Ausgabe
1/2003 - Perspektiven der Zerspantechnik
Hochwertige
und innovative Produkte mьssen
eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen erfьllen.
Sowohl der Markt als auch der Gesetzgeber stellen eine Reihe zum
Teil gegensдtzlicher
Anforderungen hinsichtlich Produktqualitдt
und Produktfunktionalitдt,
Design, Ressourcenverzehr und Nachhaltigkeit. Des Weiteren werden
individuelle, dem Kundenwunsch angepasste Problemlцsungen
gewьnscht.
Diese Anforderungen bedingen eine Vielfalt von
Produktdifferenzierungen und Innovationen, die nur bei
konsequenter Nutzung leistungsfдhigerer
Prozesse und vor allem innovativer Werkstoffe zu realisieren
sind.
F.
Klocke; A. Kopner
Die
Variation von Werkstoffen und Fertigungsverfahren zu einem
frьhen
Zeitpunkt der Produktentwicklung bietet darьber
hinaus die Mцglichkeit,
dem Produkt unterschiedliche Eigenschaften zu verleihen. Vor
allem das frьhzeitige
Aufzeigen alternativer Werkstoff- und Verfahrensanwendungen
beinhaltet wesentliche InnovationsanstцЯe,
die bislang weitgehend ungenutzt bleiben. Die Generierung
technologischer Alternativen bietet die Mцglichkeit,
Produkte frьhzeitig
den Technologiefдhigkeiten
anzupassen und konstruktiv zu verbessern. Aus
der Ausschцpfung der Werkstoffalternativen resultieren aber
immer auch weitreichende Anforderungen an die
Fertigungstechnologie. Hier gilt es, mit sicheren Prozessen die
geforderten, teilweise sehr komplexen Bauteilmerkmale
wirtschaftlich herstellen zu kцnnen. Die Zerspanung mit
geometrisch bestimmter Schneide spielt hier immer noch eine
herausragende Rolle und wird diese Rolle auch in Zukunft
spielen.
Treiber
fьr Produktinnovationen
Die
unterschiedlichen Industriezweige mit ihren spezifischen
Anforderungen erzwingen immer wieder Innovationen im Bereich
der zu verwendenden Werkstoffe. Insbesondere im gesamten
Automobil- und Luftfahrtbereich spielt der stoffliche Leichtbau
eine entscheidende Rolle bei der Auswahl geeigneter Werkstoffe
fьr Struktur- und Gehдusebauteile, Komponenten des
Antriebsstrangs und des Fahrwerks. Die Anforderungen nach
geringer Dichte bei gleichzeitig hoher Festigkeit und guter
Ver- und Bearbeitbarkeit erfьllen sowohl die klassischen
Leichtmetalle Aluminium und Magnesium als auch hochfeste Stahl-
und Eisengusswerkstoffe wie z.B. ADI (Austempered Ductile Iron,
Bild 1).
Bild
1
Treiber Leichtbau im Fahrzeugbau
Im
Bereich der Luftfahrttechnik kommen zu diesen Anforderungen auf
Grund der vorherrschenden hohen Temperaturen noch die
Forderungen nach sehr guter Oxidationsbestдndigkeit, hoher
Warmfestigkeit und geringer Wдrmeleitung hinzu. Hier sind
vцllig neue Werkstoffe und vor allem Werkstoffverbьnde
gefragt. In Zukunft werden auf Grund ihrer geringen Dichte bei
gleichzeitig hoher Festigkeit sowie der ausgezeichneten
Korrosionsbestдndigkeit vor allem Titanaluminide, eine
intermetallische Verbindung auf der Basis von Titanaluminid,
ein groЯe Rolle spielen. Aber auch die verschiedenen
faserverstдrkten Werkstoffe werden bereits in 15 bis 20 Jahren
einen tragenden Anteil im Bereich des Turbinenbaus einnehmen
(Bild 2).
