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Мир профессии (на материале немецкого языка)

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ТЕКСТЫ ПО ТЕМЕ «МОЛОДЕЖЬ И ПРОФЕССИЯ»

Wie lange schaffe ich dieses Tempo?

Berufsstarterin Carola

Als Beraterin in München ke nnt Carola, 27, ziemlich lange Arbeitstage mit vielen Terminen und wenig Schlaf. Manchmal fragt sie sich selbst, wie sie das durchhält. Und ob auf Dauer das Privatleben zu kurz kommt.

Als ich vor zwei Jahren mein Wirtschaftsgeographie-Studium abgeschlossen habe, dachte ich: Um 21 Uhr noch im Büro sitzen – das könnte ich nie. Jetzt ist das völlig normal, und ich bin überrasc ht, wie gut ich es schaffe.

Ich wohne in München und arbeite zurzeit in Frankfurt. Also fliege ich Montag in der Früh hin und am Freitagabend wieder zurück. Unter der Woche stehe ich um 6.30 Uhr auf, frühstücke im Hotel, fahre ins Büro und habe den ga nzen Tag Meetings, Workshops, Kundentermine. Mein Arbeitstag endet meist erst gegen 22 Uhr, dann trinke ich noch ein Feierabend-Bier mit Kollegen. Wenn ich auf Geschäftsreisen bin, sind die Tage oft noch anstrengender.

Ich habe gelernt, mit weniger Schlaf auszukommen als früher. Und ich bin stressresistenter, lasse mich nicht mehr von Kleinigkeiten aus der Ruhe bringen. Ich entscheide schneller, bin pragmatischer und optimistischer geworden – für Problemchen und Kopflastigkeit fehlt mir die Zeit.

Habe ich am Wochenende keine Lust auf Sport, lasse ich es und treffe Freunde, die mir wichtig sind. Zwar sehe ich meine Freunde seltener, dafür ist es jetzt etwas Besonderes, ich schätze es mehr. Und wenn ich gut plane, bringe ich viel unter einen Hut. Früher war es unmöglich, am gleiche n Tag zur Post, zum Arzt und zum Frisör zu gehen, jetzt treffe ich mich am Abend sogar noch mit Freunden und es funktioniert.

Trotzdem denke ich manchmal: Wie lange schaffe ich dieses Tempo noch? Irgendwann möchte ich mich wieder mehr um mein Privatleben kümmern und um 19 Uhr nach Hause gehen. Aber lieber habe ich viel zu tun als mich zu langweilen – schreckliche Vorstellung.

Ich habe den Job gefunden, den ich machen will: Abwechslung, spannende Projekte, interessante Menschen. Ich mag es, ständig geistig gefordert zu sein. Wobei, manchmal hätte ich auch Lust auf eine schlichte Tätigkeit – nur mal für einen Tag, zur Entspannung.

Aufgezeichnet von Christine Zerwes

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Ich bin ernster geworden

Berufsstarter Andreas

Der Berliner Architekt Andreas, 27, träumt davon, irgendwann sein eigener Boss zu sein. Mit seinen Freunden spricht er über ganz andere Themen als früher, ist nicht mehr so ausgelassen und nach der Arbeit oft zu müde, um noch ein Buch zu lesen.

Ich arbeite jetzt seit fast zwei Jahren in einem Architekturbüro und bin froh, dass ich sagen kann: Das ist genau der richtige Job für mich. Aber mein Leben hat sich schon verändert. Während des Studiums konnte ic h selbst entscheiden, ob ich bis 12 Uhr schlafe und dafür abends länger arbeite. Oder ob ich früher aufstehe und zwischendrin mit Freunden Kaffee trinke.

Zeitung lese ich nur noch morgens auf dem Weg zur Arbeit. Wenn ich abends gegen 20.30 Uhr oder später nach Hause komme, schalte ich oft den Fernseher ein. Früher habe ich ein Buch gelesen, unter der Woche bin ich dazu jetzt einfach zu müde.

