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Remarque, Erich Maria - Arc de Triomphe

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08.06.2015
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lichkeit erwiesen. Er möchte vor seiner Abreise deshalb gern ein Glas mit Ihnen trinken.«

»Mein Partner«, erwiderte Ravic ebenso formell, »hat Ihnen bereits erklärt, daß wir die Partie heute spielen müssen. Danken Sie dem Obersten Gomez. Ich bedaure sehr.«

Der Spanier verbeugte sich und ging zurück. Morosow schmunzelte. »Ganz wie die Russen in den ersten Jahren. Hielten sich an ihre Titel und Manieren wie an Schwimmgürteln. Was für eine Freundlichkeit hast du dem Hottentotten erwiesen?«

»Ich habe ihm einmal ein Abführmittel verschrieben. Lateinische Völker halten sehr auf gute Verdauung.«

»Nicht schlecht.« Morosow blinzelte. »Die alte Schwäche der Demokratie. Ein Faschist in derselben Lage hätte einem Demokraten Arsenik gegeben.«

Der Spanier kam zurück. »Mein Name ist Oberleutnant Navarro«, erklärte er mit dem schweren Ernst eines Mannes, der zuviel getrunken hat und es nicht weiß. »Ich bin der Adjutant des Obersten Gomez.Der Oberst verläßt Paris diese Nacht. Er geht nach Spanien, um sich der glorreichen Armee des Generalissimus Franco anzuschließen. Er möchte deshalb mit Ihnen ein Glas auf Spaniens Freiheit und Spaniens Armee trinken.«

»Oberleutnant Navarro«, sagte Ravic kurz. »Ich bin kein Spanier.«

»Wir wissen das; Sie sind ein Deutscher.« Navarro zeigte

den Schatten eines konspiratorischen Lächelns. »Das ist gerade der Grund für den Wunsch des Obersten Gomez. Deutschland und Spanien sind Freunde.«

Ravic sah Morosow an. Die Ironie der Situation war stark. Es zuckte um Morosows Mund. »Oberleutnant Navarro«, sagte er. »Ich bedaure, darauf bestehen zu müssen, diese Partie mit Doktor Ravic zu beenden. Die Resultate müssen heute nacht noch nach New York und Kalkutta gekabelt werden.«

»Mein Herr«, erwiderte Navarro kalt. »Wir haben erwartet, daß Sie ablehnen würden, Rußland ist der Feind Spaniens.Die Einladung bezog sich nur auf Doktor Ravic. Wir mußten Sie miteinladen, da Sie mit ihm zusammen sind.«

Morosow setzte einen Springer,den er gewonnen hatte, auf seine riesige, flache Hand und sah Ravic an. »Glaubst du nicht, daß es genug ist mit diesem A entheater?«

»Ja.« Ravic drehte sich um. »Ich denke, es ist am einfachsten, Sie gehen zurück, junger Mann. Sie beleidigen den Obersten Morosow, der ein Feind der Sowjets ist, ohne Grund.«

Er beugte sich,ohne eine Antwort abzuwarten,über das Schachbrett. Navarro stand einen Moment unschlüssig. Dann ging er.

»Er ist betrunken und dann, wie viele Lateiner, ohne Humor«,sagte Ravic.»Das ist kein Grund,daß wir keinen haben sollen.Ich habe dich deshalb soeben zum Obersten

befördert. Soviel ich weiß, warst du nur ein armseliger Oberstleutnant. Schien mir unerträglich, daß du nicht den gleichen militärischen Rang wie dieser Gomez haben solltest.«

»Rede nicht, Knabe. Ich habe die Aljechinische Variante über den Unterbrechungen verpfuscht. Dieser Läufer scheint verloren zu sein.« Morosow sah auf. »Mein Gott, da kommt schon wieder einer. Ein anderer Adjutant.Was für ein Volk!«

»Das ist der Oberst Gomez selbst.« Ravic lehnte sich behaglich zurück. »Dies wird eine Diskussion zwischen zwei Obersten.«

»Eine kurze, mein Sohn.«

Der Oberst war noch förmlicher als Navarro. Er entschuldigte sich bei Morosow wegen des Irrtums seines Adjutanten. Die Entschuldigung wurde entgegengenommen.Gomez lud nun,da alle Schwierigkeiten überstanden waren, äußerst zeremoniell ein, als Zeichen der Versöhnung gemeinsam das Glas auf Franco zu trinken.Diesmal lehnte Ravic ab.