Bild
2
Werkstoffanteile im Turbinenbau
Die
Entwicklung von Brennstoffzellen im Kleinleistungsbereich bis
50 W fьr den portablen Einsatz, z.B. in der
Unterhaltungselektronik, stellt durch die erforderliche
Miniaturisierung aller Funktionseinheiten eine besondere
Herausforderung fьr die Produktionstechnik dar. Die
Mikrostrukturierung der funktionsbestimmenden Bipolarplatten
aus hochfesten Metallwerkstoffen ist derzeit Gegenstand
intensiver Forschungsarbeiten. Der Werkzeug- und Formenbau
liefert weitere Impulse fьr innovative Produkte, da immer
kleinere Strukturen ermцglicht werden. Des Weiteren kann durch
den Einsatz verschleiЯfesterer Werkzeugbaustoffe die
Wirtschaftlichkeit der Verfahren weiter erhцht werden. Sowohl
die notwendige Bearbeitung verschleiЯfester Werkstoffe als
auch die Miniaturisierung der Strukturen stellt hohe
Anforderungen an die Zerspantechnik (Bild 3).
Bild
3
Treiber Werkzeug- und Formenbau
|
Innovative
Fertigungsprozesse
Die
geschilderten komplexen Anforderungen an die Fertigungstechnik
kцnnen nur durch angepasste Werkzeugsysteme, optimierte
Prozesse, intelligente Prozesskombinationen bzw. hybride
Prozesse und einer adaptiven Prozessьberwachung erfьllt
werden.
Werkzeugsysteme
Bei
der Betrachtung des Werkzeugsystems kцnnen die Komponenten
Werkzeuggeometrie, Schneidstoff und Beschichtung unterschieden
werden. Diese Komponenten beeinflussen das tribologische System
der Zerspanung in entscheidendem MaЯe. Weitere
Einflussfaktoren sind der zu zerspanende Werkstoff sowie die
Umgebungseinflьsse, zu denen vor allem der Kьhlschmierstoff
zдhlt.
Die speziellen Eigenschaften des zu
zerspanenden Werkstoffes sowie der betrachtete Prozess
erfordern in der Regel eine Anpassung der Werkzeugmakro- und
-mikrogeometrie. Die Grundlage dazu bilden bis heute
umfangreiche Zerspanversuche und die grundlegende Analyse der
VerschleiЯ- bzw. Versagensmechanismen. Aufbauend auf den
Ergebnissen erfolgt die sukzessive Optimierung der
Werkzeuggeometrie. Je nach Zielrichtung kцnnen so die
Werkzeugstandzeiten, aber auch die Schnittparameter und damit
die Wirtschaftlichkeit deutlich erhцht werden.
Ein
Beispiel ist bei der Bohrbearbeitung des hochfesten
Eisengusswerkstoffes ADI zu finden. Dieses hochduktile,
hochfeste und sehr verschleiЯfeste vergьtete Gusseisen mit
Kugelgraphit stellt im Vergleich zu konventionellen
Gusseisenwerkstoffen wesentlich hцhere mechanische und
thermische Anforderungen an die Werkzeuge, auf die mit
optimierten Schneidstoffen, aber insbesondere mit angepassten
Werkzeuggeometrien reagiert werden muss. Wenn mit
konventionellen Werkzeugen bei der Bearbeitung von
konventionellen Gusseisensorten noch akzeptable Standzeiten
erreicht werden, fьhren bei der Bearbeitung der hцherfesten
ADI-Sorten nur Werkzeuge mit optimierten Bohrerecken und
optimierten Schneidkantengeometrien zum Erfolg (Bild 4). Fьr
die Hartbearbeitung kann durch eine gezielte Anpassung der
Nebenschneidengeometrie auch bei PKB-Schneidplatten eine
Verdreifachung des Vorschubes bei gleichem erzielbarem
Mittenrauwert Ra
erreicht werden. Neben der Optimierung der Werkzeuggeometrie
muss auch der Schneidstoff an den zu zerspanenden Werkstoff
angepasst werden. Fьr die Zerspanung von austenitischen
Stдhlen oder Titan- und Nickelbasislegierungen geht die
Entwicklung zu immer feinkцrnigeren Schneidstoffen. Durch die
Verringerung der KorngrцЯen bis in den Nano-Bereich kцnnen
sowohl die Hдrte als auch die Biegefestigkeit deutlich erhцht
werden [1] (Bild 5). Aber auch vцllig neue Schneidstoffe
mьssen weiter entwickelt werden. So weist ein Werkstoffverbund
aus 5 % Nano-TiN-Partikeln und 55 % TiC in einer TiNi-Matrix
deutlich bessere VerschleiЯkennwerte auf als heute im
Werkzeug- und Formenbau ьblicherweise aufgespritzte
VerschleiЯschutzschichten aus WC/NiCrBSi, die in ihrem
VerschleiЯverhalten in etwa mit WC-Co vergleichbar sind
[2].
