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Россияне и немцы в эпоху катастроф.docx
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  1. Die Besatzung

Hauptbesonderheit der Erinnerungen an die Kriegszeit in den Kosakensiedlungen ist das Fehlen von Geschichten iiber die Grausam- keiten seitens der deutschen Besatzer. Die Erinnerungen an die Besatzer sind zuriickhaltend, manchmal sogar positiv in Bezug auf das Verhalten der Besatzungsmacht. Einige der Befragten erzahlten von grobziigigen Gesten der Besatzer und guter Behandlung: “Einer der Deutschen warder Alteste und der andere war einer von Unseren. Der Deutsche war ein guter Mensch. Er unterha.lt sich mit ihm [dem Russen] und sie diskutieren. Ich hielt das Kleinkind im Arm. Sie iiberlegen, ob sie mir die Kuh lassen. Sonst kom- men sie uberall, sammeln das Vieh ein, schlachten, essen es auf. Nichts zu machen. Sie kommen und nehmen es weg, die Deutschen. Basta. Aberdieser Deutsche fragt: ,1st das dein Baby?’ Ich antworte: ,Ich habe drei Kinder und das Baby hier. ’ Da haben sie mir die Kuh gelassen. Das waren gute deutsche Chefs. In Alexandnnka gab es einen Vermter. Aber unserer, nein, er war fur die Leute. ,Den Kleinen darf man die Kuh nicht wegnehmen. Die Ktihe haben uns gerettet. ”17

"... Sie kamen zu mir und den drei kleinen Kindem (bei mir waren zwei Neffen und mein Kind) in die Hutte. Es kamen drei Deutsche: ,Miitterchen, hast du Milch ?‘,Da nimm schon, sie steht im Ofen. ’ Er holt sie aus dem О fen. Die Kinder weinen undschreien. ,Sinddas deine Kleinen?1— ,Meine, meine. ‘ ,Gehtl‘, sagt er zu den anderen und verldsst die Hutte. Die Milch durfte ich behalten. Er sagte: ,Gehtl‘. Er jagte die anderen Deutschen raus und ging dann selbst auch. So war das.”'8

Oft hielten die einfachen Kosaken gewohnliche Propaganda fur Zei- chen guten Willens. “Wir sind von der Evakuierung auf dem Weg nach Hause. Da wirft ein deutsches Flugzeug Pakete ab. Wir waren viele Weiber. So ein Paketl Niemand weiii, was da drin ist. Die Kinder holten das Paket und kamen zu uns gelaufen: ,Schaut mal, was sie abgeworfen haben. ‘ Wir reifien das Paket auf und drin sind Schokolade und Kekse. Das haben die Deutschen abgeworfen. Da stand geschrieben: ,Kinderchen, esst, habt keine Angst Wir haben euch ein Geschenk mitgebracht. Ich habe zu Hause auch Kinder. Was ich gefunden habe, das schenke ich euch. ‘ Wir afien die Stifiig- keiten und die waren gar nicht schlecht. Mit den Kindem und dem Paket sind wir nach Hause gef ahren. Das haben wir mit den Deutschen erlebt. Wir konnen uns nicht beklagen. Uns haben die Deutschen nichts Bosesgetan.”'9

Um diese Texte bewerten zu konnen, muss man sich das besondere Verhaltnis der Deutschen zu den Kosaken vor Augen fiihren. Die Deut­schen hegten in Bezug auf die Kosaken groBe Hoffnungen, denn sie hat- ten unter der sowjetischen Macht besonders schwer zu leiden. In gewisser Hinsicht waren diese Hoffnungen gerechtfertigt, wenn man an die unter den Kosaken des russischen Siidens verbreitete Kollaboration mit den Deutschen denkt.

Sehr aussagekraftig und einzigartig ist das Sujet des zweiten Textes, in dem es um den Krug Milch im Ofen geht. In der mundlichen Uber- lieferung der Kosaken kommt es oft vor. Es geht dabei um die letzte den Bauern verbliebene Schiissel Brei, die ihnen Aktivisten in der Zeit der Bauernenteignungen wegnahmen, sodass die Kinder verhungern muss- ten. Zweifellos ist der Milchkrug ein wichtiges Symbol des Vergleichs der Herrschaft der Bolschewiki und des Verhaltens der Besatzungsmacht.

