Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
Deutsche Sprache.doc
Скачиваний:
72
Добавлен:
17.03.2015
Размер:
5.07 Mб
Скачать

Verbreitungsgebiete

Bis spätestens 1945 wurden deutsche Dialekte in beachtlichen Teilen Zentral- und Ost-europas gesprochen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden viele Streusiedlungen, z. B. im Baltikum, in Wolhynien, Kroatien, Bessarabien und Südtirol, aufgelöst. Die hiervon Betroffenen, rund eine Million Sprecher, wurden vor allem im besetzten Polen und hier besonders im Warthegau angesiedelt. 1941 wurden alle Wolgadeutschen (UdSSR) deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie, genau wie die angestammte deutschsprachige Bevölkerung Polens und der deutschen Ostgebiete, vertrieben. Dasselbe Schicksal traf die meisten noch verbliebenen Sprecher in Osteuropa. Ausnahmen bildeten Rumänien und Ungarn, wo eine Mehr-heit von Vertreibungen nicht betroffen war. Hier geht jedoch die Zahl deutscher Mundart-sprecher bis heute stark zurück, teilweise durch Aussiedlung (vor allem aus Rumänien), an-sonsten durch Assimilation, so dass die dortigen Dialekte heute weitgehend ausgestorben sind. Die Nachfahren der Vertriebenen gingen sprachlich in die neuen Wohngebiete auf. Die ehe-maligen östlichen Dialekte sind daher bereits überwiegend verschwunden.

Das heutige autochthone Verbreitungsgebiet deutscher Dialekte umfasst vor allem Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und angrenzende Gebiete in Frankreich, Belgien, Italien und Dänemark. Dazu kommen in Europa Sprachinseln in Polen, Tschechien, Ukraine, Slowakei, Ungarn, Slowenien und Rumänien.

Zu den allochthonen Verbreitungsgebieten gehören:

Afrika: In Namibia wird ein relativ eigenständiger deutscher Dialekt verwendet, welcher durch Einflüsse vom Afrikaans und Englischen geprägt ist.

Lateinamerika: In Venezuela wird ein niederalemannischer Dialekt gesprochen, das Alemán Coloniero. In Argentinien wird von den Nachkömmlingen deutscher Einwanderer eine Mischung aus Deutsch und Spanisch gesprochen, das Belgranodeutsch. Eine in Brasilien gespro-chene Variante des Hunsrückischen ist das Riograndenser Hunsrückisch.

Nordamerika: Von den Hutterern wird in Kanada und den USA das Hutterisch gespro-chen. In den US-Bundesstaaten Pennsylvania und Ohio leben die Pennsylvania Dutch, die Penn-sylvaniadeutsch sprechen. Das Pennsylvania-Deutsch ist ein Abkömmling des Pfälzischen, hat sich jedoch – durch die geographische Trennung – eigenständig entwickelt. Eine Mischung aus Deutsch und Englisch, die von den Nachkömmlingen deutscher Einwanderer nach Texas gesprochen wird, ist das Texasdeutsch.

Dialekt heute

Die kleinräumigen Isolationen, die lokalen Sprachunterschied förderten (und damit eine Grundlage von Basisdialekten), sind aufgehoben. Ungleich mehr als in Jahrhunderten zuvor werden die überkommenen lokalen Sprechweisen und Sprachsysteme durch großräumig wirken-de Sprachen (Standardsprachen, Umgangssprachen, Fachsprachen, Mediensprachen) beeinflusst und nivelliert. Dialekte erstrecken sich heute eher regional.

Dialekte und ihr Verbreitungsgebiet können eine ausschlaggebende kulturelle Identität vermitteln, weswegen Dialektgebiete laut einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung ifo beispielsweise die Umzugsentscheidungen vieler Menschen beeinflussen.

In Luxemburg ist der dortige mittelfränkische Dialekt zur Standardsprache ausgebaut und 1984 zur Amtssprache aufgewertet worden. In Frankreich stehen die deutschen wie alle anderen Mundarten auch gegenüber dem Standardfranzösischen in einer passiven Stellung und werden von diesem in vielen Gebieten verdrängt.

In der Schweiz haben die deutschen (vor allem alemannischen) Mundarten gegenüber dem Standarddeutsch an Terrain gewonnen. Dieser Prozess hängt nicht nur mit den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts zusammen, sondern hat Vorläufer in Entwicklungen, die sich über einen langen Zeitraum bis ins Spätmittelalter zurückverfolgen lassen (Betonung der Eigenstaatlichkeit, hochalemannisches Dialektkontinuum). Bis zum Zweiten Weltkrieg war das Schweizerdeutsche vor allem dem privaten Bereich vorbehalten. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gab es in der Schweiz eine eigentliche „Mundartwelle“, die dazu führte, dass das Standarddeutsche heute nur noch in bestimmten Lebensbereichen angewandt wird (Parlamente, Schulunterricht, Univer-sitäten, Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln u. ä.). Eine nicht unwichtige Rolle spielten dabei Jugendkultur, Mundartrock und Lokalradios.

