
- •Umweltbewusstsein in Deutschland 2010 Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage
- •Impressum
- •Die wichtigsten Trends im Überblick
- •5 .Technologische und kulturelle Innovationen
- •6. Umweltengagement im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Delegation
- •7. Milieuspezifische Potenziale für umweltbewusstes Konsumverhalten
- •Die wichtigsten Trends im Überblick Trotz Finanzkrise: Umweltschutz ist den Deutschen wichtig
- •Der Umweltpolitik wird hohe Bedeutung für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen zugeschrieben
- •Von der Bundesregierung wird entschieden mehr Umweltschutz gefordert
- •Hohe Erwartungen an die umweltpolitisch relevanten Akteure
- •Die Qualität der nahen Umwelt gilt weiterhin als sehr gut, die räumlich und zeitlich entfernten Umweltverhältnisse werden dagegen eher pessimistisch betrachtet
- •Besondere Priorität haben Aufgaben im Bereich des Klimaschutzes
- •Breite Basis für technologische Innovationen, aber auch kulturelle Erneuerungen finden Zustimmung bei relativ großen Minderheiten
- •Das persönliche Engagement ist gestiegen, es gibt aber auch einen Rückgang beim ökologischen Konsum
- •Im Urlaub Natur erleben ist den Menschen wichtig
- •1 Konzept und Methodik der Studie
- •Kontext, Datenerhebung, Publikationen
- •1.2 Kontinuität und neue thematische Schwerpunkte
- •Kurzdarstellung Sinus-Milieu-Modell
- •2. Umweltpolitik als Gestaltungsaufgabe
- •2.1 Umweltschutz gehört weiterhin zu den politischen Topthemen
- •2.2 Bevölkerung sieht hohe politische Priorität für Umwelt- und Klimaschutz
- •2.3 Vor allem bei Staat und Industrie wird großes Potenzial für Umwelt- und Klimaschutz gesehen
- •2.4 Von der Bundesregierung wird mehr Engagement gefordert
- •2.5 Klare Priorität haben Aufgaben im Bereich Klimawandel
- •3.Umweltqualität, Gesundheit und Risikowahrnehmung
- •3.1 Mehr als ein Viertel der Bevölkerung durch Umweltprobleme gesundheitlich belastet
- •3.2 Hier und jetzt ist die Umwelt gut – aber in der Ferne und der Zukunft schlecht
- •3.3 Hohe Erwartung steigender Konfliktpotenziale
- •3.4 Nur wenige Menschen sehen sich überdurchschnittlich belastet
- •4 Klimawandel als Kulturwandel?
4 Klimawandel als Kulturwandel?
Klimaschutz und Klimaanpassung bezeichnen umweltpolitische Handlungsfelder von höchster Priorität. Die Ergebnisse des Vierten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von 2007 sowie neuere wissenschaftliche Ergebnisse liefern dafür die wissenschaftliche Grundlage. Kaum ein anderes umweltpolitisches Thema bewegt mittlerweile so sehr die Massenmedien weltweit (Boyce/Lewis 2009).
Als Folge dieser gesteigerten öffentlichen Aufmerksamkeit entwickelt sich neuerdings auch in Deutschland ein erweiterter Zugang zum Thema. Nachdem die globale Erwärmung jahrzehntelang vornehmlich als Gegenstand der Naturwissenschaften galt, wird der Klimawandel nun auch verstärkt in den Sozial- und Kulturwissenschaften diskutiert. Leggewie und Welzer (2009) sehen in ihm gar einen ebenso „unentdeckten“ wie noch „ungedeuteten Kulturwandel“. Ganz ähnlich spricht Beck (2010) vom Klimawandel als einem Katalysator des Übergangs in eine zweite, „reflexive“ Moderne. Diese um kulturelle und soziale Fragen erweiterten Zugangsweisen zur Klimadebatte können als ein „Übergang vom Katastrophen- zum Gestaltungsdiskurs“ interpretiert werden (Malone 2009, Reusswig 2008, 2010).
