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Deutsche_Stilistik

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stehenden Beiwörtern und festen Formeln (z.B. die liebende Mutter, der kühne Held);

3. impressionistisch-charakterisierende, persönlich gefärbte Beiwörter, die den situativen Eindruck und die Wertung eines Autors vermitteln (z.B. aus Goethes »Auf dem See«: Weiche Nebel, türmende Ferne, beschattete Bucht, reifende Frucht). Hierzu gehören auch metaphorische Beiworter, die zwei verschiedene Vorstellungsbereiche miteinander verknüpfen: türmende Ferne (Goethe), bemoosete Vergangenheit (J. Paul), großblumige Gefühle (Heine). Zahlreiche Bildungen haben den Charakter der neuartigen Metaphorik inzwischen eingebüßt und sind zu festen Begriffen geworden (z.B. scharfer Verstand, trübe Stimmung, aufgeblasener Geck)72;

4.Beiwörter als Gefühlstrager (oft neben sinnlich-charakterisierenden Beiwörtern), z.B.: ein totes abschreckendes Ansehen (Novalis), empörte Wogen (Eichendorff), liebliche Kühle und träumerisches Quellengemurmel (Heine). Hierzu zählen die »beseelenden Beiwörter«: unter dem frischen, wehenden, lebensfrohen Abendbimmel (J. Paul), kein leerer, schmeichelnder Wahn (Schiller). W. Schneider sieht im beseelenden Beiwort bei konkreten Vorstellungen »eine Vorstufe der Mythologisierung«, in der Beseelung abstrakter Vorstellungen einen »schwachen Ansatz zur Allegorie«;73

5.urteilende und wertende Beiwörter, z.B.: schändlichster Undank, würdiger Anlaß, herrliches Ideal (Schiller);

6.geistreich-intellektuelle Bildungen, oft in Verbindung mit anderen Stilmitteln, z.B.: ein sehr redendes Stillschweigen (J. Paul), göttlichsten Schnupfen, mit seinem engen transzendental-grauen Leibrock (Heine), grauriechende Kälte (Rilke). Hier ordnet Schneider auch die Beiwörter ein, die sich eigentlich nicht auf das nachfolgende Substantiv, sondern auf das ursprüngliche Subjekt oder Objekt des Redezusammenhangs beziehen, heute aber in der Umgangssprache gang und gäbe sind: eine gute Flasche (eine Flasche mit einem guten Trunk), meine alten Tage (die Tage meines Alters). Allerdings wirken nur neuartige oder ungewohnte Zusammenstellungen dieser Art: Waisenkinder mit ihren blauen Röckchen und ihren lieben, unehelichen Gesichtchen (Heine, »Harzreise«); seine perläugige Klugheit und flinke Minierkunst (Th. Mann, »Herr und Hund«); des Neffen mundoffene Begriffsstutzigkeit (Th. Mann, »Joseph und seine Brüder«).

Nach den Lehren der antiken Rhetorik handelt es sich bei diesen Bildungen um Erscheinungen der Hypallage (Ennallage) adjectivi = Vertauschung74, bei der das Adjektiv semantisch nicht auf das mit ihm grammatisch verbundene Substantiv, sondern auf ein anderes Kontext-Substantiv bezogen ist. Gelegentlich finden sich solche Bildungen auch in der Presseund Alltagssprache, z.B. Die Einwohner bereiteten ihm einen begeisterten Empfang (für: Die begeisterten Einwohner bereiteten ihm einen Empfang).

Die Beiwortverschiebung führt aber psychologisch oft zu einer Verschmelzung von logischem und grammatischem Bezug und schafft so mitunter neue Eindrucksqualitäten, zuweilen auch verfremdende Effekte.

7. Erst als letzte Gruppe nennt W. Schneider das »schmückende Beiwort« (epitheton ornans), das in der Antike und ihrer Nachahmung als rhetorisches

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Schmuckmittel zuweilen zur Aufbereitung dürftiger Gedanken benutzt wurde und deshalb in der neueren Zeit in ein schiefes Licht geriet. Bedeutende Autoren haben es jedoch stets verstanden, durch solche Beiwörter, maßvoll und angemessen verwendet, die Ausdruckswirkung zu steigern.

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke Winken die Frauen dem Flüchtling zurücke, Warnend zurück in der Gegenwart Spur. In der Mutter bescheidener Hütte

Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte, Treue Töchter der frommen Natur.