Eine weitere deutliche Leistungssteigerung
heutiger Werkzeugsysteme kann durch eine geeignete
Werkzeugbeschichtung erreicht werden. Fьr die Zerspanung von
Aluminium und partikelverstдrkten Verbundwerkstoffen hat sich
eine CVD-Diamantbeschichtung auf feinkцrnigen Substraten (K10
bis K20) als besonders leistungssteigernd erwiesen. Diese
Beschichtungen zeichnen sich auch bei komplexen
Werkzeuggeometrien, wie diese beispielsweise bei Schaftfrдsern
vorliegen, durch einen sehr geringen abrasiven VerschleiЯ
sowie sehr gute tribologische Eigenschaften aus (Bild 6). Die
Ьbertragung von Funktionen des Kьhlschmierstoffes auf das
Werkzeug bzw. die Werkzeugbeschichtung stellt daher einen
weiteren Ansatzpunkt zur Optimierung des gesamten
Zerspanprozesses dar. Moderne Beschichtungssysteme ьbernehmen
auЯer dem reinen VerschleiЯschutz zunehmend auch Funktionen
des Kьhlschmierstoffes. Hierbei wird das gesamte tribologische
Zerspansystem berьcksichtigt.
|
Bild
4
Anforderungsgerechte Geometrieoptimierung von
Zerspanwerkzeugen
Bild
5
Auswirkungen der
KorngrцЯe
auf
die
Schneidstoffeigenschaften
Bild
6
Leistungspotenzial
CVD-Diamantbeschichteter
Werkzeuge
|
Bild
7 Zerspanung
von Turbinenwerkstoffen mit Hochdruck-Kühlschmierstoff
Bild
8 Ultraschallgestütztes
Drehen
Bild
9 Bruchüberwachung
bei der Bohrbearbeitung
Bild
10 Anordnung
moderner Sensoren
|
Prozessoptimierung
Neben
dem Werkzeugsystem bietet der komplexe Zerspanprozess in vielen
Fдllen erhebliches Optimierungspotenzial. Durch den Einsatz
einer Kьhlschmierstoff-Hochdruckversorgung bei der Zerspanung
von Turbinenwerkstoffen konnte aufgrund der schnellen
Wдrmeabfuhr aus der Kontaktzone eine Erhцhung der
Werkzeugstandzeit um bis zu 220 % bei gleichzeitiger
Verbesserung der Oberflдchenqualitдt erreicht werden. Zudem
fьhrt die hohe kinetische Energie des KSS-Strahls dazu, dass
die entstehenden Spдne kurz brechen und damit im Gegensatz zu
den sonst auftretenden Band- und Wirrspдne gut abtransportiert
werden kцnnen (Bild 7). Hдufig erfordert die Optimierung von
Prozessen, wie sie die Trockenbearbeitung darstellt, auch eine
Anpassung der Maschine, insbesondere die Spдneabfuhr muss auf
jeden Fall auch ohne Spьlung gewдhrleistet sein.
