Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:

Deutsche_Stilistik

.pdf
Скачиваний:
268
Добавлен:
11.02.2015
Размер:
2.01 Mб
Скачать

Ach! Die Gattin ist's, die teure, ...

(Schiller, »Das Lied von der Glocke«)

Diese Verwendungsweise ist als poetisches Stilmittel bis in die Gegenwart lebendig geblieben:

Suchend das Vieh, das dürre,

das sich im Dickicht verlor, (P. Huchel, »Heimkehr«)

Es wird noch ein Aug sein, Ein fremdes, neben dem Unsern ...

(P. Celan, »Zuversicht«)

Zuweilen fehlt dabei der Artikel, das nachgestellte Adjektiv wird jedoch flektiert:

Kurzer Sommer, glühender, bleib! (G. Britting, »Sommergefühl«)

Wege sind Durch den Wald

Verborgene. Da hole ich.. . (J. Bobrowski, »Nymphe«)

Selbst in der Prosa der Gegenwartsliteratur kommen diese Formen der Adjektivnachträge mit ihrer unterstreichenden oder kommentierenden Funktion auf:

Was machen sie mit den Großen? fragte das Kind und sah schaudernd in die schwarze feuchte Schlucht, die kalte, sonnenlose.

(G. Wohmann, »Muränenfang«)

Auch die Toilettenfrau war schon im Dienst, sie bewachte auch die Waschräume, die endlich gefundenen. (G. Fritsch, »Fahrt nach Allerheiligen«)

Als eindrucksvolle Abwandlung des flektierten nachgestellten Adjektivattributs ist dessen Verwendung in der Art der Apostrophe, der zumeist feierlichen Anrede an Personen, Begriffe oder Gegenstände (z.B. Musen, Ideale u.ä.) anzusehen.50 Das Adjektiv tritt hierbei (meistens neben einem Substantiv) in die Funktion des Aufrufs, besitzt also einen besonderen expressiven Wert:

O Hoffnung, holde! gütig geschäftige,

Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst, Und gerne dienest, Edle, zwischen Sterblichen wallest und Himmelsmächten ...

(Hölderlin, »An die Hoffnung«)

Das vorangestellte Genitivattribut ist heute – wie das nachgestellte Adjektiv

– eine archaische Stilvariante zur Hauptform des nachgestellten Genitivattributs. Die Vorausstellung, die einstmals im nichtpartitiven Gebrauch allgemeingültig war (vgl. den sogenannten sächsischen Genitiv im Englischen) und heute noch bei Eigennamen durchaus üblich ist (vgl. Goethes Werke, Grimms Märchen), wird außerdem in zahlreichen älteren Wendungen (Sprichwörtern u.dgl.) bewahrt:

108

Aller Laster Anfang; eines Mannes Rede; jeder ist seines Glückes Schmied usw. Einigkeit und Recht and Freiheit sind des Glückes Unterpfand

(Hoffmann v. Fallersleben)

Der Arbeit Lohn; der Menschheit Glück.

Das vorangestellte Genitivattribut konnte schließlich durch Zusammenrückung leicht zum Kompositum werden, wenn die Selbständigkeit der Wortbegriffe durch Unterordnung unter das nominativische Bezugswort aufgegeben wurde (vgl.: des Freundes Treue – die Freundestreue).

Die deutsche Lyrik hat sich dieses ›syntaktischen Archaismus‹ zu allen Zeiten gern bedient, verlieh er doch der jeweiligen Aussage etwas Feierliches, Besonderes:

Der Menschen müde Scharen verlassen Feld und Werk. (Gryphius, »Der Abend«)

An des Balkones Gitter lehnte ich...

(A. v. Droste-Hülshoff, »Mondesaufgang«)

Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang. (Rilke, »Duineser Elegien«)

Und des Totenführers Flöte gräßlich noch im Ohr ...

(E. Langgässer, »Frühling 1946«)

Eine rhythmischere Variante dieser syntaktischen Form entsteht, wenn dem vorangestellten einfachen oder erweiterten Genitivattribut ein adjektivisch erweitertes Grundwort folgt:

Der Tonkunst holder Mund... (Grillparzer, Beethovenrede)

der reinen wolken unverhofftes blau

(St. George, »komm in den totgesagten park«)

... geht durch der Glieder angespannte Stille ... (Rilke, »Der Panther«)

Vorangestelltes und nachgestelltes Genitivattribut in asyndetischer Reihung können mitunter zusammentreffen und einen formalen (und hier zugleich semantischen) Chiasmus bilden:

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik, Ziehen auf zu ihm...