(Schiller, »Würde der Frauen«)

Die Übersicht zeigt, welch unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten das Beiwort bietet. Vor allem wegen der Fähigkeit zur charakterisierenden und wertenden Aussage ist es heute ein beliebtes Ausdrucksmittel der Werbesprache:

Entdecken und genießen Sie diese friedvolle Stelle weitab von der Realität des Alltags an den weißen Sandstränden mit Kokosnußpalmen und den CasuarinaBäumen mit ihren federartigen Zweigen. Eine unberührte Welt mit üppiger Vegetation und immer neuen Abenteuern. (Touristikwerbung)

Der Zwang zur größten Kürze in den Informationen teurer Zeitungsanzeigen begünstigt die Aufzählung von Eigenschaften in der Form adjektivischer Reihungen. Als Beispiel dafür steht eine Partner-Suchanzeige, die auch als Muster für Suchoder Verkaufsanzeigen anderer Art gelten kann:

Attraktive junge Dame aus besten Kreisen, Anf. 30/1,70, blond, blaue Augen, ev., led., feminin, kultiviert, sehr musikalisch, musische Ambitionen, natürlich, liebenswertes Wesen, sportlich, sucht adäquaten christlichen Lebensgefährten mit Herzensund Geistesbildung ...

Die Anzeigenwerbung hat inzwischen zahlreiche Formen des Beiwortgebrauchs in der Textgestaltung entwickelt75, die die Vielfalt der inhaltlichen wie formalen Möglichkeiten wirkungsvoller Adjektivverwendungen sichtbar machen.

Stilwerte des Verbs

Über die verschiedenen grammatischen Abwandlungsformen des Verbs und ihre stilistische Bedeutung wurde schon gesprochen (vgl. S. 168 ff.). Hier gilt es, einiges über die inhaltlichen und stilistischen Leistungen dieser Wortart nachzutragen. Die neueren grammatischen Einsichten veranlassen uns zunächst, das Verb nicht mehr ausschließlich als »Tätigkeitswort« zu betrachten. Es gibt neben den Tätigkeitsverben auch solche, die einen Zustand, einen Vorgang, ein Geschehen oder ein Verhältnis ausdrücken. Dementsprechend ist auch der Stilwert verschieden. Vergleicht man etwa Sätze mit Verben wie lernen, ruhen, gedeihen, knallen, hasten, geschehen, besitzen, sein, wird man feststellen, daß neben inhaltlichen Unterschieden auch die Eindruckswirkung jeweils anders ist. Bedeutung und semantischer wie stilistischer Wert des Verbums hängen vielfach vom dazugehörigen Subjekt oder Objekt ab.

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Der verbale Charakter kann sich fast ganz auf das Substantiv verlagern wie bei den Verbalsubstantiven, so daß das Verb nur noch Formwert als Tempusund Modusanzeiger und als Bindeglied zu Objekten oder adverbialen Angaben besitzt (z.B. Die Anmeldung ist jederzeit möglich); er kann aber auch so stark sein, daß er fast allein erscheint (z.B. es donnert).

Die Bindung zahlreicher Verben an ihre Kontextwörter kann dazu führen, daß der semantische Wert der Wörter schwankt. W. Schneider führt dafür die unterschiedlichen Bedeutungen des Verbs »schlagen« in verschiedenen Objektbindungen an76:

Der Fuhrmann schlägt das Pferd. – Ich schlage den Partner im Schachspiel – Die Uhr schlägt Mitternacht. – Lärm schlagen, eine Schlacht schlagen; Takt schlagen; radschlagen; Falten schlagen, ein Kreuz schlagen; die Harfe schlagen; sich aus dem Sinn schlagen.

Stilwörterbücher bringen zahlreiche Beispiele dieser Art. Manche Verben gehen mehr oder weniger feste Verbindungen ein, andere bleiben sehr frei in ihrer Kombinationsfähigkeit. Diese Verbindungen können semantischer wie grammatischer Natur sein. So gehören beispielsweise zum Verb pflügen Wörter wie Bauer, Landmann, Knecht, Genossenschaftler oder ähnliche Nomina agentis als Subjekt, Wörter wie Acker, Feld, Boden, Wiese u.ä. als Objekt.77 Grammatisch feste Verbindungen liegen bei den Funktionsverben vor, zumeist Kombinationen aus Verbalsubstantiven und semantisch neutralisierten Verben (z.B. zur Verfügung stellen, in Frage stellen usw.), aber auch in ähnlichen Bildungen und Redewendungen (z.B. zur Sache kommen). Stilistisch sind solche Verbindungen zumeist bestimmten Funktionsstilen (z.B. dem der Verwaltung) vorbehalten, in denen die kommunikative und sprachliche Genauigkeit und Ökonomie vor Prinzipien der sprachlichen Differenzierung und Variation rangieren. In der gehobenen, besonders der dichterischen Sprache, werden allzu starre Verbbindungen gern gemieden (bis auf bildhafte Wendungen), übertragene Verwendungsweisen und Bedeutungen der Verben bevorzugt (vgl. S. 256 ff.). Das Verb erweist sich ohnehin als die Wortart, die (neben bestimmten Substantiven) besonders häufig metaphorisch gebraucht wird.