In Österreich werden die angestammten Mundarten vor allem in den ländlichen Gebieten noch sehr häufig gesprochen, wenn auch hier eine Tendenz zur Verwendung von weniger eng regional begrenzten Ausgleichsmundarten besteht. Ein starker Rückgang der Mundart ist nur in Wien zu verzeichnen, wo laut Schätzungen nur noch ca. zehn Prozent das angestammte mittel-bairische Wienerisch sprechen. Der Großteil spricht entweder einen anderen Dialekt oder ein Deutsch mit besonderem Wiener Akzent. In den anderen österreichischen Bundesländern sind solche Rückgänge in schwächerer Form nur in den Landeshauptstädten oder in Gebieten mit viel Zuwanderung zu verzeichnen.

In Deutschland stehen Gebiete, in denen die Mundarten aus verschiedenen Gründen unter mehr oder weniger starkem Druck stehen und auf dem Rückzug sind, im Kontrast zu Gegenden, in denen die Dialekte eine vergleichsweise gute bis starke Stellung haben. Allgemein ist jedoch überall durch den Einfluss hochdeutscher Medien und der Mobilität zahlreicher Menschen (und damit der Vermischung der einzelnen Varianten) ein starker Rückzug aller Dialekte festzu-stellen. So wurden 13 deutsche Regionalsprachen, darunter auch Kölsch und Bairisch, von der Weltbildungsorganisation als vom Aussterben bedroht gemeldet.

Österreichisches Deutsch

Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Aussprache entstammen den in Öster-reich verbreiteten Mundarten und Regionaldialekten, viele andere wurden nicht-deutsch-sprachigen Kronländern der Habsburgermonarchie entlehnt. Eine große Anzahl rechts- und ver-waltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das öster-reichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich (nach 1804: Kaisertum Österreich; nach 1867: Doppelmonarchie Österreich-Ungarn) zurück, dessen Ursprünge Joseph von Sonnenfels ab dem Jahre 1784 maßgeblich mitgeprägt hat.

Außerdem umfasst ein wichtiger Teil des speziell österreichischen Wortschatzes den kulinarischen Bereich; einige dieser Ausdrücke sind durch Verträge mit der Europäischen Gemeinschaft geschützt, damit EU-Recht Österreich nicht zwingt, hier fremde deutschsprachige Begriffe anzuwenden.

Daneben gibt es in Österreich abseits der hochsprachlichen Standardvarietät noch zahl-reiche regionale Dialektformen, hier insbesondere bairische und alemannische Dialekte. Diese werden in der Umgangssprache sehr stark genutzt, finden aber abgesehen von den oben ange-sprochenen Einflüssen keinen direkten Niederschlag in der Schriftsprache (ausgenommen Mund-artdichter usw.). Am österreichischen Deutsch zeigt sich die plurizentrische Eigenschaft der deutschen Sprache, ein typisches Merkmal sprecherreicher Sprachen, die über Staatsgrenzen hinaus verbreitet sind. Allerdings gibt es zur Plurizentrik des Deutschen einen laufenden Ent-wicklungs- und Diskussionsprozess in der Germanistik, die noch bis in die 1980er-Jahre die Monozentrik des Deutschen vertrat und das Konzept der plurizentrische Sprache erst seither entwickelt und verfeinert hat. Deshalb ist der Begriff des österreichischen Deutsch nicht unum-stritten, wird aber von der Mehrzahl führender Sprachwissenschafter Österreichs belegt.

Dieser Diskussionsprozess der Germanistik wird daher im abschließenden Abschnitt Sprachwissenschaftliche Diskussion zum Begriff österreichisches Deutsch dargestellt. Eine aktuelle sprachwissenschaftliche Übersicht des deutschen Linguisten Jan-Hendrik Leerkamp stellt 2003 jedenfalls fest: In der Forschung scheint die Existenz einer eigenständigen nationalen Varietät des österreichischen Deutsch mittlerweile weitestgehend anerkannt.

Österreichisches Deutsch unterscheidet sich in Teilen des Wortschatzes, grammatika-lischen Besonderheiten, der Schreibweise und auch in der Aussprache von jenem Hochdeutsch, das in Deutschland durch den Duden kodifiziert ist. Gleichwohl werden auch aktuelle german-istische Entwicklungen berücksichtigt, sodass sich Österreich an der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 beteiligt hat, ohne dabei jedoch seine sprachlichen Besonderheiten aufzugeben, was im Österreichischen Wörterbuch in seiner derzeit 40. Auflage entsprechend berücksichtigt ist. Auch der Duden trägt der Eigenschaft der Deutschen Sprache als plurizent-rische Sprache Rechnung, indem typisch österreichische Wörter (ebenso wie Helvetismen und regional-landschaftlich genutzte Wörter) von der Duden-Redaktion aufgenommen und ent-sprechend gekennzeichnet werden.