Meine Freunde sagen, ich sei ernster geworden, seit ich arbeite. Ich denke, das stimmt, so ausgelassen und spontan wie früher bin ich nicht mehr. Dafür bin ich organisierter: Meine Wohnung ist aufgeräumt – wenn ich nach Hause komme, will ich mich wohl fühlen. Außerdem treffe ich mi ch nicht mehr mit Hinz und Kunz, sondern konzentriere mich auf meine engen Freunde. Nicht bewusst, das passiert einfach.

Seltsam, wie sich auch die Gesprächsthemen ändern. Jetzt spricht man mit Freunden über Altersvorsorge, Kinder oder darüber, we r den besten Steuerberater hat. Ich habe eine viel größere Verantwortung als früher – für mich selbst und im Job. Es ist schon beeindruckend, wenn etwas, das ich entworfen habe, gebaut wird. Ich genieße es, eigenverantwortlich zu arbeiten, gleichzeitig habe ich Angst, Fehler zu machen. Das muss ein Anfänger eben lernen.

Irgendwann will ich mir den Traum eines jeden Architekten erfüllen: mich selbstständig machen, mein eigener Boss sein. Jetzt haben mein Team und ich einen Praktikanten – auch das hätte ich mir vor zwei Jahren nie träumen lassen.

Aufgezeichnet von Christine Zerwes

Jetzt trete ich selbstbewusster auf

Berufsstarter Florian

Als Selbstständiger betreibt Florian, 26, in Berlin eine Internet-Werbeagentur und berät Unternehmen. Dass er sich durch die Arbeit verändert hat, findet er positiv – und merkt, dass seine alten Freunde alle in verschiedenen Welten leben.

Ich denke schon, dass ich mich durch meine Arbeit verändert habe. Ich trete selbstbewusster auf und kann mich auch bei Konferenzen durchsetzen, bei denen ich der Jüngste von allen bin.

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Woran das liegt? Daran, dass ich genau das mache, was ich schon immer machen wollte. Ich habe gemerkt, dass ich das wirklich kann, und weiß inzwischen, was ich wert bin und welchen Tagessatz ich verlangen darf. Das gibt mir eine neue Selbstsicherheit.

Ansonsten habe ich mich eigentlich nicht sehr verändert – ungeduldig und ehrgeizig war ich schon immer. Über meine Arbeit ha be ich viele neue Leute kennen gelernt. Mein alter Freundeskreis besteht nach wie vor, aber ich merke, dass wir inzwischen alle in verschiedenen Welten leben. Manche haben geheiratet und Kinder bekommen, andere studieren.

Wir haben alle völlig unters chiedliche Tagesabläufe. Ich kann mir meine Zeit recht frei einteilen, manchmal habe ich am Wochenende Termine, organisiere Schulungen oder fliege zu Besprechungen nach München,

Mallorca oder London. Meine alten Freunde haben meist nur am Wochenende Zeit. Das macht es mir schwer, sie zu treffen.

Im Moment finde ich meine Arbeit toll. Ich möchte sie gerne noch eine Zeit lang machen. Am liebsten entwickele ich neue Konzepte, das macht mir Spaß. Wie alle Selbstständigen habe ich manchmal Angst, dass mein Know-how vielleicht irgendwann nicht mehr gebraucht wird oder dass die Märkte wegbrechen. Aber dann muss ich mich eben nach etwas neuem umsehen.

Was ich jetzt mache, möchte ich sowieso nicht 40 Jahre lang machen. Ich brauche einfach die Abwechslung.

Aufgezeichnet von Kathrin Schmiedekampf

Meine Freunde finden mich erwachsener

Berufsstarter Christoph

Christoph, 29, ist Vertriebsbeauftragter in München und arbeitet gern. Aber um abends auszugehen, muss er seine Energiereserven mobilisieren – und ertappt sich manchmal, wie gereizt er reagiert.