Dort aber, wo Verben mit starkem Bedeutungsgehalt im angemessenen Erzählzusammenhang erscheinen, üben sie eine starke Eindruckswirkung aus; man hat sogar von einer mimischen Kraft bestimmter Verben gesprochen.78 Bei fünfbis zehnjährigen Kindern etwa läßt sich beobachten, daß sie oft auf Verben des Schlagens, der Bewegung oder der Äußerung mimisch-intuitiv reagieren. Aber auch andere Verben können ähnlich suggestiv wirken.

Der bedeutungsrmäßige wie stilistische Reichtum der Verben beruht nicht nur auf der großen Zahl der Verblexeme und der zusätzlichen Bildungsmöglichkeiten, sondern auch auf einer Reihe »innerer« (d.h. semamischer wie grammatischer) Differenzierungsmöglichkeiten, von denen hier die Aspekte und Aktionsarten sowie die semantischen Abwandlungen mit Hilfe von Affixen (Vor-, Zwischenund Nachsilben) zu erwähnen sind.

Während die slawischen Sprachen verschiedene grammatisch-morphematische Formen besitzen, um die Aspekte eines verbal verdeutlichten Gesche-

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hens, nämlich Andauer oder Abgeschlossenheit, auszudrücken, geschieht dies im Deutschen auf verschiedene, allerdings kaum systematisierte Weise: durch die Wahl bestimmter Wörter, präfigurierter oder unpräfigurierter Verben oder durch adverbiale Zusätze.79

Die Mehrzahl der einfachen (nicht abgeleiteten) deutschen Verben drückt im Präsens das Andauern eines Geschehens aus, ist somit durativ (imperfektiv) (z.B.: blühen, leben, atmen, schwimmen) oder aspektneutral. Nur wenige einfache Verben besitzen heute noch einen punktuellen, perfektiven Audruckswert, geben das Einmalig-Abgeschlossene des Geschehens kund: z.B. finden, treffen, stoßen. Durative und aspektneutrale Verben können durch Präfigierung leicht perfektiv werden, vgl. schlagen: zuschlagen, fahren: abfahren, bauen: erbauen, blicken: erblicken. Aspektund Aktionsarten verschmelzen hier oft miteinander. Die zeitliche Begrenzung oder Offenheit ist ebenso durch Adverbzusätze markierbar, z.B.: Er wohnte dort nur drei Tage. Er sah ihn nur eine Sekunde.

Die Präfigierung von Verben führt häufig zugleich zu Änderungen in der Aktionsart wie in der Valenz einzelner Verben.

Unter Aktionsart versteht man die Art und Weise, in der das verbal bezeichnete Geschehen abläuft.80 Diese Verlaufsweise kann im Deutschen besonders durch bestimmte Affixe (Vorund Nachsilben) gekennzeichnet werden, in einigen Fällen auch durch lexematisch verschiedene Synonyme (z.B. durativ: reden – perfektiv: sagen) und schließlich durch den unterschiedlichen Gebrauch der Perfektbildungen mit »haben« und »sein«.

Es gibt verschiedene Gruppierungen der Aktionsarten. Die wichtigsten Gruppen sind die durativen und perfektiven Verben, die wir oben bereits unter dem Begriff des Aspekts erläuterten, die aber zugleich Aktionsarten umfassen. So zählen zur perfektiven Gruppe 1. die ingressiven oder inchoativen Verben, die den Anfang eines Vorgangs kennzeichnen (z.B. erblühen, entflammen, tagen = Tag werden); 2. die resultativen Verben, die das Ende eines Vorgangs kennzeichnen (z.B. aufessen, verbrennen, durchschneiden, aber auch: ernten); 3. terminative Verben, die nur einen bestimmten Verlaufszeitraum kennzeichnen (z.B. kaufen, sehen, beißen, nehmen); 4. punktuelle Verben (z.B. entscheiden, zusagen, anfassen, u.ä.). Zur durativen Gruppe wären zu zählen: 1. die Intensiva, die eine verstärkte Handlung ausdrücken (vgl. biegen/ bücken, hören: horchen, schwingen: schwenken); 2. die Iterativa, die einen sich wiederholenden Vorgang kennzeichnen (vgl. streichen: streicheln, flattern, sticheln, krabbeln u.ä.); 3. die Diminutiva (verkleinernde Verben, die aber auch als Iterativa aufgefaßt werden können: hüsteln, lächeln, spötteln, tänzeln usw.); 4. die Erstreckungsverben (bringen, kommen u.ä.). Daneben sind die Kausativa und Faktitiva (Bewirkungsverben, z.B. tränken) recht zahlreich.