Das österreichische Deutsch wurde besonders von der österreichischen, teilweise aber auch von der deutschen und außerdeutschen germanistischen Sprachwissenschaft beschrieben und charakterisiert. Es zeichnet sich in seiner geschriebenen Form besonders durch Eigenheiten im Wortschatz hauptsächlich als Bezeichnungen und seltener auch durch Bedeutungen (onoma-siologische und semasiologische Besonderheiten) sowie in geringerem Umfang durch morpho-logische Eigenheiten in der Formen- und Wortbildung einschließlich der Genera des Substan-tivs, syntaktische und phraseologische sowie auch pragmatische Besonderheiten aus. Mündlich kommen dann vor allem noch Besonderheiten der Aussprache mit Lautbildung und Wort-akzentuierung hinzu.“(vgl. Sprachwissenschafter Peter Wiesinger)

Untersuchungen haben gezeigt, dass in Österreich Sprachformen in formellen Kontexten akzeptiert werden, die in Deutschland unüblich sind, weil sie zu informell wirken. Joachim Grzega bezeichnet dieses Merkmal des österreichischen Deutsch als Nonchalance. Selbst in geschriebener Sprache wie Zeitungen werden eher Zitate mit umgangssprachlichen Elementen verwendet, während im Bundesdeutschen eher indirekte Rede mit „geglätteter“ Sprache ver-wendet wird.

Im Gegensatz zu Deutschland ist in Österreich das Führen von bzw. die Anrede mit Titeln (z. B.: Ö: „Guten Morgen, gnädige Frau“, „Guten Abend, Herr Ingenieur“, „Grüß Gott, Herr Doktor“ vs. D: „Guten Morgen“, „Guten Abend, Herr Müller“) üblich und alltäglich, gleichwohl der Gebrauch der Titel im Abnehmen begriffen ist und sich das Duzen, ähnlich wie in Skandinavien, allmählich verbreitet.

Die Bezeichnung Name wird in Österreich (ähnlich wie bei den benachbarten slawischen Sprachen) meistens nicht für den Nachnamen verwendet, sondern für die Kombination aus Vor- und Nachnamen, oder auch nur für den Vornamen. In bildungsaffinen Schichten ist die Auf-fassung verbreitet, dass auch akademische Titel sowie der nichtakademische Titel Ingenieur Namensteile seien.

Wortschatz in Österreich

Das so genannte österreichische Amtsdeutsch geht zurück auf die österreichisch-unga-rische Monarchie und hat sich seitdem zwar in Details entwickelt, insgesamt aber in den Begriff-lichkeiten stark konserviert. Ebenso maßgeblich für die Erhaltung und Weitergabe dieses öster-reichischen (Hoch-)Deutsch sind das Bildungswesen (Schulen, Universitäten) sowie die weiteren sprachprägenden Institutionen des heutigen Österreich (Insbesondere Fernsehen, Radio und Printmedien). Im Folgenden sind österreichische Ausdrücke aus dem Bereich Verwaltung und Politik angeführt, daneben die jeweilige Entsprechung in Deutschland: Nationalrat ≈ Bundestag, Landeshauptmann ≈ Ministerpräsident (eines Bundeslandes), Landesrat ≈ Minister eines Bundes-landes, Bezirkshauptmannschaft ≈ Bezirksregierung bzw. Landratsamt/Kreisverwaltung, Sta-tutarstadt ≈ Kreisfreie Stadt, Klub ≈ Fraktion (im Parlament), Klubobmann ≈ Fraktionsvor-sitzender, Gendarmerie (2005 mit der Bundessicherheitswache zur Bundespolizei zusammen-gelegt) = Landpolizei, Bezirksgericht ≈ Amtsgericht, Landesgericht ≈ Landgericht, Oberster Gerichtshof ≈ Bundesgerichtshof, Verfassungsgerichtshof ≈ Bundesverfassungsgericht, Ver-waltungsgerichtshof ≈ Bundesverwaltungsgericht, Asylwerber = Asylbewerber, in Verstoß geraten = derzeit nicht auffindbar (in den falschen Aktenstapel geraten), der Akt = die Akte, in Evidenz halten = vormerken, urgieren = auf eine Entscheidung drängen, Gleichschrift = Ab-schrift, skartieren = Akten vernichten, Drucksorte = Formular.

Ebenso werden in der Rechtssprache und in der österreichischen Gesetzgebung Aus-drücke verwendet, die z. B. in Deutschland nicht vorkommen, einen anderen Bedeutungsinhalt haben (z. B. Besitz) oder ungebräuchlich sind. Ebenso weichen Rechtsausdrücke – oft aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Terminologie – im Detail von den in Deutschland gebräuch-lichen, sinngleichen Ausdrücken ab (z. B. in Österreich: Schadenersatz, Schmerzengeld laut dem ABGB 1811, ebenso im liechtensteinischen ABGB; in Deutschland: Schadensersatz, Schmer-zensgeld).

Generell lässt sich in Österreich eine häufigere Verwendung von Latinismen in der Rechtssprache feststellen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass das kurz vor 1900 entstandene deutsche BGB die zuvor auch in Deutschland weit verbreiteten lateinischen Rechtsausdrücke aus dem römischen Recht (Pandekten) bewusst vermied oder „eindeutschte“. Beispiele sind nur in Österreich oder öfter als in Deutschland verwendete Ausdrücke wie Legat (Vermächtnis), Servitut (Dienstbarkeit), Causa (Fall; bedeutet in Deutschland jedoch „Rechts-grund“), Kuratel (Sachwalterschaft) oder Krida.

