information nicht ganz richtig, also falsch war. Er musste deduzieren, dass die Korrektur der falschen Information die in diesem Fall geforderte Aufgabe darstellte.

Schon diese Aufzählung hat etwas Regelhaftes: Man kann daraus eine Regel für den Umgang mit einer spezifischen Form der bei "Jeopardy" üblichen Fragestellungen definieren. Ist diese Regel definiert und programmiert, braucht man "nur noch" eine Datenbasis, mit der sich die Aussage auf Validität abgleichen und das falsche Element identifizieren lässt.

All das hatte Watson. Auf seinen Festplatten lagen rund 200 Millionen Seiten Informationen, darunter die gesamte Wikipedia, dazu Massen von Material aus sorgfältig ausgewählten Internetquellen. Der Gewinner des Quiz durfte, anders als seine Gegner, also Googeln, wenn man so will.

Sein Programm war zudem gefüttert mit Regeln, die unterschiedliche "Jeopardy"-Aufgabenstellungen typisierten und mit adäquaten Antwortstrategien verbanden. Aus all dem errechnete Watson dann für jede Frage eine Reihe möglicher Lösungen, die der Rechner dann auf ihre Wahrscheinlichkeit zu prüfen versuchte. In den meisten Fällen gelang das beeindruckend schnell. Mit Kognition aber, mit Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozessen, aus denen wir in jeder Sekunde unseres Lebens Verhalten ableiten, hat das nichts zu tun.

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