(G. Heym, »Der Gott der Stadt«)

Die bisherigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, welche unterschiedlichen Ausdrucksvarianten hier bestehen. Sie werden besonders in der Dichtung stilistisch genutzt. In anderen Verwendungsbereichen der Sprache finden nur die Formen der Satzrahmenbildung und der Ausklammerung sowie die expressive Satzgliedstellung als synonyme Varianten stärkere Beachtung. Der nur kommunikativen Wortverwendung erscheinen andere Formen noch zu sehr verfremdend. Die Zunahme der Ausklammerungen zeigt jedoch, daß manche der bisherigen Wortstellungsnormen in ihrem Geltungsbereich bereits aufgelockert sind. Stilistischen Abwandlungen stehen so manche Möglichkeiten offen.

109

Stilistisch wichtige Abwandlungen der Satzgestalt

Veränderungen einfacher Satzformen

Zu den wichtigsten syntaktischen Einsichten gehört der Aufweis bestimmter Satzmodelle, Satzbaupläne, Satzschemata, Satzzypen u.ä. oder Grundformen des Satzbaus. Darunter versteht man eine begrenzte Zahl von syntaktischen Grundstrukturen, die eine bestimmte Zahl von notwendigen Satzgliedern besitzen und im einfachen und erweiterten Satzbau in verschiedener Modifizierung immer wiederkehren. Die syntaktische Grundform ist durch jeden kompetenten Sprecher mit Hilfe von Reduktionen eines gegebenen Satzes (der sog. »Abstrichmethode«) erkennbar1, wobei alle zur Grundform eines Satzes hinzugefügten und nicht unbedingt notwendigen Satzteile gestrichen werden. Je dachdem, ob man die verbleibenden Verbergänzungen (bzw. das Fehlen einer Verbergänzung) formal auffaßt (wie in der Valenztheorie) oder als inhaltlich geprägt (wie in der inhaltsbezogenen Grammatik), wird man eine unterschiedliche Zahl solcher Grundformen ermitteln können.

Die wichtigsten Grundformen bestehen aus folgenden Kombinationen2: (Abkürzungen: Su. = Subjekt, Pr. = Prädikat, Akk.Ob. = Akkusativobjekt, D.Obj. = Dativobjekt, prp. Obj. = präpositionales Objekt, ArtErg. = Artergänzung, adv. Best. = adverbiale Bestimmung, PrN = Prädikatsnomen [Gleichsetzungsnominativ].)

Su. – Pr. (Die Glocken läuten.)

Su. – Pr. – Akk.Obj. (Der Küster läutet die Glocken.) Su. – Pr. – D.Obj. (Der Schüler begegnet dem Lehrer.)

Su. – Pr. – D.Obj. – Akk.Obj. (Der Student schenkt seiner Freundin ein Buch.) Su. – Pr. – prp.Obj./adv. Best. (Karl spielt mit mir. München liegt en der Isar.) Su. – Pr. – Akk.Obj. – adv.Best. (Ich lege das Buch auf den Tisch.)

Su. – Pr. – Art.Erg./PrN (Die Blume ist schön/ ... ist eine Rose.)

Weitere Grundformen und einige Nebenformen ergeben sich aufgrund genitivischer Objekte, weiterer Ergänzungen, Gleichsetzungsnominativ bzw. – akkusativ (s. Duden-Grammatik, 21996, S. 504f.).

Bei den syntaktischen Grundformen handelt es sich um Strukturen, die zum System der Sprache (langue) gehören und im Rahmen der Grammatik (Syntax) erforscht werden. Für die stilistische Textanalyse und –beschreibung ist