Allerdings berichten die meisten von uns aufgezeichneten Texte von der typischen Situation wahrend der Besatzung der Eroberer und Rauber: “Die Deutschen haben uns die Ktihe weggenommen, und die Schweine, und die Eier, und die Milch, sie haben alles mitgenommen.20

Sie haben uns in Baracken umgesiedelt. Dann nahmen sie uns die Ktihe und Kdlber weg, alles durch die Bank, die Milch, die Eier, alles. Manchmal sagte Mutter, was sollen wir nur machen, sie kommen so oder so und nehmen alles fort. Sie hatte gekochte Eier in der Asche versteckt. Abersie kamen und forderten: ,Her mit den Eiem, Mtitterchen!‘ — ,Ich habe keine, eure Leu- te waren schon hier und haben alles eingesammelt. ‘ ,Du ltigst!‘, schreien sie und beginnen in der Asche herumzustochem und finden die Eier nattirlich. Als sie uns ausgesiedelt hatten, blieb uns auch von unserem Garten nichts, keine Gurken und Tomaten. Sie haben alles abgerissen. ”21 “Sie kamen im Juli und verschwanden am 27. Dezember. Sie wollten bis Wolgograd [d.h. Stalin­grad], weil sie da einiges vorhatten. Sie fuhren mit vielen LKWs durch und stellten Plakate auf. Unser Gehoft ist besetzt usw. Als wir beim Frtihsttick safien, kamen sie in unsere Hxxtte. ,Mtitterchen, her mit den Eiem und den HtihnemV Sie nehmen das Brot vom Tisch, sie nehmen sich, was sie wollen, ohne zufragen, wie die Hausherren ....In unserem Haus wohnten vierSolda- ten. Als noch mehr Deutsche kamen, jagten sie uns aus der Htitte. Sie waren laut, horten Musik und sprachen auf Deutsch, singen Lieder und sprechen wohl tiber den Krieg. Wir hatten eine kleine Gmbe. Die hatten wir ausgeho- ben und da kamen wir alle unter, selbst der Hund. Wir saflen in der Grube und sie wohnten in der Hutte.”22

Lebten die Deutschen und die Einwohner langer nebeneinander, dann konnten sie sich nicht standig in Feindschaft begegnen. Mit der Zeit kom- munizierten sie im Alltag auf ganz gewohnliche Weise: “Die Deutschen waren hierund die Russen hinterdem Don. Die Deutschen hatten Angst. Sie wagten es nicht einmal, im Don zu baden. Sie wuschen sich in den Wasser- kanalen. Aber das Wasser war recht kalt. Manchmal holten wir Wasser und da liegen sie direkt in den Kanalen. Die Wasserkanale sind eigentlich dazu da, das Vieh zu trmken. ,He, was badet ihr in den Trdnken, ihr schamlosen Schmutzfinken. Geht zum Don! ‘,Da sind die Russen, die erschiefien uns,piff, paff‘, antworteten sie. Undlagen weiterwie dieFerkelin der Tranke.,f2i

Die Manner sind im Krieg, und die Frauen machen sich ein schones Le- ben. Auch mit den Deutschen. Warum auch nicht, die Deutschen sind hiibsch und nett. Sie istJung..”I*

In den Erzahlungen wird die Befreiung des Heimatdorfes immer mutig und heldenhaft dargestellt, als der Sieg des Guten und der Gerechtigkeit: “Sie hatten uns verjagt, in Baracken ausgesiedelt. Einen Monat safien wir dort und zitterten. Wir hatten Angst. Auf dem Tschepeljew-Hugel waren schwere Kampfe im Gange, sodass wir immer im Unterstand blieben. Dann haben die Russen die Deutschen zuriickgeschlagen und sie verjagt. Als die Russen bei uns ankamen, saften wir im Unterstand. Sie sagten: “Macht euch auf den Weg nach Hause. Wir haben sie verjagt. Geht jetzt nach Hause. ”25

Partisanen gab es bei uns. Sie zogen zwecks Aufklarung zum Tsche­peljew-Hugel. Es kam nur einer von ihnen zuriick. Dann machten sich viele von ihnen auf den Weg dorthin. Aberes kehrten wieder nur drei zuriick. Alle anderen kamen urns Leben. Da zog eine ganze Armee los, Massen von Sol- daten. Sie kamen bei uns vorbei, dort wo die Frauen und Kinder saften und fragten: ,Wie kommen wir zum Tschepeljew-Hugel?' Da habe ich die Half- te der Truppen nach Serafimowitsch gefuhrt, und von Serafimowitsch zum Tschepeljew-Hugel. Von dort sind wir dann zuriick. Diesmal griffen sie auf dem Tschepeljew-Hugel an und kehrten alle wieder zuriick. Sie haben alle Deutschen umgebracht. ”26