In diesem Kapitel steht die Frage im Mittelpunkt, wie sich diese Entwicklungen im Umweltbewusstsein der Bevölkerungsmehrheit niedergeschlagen haben. Gibt es eine generelle Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, den Klimawandel als Anlass zu einem allgemeinen Kulturwandel zu sehen (und dann auch dafür zu nutzen), oder haben die Menschen das Thema angesichts der Finanzkrise, aus pragmatischen Gründen oder aufgrund von Zweifeln an der wissenschaftlichen Haltbarkeit der Klimawissenschaft für sich eher zurückgestuft?
4.1 Weiterhin hohes Vertrauen in die Klimaberichterstattung der Medien
Den Massenmedien kommt eine Schlüsselrolle bei der Problemwahrnehmung der globalen Klimaerwärmung zu. Die massenmediale Berichterstattung über den Klimawandel folgt zwar stets gewissen Aufmerksamkeits-zyklen, hat in den letzten Jahren aber deutlich zugenommen.
Trotz einer leichten Abnahme beurteilt immer noch die Mehrheit der Bevölkerung (59 %) die Medienberichterstattung über die Risiken des Klimawandels als angemessen. Auch der Umstand, dass in den letzten Jahren das Verhalten mancher Vertreter des IPCC in die öffentliche Kritik geriet, hat daran kaum etwas geändert. Insbesondere die besser Gebildeten bewerten die realen Klimarisiken sogar als noch etwas höher als in den Medien dargestellt. Mehr Männer als Frauen halten die Klimaberichte der Medien für übertrieben.
Verharmlosung nach Bildung: hohe: 22 %, mittlere: 19 %, niedrige: 15 %.
Übertreibung nach Geschlecht: Frauen: 20 %, Männer: 27 %.
Beherrschbarkeit der Klimafolgen in Deutschland
Wie der Soziologe Niklas Luhmann 1986 ausführte, ist es nicht das Naturgeschehen an sich, sondern erst die gesellschaftliche Resonanz darauf (Wahrnehmung, Deutung sowie Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen), die aus natürlichen Phänomenen und Entwicklungen ein „ökologisches Problem“ für uns machen. Nicht der Anstieg der Erdmitteltemperatur als bloßer Trend macht den Klimawandel für die Menschen zum Risiko, sondern dessen (für uns wahrnehmbare) Folgen für Natur, Landwirtschaft, Infrastruktur, menschliche Gesundheit usw.
Für wie gefährlich halten die Befragten den Klimawandel in Deutschland? Wie groß wird unsere Anpassungsfähigkeit bemessen? Werden die Folgen der Erderwärmung als beherrschbar beurteilt? Mit 56 % ist das Gros der Bevölkerung „voll und ganz“ oder „ziemlich“ überzeugt, dass Deutschland die Probleme des Klimawandels bewältigen kann. Der Zeitvergleich macht deutlich, dass die „Bewältigungs-Optimisten“ in den letzten vier Jahren deutlich zugenommen haben. Milieuspezifisch sind deutliche Unterschiede zu erkennen: Während der Anteil der „Bewältigungs- Skeptiker“ bei den Performern nur knapp 30 % beträgt, sind es jeweils rund 60 % im Liberal-intellektuellen und im Sozialökologischen Milieu. Überdurchschnittlich skeptisch sind aber auch die Vertreter des Prekären Milieus (54 %). Liberal-intellektuelle und Sozialökologische verlangen mehr Umweltschutz und glauben nicht daran, dass die bisherigen Bemühungen ausreichen, während die Prekären – wie aus anderen Studien bekannt ist – eher die Befürchtung äußern, auch beim Klimawandel und den Anpassungsmaßnahmen zu den persönlich Benachteiligten und Leidtragenden zu gehören.