Stilistisch sind solche verbalen Abwandlungsformen als Ausdrucksvarianten von Bedeutung. Sie ermöglichen eine größere Genauigkeit in den Charakterisierungen der Geschehnisse und erlauben zugleich bestimmte Perspektiven der Darstellung, z.B. den Eindruck des Ironischen, wenn statt der üblichen Verben verkleinernde Formen gewählt werden.

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In neuerer Zeit haben bestimmte Verbpräfigierungen auch in kulturund sprachkritischer Hinsicht Beachtung gefunden. Insbesondere die Zunahme von Bildungen mit be-, er- und ver- (auch zer-) hat zu manchen sprachund stilkritischen Überlegungen geführt. Denn häufig gehen mit derartigen Abwandlungen vorhandener Verben auch Änderungen in den syntaktischen Fügungen und damit im Ausdruck der Beziehungen zwischen den genannten Größen der Sätze einher.

Zahlreiche intransitive Verben werden so zu transitiven; sachbezogene Ausdrucksweisen treten oft an die Stelle von ursprünglich partnerbezogenen Ausdrucksweisen: Man rät nicht mehr dem Fragenden, sondern berät ihn; man schenkt den Kindern nicht mehr etwas, sondern beschenkt sie mit etwas; Invaliden werden berentet; Kranke begutachtet u.dgl. Die Kulturund Sprachkritik81 hat derartige Bildungen in eine Reihe mit ähnlichen Verben gestellt, in denen ebenfalls die Menschen zum Objekt anderer, oft anonymer Subjekte werden (z.B. Die Alten werden erfaßt, betreut, eingewiesen, beeinflußt, beansprucht, beeindruckt, beglückwünscht, beunruhigt usw.). Man hat sogar, in konsequenter Fortführung der These, daß die sprachlichen Fügungen Ausdruck geistiger Einschätzungen sind, vom »inhumanen Akkusativ«83 und vom Ausdruck »der geistigen Haltung des modernen Zeitalters»83 gesprochen, dabei aber übersehen, daß hier Bildungen vorliegen, deren Typ in der Rechtssprache schon seit Jahrhunderten geläufig ist und heute in der Sprache der Wirtschaft und Verwaltung weiterwirkt. Die meisten präfigierten Verben dieser Art sind somit an bestimmte Funktionsstile gebunden und in ihrer Verwendung vielfach sprachökonomischen Gesichtspunkten unterworfen. Es bleibt eine stilistische Entscheidung, ob solche Wörter auch in andere Funktionsstile übernommen werden können, ohne gegen Prinzipien der Stileinheit und sprachlich-stilistischen Angemessenheit zu verstoßen.

Ähnliche Fragen ergeben sich bei der Gruppe der Funktionsverben, auf die wir schon mehrfach hingewiesen haben (vgl. S. 166, 226). Auch hier handelt es sich um ältere Bildungstypen, die sich in bestimmten Funktionsstilen, vor allem in der Sprache der Verwaltung, durchgesetzt haben, zum Teil wohl deshalb, weil ihre Bildungsund Ausdrucksweise bestimmten Verwaltungsvorgängen angemessener ist als die semantisch entsprechenden einfachen Verben. P. v. Polenz hat dies am Beispiel von entscheiden, einem Verb mit punktueller Aktionsart, und zur Entscheidung bringen, einer Kombination eines Verbalsubstantivs mit dem semantisch abgeschwächten Erstreckungsverb bringen ausführlich erläutert.84 Danach vermag eine solche Kombination auch die »vorbereitende Phase« sowie die besondere Tätigkeitsart (Aktionsart, z.B. bewirkend, beginnend u.ä.) auszudrücken und erweist sich darin als vielseitiger und funktionaler verwendbar als entsprechende einfache Verben. Daß manche dieser neuartigen Verbkombinationen auch semantische Bereicherungen mit sich bringen, ist durch v. Polenz am Beispiel von kennen aufgezeigt worden, wo zu den traditionellen Ableitungen erkennen, kennenlernen, bekanntmachen, -geben, -werden zahlreiche »aktionsartbezeichnende Funktionsverbformeln« gehören: zur Kenntnis bringen, zur Kenntnis geben, in Kenntnis setzen, zur Kenntnis nehmen, zur Kenntnis

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kommen (gelangen) und schließlich auch »akkusativische Formeln« wie Kenntnis geben, Kenntnis nehmen, Kenntnis bekommen (erhalten, erlangen).