Die Struktur des Textes ist wie in einer epischen Legende angelegt. Die Partisanenhelden unternehmen drei Versuche, um den Htigel zu stiirmen. Beim ersten Mai erleiden sie eine schlimme Niederlage und nur einer von ihnen bleibt am Leben. Vom zweiten Sturm kehren nur drei Partisanen zuriick. Fur den dritten Sturm findet sich eine riesige Hor­de von Partisanen zusammen und uberwindet den Feind. SchlieBlich hat die Interpretation des Sieges der “Russen” in diesem Krieg, wie sie unsere Respondentin A. E. Ananjewa zum Ausdruck brachte, groBte Bedeutung: “Unseren hat Gott iiberallgeholfen. Der Herr im Himmel hat unsere Solda- ten gerettet, unser Russland und uns. Unser Russland war immer unbesieg- bar. Seit ewigen Zeiten ist unser Russland grofi, erhaben und schon. ”27 Der

Text schlieBt so den Kreis zu den Uberlieferungen, die den kommenden Krieg als eine von Gott gesandte Priifung gedeutet hatten. Das von Gott Gesandte wird auch mit Gottes Hilfe iiberwunden.

Die mit dem GroBen Vaterlandischen Krieg verbundenen Fakten und Ereignisse sind vom Volk tief und eigentumlich erlebt und verarbeitet worden. Wenn man diese Ereignisse durch den Filter der kunstlerischen Codes betrachtet, die fur das traditionelle Bewusstsein charakteristisch sind, so werden sie zu Quellen der Rekonstruktion nicht nur der histo- rischen Wirklichkeit, sondern auch der weltanschaulichen Spezifik der Donkosakenschaft. I 2 II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV XVI XVII

  1. MEEWolGU. A. E. Ananjewa, geboren 1914. Aufzeichnung 2000 in der Siedlung Ust- Chopersk des Bezirks Serafimowitsch des Gebietes Wolgograd.

  2. MEEWolGU. A. F. Popowa, geboren 1920. Aufzeichnung 2000 im Gehoft Rybnoje des Bezirks Serafimowitsch des Gebiets Wolgograd.

  3. MEEWolGU. A. F. Popowa, geboren 1920. Aufzeichnung 2000 im Gehoft Rybnoje des Bezirks Serafimowitsch des Gebiets Wolgograd.

  4. MEEWolGU. G. S. Bolschepajewa, geboren 1929. Aufzeichnung 1999 im Gehoft Solo- nezk des Bezirks Obliwsk des Gebiets Rostow.

  5. MEEWolGU. A. F. Popowa, geboren 1920. Aufzeichnung 2000 im Gehoft Rybnoje des Bezirks Serafimowitsch des Gebiets Wolgograd.

23 MEEWolGU. F. T. Uwarowa, geboren 1918. Aufzeichnung 1997 in der Siedlung Tepi- kinskaja.

  1. MEEWolGU. A. F. Popowa, geboren 1920. Aufzeichnung 2000 im Gehoft Rybnoje des Bezirks Serafimowitsch des Gebiets Wolgograd.

  2. MEEWolGU. A. E. Ananjewa, geboren 1914. Aufzeichnung 2000 in der Siedlung Ust- Chopersk des Bezirks Serafimowitsch des Gebietes Wolgograd.

  3. MEEWolGU. A. E. Ananjewa, geboren 1914. Aufzeichnung 2000 in der Siedlung Ust- Chopersk des Bezirks Serafimowitsch des Gebietes Wolgograd.

DEUTSCHE KRIEGSMALER AN DER OSTFRONT: IHR BILD VOM RUSSISCHEN FEIND

Wolfgang Schmidt, Fuhrungsakademie der Bundeswehr, Hamburg

Krieg, Kampf und Rasse waren zentrale BezugsgroBen der NS-Ideolo- gie. Im Riickblick auf den Ersten und in Erwartung der Totalitat eines zu- kunftigen Krieges, erforderte dieser die mentale Mobilisierung von Front und Heimat. Dem diente auch die Kriegsdienstverpflichtung der Kunst, die das Regime ab 1933 durch kunst- und strukturpolitische Reglemen- tierungen zu steuern suchte: etwa durch Vorgabe passender Leitideale wie “Rassenfestigkeit”, Opferbereitschaft, Heroismus sowie berufsstan- dische Kontrolleinrichtungen wie die Reichskulturkammer. Hinzu trat eine geistig-kulturelle Selbstgleichschaltung zahlreicher Kunstler, aus Zwang, aus Opportunismus oder unter freiwilliger Obernahme der NS- Ideologie.