110

jedoch von Bedeutung, in welchem Umfang und in welcher Art ein Autor diese systemimmanenten Möglichkeiten nutzt und abwandelt. Die Grundformen selbst sind gewissermaßen Abstraktionen des wirklichen Satzbaus und treten unmodifiziert im Sprachgebrauch weniger häufig auf. Die zahlreichen Abwandlungen (Erweiterungen, Verkürzungen, Umformungen) dieser Grundformen zeigen, in welchem Maße hier stilistische Absichten verwirklicht werden können. Zwar sind die vorkommenden Variationen nicht in jedem Falle bewußte Ausdrucksformen; vor allem Erweiterungen der Grundformen durch zusätzliche Satzteile (Umstandsangaben u.ä.) sind häufig und werden kaum als besondere Auswahl, geschweige denn als stilistisch beabsichtigte Abweichungen von einer Norm empfunden. Ein Satz wie Der Schüler begegnet dem Lehrer wird auch in der Erweiterung und präteritalen Fassung Gestern nachmittag begegnete der Schüler dem Lehrer auf der Straße als normalsprachlich und nullexpressiv (d.h. ohne stilistische Ausdrucksabsicht) angesehen werden müssen. Trotzdem kann auch die Verwendung derartiger »Normalformen« charakteristisch für einen bestimmten Stil sein und bestimmte kommunikative Redezwecke signalisieren.

Stilistisch bedeutsamer sind allerdings andere Variationsmöglichkeiten dieser Grundformen.

Wir können vier verschiedene Arten der Abwandlung dieser Grundformen feststellen, die in vielen Textformen vorkommen: Reduktionen, Erweiterungen, Umwandlungen, Unterbrechungen der Satzform.

Reduktionen der Grundformen des Satzes

Bei den Reduktionen der Satztypen handelt es sich um Sätze (Hauptoder Gliedsätze) oder satzartige Formen, die ein notwendiges Satzglied oder mehrere auslassen. Solche unvollständigen Sätze sind vor allem im mündlichen Redegebrauch recht häufig, wo sich die Specher in der Erregung oder aufgrund sprachlicher Ökonomie oft mit Satzfragmenten begnügen, zumal hier Situation, Kontext oder Gestik das Fehlende verdeutlichen.

Aus dem mündlichen Sprachgebrauch dringen solche Formen auch in die Schriftsprache, besonders wenn die Redeweise bestimmter Personen in Erzähltexten oder Dramen gespiegelt werden soll.

Bereits die antike Rhetorik kannte solche stilistisch wichtigen Formen der Satzreduktion (detractio) unter den Begriffen der Aposiopese (reticentia, interruptio) und Ellipse. Auch im deutschen Sprachgebrauch lassen sich mehrere Formen der Satzreduktion feststellen: Satzabbruch; Auslassung des Verbs, Objekts oder Subjekts; Reduktion auf das Sinnwort; Isolierung einzelner Satzglieder.

111

Satzabbruch (Aposiopese)

Der Satzabbruch kann verschieden motiviert sein und verschiedene Stilwirkungen zeitigen. Wir unterscheiden hier zwischen einer situativ bedingten, einer andeutenden und einer apotropäischen Aposiopese. In allen drei Fällen wird ein strukturell vollständiger Satz begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Für eine sinnvolle Kommunikation ist es erforderlich, daß aus dem artikulierten Satzanfang die geplante Fortführung erkennbar bleibt oder zumindest aufgrund des Vorwissens der Redepartner oder aus der Situation vermutet werden kann.

Dem situativ bedingten Satzabbruch können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen: 1. Die Erregung des Sprechers, wenn er mehrere Gedanken zugleich äußern will oder nach dem rechten Ausdruck sucht und mehrere Ansätze häuft:

Bengtsen: »Ich sagte schon ... da sind keine Fischer

Grove: »Aber vielleicht doch ... einer vielleicht, ein einziger ...

Bei Sonnenaufgang fahren sie doch sonst hinaus ...«

(F. v. Hoerschelmann, »Das Schiff Esperanza«)

2. Auch die Unsicherheit, das bloße Vermuten, kann einen Sprecher zum Abbruch veranlassen:

Sie sehen wie ein Ausländer aus. Chrantox: Ich bin einer.

Träger: Sie sprechen gut deutsch, fast ... ich meine ... nun ... (bricht ab) (H. Böll, »Eine Stunde Aufenthalt«)

3. Eine Verlegenheitsoder Vorsichtsreaktion des Sprechers, die ihn zum Abbruch eines Sprechansatzes zwingt:

Diener: Gnädige Frau, ich ... es ist mir sehr.. . (hüstelt) aber ich habe von Herrn Doktor die strikte Anweisung, darauf zu achten, daß Sie sich schonen, Sie wissen, der Arzt ...

Frau Borsig: Ich weiß, was der Arzt gesagt hat ...