Die erste Umstellung für mich war: Ich konn te nicht mehr so oft ausschlafen. Jetzt stehe ich Montag bis Freitag gegen 7 Uhr auf, versuche etwas zu frühstücken und fahre ins Büro oder auf Term ine. Nach Hause komme ich meist erst zwischen 19 und 20 Uhr. Während der Uni-Zeit war ich oft abends noch unterwegs, dazu muss ich mich jetzt aufraffen. Das tue ich, so oft es geht. Arbeiten, essen, fernsehen und schlafen – das ist doch auf Dauer unbefriedigend.

Mich stört, dass die Arbeit mein Privatlebe n beeinflusst: Hatte ich einen guten Tag, ist meine Laune gut. Hatte ich einen schlechten Tag, bin ich gereizt und habe keine Lust auszugehen. Gereizt bin ich erst, seit ich arbeite, früher habe ich mich durch

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nichts aus der Ruhe bringen lassen. Allerdings habe ich mir auch viel gefallen lassen, das passiert mir jetzt nicht mehr. Wenn ich mich ärgere oder mich jemand blöd anredet, wehre ich mich.

Meine Freunde sagen, ich sei erwachsener geworden. Das hört sich immer so komisch an, aber ich finde das auch. Plötzl ich kümmere ich mich um Altersvorsorge, Berufsunfähigkeitsversicherung, Wohnung und Auto und versuche, all das mit der Arbeit unter einen Hut bringen. Dazu muss ich viel mehr planen als früher, manchmal finde ich das spießig. Aber einfach in den Tag hinein leben, das ist eben vorbei.

Trotzdem: Ich arbeite gern. Mit Kollegen etwas auf die Beine zu stellen, das ein Erfolg wird, ist ein echter Kick. Ich glaube, wer Spaß am Job hat, empfindet ihn nicht als Stress. Arbeiten hatte für mich imme r etwas Mystisches, ich dachte: Wow, das sind alles so erwachsene, erfahrene Leute. Ich war sicher, dass man keinen Fehler mehr machen darf, wenn man erst arbeitet. Heute bin ich selber einer von ihnen und habe gelernt: Fehler sind wichtig, nur durch sie kommt man weiter.

Aufgezeichnet von Christine Zerwes

Die Partys sind Vergangenheit

Berufsstarterin Nicole

Seit sie arbeitet, geht Nicole, 24, in der Woche nur noch selten aus und vermisst das spontane Feiern. Sonst habe sie sich kaum verändert, sagt die Junior Key Account Managerin aus Paderborn.

Als ich International Business studiert habe, konnte ich meine Zeit ziemlich frei einteilen. Jetzt arbeite ich seit drei Monaten jeden Tag neun Stunden lang, daran muss ich mich gewöhnen. Unter der Woche gehe ich nicht mehr aus, am nächsten Morgen will ich fit für die Arbeit sein.

Die Zeiten, in denen man abends feiert und sich in der Uni am nächsten Tag berieseln lässt, sind Vergangenheit. Ich vermisse es schon, die Partys, Frühstücken mit Freunden – dass Ich nicht mehr so spontan sein kann wie früher. Jetzt konzentriert sich alles aufs Wochenende.

Verändert habe ich mich bis jetzt nicht, dazu arbeite ich wohl erst zu kurz. Natürlich, ich muss jetzt eine Steuererklärung machen, eine Haftpflichtversicherung abschließen, über diese Dinge habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht. Genauso wenig über Babys, das Thema war immer ganz weit weg. Eine meiner Kolleginnen hat vor kurzem mit 26 Jahren ein Kind bekommen. Plötzlich de nke ich: Wer weiß, wann es bei mir so weit ist?

