
Лексикология / Степанова М. Д., Чернышева И. И. Лексикология современного немецкого языка, 2003 / B5687Part50-136
.htmЛексикология современного немецкого языка 136 :: 137 :: 138 :: 139 :: 140 :: Содержание 2.6.2. DIE WIRKUNG DER AUßERSPRACHLICHEN FAKTOREN BEI DER REALISIERUNG DER WORTBILDUNGSMODELLE
Die Notwendigkeit einer neuen Wortbildungskonstruktion - sei es die Bezeichnung eines neuen Gegenstandes oder einer neuen Erscheinung bzw. eine neue Benennung bereits bekannter Dinge - muss bei der Realisierung von Wortbildungsmodellen natürlich als außersprachliche Hauptvoraussetzung betrachtet werden. Die Erforschung der Entstehung von Neologismen verschiedener Art stellt ein besonders wichtiges Problem der Soziolingui-stik dar, dem in den letzten Jahren mehrere größere und kleinere Werke gewidmet sind. Da aber die Erweiterung des Wortbestandes und ihre Gründe oben schon behandelt wurden, begnügen wir uns hier mit der Erwähnung dieses wichtigen Faktors bei der Realisierung der Wortbildungsmodelle. Die von uns oben angeführte Einteilung der Wortbildungsaffixe in "produktive", "aktive" und "unproduktive" stützt sich auf Angaben der neuesten Werke der deutschen Wortbildung sowie auf unsere unmittelbaren Beobachtungen, kann aber nicht als endgültig und unwiderruflich betrachtet werden, denn jedes Modell bedarf einer speziellen statistischen Untersuchung. Ähnliches gilt auch für die Wahl von Wortbildungsmodellen je nach den dialektalen und stilistischen Besonderheiten des zu analysierenden Wortbestandes, obgleich wir hier nur einige Momente näher behandeln können.
Die dialektalen Varianten der deutschen Sprache lassen sich bekanntlich in letzter Zeit immer mehr nivellieren. Das gleiche gilt auch für die Wortbildungsmodelle. Noch zu betrachtende Verschiedenheiten beziehen sich z.B. auf den Gebrauch von Verkleinerungs-(Diminutiv-) bildungen; so schreibt W. Fleischer von hier vorhandenen "gewissen Unterschieden" "zunächst geographischer Art". Das Suffix -lein sei im Oberdeutschen beliebt, wobei die oberdeutschen Mundarten eine Reihe von Variationen des Diminutivsuffixes aufweisen: Rössel, Masserle, Raderl, Blättli u.a.m. Nach den Beobachtungen von W.Fleischer ist heute -chen in der Literatursprache am stärksten vertreten, während sich oberdeutsche Schriftsteller noch an das Suffix -lein halten (man vgl.: Bahnhöflein, Brieflein, Zimmerleirif®. Wenn die mundartlichen Unterschiede in der Wortbildung wie auch auf anderen Sprachgebieten sich jetzt nivellieren lassen, so steht es mit den nationalen Varianten der deutschen Sprache anders. Eine ausführliche Behandlung der Wortbildung
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von diesem Standpunkt aus gehört nicht zu den Aufgaben des vorliegenden Buches - wir begnügen uns nur mit einigen Beispielen aus der österreichischen nationalen Variante der deutschen Sprache. So finden sich hier viel öfter Bildungen mit dem Suffix -ist, sowohl mit fremden als auch mit einheimischen primären Stämmen: Pensionist, Stipendist, Bohrist u.v.a.. Recht produktiv ist das verbale Suffix -ieren: garagieren = "in eine Garage einstellen", paprizieren = "mit Paprika würzen" u.a.m. Das Suffix -erl ist besonders beliebt, nicht nur in den Diminutiva, sondern auch in anderen Bildungen, man vgl.: Knapferl, Tupf erl, Glaserl, Enkerl usw.; besonders produktiv sind Verben mit dem Suffix -el(n): schnäpseln = "gern Schnaps trinken", ßscheln = "nach Fisch riechen" u.a.; manche Substantive mit dem Suffix -er, die im Deutschen fehlen: Deuter = "jmd., der etwas erläutert", Genierer = "Schüchternheit"; auch mit dem Suffix -ler: Taxler = "Fahrer, Taxifahrer", Postler, Öbstler usw.