Hybride
Prozesse
Oft
reicht die Optimierung eines einzelnen Prozesses nicht mehr
aus, um wesentliche wirtschaftliche Fortschritte erzielen zu
kцnnen. Zur Ьberwindung technologischer Grenzen bietet sich
hier der Einsatz von hybriden Prozessen an. Diese fьhren durch
die Einbringung von Zusatzenergien entweder zu einer
Verдnderung der Werkstoffeigenschaften in der Wirkzone des
Prozesses oder zu einer Verдnderung der Wirkmechanismen des
Prozesses. Bei hybriden Prozessen werden also unterschiedliche
oder auf unterschiedliche Weise erzeugte Energieformen
(chemisch, mechanisch, thermisch) zeitgleich, d.h. in einem
Produktionsschritt, in eine Wirkzone
eingekoppelt.
Anwendungsbeispiele sind die
laserunterstьtzte Warmzerspanung oder das ultraschallgestьtzte
Drehen. Beim ultraschallgestьtzten Drehen (Bild 8) wird das
Werkzeug mit einer Frequenz von 40 kHz und einer Amplitude von
5 µm angeregt. Dadurch kцnnen die mittleren Prozesskrдfte
und die effektive Eingriffsdauer erheblich reduziert werden.
Des Weiteren wird durch die Verbesserung des
Kьhlschmierstoffzutritts in die Zerspanzone die Reibung
zwischen Span und Schneide deutlich vermindert. Beim
ultraschallgestьtzten Drehen von Glas wird ein duktiler
Werkstoffabtrag erreicht, bei diesem Verfahren wird also der
Wirkmechanismus der Abtragung beeinflusst. Im Gegensatz dazu
wird bei der laserunterstьtzten Warmzerspanung das
Werkstoffverhalten beeinflusst, indem durch die Laserenergie
die Werkstofffestigkeit stark herabgesetzt wird. So wird auch
die Drehbearbeitung ansonsten sprцdharter Keramik ermцglicht.
Prozessьberwachung
Innovative
Fertigungseinrichtungen sollen in der Lage sein, komplexe
Bearbeitungsprozesse mit einem maximalen Grad an
Selbststдndigkeit zuverlдssig und stцrungsfrei
durchzufьhren. Dies erfordert u.a. die Implementierung einer
effektiven Prozessьberwachung, um Stцrungen mцglichst zu
vermeiden oder zumindest frьhzeitig identifizieren und
GegenmaЯnahmen einleiten zu kцnnen (Bild 9). Die
berьhrungslose Ьbertragung der Signale rotierender Sensoren
mit Hilfe der Telemetrie, die Temperaturmessung in der
Spanentstehungsstelle mit einem Zweifarbenpyrometer oder die
intelligente Anordnung neuartiger Sensoren, geben in diesem
Zusammenhang innovative Impulse.
Die Anordnung der
Sensoren erfolgt zunehmend werkzeug- bzw. spindelseitig und ist
somit unabhдngig von Masseдnderungen des Werkstьcks. Als
Beispiele seien hier die Integration eines Kraftmessringes in
die Spindel (Bild 10) und werkzeughalterinterne, rotierende
Hochgeschwindigkeitsdynamometer zur Messung von Drehmoment und
Axialkraft bei der Freiformflдchenbearbeitung zu nennen. Eine
weitere Innovation besteht in der Integration von Sensorik zur
Ьberwachung von Drehzahl, Drehrichtung, Radialkraft und
Lagertemperatur in das Spindellager. Einen Schritt weiter geht
die Integration einer Sensorik zur VerschleiЯ- und
Temperaturmessung in die Werkzeugschneide (Bild 10). Digitale
Antriebe, offene Steuerungen und die Sensoranbindung ьber
BUS-Systeme erцffnen der Prozessьberwachung weitere
Mцglichkeiten. Die Produktionsprozesse kцnnen sich so
selbststдndig an die Umgebungsbedingungen anpassen. Durch eine
automatische Vorschubanpassung kцnnen Bearbeitungszeiten
reduziert werden, ohne die Belastungsgrenzen der eingesetzten
Werkzeuge zu ьberschreiten.