Aber erst mal möchte ich arbeiten und lernen, mich besser zu organisieren. Ich bin bis zum 1. Juni mit Winterreifen herumgefahren, weil ich es nicht geschafft habe, mein Au-

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to in die Werkstatt zu bringen. Manchmal stört mich das ständige Planen. Zum Beispiel im August: Ich will aufs Robbie-Williams-Konzert gehen und muss mir dafür extra Urlaub nehmen – es ist nämlich unter der Woche. Aber daran gewöhne ich mich schon.

Mir gefällt es, Verantwortung zu tragen und auf eigenen Beinen zu stehen. Außerdem mag ich meinen Job sehr und verstehe mich gut mit meinen Kollegen. Eines habe ich mir fest vorgenommen: Meine Arbeit soll mir Immer Freude machen.

Aufgezeichnet von Christine Zerwes

In der Freizeit brauche ich ein Kontrastprogramm

Berufsstarterin Christiane

Die Arbeit als Grundschullehrerin hatte Christiane, 27, sich anders vorgestellt. Wenn sie frei hat, plant die Münchn erin möglichst wenig – eine Abwechslung zum starren Schulalltag.

Jetzt arbeite ich schon seit drei Jahren (mit Referendariat), aber eines finde ich immer noch schwierig: das frühe Aufstehen. Plötzl ich darf ich nicht mehr unpünktlich sein, nicht mal fünf Minuten. Ich stehe um 5. 45 Uhr auf – zum ausgiebigen Frühstücken fehlt mir oft die Muße – und fahre in die Schule, damit ich um 7.15 Uhr da bin. Nach Hause komme ich meistens zwischen 14 und 15 Uhr. Eine Stunde Pause gönne ich mir, dann muss ich weiter arbeiten, sonst schaffe ich mein Pensum nicht.

Dass ich immer noch bis spätabends am Schreibtisch sitze, hätte ich nicht gedacht: Korrekturen, Schülerbeobachtu ngen, Proben erstellen – das dauert. Inzwischen höre ich gegen 19 oder 20 Uhr auf, leider bin ich dann meist zu müde, um noch Freunde zu treffen. Auch mit Arztterminen tue ich mir schwer, weil ich weiß: Wenn ich nachmittags zum Arzt gehe, muss ich die Arbeit am Wochenende nachholen.

In meiner Freizeit brauche ich ein Kontrastprogramm zum starren Schulalltag: ausgehen, Kaffee trinken, schlafen. Früher habe ich Urlaube gern bis ins Detail geplant. Jetzt reise ich lieber mit Rucksack durch die Gegend, ohne zu planen. Am Wochenende versuche ich möglichst viele Freunde zu treffen. Oft denke ich: Jetzt habe ich die getroffen, nun muss ich mich wieder um die anderen kümmern . Traurig – Freunde treffen, sollte schön sein, nicht stressig.

Natürlich gibt es auch Gutes. Ich bin selb stbewusster, werde in meiner Rolle als Lehrerin ernst genommen, von Eltern, Kollegen und natürlich von de n Kindern. Das gefällt mir, ich habe das Gefü hl, jetzt richtig erwachsen zu sein. Außerdem ist die Arbeit mit den Kindern großartig. Mein nächstes Ziel ist kein Berufliches, sondern ein Privates: Ich will lernen, mit weniger Schlaf auszukommen und meine Freizeit so zu organisieren, dass sie mich nicht anstrengt, sondern mir Spaß macht.

Aufgezeichnet von Christine Zerwes

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Fernanda Bueno (29), Säo Paulo

Meine zwei Mitarbeiter und ich arbeiten sehr international. Wir koordinieren hier die PR-Arbeit für mehrere ausländische PharmaUntermehmen, so dass ich viel reisen muss. Vor kurzem war ich auf einem Kongress in New York, nächste Woche fliege ich zu

einem Meeting nach London. Außerdem telefoniere ich ständig mit den Büros in Argentinien, Chicago, San Francisco und mit unserem Headquarter in New York. Dadurch sind schon echte Freundschaften mit Kollegen im Ausland entstanden. Ich verdiene 4000 US-Dollar im Monat. Manchmal ist der Job so anstrengend, dass meine Gesundheit leidet. Ich rauche zu viel und schlafe zu wenig. Deshalb achte ich bewusst auf Pausen in meinem Tagesablauf. Zum Relaxen fahre ich mittags gerne in ein Restaurant, aber oft reicht die Zeit nur für ein Sandwich. Und fast jeden Tag gehe ich nach Feierabend eine Runde schwimmen.