(H. Böll, »Zum Tee bei Dr. Borsig«) 4. Die Unterbrechung des Sprechers durch die Zwischenrede eines anderen:

Frau Borsig: ... (heftig) Wissen Sie, was Pandotal ist?

Franziska: Als ich noch ein kleines Mädchen war, wußte ich schon, was Pandotal ist: es ist ...

Frau Borsig (unterbricht sie heftig): Es ist Suggestion ...

(H. Böll, »Zum Tee bei Dr. Borsig«) Die Satzabbrüche zwingen den Leser oder Hörer zu Vermutungen über die ursprüngliche Ausdrucksabsicht; manchmal auch zum Nachdenken über den tieferen Grund solcher Abbruche. Damit steigern sie die inhaltliche Aussage, übertragen aber auch die Erregung der Redepartner auf den Leser und verleihen so dem Text eine größere Spannung.

Die Erkennbarkeit dei Gemeinten bei manchen situativ bedingten Satzabbrüchen rückt diese bereits in die Nähe der andeutenden Aposiopese, in der meist in ruhigerer Redeweise, bestimmte Wörter nicht ausgesprochen werden, sei es aus Sorge vor dem Mithören uneingeweihter Dritter, sei es aus

112

einer gesellschaftlichen Scheu, Unangenehmes sagen zu müssen, oder sei es aus der Berechnung, daß die bloße Andeutung (beispielsweise einer Drohung) bereits die erhoffte Wirkung zeitigt:

In Kleists »Robert Guiscard« bemühen sich die Begleiter Guiscards, ihm zu helfen und gleichzeitig seine Krankheit vor dem Heer zu vertuschen:

Die Herzogin (leise): Willst du – ?

Robert: Begehrst du – ? Fehlt dir – ?

Die Herzogin: Gott im Himmel! (Kleist, »Robert Guiscard«)

Auch in der Umgangssprache sind solche Andeutungen durch Satzabbrüche nicht selten:

Wenn du jetzt nicht kommst, dann ... !

Der apotropäische (unheilabwehrende) Satzabbruch ist heute nur noch in Redewendungen üblich, die einen Fluch oder eine Verwünschung andeuten. Als Subjekt solcher Sätze war früher meistens der Teufel (Satan, das Böse, Luzifer usw.) gemeint, dessen Namen man jedoch aus Scheu mied, weil man glaubte, mit der Namensnennung den bösen Geist herbeizurufen und sich selbst zu gefährden. Man ließ daher den Namen des Bösen aus, falls man ihn nicht durch ein harmloses oder positiv wirkendes Ersatzwort, wie z.B. »der Böse«, »der Schwarze«, »der Gottseibeiuns» nannte. Derartige Satzabbrüche verloren später zumeist ihren verwünschenden Gehalt, werden aber heute in der Volkssprache oft noch als verbale Reaktion bei unerwarteten, unerwünschten Ereignissen verwendet:

Daß dich der ... !

Da schlage doch der – !

Situative und andeutende Satzabbrüche waren besonders zu Beginn des 19. Jhs. in der Literatur beliebt. Überstrapaziert wurde dieses Stilmittel durch H. Clauren (Carl Heun, 1771–1854), den Verfasser zahlreicher Unterhaltungsromane. W. Hauff parodierte solche Formen der Kitschliteratur, die besonders gern Aposiopesen verwandten, mit folgender Passage in »Der Mann im Mond«:

... er beugt das gramvolle, wehmütige Gesicht über sie hin, heiße Tränen stürzen aus seinem glühenden Auge herab auf ihre glühenden Wangen, er wölbt den würzigen Mund – er will sie kü ...3

Auch H. Heine verwendet die Aposiopese häufig, z.B., wenn er eine unerwartete Wendung verstärken will, wenn der Kontext den Ausdruck starker Empfindung erwarten ließe oder er selbst etwas Unangenehmes sagen müßte. Durch den plötzlichen Abbruch aber zwingt er den Leser zum Nachdenken.

Überdies schien jetzt der Mond so zweideutig ins Zimmer herein, an der Wand bewegten sich allerlei unberufene Schatten, und als ich mich im Bett aufrichtete, um hinzusehen, erblickte ich –

Es gibt nichts unheimlicheres, als wenn man, bei Mondschein, das eigene Gesicht zufällig im Spiegel sieht. (»Die Harzreise«)

113

Die andeutend-verhüllende Aussageform des Satzabbruchs wird von einzelnen Dramatikern gern genutzt, um durch diese schwebende Sprachform die szenische Spannung zu erhöhen.