Während von kulturund sprachkritischer Seite (G. Wustmann85, K. Korn86, D. Sternberger87, M. Lichnowsky88) derartige Bildungen als »Schwellformen« o.ä. abgelehnt und verurteilt werden, haben sich mehrere Sprachwissenschaftler (K. H. Daniels89, F. Tschirch90, P. v. Polenz91, H. G. Heringer92 u. a.) für die Anerkennung dieser Formen als leistungsfähige Neuentwicklungen (mit älteren Vorstufen) ausgesprochen.

Die Stillehre wird hier nach der funktionalen Bindung und Angemessenheit fragen müssen. Übernahmen dieser Verbkombinationen aus dem Verwaltungsdeutsch in einen hochoder schriftsprachlichen Text, der anderen Ausdrucksabsichten dient, oder gar in die Sprachebene der Dichtung können durchaus vorkommen und der Mitteilung oder Charakterisierung dienen. Ihre Häufung sollte jedoch nur in den entsprechenden Funktionsstilen erlaubt sein. Wo aber ein einfaches Verb funktional und semantisch angemessener wirkt, verdient es den Vorzug.

Zum Schluß sei noch auf die stilistische Bedeutung der verbalen Wortbildung hingewiesen. Bereits irn 18. Jh. wurden zahlreiche Neubildungen durch Präfixzusätze zu anderen Verben versucht. Heute dominieren solche Neubildungen in der Form der Ableitungen mit Hilfe von Vorsilben, und der Bestand einfacher Verben nimmt nur wenig zu (vgl. S.206 ff.). Gerade deshalb interessieren die Bemühungen, mittels ungewöhnlicher Verbindungen besondere stilistische Wirkungen zu erreichen. Wir finden schon im 19. Jh. neue Verbbildungen aus substantivischen Lexemen.

Helmt mir die gefurchte Stirne! Harnischt mir die welke Hand!

(C. F. Meyer, »Papst Julius«)

Aus Gegenstandsbezeichnungen werden hier instrumentale oder ornative Verben93, die umständliche Beschreibungen mit »anlegen« u.ä. ersparen. Nach C. F. Meyer finden sich solche Bildungen auch bei Liliencron; manche seiner Neubildungen haben Entsprechungen in der Umgangssprache (z.B. zipfeln, tigern). Von Rilke stammen verbale Neubildungen wie unruhigen, blechern, anfrühen u.ä.94 Besonders bildungsfreudig sind einige expressionistische Autoren, z.B. A. Döblin

(angrellen, gasen, aschend), G. Trakl (blindet, nachtet), A. Stramm (stummen, gehren, schricken), L. Schreyer (niseln, tieren, blennen, steinen, monden, sternen, weiben, mannen, kinden u.ä.). Als Früchte des Expressionismus sind auch additive Zwillingsbildungen aus zwei Verblexemen anzusehen, auf die noch die heutige Werbesprache gelegentlich zurückgreift. So finden sich schon bei A. Döblin: sprudelwallte, bei A. Kerr: rollrasselt, lebdämmern, bei H. Broch: knarrknirschen,

J. Ponten: schwatzlachte: Die stilistische Wirkung solcher Kumulationen besteht wohl vor allem in ihrem Verfremdungseffekt und dem anschließenden Enträtseln solcher Bildungen, die semantisch nahestehende Verben kombinieren. Moderne Prägungen wie: saugbohnern, klopfsaugen sind dagegen stärker additiv.