Petra Sammer (32), München

Ich genieße es, früh morgens mit dem Fahrrad durch die Münchner City zur Arbeit zu fahren. Meistens bin ich schon um sieben Uhr im Büro, da kann ich schön unge stört arbeiten. Dann checke ich erst meine E-Mails und Faxe oder telefoniere mit Kollegen in Sydney oder Tokio. Zurzeit arbeite ich an einem Gesamtkonzept für Burger King, meinen Haupt kunden. Wir sind hier knapp

fünfzig Leute, alle in eine m großen Raum, aber die Schreibtische und Schränke sind so gestellt, dass jeweils zwei Mitarbeiter so eine Art kleines Büro haben. Ich verdiene gut, über 35 000 Euro pro Jahr, aber: Es ist immer so viel zu tun, dass ich selten vor 19 Uhr hier rauskomme – meist mit einem Stapel Zeitschriften und Fachliteratur für zu Hause bepackt. Einige Male im Jahr fahre ich zu internationalen KetchumMeetings oder Workshops nach New York, Florida oder London. Im Ausland, auch im Urlaub, besuche ich immer das Ketchum-Büro vor Ort. Mit eini gen Kollegen habe ich mich angefreundet, und wir mailen uns regelmäßig. Meine Ferien verbringe ich dieses Jahr bei meiner Ketchum-Freundin Alicia in Hongkong.

Miyuki Ogushi (25), Tokio

Sehr viel Freizeit habe ich nicht. Ich arbeite meist bis acht Uhr abends und muss dann noch gut zwei Stirn den mit dem Zug nach Hause fahre: so dass nur noch Zeit fürs Aben dessen bleibt. Wir arbeiten hier in zwei Großraumbüros mit 50 und 80 Leuten. Nur der Chef und sein Stellvertreter haben eigene Büros Das Arbeitsklima ist aber okay. Mit einigen Kollegen verstehe ich mich so gut dass wir uns auch privat

treffen. Wir fahren dann am Wochenende gemeinsam ans Meer oder zu den heißen Quellen die Berge. In der Agentur bin ich für Öffentlichke itsarbeit einer New Yorker Modefirma und einer internationalen Hotelkette zuständig. Mein Gehalt ist nicht schlecht: 1400 US-Dollar im Monat. Mit dem Job bin ich sehr zufrieden. Ich würde nur gern irgendwann mal eine Zeit lang ins Ausland gehen. um PR-Arbeit in anderen Kulturen kennen zu lernen.

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Ein Job geht um die Welt

Tokio, Dienstag, 18.45 Uhr. Miyuki Ogushi (25) hat wieder einmal so viel Arbeit, dass sie jetzt noch an ihrem Schreibtisch sitzt. Sie ist PR-Beraterin bei PRAP, der japanischen Agentur von Ketchum Public Relations Worldwide. Miyuki schreibt einen Brief an einen internationalen Kunden, in dem sie die neue PR-Strategie erklärt. Im Infopool Ketchum Global Network gibt es Informationen über das Un ternehmen. Alle Ketchum-Mitarbeiter (und das sind über 1 500 weltweit) haben Zugriff auf diese Daten, so dass Miyuki sich die gewünschten Informationen per Mausklick besorgen kann. Zur selben Zeit im 9 370 Kilometer entfernten Ketchum-Büro in München, 11.46 Uhr. Petra Sammer (32) klinkt sich ins firmeneigene Intranet, um eine Anfrage Richtung Säo Paulo zu mailen. Dort ist es jetzt 6.46 Uhr früh,