Walter: ... kann jemand anders hier im Orte nicht – ? Adam: Nein, in der Tat –

Walter: Der Prediger vielleicht. Adam: Der Prediger? Der – Walter: Oder Schulmeister.

(H. v. Kleist, »Der zerbrochene Krug«)

Auslassungen des finiten Verbs, des Objekts oder Subjekts

Während die Aposiopese den linearen Fortgang eines Satzes ohne Rücksicht auf Zahl und Art der folgenden Glieder abbricht, reduzieren die verkürzten Sätze (Ellipsen) nur bestimmte, meist semantisch schwache Satzteile, deren Inhalt redundant (überflüssig, entbehrlich) ist und durch andere Satzteile oder den Kontext übernommen wird. Auch die Ellipse war schon in der Antike eine beliebte Stilfigur, die dem Stilideal der Kürze (brevitas) diente. Sie findet sich auch heute noch dort am häufigsten, wo sprachliches Ökonomiestreben zur Kürze des Ausdrucks drängt, z.B. in Gesprächen, Aufschriften, Zeitungstiteln, Telegrammen, Kurzbeschreibungen u.ä.

Ausgelassen werden meist die Satzglieder oder Einzeiwörter, die ohne Gefährdung des Informationsgehaltes reduzierbar sind, also Hilfsverbformen, wenn der Kurzsatz eine Partizipform enthält: z.B. (ist) geschlossen; Subjekt und finite Verbform, wenn der Kontext (z. B. eine Frage) bereits die gleichen Angaben enthält; Subjekte, wenn das finite Verb keine Zweifel über die Person zuläßt (z.B. in Telegrammen: Ankomme Morgen), oder Objekte, wenn .sie von der Verbvalenz nicht unbedingt erfordert werden.

Kurzsätze mit Auslassungen des Hilfsverbs oder eines anderen Verbs finden sich häufig auf Hinweisoder Verbotsschildern, z.B. Rauchen verboten. – Durchgang auf eigene Gefahr. – Sprechstunde von 10–12 Uhr. Wo der situative oder gegenständliche Kontext (Verkehrsschilder, Aushängetafeln) keinen Zweifel zuläßt, können auch weitere Satzteile ausgelassen werden.

Neben diesen Einzelverwendungen findet sich der verblose Kurzsatz in bestimmten Textsorten auch als durchgehendes Merkmal der Redeweise; so etwa in den analysierenden und prospektiven Teilen des Wetterberichts:

Im Süden und im Rhein-Main-Gebiet ruhiges, meist neblig-trübes Wetter mit einzelnen Aufheiterungen. Mittags Werte um 5°, nachts in Aufklarungsgebieten leichter Frost. Auf den Bergen gute Sicht, Frostgrenze bei 2500 Meter. Im Norden teils aufklarend, teils stärker bewölkt, vereinzelt Sprühregen.

114

Die kommunikative Möglichkeit zu solchen und ähnlichen Kurzsatzbildungen ergibt sich aus der semantischen Eindeutigkeit des äußeren Kontextes (hier der Textsorte und Sprachverwendung) und inneren Kontextes (hier der verwendeten Nomina). Für Substantive wie »Frühnebel«, »Regen«, »Sprühregen«, »Bewölkung« usw. kommen als verbale Zusätze in diesem Kontext nur Verben wie »herrschen«, »vorherrschen«, »sein., »auftreten«, »aufkommen« u.ä. in Frage. Eine solche kontextuale Eindeutigkeit wirkt als semantische Redundanz und macht die entsprechenden Verben überflüssig. Die standardisierte Terminologie und Form solcher Angaben mag die Verbauslassung begünstigt haben. Derartige Satzverkürzungen sind bei Beschreibungen, Hinweisen und Angaben in Gebrauchs -texten, in der Werbung, aber auch in der Lyrik bestimmter Epochen (z.B. im Impressionismus) üblich.4

Nominale elliptische Aussagen spielen dann in der späten Lyrik Trakls wie auch Gottfried Benns eine große Rolle. Benn ging es um eine Neubelebung der lyrischen Sprache durch Hervorhebung der Substantive, in deren Chiffrencharakter er eine besondere »stilistische Figur« erblickte:

Astern – schwälende Tage, Alte Beschwörung, Bann, Die Götter halten die Waage Eine zögernde Stunde an.