Bei den Dienstgraden des österreichischen Bundesheeres sind Unterschiede etwa zu den Bezeichnungen in der deutschen Bundeswehr vor allem unterhalb der Offiziersebene stark aus-geprägt. Beispiele sind die Dienstgrade Korporal (Deutschland: Hauptgefreiter/Stabsgefreiter), Wachtmeister (ersetzte in Österreich 1919 die „Feldwebel“-Bezeichnungen im Bundesheer; in Deutschland bis 1945 bei der Artillerie und Kavallerie verwendet, in der NVA der DDR bis 1970 bei der Artillerie), Vizeleutnant (höchster Unteroffiziersdienstgrad, dem Oberstabsfeldwebel der Bundeswehr entsprechend) oder Brigadier (D: Brigadegeneral). Kommandeure (D: Befehls-haber von Truppeneinheiten) sind in Österreich stets Kommandanten (in D. Befehlshaber fester Plätze (Kasernen, Militär-Hospitäler usw.) und Fahrzeuge (Panzer, Schiffe)). Das spiegelt sich auch in anderen Organisationen wider, sodass es etwa bei der Feuerwehr keinen Gruppenführer wie in Deutschland, sondern einen Gruppenkommandanten gibt, sowie auch beim Roten Kreuz mit dem Kolonnenkommandanten.

Im Schulbereich gibt es nach der Volksschule (Deutschland: Grundschule, früher und gelegentlich noch in Bayern auch Volksschule) nur zwei weiterführende Schultypen, nämlich die Hauptschule (in Wien manchmal: Kooperative Mittelschule), die etwa der deutschen Haupt- und Realschule entspricht, und das Gymnasium. Das Abitur in Deutschland entspricht der Matura in Österreich. Amtlich für Kindergarten (Alltagssprache) ist Kindertagesheim, die in Deutschland gebräuchliche Bezeichnung Kindertagesstätte bzw. Kita ist in Österreich unüblich oder gar un-bekannt.

Im Verkehrsbereich hat eine Lichtzeichenanlage in Österreich eine ganz andere Be-deutung als in Deutschland. Die in beiden Ländern ugs. als Ampel bezeichnete heißt in Österreich Lichtsignalanlage (VLSA: Verkehrslichtsignalanlage), während die Lichtzeichen-anlage einen unbeschrankten Bahnübergang kennzeichnet. Im Transport ist die offizielle Be-zeichnung Frächter für einen Frachtführer.

Die in Österreich für den ersten Monat des Kalenderjahres verwendete Bezeichnung ist Jänner. Jänner wird offiziell benutzt und Januar ist in nahezu allen Bereichen unüblich. Jänner entspricht dem mittelhochdeutschen jener, jenner das wiederum aus der spätlateinischen Form iēnuārius entstanden ist. Jänner war bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet, wurde dann aber bis ungefähr 1800 – mit Ausnahme des süd-deutschen Sprachraumes – von der Form Januar verdrängt, die wiederum eine endungslose Variante des lateinischen iānuārius ist. Jänner stellt somit aus neuhochdeutscher Sicht ein Erbwort aus dem Mittelhochdeutschen dar (weil es in die entsprechenden Lautwandelprozesse eingebunden war), wohingegen Januar – auch im Neuhochdeutschen – ein lateinisches Lehn-wort ist (da es phonologisch und morphologisch dem neuhochdeutschen System angepasst wur-de, aber seit seiner Entlehnung noch keine signifikanten, für die aktuelle Sprachform typischen Lautwandelprozesse durchlaufen hat).

Anders verhält es sich mit der Bezeichnung Feber für den zweiten Monat des Kalender-jahres. Hier war in der deutschen Volkssprache die Bezeichnung Hornung üblich, die aber dann über den Weg der humanistischen Kanzleisprache vom lateinischen Fremdwort februārius ver-drängt wurde, das dann als Februar bzw. im Mitteldeutschen und Oberdeutschen als Feber ein Lehnwort wurde.

Eine dem Stamm Hornung entsprechende Form ist heute in Österreich auch auf basil-ektaler und mesolektaler Ebene (und damit in Ortsdialekten und Regiolekten) eher unwahr-scheinlich anzutreffen. Es werden häufig Formen verwendet, die Februar entsprechen. Standard-sprachlich ist Februar üblich, wobei kanzleisprachlich (z. B. auf amtlichen Dokumenten) und auch umgangssprachlich immer wieder die ältere Form Feber anzutreffen ist, wie etwa auf Parkscheinen und dem österreichischen Reisepass.

Im folgenden zehn Beispiele aus der österreichischen Küchensprache, zunächst die österreichische Variante: Beiried – Roastbeef oder Rippenstück, Eierschwammerl – Pfifferling (Eierschwammerl insbesondere in Ostösterreich), Eierspeis(e) – Rührei, Erdapfel – Kartoffel (beide Begriffe in Österreich in Gebrauch), Faschiertes – Hackfleisch, Fisolen – Grüne Bohnen, Germ – Hefe, Kochsalat – Römersalat, Kren – Meerrettich, Kukuruz – Mais (beide Begriffe in Österreich in Gebrauch), Obers – Sahne, Paradeiser – Tomate (beide Begriffe in Österreich in Gebrauch), Topfen – Quark.