Die kunstpolitische Situation der Weimarer Republik spielte eine nicht unwesentliche Rolle. Weil ihr letztlich keine eigenstande, konsis- tente Ausdrucksform ihrer Demokratie gelungen, welche die Erbschaft des Krieges hatte neutralisieren konnen (Martin Warnke) blieben die Grundlagen bildlicher Propaganda aus dem Weltkrieg in Gestalt einer gestischen Gewaltsamkeit wirksam. Sie gingen ein in bildliche, national- sozialistische Kampfformeln gegen Kapitalismus, Juden, Bolschewisten und Demokraten. Zudem erhob die bei faschistischen wie kommunisti- schen Staaten um sich greifende Brutalisierung der politischen Kultur einen kommunikativen Anspruch: das Bediirfnis, der sozialen Gefuhls- welt und dem Weltbild einer sozialen Gruppe durch Rhetorik und As- thetik Ausdruck zu verleihen — etwa in Form zunehmender Verschran- kung von Kunst und Politik durch Visualisierungskampagnen, wie sie in Mussolini-, Hitler- und Stalin-Bildern zum Ausdruck kam. Gleichzeitig hatte sich die bildende Kunst von der Vorstellung einer absoluten Au- tonomie der Asthetik abgewandt und sich der Offentlichkeit mit den Moglichkeiten von Inszenierung und Visualisierung zugewandt. Kunstler drangten in die gesellschaftliche Praxis. In ihrer politisch-agitatorischen Form geriet die Kunst im Rahmen der Propaganda zu einem kommunika- tionsgeschichtlichen Phanomen mit vielfaltigen referentiellen und trans- medialen Facetten.

Unter Propaganda ist (nach Thymian Bussemer) eine medienvermit- telte Formierung handlungsrelevanter Meinungen und Einstellungen politischer oder sozialer Gruppen durch symbolische Kommunikation und Herstellung von Offentlichkeit zugunsten bestimmter Interessen zu verstehen. Sie zeichnet sich aus durch die Komplementaritat von iiber- hohtem Selbst- und denunzierendem Feindbild. Sie ordnet die Wahrheit dem instrumentellen Kriterium der Effizienz unter. Propaganda versucht ihre Botschaften und Handlungsaufforderungen zu naturalisieren, so dass diese als selbstverstandliche und nahe liegende Schlussfolgerungen er- scheinen.

Wenn exemplarische Bilder vom russischen Feind hinsichtlich ihrer liber zeichenhafte Kommunikationsformen und Symbole der Visuali- sierung innewohnenden ideologisch-politischen Inhalte aufgeschliisselt werden sollen, so muss der organisationsstrukturelle Rahmen der deut- schen Kriegsmaler wenigstens angerissen werden. Das Reichsministerium fur Volksaufklarung und Propaganda unter Joseph Goebbels und die Ab- teilung fur Wehrmachtpropaganda im Oberkommando der Wehrmacht unter Oberst Hasso von Wedel formierten dazu ab 1938 ein arbeitsteili- ges Verfahren in enormem Umfang. Kernstiick auf Seiten der Wehrmacht waren die Propagandakompanien. Ihren groBten personellen Umfang erreichte die Wehrmachtpropaganda 1943 mit 33 Kompanien zu ins- gesamt etwa 13.000. Darunter waren vertreten als Soldaten eingezogene Zeitungs- und Rundfunkjournalisten, Fotografen, Kameraleuten, Presse- zeichner und Maler. Diese wurden von den Reichspropagandaamtern ver- mittelt, womit Kontrolle und Zensur schon beim Produzenten einsetzte. Seit 1942 existierte zusatzlich eine spezielle “Staffel der Bildenden Riinst- ler” mit insgesamt 100 Kriegsmaler und 150 Pressezeichner. Diese Einheit stand im Lichte einer groBen, nationalsozialistischen Kulturkonzeption, die von Kampf, Rasse und Auslese bestimmt war. Die Kriegsmaler wuss- ten, dass ihre Arbeit genuiner Teil der NS-Kunstpolitik war. Sie erfuhren es spatestens dann, wenn ihre Arbeiten wegen Nicht-Verwertbarkeit fur Propagandazwecke nicht publiziert, archiviert oder angekauft wurden. Insgesamt muss man davon ausgehen, dass bis zum Kriegsende 1945 etwa 10.000 Bildwerken geschaffen worden sind.