Eine neue Zielrichtung
der Prozessьberwachung ist die Werkstьckorientierung: Nicht
mehr alleine das Werkzeug und sein VerschleiЯzustand stehen im
Blickpunkt der Betrachtung, sondern vielmehr, in welcher
Qualitдt das Bauteil gefertigt wird. Hierdurch wird eine
Qualitдtssicherung bereits wдhrend des laufenden Prozesses
parallel zur Fertigung eines Bauteiles durchgefьhrt. Anhand
der durch die VerschleiЯart bestimmten ProzessдuЯerungen
werden so vor allem bei hochsicherheitskritischen Bauteilen der
Luft- und Raumfahrtindustrie diejenigen Bereiche identifiziert,
deren Randzonen und Mikrostruktur mцglicherweise durch den
Fertigungsprozess mechanisch oder thermisch beeinflusst wurden.
Fьr diese Bereiche kann dann eine gezielte Qualitдtskontrolle
durchgefьhrt werden, um die Bauteilqualitдt gewдhrleisten zu
kцnnen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit dem
Einsatz eines Ьberwachungssystems der Fertigungsprozess an den
technologischen Leistungsgrenzen gefьhrt werden kann, womit
Leistungsrьcknahmen aufgrund von Prozessinstabilitдten
minimiert werden. Zudem ist eine verbesserte Werkzeugnutzung
mцglich, wodurch Werkzeug- und gleichzeitig Fertigungskosten
reduziert werden. Weiterhin lassen sich durch den Einsatz
zuverlдssiger Prozessьberwachungssysteme Prьfvorgдnge
verringern und somit Ausschuss- und Ausschussfolgekosten
minimieren.
|
Modellierung
und Simulation
Insbesondere
fьr die Planung und Optimierung der Technologieparameter sind
Prozessmodelle erforderlich, die Abhдngigkeiten zwischen
bereits festgelegten bzw. vorgegebenen und noch unbekannten
Technologieparametern abbilden kцnnen und somit die
Auswirkungen der geplanten Parameter auf den Gesamtprozess
durch Simulation [3] vorhersagen helfen. Dabei wird
insbesondere solchen Prozessmodellen ein hoher Nutzen
zugeschrieben, die fьr einen weiten Anwendungsbereich geeignet
sind.
Die Untersuchung einer Arbeitsgruppe von CIRP
(Internationale Forschungsgemeinschaft fьr Mechanische
Produktionstechnik) hat ergeben, dass ьber 2.500 Publikationen
verschiedenste Aspekte der Modellierung von Zerspanprozessen
diskutieren [4] und verdeutlicht damit den Stellenwert der
Prozessmodellierung in der Fertigungstechnik. Ausgehend von der
Prozessmodellierung kцnnen Prozesse dann vorab durch
Simulation bewertet werden, mit dem Ziel, die optimale
Einstellung der Parameter zur Steuerung der Prozesse und
Ablдufe herauszufinden. Die Prozesse werden sozusagen virtuell
ausgefьhrt [5]. Die Einsatzgebiete der Modellierung und
Simulation reichen von цkonomischen ьber organisatorische bis
hin zu prozessspezifischen Fragestellungen [6]. Fьr den
Bereich der Zerspanung kann folgendes Nutzenpotenzial der
Modellierung aufgezeigt werden:
Realistische
Vorhersagen von Prozessergebnissen,
Schnelle
und angepasste Prozessoptimierung,
Neue
Erkenntnisse ьber Prozessablдufe,
Prozessьberwachung
und -regelung,
Beurteilung
der Bauteileigenschaften und
Beurteilung
des Bauteilverhaltens.