Derartige Doppelwörter blieben aber verhältnismäßig selten und scheinen

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den immanenten Variationsmöglichkeiten des Verbs wenig zu entsprechen. Eine

Sonderstellung in der Wortbildung nehmen die Partizipien als Zwischenformen zwischen Verben und Adjektiven ein. Sie sind mit verschiedenen anderen Wortarten kombinierbar: z.B. mit (Objekts-)Substantiven: todbringend, leidgeprüft, handgemalt; Adjektiven: hartbedrängt, rotleuchtend, frühvollendet;

Präpositionen: angemessen; Adverbien: rechtsgerichtet. Dies ist bei den Infinitiven der entsprechenden. Verbformen kaum möglich (vgl. Tod bringen, hart bedrängen, anmessen, nach rechts richten). Die Kompositabildungen entsprechen hier einem größeren Konzentrationsgrad der Wortverwendung und somit der sprachlichen Ökonomie, ohne an semantischem und stilistischem Wert einzubüßen.

Der Stilwert der Verben kann somit recht differenzierter Natur sein. Ihr leistungsbedingter Grundwert ist an die Eigenschaft als Vorgangswörter im weiten Sinne gebunden und wird durch die semantischen Kategorien der Verben weiter differenziert. Ein »verbaler Stil«, der durch das Vorwalten verbaler Ausdrucksweisen geprägt ist, kann dementsprechend recht unterschiedlicher Art sein. Sein Charakter ergibt sich vor allem aus der Opposition zu den heutigen Möglichkeiten substantivischer Ersatzformen (z.B. Verbalsubstantiven älterer und neuerer Art). In der Entscheidung für eine möglichst häufige Verwendung finiter Verbformen bleibt er zudem an bestimmte Funktionalstile und Stilformen gebunden (z.B. Erzählungen u.ä.).

Der Stilwert des Adverbs

Über den wortschatzmäßigen Umfang und die syntaktische Verwendung des Adverbs hat es in letzter Zeit manche Diskussion gegeben. Von neueren Forschern93 werden als Adverbien nur die Wörter angesehen, die als ergänzende Angaben zu finiten Verben oder anderen Wörtern erscheinen, ohne gegenstandsbezogen oder als Adjektiv attributiv verwendbar, deklinierbar und komparierbar zu sein (z.B. heute, oben, dort, nicht aber: schön, hoch, teuer, fleißig u.ä.), während nach älteren Auffassungen (entsprechend den Verhältnissen in anderen Sprachen) auch die als Verberläuterung (ad-verbum) verwendeten Adjektive zu dieser Wortart gezählt wurden. Die syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten und Stilwirkungen dieser Wörter ergeben sich aus ihrer Funktion als nähere Bestimmungen von Verben (hier sprechen, heute fahren),

Substantiven (das Haus dort), Pronomina (ihr hier), anderen Adjektiven (sehr schön) und anderen Adverbien (schon heute).

Häufig übernehmen Adverbien eine stellvertretende Funktion, indem sie an Stelle einer (längeren) substantivischen adverbialen Bestimmung erscheinen (vgl. S. 133). Dies gilt nicht nur für Ortsadverbien wie hier, dort, da, drüben, dahinten, hinauf, herab u.dgl., sondern auch für zahlreiche Zeitadverbien wie jetzt, nun, dann, eben, gerade usw. sowie für modale Adverbien wie so, aber, ebenfalls, auch u.dgl., denen gleichfalls eine verweisende Funktion eigen ist.

Satzteile und Sätze, die durch adjektivische wie nicht-adjektivische Adverbien näher erläutert werden, unterscheiden sich von nichterläuterten Einhei-

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ten insofern, als ihre Angaben stärker determiniert und relativiert erscheinen, in bestimmten zeitlichen, örtlichen, modalen oder kausalen Bindungen verstanden werden müssen und dementsprechend ausführlicher, aber auch wenig absolut wirken.

Zusätzliche stilistische Möglichkeiten bietet die Gruppe der »Satzadverbien« oder Modalwörter96, die »die Einschätzung des Inhalts irgendeiner syntaktischen Beziehung» (oft des ganzen Satzes) »von Seiten des Sprechenden ausdrückt«, also nicht das Merkmal eines Vorgang oder einer Gegebenheit (Lage u.ä.) bezeichnet. Solche »Modalwörter« (wie natürlich, freilich, praktisch97, gewissermaßen, vielleicht, wahrscheinlich, möglicherweise, wohl, doch u.a.) werden auch dann gebraucht, wenn der Sprecher bzw. Autor eine Aussage in ihrer Gültigkeit einschränken oder bekräftigen will (z.B. Er wird wohl krank sein. Er hat sich natürlich entschuldigt.). Eine syntaktische Zuordnung dieser Modalwörter zu einem bestimmten Satzglied ist kaum möglich, es bleibt nur der Bezug auf die gesamte Satzaussage.