»Aber als verbündeter Deutscher …« Der Oberst war sichtlich verwirrt.

»Oberst Gomez«, sagte Ravic, der allmählich ungeduldig wurde, »lassen wir die Situation, wie sie ist. Trinken Sie, auf wen Sie wollen, und ich spiele Schach.«

Der Oberst versuchte nachzudenken. »Dann sind Sie also ein …«

»Besser, Sie stellen nichts fest«, unterbrach Morosow ihn. »Führt nur zu Streitigkeiten.«

Gomez wurde immer verwirrter.

»Aber Sie,als Weißrusse und zaristischer O zier,müßten doch gegen …«

»Wir müssen gar nichts. Wir sind veraltete Kreaturen. Wir haben verschiedene Meinungen und schlagen uns trotzdem nicht die Schädel ein.«

Gomez schien endlich ein Licht aufzugehen. Er straffte sich. »Ich sehe«, erklärte er schneidend. »Verweichlichte, demokratische …«

»Mein Lieber«, sagte Morosow plötzlich gefährlich. »Verschwinden Sie! Sie hätten schon vor Jahren verschwunden sein sollen. Nach Spanien. Um zu kämpfen. Statt dessen kämpfen Deutsche und Italiener da für Sie. Adieu!«

Er stand auf. Gomez trat einen Schritt zurück. Er starrte Morosow an. Dann machte er abrupt kehrt und ging zu seinem Tisch zurück. Morosow setzte sich wieder. Er seufzte und klingelte dem Serviermädchen. »Bringen Sie uns zwei doppelte Calvados, Clarisse.«

Clarisse nickte und verschwand. »Brave, soldatische Seelen.« Ravic lachte. »Einfacher Verstand und komplizierte Ehrbegri e. Erschweren das Leben, wenn man betrunken ist.«

»Das sehe ich. Da kommt bereits der nächste. Das ist ja eine Prozession. Wer ist es diesmal? Franco selbst?«

Es war Navarro. Er hielt zwei Schritte vor dem Tisch und adressierte Morosow. »Oberst Gomez bedauert, Ihnen keine Forderung überbringen zu können. Er verläßt Paris diese Nacht.

Außerdem ist seine Mission zu wichtig, um mit der Polizei Schwierigkeiten zu haben.« Er wandte sich an Ravic. »Oberst Gomez schuldet Ihnen noch das Honorar für Ihre Konsultation.« Er warf eine zusammengefaltete Fünf- Frank-Note auf den Tisch und wollte kehrtmachen.

»Einen Augenblick«, sagte Morosow. Clarisse stand gerade neben ihm mit dem Tablett. Er nahm das Glas Calvados, betrachtete es kurz, schüttelte den Kopf und stellte es zurück. Dann nahm er eines der Wassergläser vom Tablett und schüttete es Navarro ins Gesicht.»Das ist, um Sie nüchtern zu machen«, erklärte er ruhig. »Merken Sie sich künftig, daß man Geld nicht wirft. Und nun fort mit Ihnen, Sie mittelalterlicher Idiot.«