Grammatikalische Besonderheiten

Zwischen die Elemente zusammengesetzter Hauptwörter (Wortkomposition) tritt im österreichischen Deutsch (im Gegensatz zum Bundesdeutschen) oft ein Fugenlaut wie etwa das Fugen-S, z. B. „Zugsverspätung“ oder „Schweinsbraten“ (bundesdeutsch „Zugverspätung“ bzw. „Schweinebraten“). Auch bei zusammengesetzten Partizipien wird oft das Fugen-S verwendet, z. B. „verfassungsgebend“. Dieses Fugen-S wird oft fälschlich als Genitiv interpretiert. Anderer-seits tritt das Fugen-S in einigen Fällen im Gegensatz zum Sprachgebrauch in Deutschland nicht auf, z. B. „Adventkalender“ statt „Adventskalender“, „Schadenersatz“ statt „Schadensersatz“, „Schmerzengeld“ statt „Schmerzensgeld“ (letzteres nur legistisch).

Ebenso kommt es im österreichischen Deutsch abseits des Fugen-S auch bei anderen Wortkompositionen zu einem Fugenlaut, wo im Bundesdeutschen keiner vorkommt, beispiels-weise beim österreichischen Halteverbot (offizielle Bezeichnung in Gesetzen usw.) im Vergleich zum offiziellen deutschen Haltverbot.

Die Zuordnung von Substantiven zu einem der drei Genera variiert zwischen den Standardvarietäten des Deutschen geringfügig. Zur Veranschaulichung der Besonderheiten in der österreichischen Standardsprache seien vier Beispiele angeführt, die österreichische Variante jeweils an erster Stelle genannt:

Zur Veranschaulichung vier Beispiele, zuerst die österreichische Variante:

dieAusschank – der Ausschank (in der Schweiz und Deutschland)

dasBrösel – der Brösel (in Deutschland mit Ausnahme des Südostens)

dasPuff – der Puff (in Deutschland mit Ausnahme des Südostens)

dieSchneid – der Schneid (in der Schweiz und Deutschland mit Ausnahme des Südostens)

Auch bei der Übernahme von Fremdwörtern hat sich in einigen Fällen ein anderes Genus etabliert, Beispiele:

dasCola – die Cola (in der Schweiz und Südost-Deutschland auch Neutrum in Gebrauch)

dasViadukt – der Viadukt (auch in der Schweiz Neutrum in Gebrauch)

dasE-Mail – die E-Mail (in Österreich und der Schweiz sind beide Formen in Gebrauch)

derSpray – das Spray (in Deutschland neben der Form in Neutrum in Gebrauch)

In den Dialekten gibt es, wie in den anderen deutschsprachigen Ländern, zahlreiche Unterschiede zur regionalen Standardsprache, hier also der österreichischen, die in einigen Grenzfällen auch Genusschwankungen in dieser Standardsprache bedingen. Beispiele hierfür sind in Österreich: der Butter – die Butter, der Zwiebel – die Zwiebel

Die zweite Person Plural wird, wie auch in Teilen des süddeutschen Sprachraumes, im Präsens und Perfekt gern mit der Endung -ts versehen, um gegenüber der 3. Person Singular klarer abzugrenzen, vor allem wenn das Personalpronomen weggelassen wird (Habts (ihr) das gesehen?). Hinter diesem -s verbirgt sich das Personalpronomen és [eˑs], eine alte Dualform, die hier mit der Personalendung verschmolzen ist. In manchen Teilen des bairischen Dialektgebietes existiert dieses Personalpronomen auch noch als eigenständiges Wort.

In Österreich (wie auch in der Deutschschweiz und im gesamten süddeutschen Sprach-raum) wird für die Bildung des Perfekts von Verben, die die Körperhaltung ausdrücken, genauso wie für Verben der Bewegung, (auch hochsprachlich) generell als Hilfsverb „sein“ verwendet. Zu den betroffenen Verben gehören zum Beispiel „sitzen“ (sitzenbin gesessen, aber: einsitzen (im Gefängnis) – habe gesessen), „stehen“ (stehenbin gestanden, aber: gestehenhabe gestanden), „liegen“ (liegenbin gelegen) und in Teilen der Steiermark und Kärntens umgangs-sprachlich „schlafen“ (schlafenbin geschlafen).

Ebenso wie im gesamten Dialektgebiet südlich der Mainlinie ist das Präteritum, in Öster-reich auch „Mitvergangenheit“ genannt, in der österreichischen Umgangssprache eher unge-bräuchlich. „Ich ging“ oder „ich sah“ wird als fremdartig empfunden, lediglich die Verben sein und wollen werden im Präteritum gebraucht. Normal ist zu sagen: „ich bin gegangen“ oder „ich habe gesehen“. In der Schriftsprache allerdings wird die Mitvergangenheit verwendet.