Der wiederholte Gebrauch einschränkender Wörter dieser Art (wie auch der ähnlicher Einschränkungen, z.B. wenn man so will, man könnte meinen) kann als charakteristisches Kennzeichen eines unsicheren, tastenden Stils98 angesehen werden, als Ausdruck eines vorsichtigen und unentschlossenen Schreibers, der sich nicht festlegen will. Allerdings wird man zwischen einer stilistischen Manier und einer vorhandenen Unsicherheit in der Sache differenzieren müssen.

Das Gegenstück zu derartigen Aussageeinschränkungen bilden die Aussageverstärkungen mit Hilfe von bestimmten Adverbien wie ja, zweifelsohne, selbstverständlich, durchaus, ganz und gar, gewiß, sicher(lich), stets, immer, keineswegs, keinesfalls, schlechterdings, natürlich, überhaupt u.ä. Sätze mit solchen Beteuerungszusätzen (die oft überflüssig sind) sollen durch eine besondere Bestimmtheit ausgezeichnet sein.99 Die Überbetonung des tatsächlich Gegebenen kann allerdings auch unnatürlich und ironisch wirken, so daß die beabsichtigte Wirkung in ihr Gegenteil umschlägt.

Zum Bereich der modalen Adverbien sind auch die meisten Verneinungswörter zu zählen (z.B. nein, nicht, keineswegs. keinesfalls, niemals, nirgends, nirgendwo), deren Gebrauch eine Reihe von stilistischen Variationen erlaubt. Hier kann nur kurz darauf hingewiesen werden.100 Das Negationswort nein tritt als selbständiges negatives Satzäquivalent auf, nicht dagegen als Satzgliedverneinung. Die reichsten Verwendungsmöglichkeiten sind dabei der Negation nicht eigen, die allein oder mit bejahenden Adverbien oder Konjunktionen (z.B. nicht – sondern, aber, vielmehr u.ä.) in verschiedener Stellung auftreten kann, so etwa als Verneinung des Subjekts (z.B. Nicht er, sondern sein Bruder hat es getan), des Objekts (Er fand nicht das Geld, sondern einen Brief: Er fand das Geld nicht, aber einen Brief), des Prädikatsverbs (Er lernte nicht, er träumte nur), des Prädikativs (Er ist nicht Student, sondern Vertreter), des adjektivischen Prädikativs (Er ist nicht krank), der adverbialen Angaben (Er kam abends nicht – Er kam nicht mehr).

Gelegentlich kann oder muß das Negationswort nicht durch gleichwertige Wörter ersetzt werden, z.B. können keine Seele und nicht eine Seele als syn-

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onym aufgefaßt werden, ebenso nicht und keineswegs, keinesfalls. Die lokalen Negationen nirgend, nirgendwo wirken dagegen verstärkend gegenüber einfachen nicht hier u.ä., sind aber nur durch an keiner Stelle u.ä. substituierbar. Ähnlich verhält es sich mit der Zeitnegation niemals, nie, die durch kein einziges Mal ersetzt werden kann, ebenso wie niemand durch kein einziger, kein Mensch.

Die Negation kann im Deutschen, je nach dem Sinn des verneinten Wortes bzw. Syntagmas, absoluter oder nur konzessiver Natur sein. Man vergleiche etwa: Er kommt nicht: Er läuft nicht (er fährt); nicht genug: nicht alle; nicht er tat es (sondern ich): er tat es nicht; er war nicht glücklich: er war unglücklich: er war nicht glücklich,sondern verärgert.

Das Verständnis der Negation hängt also oft vom Kontext wie von dem angesprochenen Gesamtzusammenhang (Wortfeld des Gemeinten, enger oder weiter Bedeutung u.ä.) ab. Das Negationswort nicht wird oft auch in relativem Sinne verwendet, z.B. als ironische Abschwächung (litotes): Er war nicht besonders klug = Er war dumm. Er war kein großer Held= Er war kein Held.

Negationen sind aufgrund ihrer Bindung an bestimmte Bejahungen ein beliebtes Stilrnittel, um positive Aussagen einzuleiten, Vergangenes und Gegenwärtiges abzugrenzen oder Fehlendes und Vorhandenes gegenüberzustellen. Die kontrastive Gegenübersetzung von Negiertem und Bejahtem, oft in der Form von Reihungen, ist ein beliebtes Stilmittel in der Lyrik, in Reden, Aufsätzen u.ä. Wie schon das älteste deutsche Gedicht, der »Wessobrunner Hymnus» (um 800) zeigt, ließ sich das Vorhandene, hier die Präexistenz Gottes, gut aus dem Gegensatz zum noch nicht vorhandenen übrigen Sein verdeutlichen:

Das erfuhr ich unter den Menschen als das bedeutendste Wissen, Daß Erde nicht war noch Himmel oben,

Noch Baum ... noch Berg,

Noch irgendein Stern, noch die Sonne schien, Noch der Mond leuchtete, noch das herrliche Meer. Als da nichts war der Enden und Grenzen,

Da war doch der eine allmächtige Gott ...