Die
Felder der Zerspanprozessmodellierung reichen vom Werkstьck
ьber die Spanbildung und das Werkzeug bis zu den komplexen
Wechselwirkungen zwischen diesen Feldern (Bild 11). Die
Zerspanprozessmodellierung erfordert ein breites
Grundlagenwissen, um gesicherte Annahmen zum Prozessverhalten
treffen zu kцnnen. Auf dem Gebiet der
Hochgeschwindigkeitszerspanung wurden daher am WZL zahlreiche
Grundlagenuntersuchungen durchgefьhrt, die sowohl die
Spanbildung, die Spantemperatur als auch die
Umformgeschwindigkeiten bei Schnittgeschwindigkeiten bis zu
6.000 m/min dokumentieren (Bild 12). Die Zerspansimulation wird
derzeit insbesondere dadurch erschwert, dass fьr die
auftretenden hohen Umformgeschwindigkeiten keine oder nur
unzureichende Werkstoffkennwerte vorliegen. Hier gilt es in den
nдchsten Jahren verstдrkte Anstrengungen zu unternehmen,
diese Kennwerte fьr ein breites Werkstoffspektrum zu ermitteln
und zur Verfьgung zu stellen. Auf der Grundlage der erstellten
Modelle kann nun mit Hilfe geeigneter Simulationsmethoden eine
Vorhersage der gewьnschten Ausgangsdaten durchgefьhrt
werden.
Als mцgliche Simulationsmethoden stehen
z.B. analytische Verfahren, kьnstliche neuronale Netze (KNN)
und die Finite Elemente Methode (FEM) zur Verfьgung. Das
Ergebnis der Simulation der VerschleiЯmarkenbreite bei der
Frдsbearbeitung mit Messerkopfstirnfrдsern mithilfe
kьnstlicher neuronaler Netze (KNN) zeigt Bild 13. Aufgrund der
sich stark unterscheidenden Zerspanbarkeitseigenschaften von
Werkstoffen unterschiedlicher Werkstoffgruppen mussten fьr
einzelne Werkstoffgruppen spezialisierte KNN trainiert werden.
Fьr Werkstoffe dieser Gruppen konnte eine gute Modellbildung
beobachtet werden. Das Einsatzgebiet der entwickelten KNN ist
die Prozessauslegung in autonomen Produktionszellen. Zur
FEM-Simulation im orthogonalen Schnitt bestehen derzeit schon
verschiedene Ansдtze und erfolgreiche Umsetzungen. Mit der FEM
kann derzeit beispielsweise der Bohrprozess simuliert werden.
Zielrichtung ist hier die Vorhersage der Zerspankrдfte im
Rahmen der Prozessьberwachung. Forschungsgegenstand ist
derzeit aber auch die quantitative VerschleiЯsimulation von
Zerspanwerkzeugen mit der FEM.
|
Bild
11
Felder der
Zerspanprozessmodellierung
Bild
12
Temperatur- und Schergeschwindigkeiten bei der
Hochgeschwindigkeitszerspanung
Bild
13
VerschleiЯmodellierung
mit
neuronalen
Netzen
|
Gestaltung
von Prozessketten
Ein
effizientes Produkt- und Fertigungsmanagement baut nicht nur auf
der Auslegung einzelner Fertigungsprozesse, sondern vielmehr auf
einer ganzheitlichen Optimierung von Prozessketten auf. Diese
umfasst neben der klassischen Verfahrenssubstitution auch die
gleichzeitige Integration innovativer Fertigungs- und
Konstruktionsalternativen. Der Begriff Prozesskette ist mit
verschiedenen Definitionen belegt. An dieser Stelle stehen
fertigungstechnische Prozessketten im Mittelpunkt, die die
Wertschцpfungskette des Produktes von der Entwicklung bis zur
Produktherstellung abbilden. Die Gestaltung einer Prozesskette
kann in Abhдngigkeit vom Detaillierungsgrad der Betrachtung auf
drei verschiedenen Ebenen erfolgen (Bild 14).
Bild
14
Planungs-
und Gestaltungsebenen
Die
Planung und Optimierung einer Technologiekette erfolgt losgelцst
von den unternehmensspezifischen Restriktionen. Dazu wird ein
mцglichst breites Technologiespektrum unter Berьcksichtigung der
Integration von Innovationen (Werkstoff und Verfahren), unter dem
Aspekt der optimalen Kombination der einzelnen
Fertigungstechnologien, betrachtet (Bild 15).