Der Trend zum Nebenjob

Endlich 16.30 Uhr. Feierabend. Wenn sich die Kollegen auf Familie, Hobbys oder aufs Faulenzen freuen, geht für Bauzeichnerin Stefanie Richter (27) der Stress erst richtig los: rein ins Auto, Tochter Marlies (5) vom Ganztagskindergarten abholen und zur Oma bringen. Sie braucht genau 90 Minuten, jeder Schritt ist bis auf die Sekunde durchgeplant. Um Punkt 18 Uhr beginnt die zweite Hälfte ihres Arbeitstages: In einer Konditorei verkauft sie an vier A- benden bis 20 Uhr Torten. Danach kümmert sie sich um Rechnungen und Bestellungen. Stefanie Richter ist eine von 3,2 Millionen, die laut Studie des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung einen Zweitjob haben – jeder zehnte Erwerbstätige in Deutschland arbeitet nebenbei, offiziell angemeldet o-

Fernanda Bueno steht noch zu Hause unter der Dusche. In ihrem elektronischen Postkasten blinkt die E-Mail von Kollegin Sammer. Distanz zwischen hier und dort: 9850 Kilometer. Fernanda wird antworten, sobald sie im Büro ist. Man kennt sich von internationalen Meetings. Jedes Mitglied der KetchumFamilie spricht neben der Muttersprache mindestens fließend Englisch, so dass sich alle miteinander verständigen können. Keine Frage, hier sind Global Player am Werk, hier ist man auf weltweite Zusammenarbeit programmiert. Um 8.30 Uhr sitzt Fernanda Bueno vor dem PC. Hinter ihr blubbert die Kaffeemaschine brasilianische Bohne. Fernanda mailt gerade Richtung München: «Dear Petra, thanks for your message. Of course I can give you the Information you asked for...» Der Arbeitstag beginnt.

der schwarz. «Deutschlands Doppeljobber lassen sich in drei Gruppen einteilen», sagt Professor Johannes Schwarze, Wirtschafts-Spezialist an der Uni Bayreuth. «Die meisten machen es, um über die Runden zu kommen – sie brauchen den Zusatzverdienst zum Lebensunterhalt. Andere wollen sich Extra-Wünsche erfüllen, zum Beispi el ein Traumauto oder ein teures Hobby. Und dann gibt es die Menschen, die einen Ausgleich zum Hauptberuf suchen». Sie alle brauchen nicht lange nach einem Zweitjob zu suchen: Immer mehr Arbeitgeber versuchen, durch Aushilfen feste Stellen einzusparen. Immer öfter sind es auch hoch qualifizierte Kräfte, die Nebenjobs suchen. Die Nettolöhne in Deutschland sind im vergangenen Jahr um 1,7 % gesunken. Urlaubsund Weihnachtsgeld

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werden in vielen Betrieben gekürzt, Lohnerhöhungen gibt es trotz Preissteigerung nicht. Es ist für viele schwierig, den Lebensstandard zu halten. Doch die «Doppeljobber» müssen aufpassen, dass ihr Hauptberuf nicht leidet: Wer zu viel arbeitet und in seinem eigentlichen Be-

Ein Job ist nicht genug

ruf nicht mehr genug Leistung erbringt oder gar vor Müdigkeit einschläft, bekommt natürlich Ärger. Dann können aus «Doppeljobbern» schnell wieder ganz normale Arbeitnehmer werden, die mit einem Einkommen auskommen müssen.

Seit dem Jahr 2002 steigt die Zahl der Menschen, die in Deutschland mehr als einer Beschäftigung nachgehen. Insbesondere Frauen stocken ihr monatliches Einkommen mit einem Zweitjob auf. Das gab das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) bekannt.