Das Präteritum ist in den oberdeutschen Dialekten in frühneuhochdeutscher Zeit aus-gestorben. Eine Erklärung dafür ist, dass im Oberdeutschen generell das auslautende „-e“ u. a. bei den Vergangenheitsformen auf „-te“ ausgefallen war: „sagt-e“ > „sagt“, „kauft-e“ > „kauft“. Dadurch konnten von vielen Verben die Vergangenheits- und Gegenwartsformen lautlich nicht mehr unterschieden werden, was dazu geführt haben soll, dass das Präteritum insgesamt außer Gebrauch gekommen ist. Einer anderen Theorie zufolge wurde das Präteritum zu Gunsten des synthetischen Konjunktivs aufgegeben, bzw. von ihm verdrängt.

Darüber hinaus ist es im Gegensatz zum Rest Europas in allen alpenländischen Sprachen üblich, die Hauptvergangenheitszeit als zusammengesetzte Zeitform zu bilden; das österreich-ische Deutsch teilt dieses Phänomen nicht nur mit dem gesamten süddeutschen Raum, sondern auch mit Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch, Serbokroatisch, Französisch und dem Norden des italienischen Sprachgebiets.

In Österreich wird in der Umgangssprache eher der Indikativ verwendet. Wenn ein Satz tatsächlich im Konjunktiv gesprochen wird, so drückt das ein Misstrauen aus. Beispiel: Er hat gesagt, dass er in der Stadt gewesen ist. Im Gegensatz dazu: Er sagte, dass er in der Stadt gewesen sei. – drückt aus, dass man es eigentlich nicht glaubt. Das gilt jedoch nicht für die Medien, in denen der Konjunktiv wie in Deutschland verwendet wird. Der Konjunktiv selbst wird eher als Irrealis gebraucht.

Österreichische Aussprache und das Lautsystem

Die österreichische Aussprache und das Lautsystem (Phonetik und Phonologie) enthalten zahlreiche nationale Besonderheiten. In Anlehnung an die im Mittelbairischen im Anlaut weit-gehend fehlende Unterscheidung zwischen den Konsonanten „p“ und „b“, „t“ und „d“ sowie (in geringerem Maße und nur regional) „k“ und „g“, der sogenannten Lenisierung, hören sich diese Konsonanten bei vielen Sprechern gleich an. Die Endungen auf -ig werden als solche ausge-sprochen (so heißt es beispielsweise Könik oder fertik und nicht wie in Deutschland größtenteils üblich Könich, fertich).

Viele Lehnwörter unterscheiden sich nicht nur in der Betonung, sondern auch in der Aussprache vom Gebrauch in anderen deutschen Sprachgebieten, so etwa Balkon, Beton, Saison (auch mit -ei-), pensioniert (keine Nasalierung), Bronze (Nasalierung), Chemie, China (Aus-sprache mit /k-/), Kaffee, Mathematik, Parfum, Tabak, Telefon, Anis, Platin. In Österreich wird das Phonem /s/, das in der deutschen Orthographie als <s> wiedergegeben wird, fast durchgängig stimmlos ausgesprochen. Dies führt manchmal zu Verwirrung bei österreichischen Lesern von Sprachführern, die Beispiele wie „S wie in Sonne“ verwenden, um die stimmhafte Aussprache zu erklären.

Des weiteren sprechen viele Österreicher das „st“ und „sp“ in manchen lateinischen, griechischen, französischen oder englischen Wörtern nicht als „scht-“ oder „schp-“, sondern als „st-“ und „sp-“, z. B. Standard, Statistik, spezifisch (aber etwa: speziell immer mit „schp-“ ge-sprochen). Spurt wird oftmals mit englischer Aussprache verwendet. Bei Kontrollor zeigt sich auch eine Veränderung gegenüber dem bundesdeutschen Kontrolleur. Häufig sind die hier ange-führten Aussprachebeispiele jedoch nicht beschränkt auf Österreich, sondern sind auch im süd-deutschen Raum (v. a. Bayern und Baden-Württemberg) anzutreffen (z. B. die zitierte Aus-sprache von Bronze, pensioniert, Chemie, China, Telefon usw.). Markennamen werden in Österreich üblicherweise in der Original-Aussprache übernommen. „Eindeutschungen“ wie in Deutschland bei Michelin oder Colgate finden selten statt.

Zahlen werden als Substantive in Österreich generell auf -er gebildet und sind dann männlich. Es heißt also österr. der Einser vs. bundesdeutsch die Eins usw. Die Verwendung des Zahlwortes zwo für zwei zur Verdeutlichung des Unterschieds zu drei in hochsprachlichen Durchsagen (z. B. an Bahnhöfen) ist in Österreich im Gegensatz zu Deutschland kaum gebräuch-lich, ausgenommen beim Österreichischen Bundesheer, wo statt „zwei“ immer „zwo“ verwendet wird, um beim Hören die Verwechslung mit drei zu vermeiden, - was für Außenstehende jedoch zumeist als gewöhnungsbedürftig und „typisch militärisch“ empfunden wird. Jahreszahlen wer-den in Österreich meist ohne das Element -hundert- gesprochen (z. B. 1998 = neunzehn-achtundneunzig [vgl. engl. nineteen ninety-eight]).