Von besonderer Bedeutung ist die Realisierung der einzelnen Wortbildungsmodelle im Zusammenhang mit den funktionalen Stilen. Im Folgenden werden nur ganz allgemeine Fragen der stilistischen Aspekte der Wortbildung untersucht:
1. Die stilistische Färbung der Wortbildungsmodelle und ihrer Varianten sowie der Gebrauch dieser Modelle in verschiedenen funktionalen Stilen.
2. Beziehungen zwischen der stilistisch-kommunikativen Funktion des Modells und dem Kontext, in dem das Wort gebraucht wird.
Im ersten Fall handelt es sich um bestimmte stilistische, dem Wortbildungssystem der deutschen Sprache eigenen Normen. Im zweiten Fall hängt die stilistische Rolle des Modells nicht nur von seiner Füllung ab, sondern auch von dem engeren oder weiteren Kontext, in dem das Wort gebraucht wird. In allen Fällen gehen wir von der Opposition aus: neutrale stilistische Färbung - spezialisierte stilistische Färbung, neutraler Stil - spezialisierter funktionaler Stil. Die stilistische Färbung des Modells wie auch des Wortes als einer Ganzheit und deren Anwendung in einer bestimmten Stilart sind als zwei Seiten ein und desselben Phänomens zu betrachten, was im ersten der obigen Fälle besonders deutlich wird: ist das Modell bzw. dessen Variante neutral gefärbt, so gehört es auch zum neutralen Stil; hat es eine expressive Färbung, so ist es an einen speziellen (gehobenen, familiären usw.) funktionalen Stil gebunden u.a.m. Aus diesem Grund wird weiter nur von der stilistischen Färbung der Modelle die Rede sein, wobei auch der betreffende funktionale Stil gemeint ist.
Von großer Wichtigkeit sind die Besonderheiten der Füllung der Modelle - wir betrachten sie jedoch weiter unten bei der Behandlung der Okkasiona-lismen (2.7.).
Wie die Analyse zeigt, gibt es in der deutschen Gegenwartssprache nur wenig stilistisch gefärbte Wortbildungsmittel bzw. Modelle: die substantivischen Suffixe -bald und -ian und das Präfix erz- bei den Adjektiven. Alle drei Affixe verleihen dem Wort eine pejorativ-familiäre Färbung, was sich bei Substantiven im Vergleich der Bildungen mit diesen Suffixen mit ihren stilistisch neutralen Varianten und Synonymen feststellen lässt: Saufbold -
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Säufer, Witzbold - der Witzige, Grobian - grober Kerl, Schlendrian - Nach-, Fahrlässigkeit. Die Adjektive mit erz- haben keine stilistisch neutralen Synonyme, dagegen betonen die gleichbedeutenden stilistisch gefärbten Adjektive mit dem Halbpräfix stink- ihre pejorativ-verstärkende Wirking, man vgl.: erzfaul, erzdumm, erzböse und stinkfaul, stinkböse. Wie aus diesen Beispielen zu ersehen ist, verbinden sich die erwähnten Wortbildungsmittel mit primären Stämmen, die ebenfalls eine negative Bedeutung haben: also besitzen die beiden UK gleiche Seme (negativer Einschätzung) und stimmen semantisch überein. Es gibt auch Modelle, die nur unter bestimmten Vorbedingungen, d.h. bei entsprechender innerer Valenz, eine stilistische Färbung erhalten. So steht es mit erz- bei Substantiven (nicht aber bei Adjektiven): Es verleiht dem Wort eine verstärkend-pejorative Schattierung bei primären Stämmen mit negativer Bedeutung: Erznarr, -schelm, -grobi-an, -lump (als Ausnahme, d.h. ohne expressive Färbung, gilt Erzfeind), bei Stämmen, die einen