Die Ikonographie des Krieges im Zweiten Weltkrieg ist international. Sie weist auch keineswegs ein abgekoppeltes, eigenstandiges Symbol- system auf, sondern in den Bildformeln verbanden sich mit aus den politi- schen Kampagnen der Vorkriegszeit stammenden, etablierten Symbolen neue, zu den Ablaufen des Krieges geschaffene Bildzeichen. In Deutsch­land — aber nicht nur hier — war die asthetische Uberhohung von Gewalt vor allem mit der Darstellung des heroischen Kampfers verbunden, der muskulose Heros zum Retter gegen den Klassen- und Rassenfeind stili- siert. Der Typus des kantigen, monumental-heroischen Soldaten tauchte in der politischen Propaganda auf, die sich einer dramatischen Dramatur­gic bediente. Exemplarisch seien das Gemalde des sowjetischen Kimstlers Alexander A. Deineka, Die Verteidigung Sewastopols von 1942 (Abb. 1) und das Aquarell des deutschen Kriegsmalers Baitz, Faustkampf gegen die Sowjets von 1945 (Abb. 2). Letztgenanntes Produkt war abgedruckt in einer der letzten Ausgaben der sehr bekannten deutschen Auslandszeit- schrift “Signal” im Friihjahr 1945. Gemeinsam ist den Bildern, dass die Maler die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die heroischen Gestalten im Vordergrund konzentrieren. Sie dienen als affektive Vermittlungsin- stanzen zur parteilichen Identifikation und sollen in scheinbar aussichts- loser Lage das Vertrauen in die eigene Sache starken. Demzufolge werden die angreifenden Deutschen bzw. Russen zwar als zahllose Menge, jedoch an den Rand gedrangt bzw. im Hintergrund dargestellt. Der Feind hat keine individuellen, geschweige heroischen Zuge.

Eine deutsche Besonderheit in der Kriegspropaganda war allerdings das auf biologistischen und sozialdarwinistischen Vorstellungen grtin- dende nationalsozialistische Rassenideal. Ein hierarchisch gegliedertes, soziales Ordnungsmodell, das kontrastierend eine hochwertige “nor- disch-germanische Rasse” der als minderwertig verstandenen “slawisch- ostischen Rasse” gegeniiberstellte. Gerade im rassenideologischen Krieg gegen die Sowjetunion bedienten sich die referentiellen Medien der Feindpropaganda einer Bildlichkeit, die auf heftigste Diffamierung baute. Die verbale Erniedrigung zu dieser Fotomontage auf dem Titelblatt einer SS-Druckschrift von 1942 (Abb. 3) lautet: “Der Untermenschjene bio- logisch scheinbar vollig gleich geartete Naturschopfung mit Handen, Fiifien und einer Art von Gehim, mit Augen und Mund, ist dock eine ganz andere, eine furchtbare Kreatur, ist nur ein Wurfzum Menschen hin, mit menschen- ahnlichen Gesichtszugengeistig, seelisch jedoch defer stehend als jedes Tiern. Das Blatt zeigt das bedrohlich wirkende Gesicht des sogenannten “Untermenschen” hinter dem eine unendliche Masse sowjetischer Solda­ten zu stehen scheint — Motiv der Bedrohung des “zivilisierten Europa” durch den “jiidischen Bolschewismus” und seiner vermeintlich zerstore- rischen Kraft.

Die sowjetische Bildpropaganda hielt sich zwar nicht zuriick, den “Fa- schisten” zu damonisieren und verachtlich zu machen. Zur karikierenden Darstellung Hitlers als geifernder Kettenhund von W. Galba (Abb. 4) mit blutigen Pfoten und Schnauze wird erklart, der Anfuhrer der gemeinen Meute sei im Osten schwer verletzt worden und wittere schon sein na- hes Ende. Auch kontrastierende Schemata kamen zum Einsatz. In seinem den Partisanenkampf heldisch inszenierenden Gemalde stellt Sergej W. Gerassimow 1943 der Mutter des Partisanen (Abb. 5) — symbolisch die Figur der “Mutter-Heimat” — auf gleicher Ebene einen SS-Offizier ge- genuber. Die Darstellung des Deutschen folgt dem typisierten Gestus des

Brutalitat demonstrierenden Herrschenden. Hingegen driickt die betont aufrechte Haltung der Frau, in ihrer weiBen Bluse auch im moralischen Sinn ein Symbol der Reinheit, Selbstbewusstsein und Stolz aus. Sie ist iiberzeugt, dass sie und ihr Sohn richtig handeln.