Die Ordinalzahl lautet „der/die/das Siebente“ statt „Siebte“. Dezimalbruchzahlen: (Bei-spiel π: 3,14) Statt „drei Komma eins vier“ wird „drei Komma vierzehn“, gelegentlich auch „drei Ganze vierzehn“ gesprochen. Speziell in Ost- und Südösterreich (wie auch in großen Teilen Süd- und Ostdeutschlands wie der Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin, oder analog im Tschechischen, Slowaki-schen und im Ungarischen) wird 14 Uhr 15 nicht als Viertel nach zwei, sondern als viertel drei oder, wie vorrangig in Salzburg, Obersteiermark und Oberösterreich zu finden, als Viertel über zwei bezeichnet. Auch 14 Uhr 45 wird nur selten als Viertel vor drei, sondern als dreiviertel drei bezeichnet.

Abb. 1. Auch auf Parkscheinen wird der sonst nicht sehr übliche Begriff Feber verwendet

Abb. 2. Straßenschild in der Wiener Hofburg

Schweizerhochdeutsch

Gesprochen wird Schweizer Hochdeutsch zumeist formell bezogen auf die Öffentlichkeit, im Schulunterricht, bei Veranstaltungen mit «Nicht-Schweizerdeutschen», an Hochschulen in Lehrveranstaltungen, in Nachrichtensendungen der öffentlichrechtlichen Sender, in den Par-lamenten einiger Deutschschweizer Kantone und – sofern nicht eine andere Landessprache Ver-wendung findet – bei Debatten im eidgenössischen Parlament. In Hochdeutsch gehalten sind bei-spielsweise auch die Lautsprecherdurchsagen auf Bahnhöfen. Üblich ist die Verwendung des Schweizer Hochdeutschen für geschriebene Texte: Ein Rechtsanwalt wird seinen Vortrag bei Gericht üblicherweise in Schweizer Standarddeutsch bzw. Schweizer Hochdeutsch schriftlich verfassen und vorlesen, ansonsten aber seine Reden, wie Richter, Staatsanwalt und sonstige Beteiligte im Schweizer Dialektdeutsch weiterführen.

In Alltagssituationen wird Schweizer Hochdeutsch nur mit Menschen gesprochen, die den Dialekt nicht verstehen. Unter den verschiedenen Dialekten herrscht gegenseitige Verständ-lichkeit (allenfalls mit einigen wenigen Ausnahmen wie Walliserdeutsch), so dass zur Verstän-digung nicht auf das Schweizer Hochdeutsch zurückgegriffen werden muss. In der Schweiz haben Dialekte zumeist ein höheres Ansehen als im übrigen deutschen Sprachraum. Die münd-liche Umgangssprache zwischen Deutschschweizern ist fast ausnahmslos die jeweils heimische Mundart, der Ortsdialekt, unabhängig von Bildung und gesellschaftlichem Status. Der Dialekt hat heute keinerlei Konnotationen des Ungebildeten, Ländlichen oder Bäuerlichen, wie das im übrigen deutschen Sprachraum zumindestenes früher zumeist der Fall war – auch Universitäts-professoren benutzen ausserhalb von Vorlesungen ausschliesslich ihren jeweiligen deutsch-schweizerischen Dialekt.

Mundart (Dialekt) und Standarddeutsch stehen in einem Diglossie-Verhältnis zueinander, da beide Sprachformen deutlich voneinander getrennte Funktionen und Geltungsbereiche beset-zen. Zwischen Mundart und dem Standarddeutsch gibt es keine graduellen Abstufungen bzw. Übergänge.

Besonderheiten

Deutschschweizer sprechen im Allgemeinen ein erkennbar anderes Hochdeutsch als die Sprecher aus anderen deutschen Sprachregionen. Folgende Faktoren spielen dabei eine Rolle.

Das Standarddeutsch fast aller Deutschschweizer weicht in der Aussprache von der Standardlautung ab, da die heimischen Dialektformen weit mehr gesprochen werden als im übrigen deutschen Sprachraum und sich insofern mit der Aussprache vermischt («man hört den eigentlichen Dialektsprecher bei der Aussprache des Standarddeutschen heraus»). Dieses Phä-nomen wird als Interferenz bezeichnet.

Beispiel: Der ich-Laut, also der palatale Frikativ wie in „ich“, gibt es in den Schweizer Dialekten nicht, hier werden ausnahmslos alle ch-Laute als uvulare Frikative gesprochen, also als ach-Laut, wobei das Schweizer ch meist noch deutlich stärker „kratzt“. Daher verwenden viele Deutschschweizer Sprecher auch im Hochdeutschen ausnahmslos den ach-Laut. Be-merkenswert ist, dass schon innerhalb der Schweiz Standarddeutsch je nach Dialektregion unter-schiedlich ausgesprochen wird; Berner sprechen also ein anders gefärbtes Hochdeutsch als St. Galler, weil ein Berner Dialekt andere Interferenzen verursacht als ein St. Galler Dialekt. Oft ist es möglich, anhand der Aussprache des Standarddeutschen auf die Herkunft des Sprechers zu schliessen. (Diese Sprachsituation kann auf den gesamten deutschen Sprachraum umgelegt wer-den, soweit die Mundarten noch gesprochen werden.)