Verwandtschaftsgrad oder Titel zum Ausdruck bringen, sind sie stilistisch neutral und bezeichnen einen höheren Rang: -herzog, -bischof. Das präfixal-suffixale Modell Ge - e, ist stilistisch neutral bei nominalen primären Stämmen: Gebirge, Gehäuse, Gelände und expressiv gefärbt bei verbalen primären Stämmen. Das ist leicht festzustellen, wenn man diese Substantive mit anderen Wortbildungsvarianten vergleicht: Gebrülle - Gebrüll, Geheule - Geheul, Getanze - Tanz. Auch verleiht das Suffix -ei (und dessen Variante -erei) den Substantiven mitunter ebenfalls pejorative Färbung: Brüllerei, Heuchelei, Schreiberei, Lauferei, Schlagerei, Malerei (in Bedeutung "Gekleckse", man vgl. auch Kleckserei zu klecksen; die übrigen Bedeutungen von Malerei sind stilistisch neutral). Movierte Fe-minina mit dem Suffix -in sind in der Regel stilistisch neutral; aber Ableitungen von Familiennamen, die die Gattinnen der betreffenden Personen bezeichnen, erhalten eine familiäre Färbung: die Schulzin, die Müllerin (man. vgl. im Russischen Иваниха, Антониха, Макариха). Es gibt Benennungen der Tiermütter, von den Namen einiger großer Tiere abgeleitet - Wölfin, Hündin, Eselin, die nur terminologisch geprägt sind, denn in der (neutralen) Umgangssprache werden beide Geschlechter gleich bezeichnet: Wolf, Hund, Esel.
Als Sonderfall ist die stilistische Färbung der Diminutiva zu betrachten. Zum Unterschied von der russischen Sprache, die über ein ganzes System von Diminutivsuffixen mit verschiedenen Expressivitätsschattierungen verfügt wie -ok, -ец, -уся, -юля, -ище, -ишко u.a.m., dienen die deutschen Suffixe -chen und -lein als neutrale Verkleinerungsmittel und auch als Ausdruck der Verachtung, der Familiarität, der Liebkosung und anderer subjektiver Faktoren: die entsprechende Färbung der Diminutiva wird mit Hilfe eines engeren oder weiteren Kontextes zum Ausdruck gebracht, "...eine grüne und eine rote Schlange..., die Mathilde ... sich um den Hals gelegt hatte, die zwei Köpfchen vorne überkreuzt." (L.Frank. Mathilde. Berlin, 1956, S. 19). "Köpfchen" hat hier nur eine Verkleinerungsbedeutung.
"Auf seinen ungeheuren Rumpf ward sein kleiner Kopf plötzlich anzusehen: - "Freundchen!" (H.Mann. Der Untertan. Moskau, 1950, S. 24). "Freundchen" hat familiäre Prägung.
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Im großen und ganzen ist das deutsche affixale System nicht reich an stilistisch gefärbten Modellen. Den Mangel an entsprechenden Mitteln füllen teilweise die Halbaffixe aus, die den zu bildenden Wörtern unterschiedliche stilistische Färbung verleihen. Zu nennen sind: manche substantivische Halbsuffixe - Personenbezeichnungen und Eigennamen wie -person, -bildmit familiärem Nebensinn: Weibs-, Mannsbild, Weibs-, Mannsperson; -hans, -liese, -peter, -bruder, -meier, die den Substantiven entweder nur familiäre oder auch negative Bedeutung verleihen: Fabel-, Prahl-, Sauflians; Heul-, Tränenliese; Miese-, Faulpeter u.a.m.: -fritze bei Scherznamen der Verkäufer: Automobil-, Süßigkeits-, Zigarettenfritze; auch nominale Halbpräfixe und einzelne Komponenten mit verstärkend-expressiver Färbung - stock-: stockdumm, -heiser, -blind, -taub; mords-: Mordsskandal, -geschrei, -kerl; pech-: pechschwarz, -dunkel; stink-: stinkfaul, -dumm und manche andere.