Navarro stand überrascht.Er trocknete sich das Gesicht ab. Die anderen Spanier kamen heran. Es waren vier. Morosow erhob sich langsam. Er überragte die Spanier um mehr als einen Kopf. Ravic blieb sitzen. Er sah Gomez an. »Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte er. »Sie sind alle nicht nüchtern. Sie haben nicht die geringste Chance. In ein paar Minuten würden Sie mit gebrochenen Knochen hier herumliegen.Selbst wenn Sie nüchtern wären,hätten Sie keine Chance.« Er stand auf,gri Navarro rasch an den Ellbogen, hob ihn an, drehte ihn herum und stellte ihn so

dicht neben Gomez auf den Boden, daß Gomez beiseite treten mußte.»Und nun lassen Sie uns in Ruhe.Wir haben Sie nicht aufgefordert, uns zu belästigen.« Er nahm die Fünf-Frank-Note vom Tisch und legte sie auf das Tablett. »Das ist für Sie, Clarisse. Von den Herren hier.«

»Erstmals,daß ich von denen etwas bekomme«,erklärte Clarisse. »Danke.«

Gomez sagte etwas in Spanisch.Die fünf machten kehrt und gingen zu ihrem Tisch zurück. »Schade«, sagte Morosow. »Ich hätte die Brüder gern verprügelt. Geht leider deinetwegen nicht, du illegaler Findling. Bedauerst du es nicht manchmal, daß du es nicht kannst?«

»Nicht bei denen. Es gibt andere, die ich haben möchte.«

Man hörte von dem Tisch in der Ecke ein paar Worte Spanisch. Die fünf standen auf. Ein dreifaches Viva erscholl. Die Gläser wurden klirrend niedergesetzt, und die Gruppe verließ martialisch den Raum.

»Fast hätte ich ihm den guten Calvados ins Gesicht gegossen.«

Morosow nahm das Glas und trank es aus. »Und so was regiert jetzt in Europa! Waren wir auch einmal so blödsinnig?« »Ja«, sagte Ravic.

Sie spielten ungefähr eine Stunde.Dann sah Morosow auf. »Da kommt Charles«, sagte er. »Er will scheinbar etwas von dir.«

Ravic sah auf.Der Bursche aus der Conciergenloge kam heran. Er hatte ein kleines Paket in der Hand. »Dies hier ist für Sie abgegeben worden.«

»Für mich?«

Ravic betrachtete das Paket.Es war klein,in weißes Seidenpapier gewickelt und verschnürt. Eine Adresse stand nicht drauf. »Ich erwarte keine Pakete. Muß ein Irrtum sein.Wer hat es gebracht?« »Eine Frau … eine Dame …«, stotterte der Bursche.

»Eine Frau oder eine Dame?« fragte Morosow. »So … so dazwischen.«

Morosow schmunzelte. »Ziemlich scharfsinnig.«

»Es steht kein Name darauf. Hat sie gesagt, es sei für mich?«

»Das nicht gerade. Nicht Ihren Namen. Sie hat gesagt, für den Arzt, der hier wohnt. Und … Sie kennen die Dame.«

»Hat sie das gesagt?«

»Nein«,platzte der Bursche heraus.»Aber sie kam doch neulich nachts mit Ihnen.«

»Es kommen ab und zu Damen mit mir, Charles. Aber du solltest wissen, daß Diskretion die erste Tugend eines Hotelangestellten ist.Indiskretion ist für die Kavaliere der großen Welt.«

»Mach das Paket auf, Ravic«, sagte Morosow. »Selbst wenn es nicht für dich ist.Wir haben schon Schlimmeres angestellt in unserem bedauernswürdigen Leben.«

Ravic lachte und ö nete es. Er wickelte einen kleinen Gegenstand aus. Es war die hölzerne Madonna, die er im Zimmer der Frau – er dachte nach – wie hieß sie doch? Madeleine- Mad-, er hatte es vergessen. Irgend so ein ähnlicher Name. Er sah in dem Seidenpapier nach. Es war kein Zettel dabei. »Gut«, sagte er zu dem Burschen. »Es stimmt.«

Er stellte die Figur auf den Tisch. Sie stand sonderbar fremd zwischen den Schachfiguren. »Russin?« fragte Morosow.