Insgesamt stieg die Mehrfachbeschäftigungsquote zwischen 2002 und 2004 von 2,9 auf 4,7 Prozent. Ein wesentlicher Grund für den Anstieg is t die Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen. So kann seit April 2003 jeder bis zu 400 Euro monatlich Steuerund abgabenfrei hinzuverdienen. In der Mehrzahl nutzen Frauen die Möglichkeit, mit einem Minijob ihr Einkommen aufzubessern. Jobs finden sie größtenteils in der D ienstleistungsbranche.

Insbesondere in wirtschaftlich starken Gegenden mit einem relativ entspannten Arbeitsmarkt wie Südbayern oder Baden-Württemberg findet sich laut Studie eine Vielzahl solcher Minijobs. Das Autorenteam gibt allerdings zu bedenken: «Auch bei allgemein guter Arbeitsmarktlage können einzelne Beschäftigte auf ein zusätzliches Einkommen angewiesen sein, um gut über die Runden zu kommen.» Die Kombination mehrerer Minijobs, wie sie vor allem im strukturschwachen Osten häufig vorkommt, ist eindeutig aus der Not heraus geboren, stellten die IAB-Fachleute fest. Die steuerlichen Vorteile auf Seiten der Arbeitnehmenden würden zudem hinfäl lig, sobald das Einkommen aus mehreren Minijobs die 400-Euro-Marke überschreite.

Auf die Kombination verschiedener Minijobs sind vor allem Frauen angewiesen. Sie arbeiten weitaus häufiger als Männer in mehreren Minijobs: Während 15,2 der Frauen mehrere Minijobs haben, sind es nur 6,2 Prozent der Männer. Männer verknüpfen vor allem einen sozialversicherungspflichtigen Job mit einem Minijob. Als möglichen Grund nennt die Studie den Mangel sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze: Frauen seien häufig für die Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf die Kombination mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse angewiesen.

Kurzbericht der IAB-Studie «Mehrfachbeschäftigung:

Ein Job ist nicht genug» (pdf, 4 MB)

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Mobile Welt

Stellenmarkt in Europa. Gesucht: Computerspezialisten, «mobil und engagiert». Gesucht: Betriebswirte, «persönlich flexibel und mobil». Es wird vor allem und immer wieder eines gesucht: Mobilität. Im Zeitalter der Globalisierung ist es vor allem für Berufseinsteiger inzwischen fast selbstverständlich, für den Job die Heimat zu verlassen. Für die meisten Angestellten im mitt-

leren und oberen Management gilt: ohne Umzug keine Karriere. Doch die Forderung der Wirtschaft nach mobilen Menschen bleibt nicht ohne Folgen. Die traditionelle Lebensform «Ehe und Familie» zum Beispiel ist kaum mehr geeignet für das karrierefördernde Länder-Hopping. We r Karriere machen will, macht sie am einfachsten allein.

Schon sind in Großstädten wie Berlin die Mehrzahl der Männer zwischen 25 und 45 Jahren unverheiratet. Wer Sich heute länger, vielleicht sogar lebenslang binden will, bekommt früher oder später Prob leme. Bei jüngeren Paaren Sind häufig beide Partner berufstätig. Die beiden Finanzexperten Volkmar und Martina Müller sind ein typischer Fall: Sie studierte in Spanien und den USA, machte ein Praktikum bei einer Bank in Frankfurt, ist dann von der Firma für zwei Jahre nach Spanien geschickt worden und von dort weiter nach Luxemburg. Dort lernte sie ihren Mann kennen, der aus Deutschland dorthin versetzt worden war. Kaum hatten sie geheiratet, kam für Martina Mü ller auch schon der Ruf nach Hamburg. Beide hofften, der Ehemann könne bald nachkommen. Nach zwei Jahren Woche- nend-Ehe aber wur-de er stattdessen nach Singapur versetzt. Sie wollte nicht mitgehen, und die Ehe ging kaputt.

