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Meine Grossmutter

Es sind nun bald drei Jahre her, seit die Teure auf dem Gottesacker ruht. In meinem Herzen ist aber ihr Bild noch so frisch und lebendig, dass mir scheint, sie sei erst kürzlich von uns gegangen.  Ihr ganzes Leben war eine aufopfernde Hingabe. Uns Enkel hat sie immer so gut verstanden und hat sich dadurch auch unser aller Anhänglichkeit erworben. Ein reiches mannigfaltiges Leben, das neben der Freude auch die Tiefe des Leides kennenlernte, hat sie gelebt. Schon in früher Jugend verlor sie ihren Vater. Ihre Mutter verehelichte sich dann zum zweiten Male. Zu ihren natürlichen Schwestern und Brüdern gesellten sich dann noch Stiefgeschwister. Trotzdem sie einem angesehenen alten Bernergeschlecht entstammte, musste sie doch schon frühe in der Fremde ihr Brot verdienen. In späteren Jahren kam sie dann in die Ostschweiz, wo sie sich bald mit einem Thurgauer vermählte. Sie schenkte ihrem Gatten vier Kinder, wovon das Älteste sechs Jahre zählte, als ein jähes Unglück die Familie traf. Eines Tages brachte man den Vater und Ernährer auf der Totenbahre. Mitten in der Arbeit, in der Vollkraft seines Lebens, war er vom Schlage getroffen worden. Allein mit ihren Kindern kämpfte sich die Mutter durchs Leben, bis nach einigen Jahren der Bruder ihres Gatten den Kindern ein zweiter guter Vater wurde.

Die Familie siedelte dann um und fasste Wurzel in der neuen Heimat. Der zweiten Ehe entsprossen weitere vier Kinder und alle wuchsen heran zur Freude ihrer Eltern. Oft war Schmalhans Küchenmeister, denn der Vater hatte als Sticker viel Mühe, mit seinem Lohne die achtköpfige Kinderschar zu kleiden und zu ernähren. Bequemlichkeiten mussten alle entbehren, nicht aber ein trautes Heim. Meine Grossmutter verstand es trotz dem Übermass an Arbeit ihrer Familie die Heimat lieb zu machen. Bald war das Älteste so weit, um verdienen zu helfen; und nach und nach wurde die Arbeitslast der Mutter leichter. Die Kinder flogen aus in die Welt. – Da trat noch einmal der Todesengel über die Schwelle und holte das fünfte Kind, eine einundzwanzigjährige Tochter. Ich war gerade getauft worden, als mich meine Tante zum letzten Mal sah. In meiner Kindheit bin ich viel bei der Grossmutter gewesen.

Was mich in die Fremde lockte

„Wenn ich erst gross bin, dann will ich einmal weit fort!“ So dachte ich schon als kleines Schulmädel. Die unbekannte Welt ausserhalb der Grenzen meines Heimatdorfes hatte für mich schon etwas Anziehendes, Geheimnisvolles. Aus aufgefangenen Aussprüchen von Erwachsenen baute meine Phantasie sich ein Gebilde, das sich Welt nannte. Mit zunehmendem Alter und Verstand verstärkte sich meine Vorstellungskraft. Gleichzeitig wuchs auch die Sehnsucht nach der Ferne. Ich musste zwar etwas lange mit meinem Vorhaben zurückhalten. Zuerst kam die Lehre, da hiess es still sitzen, wenn gleich draussen der Frühling lockte. Wenn letzterer auch gar verführerisch war, entlockte er mir wohl den heimlichen Seufzer: „Oh! Wie müsste es schön sein, jetzt zu wandern, unter dem lachenden Himmel, frei und sorglos!“ Ganz unverhofft schnell kam dann die Prüfung, und mit ihr den Abschluss meiner Lehrzeit. Nun stand mir ja die Welt offen. Ich hatte mich bereits entschlossen fürs Welschland. Ich wollte französisch lernen. Durch eine Stellenvermittlung wurde ich in das Waadtland platziert. Dasselbst sei mir Gelegenheit geboten, neben der Sprache alle Hausarbeiten zu erlernen. All mein Sinnen und Denken galt nun der Zukunft. Wie wird es mir gehen, fern vom schützenden Elternhaus? Werde ich es überhaupt ein Jahr aushalten? Diese und ähnliche Gedanken beschäftigten mich. Dann schlug ich plötzlich wieder alle Zweifel und Bedenken in den Wind und freute mich einfach auf das Kommende. Der Tag der Abreise kam. Ich nahm Abschied von meinen Lieben, von der Stätte meiner Kindheit und fröhlich zog ich aus. Mein Vater begleitete mich noch bis zur Hauptstadt. Dort bestieg ich mit vier anderen Welschlandgängerinnen den Schnellzug, der uns rasch unserer engern Heimat entführte.

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