Andere Interferenzen sind – je nach Dialekt – das geschlossen und dunkel ausgespro-chene lange a, das gegen o tendiert, ein sehr offen ausgesprochenes ä, teilweise andere Wortbe-tonungen oder eine stärkere Variation der Tonhöhe.

In dieser Feststellung liegt keine Aussage zu der – ohnehin unsinnigen – Fragestellung, welche der jeweiligen Aussprachen als «richtiger» oder «falscher» anzusehen wäre oder ob die jeweiligen Sprecher zu einer anderen Aussprache willens oder in der Lage sind.

Untersuchungen des Sprechverhaltens von Erst- und Zweitklässlern an Deutschschweizer Volksschulen zeigen, dass Erstklässler ein Standarddeutsch sprechen, das näher am hoch-deutschen Standard ist als das Standarddeutsch von Zweit- und Drittklässlern. Gelernt haben sie es ausserhalb der Schule, wobei das Fernsehen eine wichtige Rolle spielt. Erstklässler zeigen zum Beispiel eine standardsprachlich korrektere Aussprache der «Ich»- und «Ach»-Laute als Zweitklässler. Schulkinder lernen also in den ersten Schuljahren, wie Schweizer Standarddeutsch zu klingen hat, passen ihre Artikulation an und entfernen sich dabei vom übrigen Standard-deutsch. Dass Deutschschweizer eine erkennbar schweizerische Form der Standardsprache spre-chen, ist demnach als Resultat eines Lernprozesses und der Anpassung an eine Sprachkonvention zu sehen. Triebfeder hinter dieser Anpassung sind das Streben nach Konformität und der Wunsch, von der Sprachgemeinschaft als Mitglied anerkannt zu sein.

Dieser Ansatz versteht Schweizer Hochdeutsch als eine Varietät, für die eine eigen-ständige Sprachkonvention existiert; in der Gemeinschaft der Sprecher herrscht eine „recht weit-gehende Übereinkunft darüber, welche Varianten für die schweizerische Standardsprache [= Schweizer Hochdeutsch] angemessen sind und welche nicht“.

Weil die Standardsprache kaum ausserhalb des Schulunterrichts gesprochen wird, ist der Einfluss der Schule auf die Qualität der Standardsprache sehr gross. Die Sprache – auch die mündliche – ist im Unterricht sehr stark auf Prinzipien der Schriftlichkeit ausgerichtet: ein typisch schriftliches Prinzip ist beispielsweise die Forderung, ganze Sätze zu bilden. Syntak-tisches Merkmal schriftlicher Sprache sind längere Sätze mit komplexeren Konstruktionen, grössere Wortvarianz (Wortvielfalt) und mehr Adjektive. Gesprochene Sprache dient im Schul-unterricht zudem oft nur vordergründig der Kommunikation und wird stark danach beurteilt, ob sie korrekt verwendet wird. Als korrekt gilt, was auch geschrieben werden kann. Die Unter-suchung mündlicher Erzählungen von Schulkindern zeigt, dass mit zunehmendem Schulungs-niveau der Grad an Mündlichkeit in der gesprochenen Sprache abnimmt. Die Erzählung eines Sechstklässlers zeigt im Vergleich zur Erzählung eines Erstklässlers zwar einen «elaborierteren» Satzbau, ist zugleich aber «papierern» und «steif» – dafür aber aufschreibbar. Der Sechstklässler hat im Sprachunterricht nicht sein Ausdrucksvermögen verbessert, sondern gelernt, wie man Bildergeschichten nacherzählen soll. Eine vergleichende Untersuchung von süddeutschen und Nordwestschweizer Schülern der Primarstufe zeigt, dass sich die Standardsprachen der beiden Gruppen stark unterscheiden: die deutschen Kinder zeigen beispielsweise eine deutliche Tendenz zu Totalassimilationen (ham für haben) und reduzierten nasalen Formen wie der Verkürzung des unbestimmten Artikels ('n Haus – ein Haus, 'ne Blume – eine Blume). Bei den Schweizer Sprechern kommen reduzierte nasale Formen praktisch nicht vor, die Endsilbe -en wird häufig voll realisiert (wir gehen statt wir gehn). Die Schweizer Sprecher verzichten auf die beschrie-benen Verschleifungen und halten damit viel häufiger die – korrekte – standardlichen Voll-formen ein als die Schüler aus Süddeutschland, wobei aber gerade diese Verschleifungen die Artikulation erleichtern und den Sprachfluss vereinfachen.

Gemäss diesem Ansatz führt der Schulunterricht in der Deutschschweiz dazu, dass Schweizer ein möglicherweise übermässig korrekt gesprochenes Hochdeutsch anstreben; dabei orientieren sie sich einseitig an Qualitätskriterien, die für die geschriebene Sprache gelten. Dar-unter leiden die sprachliche Spontaneität und die Eloquenz des mündlichen Hochdeutsch.

Abb.1. Die nach dem deutschen Ort Ötlingen benannte Strasse in Basel heisst offiziell Oetlingerstrasse

Abb. 2. Hinweisschild im Kanton Wallis

Parkverbotsschild am Basler Rheinufer in schweizerischem Amtsdeutsch. Für den ganzen Platz gilt das Parkverbot; Zuwiderhandelnde haften für negative Folgen des Falschparkens

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]