Bild
15
Technologieketten
Fertigungsfolgen
berьcksichtigen neben den rein technologischen Randbedingungen
die betrieblichen Gegebenheiten in starkem MaЯe. Ьber die
Projektion in eine Fertigungsumgebung sind Fertigungsfolgen
konkret produktionsmittelbezogen und berьcksichtigen neben den
Fertigungsschritten auch die im Materialfluss zur Herstellung des
Bauteils notwendigen Transport-, Handhabungs-, Lagerungs- und
Prьfschritte (Bild 16).
Bild
16
Fertigungsfolgen
Die
Umsetzung einer innovativen Prozesskette auf einer einzigen
Maschine stellt die in Bild 17 dargestellte Reparaturzelle fьr
den Werkzeug- und Formenbau dar.
Bild
17
Reparaturzelle
fьr den Werkzeug- und Formenbau
Diese
wurde mit der Zielsetzung entwickelt, eine effektive und flexible
Reparatur teil- oder komplettverschlissener Werkzeuge zu
ermцglichen. Hierzu wird zunдchst das teilverschlissene Werkzeug
mittels einer optischen Einheit vermessen. Aus den gemessenen
Daten wird anschlieЯend ein CAD-Modell des Ist-Zustandes
generiert. Ьber einen Soll-Ist-Abgleich werden diejenigen Stellen
identifiziert, die einem VerschleiЯ unterlegen sind und die
mittels Laserstrahlbeschichten repariert werden sollen. Fьr
diesen Bearbeitungsgang wird ein entsprechendes NC-Programm
generiert und der Materialauftrag durchgefьhrt. AnschlieЯend
wird das ьberschьssige Material in einer 5-Achs- Frдsbearbeitung
wieder abgetragen. Neben der Reparatur kann die Zelle auch
eingesetzt werden, wenn auf einem Neuwerkzeug an bestimmten
Stellen ein VerschleiЯschutz aufgetragen werden soll oder wenn
eine Designдnderung eine Anpassung der Werkzeuggeometrie
erforderlich werden lдsst.
Дhnliche innovative
Verfahrensverkettungen werden derzeit im Bereich
Hartdrehen-Schleifen untersucht. Hier soll eine Maschine
entwickelt werden, die je nach Anforderung simultan an einem
Bauteil sowohl Schleif- als auch Hartdrehoperationen durchfьhren
kann. Hierdurch wird sowohl eine Reduzierung der Nebenzeiten als
auch durch den Wegfall von Umspannvorgдngen eine Verbesserung der
Bauteilqualitдt, insbesondere der Form- und Lagetoleranzen,
erreicht. Die Forderungen nach schneller, individueller und
wirtschaftlicher Fertigung, geringen Ausschussraten, der
effektiven Nutzung der "Ressource Mensch", einer starken
Auftrags- und Kundenorientierung sowie einer erhцhten
Wandlungsfдhigkeit wird auch die Entwicklung sogenannter
"Autonomer Produktionszellen" vorantreiben. Die in
diesem Konzept verfolgten Lцsungsansдtze der massiven
Aufgabenintegration, der Entwicklung und Integration
technologischer Verbesserungen, der Umsetzung eines
Stцrungsmanagements in Planung und Prozess, der integrierten
Qualitдtsprьfung sowie der flexiblen Steuerung und
Dezentralisierung mьssen in diesem Zusammenhang als ein Beitrag
gesehen werden, die Fertigungsprozesse von Morgen in das
betriebliche Umfeld zu integrieren.
Zusammenfassung
und Ausblick
ДuЯere
EinflussgrцЯen prдgen stдrker denn je die Produktion. Im
technologischen Umfeld fьhren Fortschritte sowohl bei Produkt-
und Prozesstechnologien als auch bei Informations- und
Kommunikationstechnologien zu drastisch verkьrzten
Innovationszyklen [7]. Die skizzierten Дnderungen verdichten sich
zu einer verstдrkten Dynamik und zunehmenden Komplexitдt im
Umfeld der Produktion. Ein einzelnes Unternehmen kann diese
Komplexitдt und enorme Informationsverfьgbarkeit nicht mehr
effektiv beherrschen. Eine zentrale Strategie produzierender
Unternehmen zum Umgang mit diesen Anforderungen besteht darin,
eigene Stдrken flexibel bzw. situationsgerecht mit anderen in
einem Netzwerk zu ergдnzen. Dieses Netzwerk muss in der Lage
sein, kurzfristig auf geдnderte Zielsetzungen zu reagieren um
sich selbst laufend optimal zu positionieren.