(Übersetzt v. G. Schneidewind)

Auch in der neueren Dichtung ist diese Stilform noch beliebt. Sie vermag das Negative in seiner Wirkung noch zu steigern, z.B. in Gedichten mit sozialem Bezug:

Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas Zieht die Straße den gescheckten Gurt Der Fassaden. Keine Bahnspur summt. Immer glänzt das Pflaster wassernaß.

(P.Zech, »Fabrikstraße tags«)

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Der Stilwert des Artikels

Neben den semantisch und morphologisch bestimmten Hauptwortarten gibt es im Deutschen mehrere rein funktionale Wortarten ohne semitischen Eigenwert. Von ihnen erweist sich der Artikel in seinen Aufgaben als besonders ambivalent und stilistisch variabel verwendbar. Von seinem Ursprung her als Demonstrativpronomen ist ihm oft noch eine hinweisende (deiktische) Bedeutung eigen (z.B. der (dieser) Mann war es!), als Geleitwort des Substantivs kennzeichnet er, oft in redundanter Weise, dessen grammatische Bezüge (Kasus, Numerus, Genus) und erlaubt in den Oppositionen von bestimmtem und unbestimmtem Artikel sowie im Gebrauch von Singular und Plural individualisierende und generalisierende Kennzeichnung 101 (vgl. S. 121).

Im folgenden seien einige Möglichkeiten des stilistisch bedeutsamen Artikelgebrauchs aufgeführt.102 Dabei ist zunächst zwischen grammatischem und stilistischem Artikelgebrauch zu unterscheiden. Der Zusaiz eines Artikels zu einem Substantiv kann im Deutschen als Regelfall angesehen werden, allerdings gibt es zahlreiche grammatisch übliche Ausnahmen. So fehlt er zumeist a) bei allgemeineren Substantiven mit Adjektivattributen (dichter Nebel) und bei allgemeinen Pluralangaben (fröhliche Kinder); b) bei Begriffswörtern (Tugend besteht); c) bei Eigennamen (Gott, Herr Meier, Karl); d) in (abstrahierenden) Sprichwörtern (Not lehrt beten); e) bei feststehenden Wendungen, besonders mit Präpositionen (von Haus und Hof); f) in Kurztexten (Protokollen, Telegrammen, Befehlen: Angeklagter gestand, Sendung eingetroffen, Gewehr ab); g) in Überschriften u.ä. (Vertrag unterzeichnet, Kind verunglückt, Zimmer gesucht u.ä.); h) bei Stoffnamen mit unbestimmter Menge (ich brauche Geld); i) bei erstarrten Präpositionalgefügen (an Bord, bei Tische usw.).

Wird in diesen Fällen ein Artikel zugefügt, so wird das Genannte hervorgehoben und individualisiert (z.B. der dichte Nebel – ein dichter Nebel; die fröhlichen Kinder; die Tugend; der Herr Meier; die Not usw.).

Es gibt Autoren, die diese grammatischen Möglichkeiten stilistisch nutzen. So hat z.B. Adalbert Stifter eine Vorliebe für den (deiktischen wie individualisierenden) bestimmten Artikel, auch an Stellen, wo er überflüssig ist:

Diese Frage ist allerdings eine wichtige und ihre richtige Beanrwortung von der größten Bedeutung. (Stifter, »Nachsommer«)

Um die Form bestimmter Artikel nicht einzuschränken, verzichtet Stifter auch auf die Verschmelzung mit Präpositionen:

Ich hatte Freude an allem, was als Wahrnehmbares hervorgebracht wurde, an dem Keimen der ersten Gräsleins, an dem Knospen der Gesträuche, an dem Blühen der Gewächse, an dem ersten Reif, der ersten Schneeflocke, an dem Sausen des Windes, dem Rauschen des Regens, ja an dem Blitze und Donner, obwohl ich beide fürchtete. (Stifter, »Nachsommer«)

Auch in Gesetztexten werden Artikel oft dort eingesetzt, wo sie entbehrlich sind. Vielleicht spielt dabei das Bestreben nach gründlicher, lückenloser Formulierung eine Rolle:

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