(G. Benn, »Astern«)

In der Lyrik der Gegenwart kehren die elliptischen Stilformen der impressionistischen Lyrik wie verblose Nominalsetzungen in der Art Gottfried Benns häufig wieder, besonders im Strophenanfang, wo sie die lyrischen Themen oder Bilder vergegenwärtigen:

Gefangen in der Falle der Verbindlichkeiten. (H. Heißenbüttel, »Kombination«)

Blau. Die Lüfte.

Der hohe Baum,

den der Reiher umfliegt.

(J. Bobrowski, »Heimweg«)

Neben semantisch eindeutigen und kontextual ersetzbaren Verben wie sein, sich befinden, folgen (bei »nach«), führen (bei Wegweisern), gehören in werden in der Umgangssprache wie in der Dichtung häufiger Modalverben sowie andere Hilfsverben ausgelassen, so erwa bei der fragenden Wiederholung einer Anweisung:

Du sollst ihm das verbieten! Ich (soll) ihm das verbieten?

Goethe nutzt diese Redeweise in »Prometheus» zum Ausdruck trotziger Auflehnung:

Ich dich ehren? Wofür?

Auch in anderen Hymnen der Frankfurter Zeit bevorzugte er eine verblose, mitunter auch subjektlose, imperativische Ausdrucksweise, so etwa in »An Schwager Kronos«:

115

Nun schon wieder den eratmenden Schritt Mühsam Berg hinauf!

Auf denn, nicht träge denn Strebend und hoffend hinan! Weit, hoch, herrlich der Blick...

Eingefügte verbale Erläuterungen wie erlebe ich, laßt uns reisen, reicht (der Blick), würden hier die Dynamik der Kurzsätze hemmen, die der rollenden Fahrt in der Postkutsche entspricht (in der dieses Gedicht konzipiert wurde).

Auch im Drama jener Zeit finden sich imperativische oder optativische Satzverkürzungen:

So ganz zum Kind werden! Alles golden, alles herrlich und gut! Dieses Schloß bewohnen, Zimmer, Saal, Keller und Stall!

(F. M. Kiinger, »Sturm und Drang«) Hier sind die Ausrufe Ausdruck eines Wunsches, der verbal mit will ich, möchte ich signalisiert werden könnte, situativ aber auch aus der Handlung der infinitivischen Redeweise sichtbar wird.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die Möglichkeiten der Satzverkürzung mit Hilfe des Infinitivs hingewiesen. Der Infinitiv hat hier die imperativische Funktion übernommen, die er im sogenannten unpersönlichen Imperativ bereits besitzt, z.B. Einsteigen! Antreten! Langsam fahren! Solche Imperative sind als erstarrte elliptische Formen einstiger Sätze anzusehen (Muster: Ihr sollt einsteigen! → Einsteigen!), wie sie den Ausdrucksformen bestimmter Anweisungen in Gebrauchsanleitungen, Kochrezepten u.ä. zugrunde liegen, wo die elliptische infinitivische Redeweise auf Sätze mit man muß zurückgeht:

Huhn mit Reis

Das vorgerichtete junge Geflügel mit gewürztem heißem Wasser beistellen und weichkochen. Mit Butter, Mehl und Hühnerbrühe eine weiße Grundsoße herstellen und gleichzeitig den gewaschenen Reis mit Hühnerbrühe in glasiertem Topf vorsichtig weichkochen (siehe Nr. 904). Wenn der Reis gar ist, das Geflügel zerlegen, die Soße mit Zitronensaft, Wein würzen und Eigelb abrühren ...5

Auch in technischen Gebrauchsanleitungen ist die Form infinitivischer Kurzsätze recht geläufig:

Nachstellen der Schaltvorrichtung beim Torpedo-Dreigang

1.Schnellgang (III) einschalten.

2.Tretkurbel kurz hinund herbewegen, damit der Gang einrastet,

3.Zeiger des Clickschalters auf Leerlaufmarke ziehen und Schalthebel in dieser Stellung festhalten ...

Besonders der mündliche Dialog macht von Kurzsatzbildungen Gebrauch. Hier ergänzen sich Frage und Antwort oft semantisch zu einem Satz, obwohl es sich intentional um zwei Sätze handelt. Durch Auslassungen von Subjekt und finitem Verb im Antwortsatz, soweit sie mit denen des Fragesatzes identisch sind, werden störende Wiederholungen vermieden:

116

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]