In einem
kooperativen Unternehmensnetzwerk liegt eine andere Beziehung der
Unternehmen zueinander vor als in einem herkцmmlichen
Zulieferer-Hersteller-Verhдltnis. Die Unternehmen sind stдrker
voneinander abhдngig, verfolgen das gleiche Ziel und
fertigungstechnische Verbesserungen in einzelnen Teilen des
Netzwerkes kцnnen sich auch positiv auf den Rest des Netzwerkes
auswirken. Es ist somit unabdingbar, dass das fertigungstechnische
Wissen einzelner Unternehmen dem Netzwerk verfьgbar gemacht wird,
um gegebenenfalls mit diesem Wissen Verbesserungen in anderen
Bereichen des Netzwerkes durchfьhren zu kцnnen. Diese
Wissensgrundlage muss mit der Zeit erweitert werden, um die
Potenziale von Neuerungen ausschцpfen zu kцnnen und verfьgbar
zu machen.
Der Handlungs- und Forschungsspielraum eines
einzelnen Partners sowohl auf Seite der Unternehmen, als auch auf
Seite der Entwickler, ist hierbei hдufig begrenzt. Ein optimales
Technologie-Management erfordert daher eine koordinierte und
strukturierte Netzwerkumgebung zum Aufbau von zusдtzlichem
Wissen, sowohl der Unternehmen wie auch der Entwickler, wie z.B.
Universitдten und Forschungsinstitutionen. Nur auf diese Weise
lдsst sich eine gezielte Entwicklung und die Eliminierung von
Doppelaufwand in den Griff bekommen.
Literatur
[1]
Dreyer, K. Pulvermetallurgie und Einsatzgebiete der Hartmetalle.
DGM-Seminar "Pulvermetallurgie", 22. - 23.05.2000 in
Aachen, 2000.
[2] Luo, Y. C; Li, D. Y. New wear-resistant
material: Nano-TiN/TiC/TiNi composite. Journal of Materials
Science, 36 (2001) 19, pp. 4695-4702.
[3] Kramer, U.;
Neculau, M. Simulationstechnik. Carl Hanser Verlag, Mьnchen,
1998.
[4] Kцnig, W.; Klocke, F.; Rehse, M. Perspektiven des
Einsatzes von Prozessmodellen in der Zerspantechnik. VDI Berichte,
Nr. 1399: Hochleistungswerkzeuge, Tagung Dьsseldorf, 3.-4.
November, S. 235-249, 1998.
[5] Westkдmper, E. Technische
Intelligenz in der Produktion. Magdeburger Produktionstechnisches
Kolloquium, MPK'99, 5. und 6. Mai, 1999.
[6] Weinert, K.
Maschinennahe Simulation produktionstechnischer Systeme. wt
Werkstatts-technik, 87 (1997) 9/10, S. 441-446.
[7]
Autorenkollektiv Die Fabrik von morgen: vernetzt und
wandlungsfдhig. In: Wettbewerbsfaktor Produktionstechnik:
Aachener Perspektiven, Hrsg: Aachener Werkzeugmaschinenkolloquium,
Shaker, Aachen, 2002.
Bildnachweis:
Verfasser.
Professor
Dr.-Ing. Fritz Klocke ist Inhaber des Lehrstuhls fьr Technologie
der Fertigungsverfahren am WZL und Leiter des Fraunhofer-Instituts
fьr Produktionstechnologie IPT, Aachen.
Dr.-Ing. Andreas
Kopner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fьr
Technologie der Fertigungsverfahren des WZL.
Dieser
Artikel basiert auf einem Vortrag anlдsslich der
Seminarveranstaltung "Perspektiven der Zerspantechnik -
Entwicklung und Integration der Fertigungsprozesse von morgen"
vom 29. bis 30.10.2002, Aachen.
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