Nicht zufällig zählt L.Sütterlin einige solcher Bildungen zu "Volkssuperlativen"91, weil sie eine bestimmte umgangssprachliche Färbung zum Ausdruck bringen.
Die stilistische Färbung der Komposita hängt von ihrer Füllung ab, aber einige Modelle wären speziell zu erwähnen. Es handelt sich um manche bildliche Imperativnamen mit umgangssprachlich-familiärer Färbung: der Springinsfeld, derHans-guck-in-die-Welt, das Schmücke-dein-Heim neben neutralen: das Vergissmeinnicht, das Stehaufmännchen usw. und um mehrere Bahuvrihi (Possessivkomposita), die gleichzeitig Metonyme und Metaphern sind: der Blaustrumpf, der Langfinger, die Schlafmütze u.a.m.
Von besonderer Bedeutung ist der Gebrauch der WBK in verschiedenen funktionalen Stilen. Allgemein bekannt ist, welche außerordentliche Rolle die Komposition im Deutschen in jeder Stilart spielt. Besonders häufig sind dabei die substantivischen Zusammensetzungen. Es lassen sich aber einige stilistische Unterschiede feststellen. In der schönen Literatur werden meist Zwei-, manchmal Dreigliederkonstruktionen gebraucht, z.B.: Zeltlager, gutgelaunt, weltberühmt, mittelgroß u.a. m.; auch gelegentliche Einmalbildungen weisen meist solche Strukturen auf: altersbraun (L.Frank. Mathilde. Berlin, 1956, S. 39); winderfahren (W.Borcherts Werke. М., S. 112) u.a.m. Dasselbe gilt für die im Alltagsgespräch verwendeten gebräuchlichen Komposita92. In der wissenschaftlichen Prosa, besonders in der wissenschaftlichtechnischen Literatur, gebraucht man dagegen gern mehrgliedrige Komposita, die sogenannten Wortungeheuer, die schwer zu zergliedern sind, z.B. Halbleiterfotobauelemente, Klarsichtfolien, Mehrzweckhülle, Heißgaslabor-elektroabschneideranlage93. In der schönen Literatur sind aber mehrgliedrige infinitivische Zusammenbildungen üblich, die ganze Situationen in einer Ganzheit zum Ausdruck bringen. So schreibt G.Möller: "Es entspricht der Funktion des Verbs im Satz, dass bei Substantivierung der Infinitiv unterschiedliche Partner an sich ziehen - oder besser: bei sich behalten - kann" und führt folgende Beispiele an: Denkenlernen, Sichselberhören, das Sich-angeblich-nicht-in-die-Gemeinschaßeinfügen-Können u.a.m.94
Solche WBK tauchen in der schönen Literatur immer wieder auf, was zahlreiche Belege bestätigen, z.B. "dies krampfige Ineinanderringen und
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Sichgegenseitighalten" (St. Zweig. Novellen. Moskau, 1959, S. 291); "das Zu-Bette-Geschickt-Werden" (ebenda, S. 60); "(das) Dem-anderen-sich-ins-Gesicht-Setzen" (H.Mann. Der Untertan. М., 1950, S. 376).
Was die affixalen Modelle betrifft, so gibt es auch hier in den Stilarten Unterschiedlichkeiten. So kann man a priori behaupten, dass die expressiv gefärbten Wortbildungsmittel (die substantivischen Suffixe -bold, -ian> die Halbsuffixe -liese, -peter, -person, -bild, die meisten verstärkenden Halbpräfixe - siehe oben) nur in der schönen Literatur oder im Alltagsgespräch gebraucht werden, der Publizistik und der wissenschaftlichen Prosa aber fernbleiben. Solche Untersuchungen sollten fortgesetzt werden.
Über die stilistische Verwendung der WBK, besonders im Zusammenhang mit ihren syntaktischen Äquivalenten siehe W. Fleischer und G. Michel, ebenfalls E. Riesel und E. Schendels95.
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