»Nein. Hatte ich anfangs auch gedacht.«

Ravic sah, daß das Lippenrot abgewaschen war. »Was soll ich nur damit machen?«

»Stelle es irgendwo hin. Man kann vieles irgendwo hinstellen. Es gibt für alles genug Platz in der Welt. Nur nicht für Menschen.«

»Sie werden den Mann beerdigt haben.« »Ist es die?«

»Ja.«

»Hast du dich noch einmal um sie gekümmert?« »Nein.«

»Sonderbar«, sagte Morosow, »daß wir immer glauben, etwas getan zu haben,und dann aufhören,wenn es für den anderen am schwierigsten wird.«

»Ich bin keinWohltätigkeitsinstitut,Boris.Und ich habe schon Schlimmeres gesehen als das und nichts getan. Warum soll es für sie jetzt schwieriger sein?«

»Weil sie jetzt erst wirklich allein ist. Bisher war der Mann immer noch da, auch wenn er tot war. Er war über der Erde. Jetzt ist er unter der Erde – fort, nicht mehr da. Das da« – Morosow zeigte auf die Madonna – »ist kein Dank. Es ist ein Hilferuf.«

»Ich habe mit ihr geschlafen«, sagte Ravic, »ohne zu wissen, was los war. Ich will das vergessen.«

»Unsinn! So was ist das Unwichtigste von der Welt, solange es keine Liebe ist. Ich kannte eine Frau, die sagte, es sei leichter, mit einem Mann zu schlafen, als ihn beim Vornamen zu nennen.« Morosow beugte sich vor. Sein großer,kahler Schädel spiegelte sich im Licht.»Ich will dir etwas sagen, Ravic, wir sollen freundlich sein, wenn wir es können und solange wir es können – denn wir werden in unserem Leben noch einige sogenannte Verbrechen begehen. Ich wenigstens. Und du wohl auch.«

»Ja.«

Morosow legte seinen Arm um den Kübel der dürftigen Palme. Sie schwankte leicht. »Leben heißt, von andern leben. Wir fressen alle voneinander. So ein bißchen Flimmern von Güte ab und zu – das soll man sich nicht nehmen lassen. Es stärkt, wenn man schwierig lebt.«

»Gut. Ich werde morgen mal nachfragen bei ihr.« »Schön«, sagte Morosow. »Das war es, was ich meinte.

Und nun laß das viele Reden. Wer hat Weiß?«

5 Der Wirt kannte Ravic gleich wieder. »Die Dame ist in ihrem Zimmer«, sagte er.

»Können Sie ihr telefonieren, daß ich hier bin?« »Das Zimmer hat kein Telefon. Sie können ruhig hin-

aufgehen.« »Welche Nummer ist es?« »Siebenundzwanzig.«

»Ich habe den Namen nicht mehr im Kopf. Wie hieß sie doch?« Der Wirt zeigte kein Erstaunen. »Madou. Joan Madou«, fügte er hinzu. »Glaube nicht, daß sie wirklich so heißt. Künstlername wahrscheinlich.«

»Wieso Künstlername?«

»Sie hat sich als Schauspielerin eingetragen.Klingt doch so, wie?«

»Das weiß ich nicht. Ich kannte einen Schauspieler, der nannte sich Gustav Schmidt. Er hieß in Wirklichkeit Alexander Marie Graf von Zambona.Gustav Schmidt war sein Künstlername. Klang gar nicht so, wie?«

Der Wirt gab sich nicht geschlagen. »Heutzutage passiert viel«, erklärte er.

»Es passiert gar nicht einmal so viel. Wenn Sie Geschichte studieren, werden Sie finden, daß wir noch in verhältnismäßig ruhigen Zeiten leben.«

»Danke, mir genügt’s.«

»Mir auch.Aber man muß seinen Trost suchen,wo man kann. Nummer siebenundzwanzig, sagten Sie?«

»Ja, mein Herr.«

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