Mobil sein ist alles, doch nicht mehr alle machen mit. «Mobilität ist ein Wert, der bisher ziemlich unkritisch als positiv und wünschenswert gesehen wird», sagt Norbert Schneider vom Institut für Sozi ologie an der Universität Mainz. «Doch ich sehe in der Gesellschaft einen gewissen Trend zu fragen, wo denn eigentlich die Vorteile der Mobilität liegen.» Firmen bekommen immer häufiger von kompetenten Kandidaten eine Absage und spüren die ersten Anzeic hen einer Trendwende. Oft wird eine Versetzung ins Ausland abgelehnt, weil der Partner oder die Partnerin keinen Job findet. So ist es wohl langsam Zeit für die Firm en, sich auf die gesellschaftliche Entwicklung einzustellen und nach neuen Lösungen zu suchen. De rzeit fehlen Konzepte, und in den Unternehmen ist das Thema noch immer tabu.

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Seit über zwei Jahren sind Timo und Marko Kleemann junge Unternehmer. In Hamburg haben sie ein kleines Web-DesignStudio mit dem Namen «designbits». Ihr Erfolgsrezept ist einfach. Sie wollen besser sein als die anderen Anbieter.

Webseiten erstellen ist keine neue Geschäftsidee. Viele bieten diese Dienstleistung an. Dennoch haben sich die beiden Brüder für eine eigene Firma entschieden. Durch die hohe

Qualität ihrer Arbeit wollen sie die Kunden überzeugen. «Unsere Webseiten werden von uns programmiert. Das führt zu einem sehr sauberen und präzisen Ergebnis», sagt Timo Kleemann. Gutes Programmieren ist aber nicht alles. Vor allem auf die Gestaltung der Webseiten kommt es an- «Wir arbeiten sehr stark mit Bildern. Sie sagen mehr als tausend Worte», erklärt der 28-Jährige. Mit seinem 25-jährigen Bruder teilt er sich die Arbeit in der Firma. Marko ist für das Programmieren sowie die Steuer- und Vertragsfragen zuständig. Timo ist für die Gestaltung de r Webseiten und die Beratung der Kunden verantwortlich. Momentan sind kleine und mittlere Unternehmen ihre Kunden.

Schwerer Start

Unternehmer werden ist in Deutschland schwer. Zumeist fehle die moralische Unterstützung aus der Familie und dem Bekanntenk reis, berichtet Timo. So hätten seine Eltern es lieber gesehen, dass die Söhne ei nen ordentlichen, geregelten und vor allem sicheren Job machen würden. Dennoch ents chieden sich die Brüder für das Risiko, eine eigene Firma zu gründen. «Ein weit eres Problem war es, überhaupt Kunden zu finden», erzählt der Jungunternehmer. So hä tte es Zeiten gegeben, in denen sie keine Kunden hatten. Irgendwann komme aber der erste Kunde und zufriedene Kunden hätten da die Firma weiterempfohlen. Doch selbst wenn man Kunden hat, laufe nicht alles perfekt. «Die Zahlungsmoral bei vielen Kunden ist schlecht. Sie zahlen erst mit einigen Wochen Verspätung», schildert Timo Kleemann seine Erfahrungen.

Drei Ratschläge

Für junge Menschen, die eine Firma gründ en wollen, hat der Hamburger Jungunternehmer drei Ratschläge. «Die Fixkosten um jeden Preis niedrig halten», rät er. Erst müsse man das Geld verdienen, dann könn e man es ausgeben. So haben Timo und Marko Kleemann für ihre Firmengründung au ch keinen Kredit aufgenommen. Zudem ist Timo davon überzeugt, dass man auch ni cht auf die Ratschläge von Menschen hören sollte, die einem nahestehen. Besser sei es, sich mit anderen Firmengründern und Jungunternehmern auszutauschen. Und schließlich dürfe man nie den Glauben an seine Geschäftsidee verlieren. Die Eigenschaften, die ein junger, erfolgreicher Unter-

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