Allein die Kriegsmaler der Wehrmacht folgten iiberwiegend bedin- gungslos den rassenideologischen Paradigmen des Nationalsozialismus und seines Krieges gegen die Sowjetunion. Besonders in der ersten Pha­se 1941/42 dominierte das Klischee des “ostischen Untermenschen”, das als besonders abstofiend empfundene slawisch-asiatische Rassemerkmale betont. Angebliche Kulturlosigkeit, mangelhafte Hygiene und besondere Heimtucke erganzten die bildliche Erniedrigung. Bildlegenden prasen- tierten den sowjetischen Gegner in der Regel als unzivilisiert, hinterhaltig und kriminell. In diesem Sinne ideologisch mustergultig zeichnete Willi Stucke diese beiden Gefangenen (Abb. 6) 1941. Noch deutlicher brachte Hermann Stehr die erw nschte politische Visualisierung mit seiner Bunt- kreidezeichnung einer Frau (Abb. 7) und der dazugehorigen Legende vom 20. Juli 1941 zum Ausdruck: “Russische (gestrichen: “Sowjetische” iiberschrieben) B'auerin aus Metschta b. Kiew. Typ des vollstandig proleta- risierten bauerlichen Menschen”. Dieses und ahnliche Portrats von Stehr wurden vom Propagandaministerium als politische Zeichnungen fur die Bildpresse freigegeben. Die von Walter Hensellek 1942 aquarellierte russische Soldatengruppe (Abb. 8) entspricht in Physiognomie und Kor- perbau dem propagandistischen Klischee des Bolschewiken. Folgerichtig wurde das Bild an das Propagandaministerium zur Veroffentlichung wei- tergeleitet. Durchaus konnte der Betrachter auf Hans Liskas publizier- ter Kriegszeichnung erkennen, dass — im Bild oben rechts — mit “L usen nach der Natur” (Abb. 9) auch die verwahrlosten russischen Gefangenen gemeint sein mochten. Mit “Verlauster Bolschewik” (Abb. 10) — im Bild oben rechts — war Ernst Eigener aus Sicht der Rassenhygiene in seiner Publikation “Skizzen aus dem Ostfeldzug” von 1942 visuell und seman- tisch noch sehr viel eindeutiger. Assoziativ bediente Eigener auch ein ideologisches Frauenbild, als er seine Skizze mit gefangenen Mannern und Frauen (Abb. 11) mit dem Satz erganzte: “Unter den iiberlebenden und gefangenen Matrosen eines sowjetischen Kanonenbootes befanden sich auch einige Frauen, die mir verschlagener erschienen als die teilnahmslos dreinblickenden Manner”. Mit dem verachtlichen Wort “Flintenweiber” (Abb. 12) signierte Willfried Nagel 1942 sein Aquarell von vier krafti- gen, unansehnlichen Frauen, die von einem deutschen Soldaten bewacht werden. Mit Flintenweib als sozialer Konstruktion assoziierte man auf deutscher Seite ein seit dem russischen Burgerkrieg gebrauchliches, an grausame Furien erinnerndes Feindbild. In der Realitat wirkte sich die Behandlungspraxis fur kriegsgefangene sowjetische Soldatinnen durch die deutsche Gewahrsamsmacht dann auch vielfach verheerend aus. Dass der russische Feind auf einer vermeintlich niederen kulturellen Stufe stiinde, dariiber sollten Bilder von Soldatengrabern (Abb. 13) mit rassis- tischen Zuweisungen Aufschluss geben. Wiederum lieferte Ernst Eigener hierzu das entsprechende Produkt: “Wahrend der deutsche Soldat selbst unter schwierigen Verhaltnissen immer bestrebt ist, den gefallenen Kame- raden ein wiirdiges und schones Grab zu bereiten, verscharrt der Feind seine Toten.... schaurige Denkmaler der Entartung des Menschen”.

Die medieniibergreifende Komplementaritat von iiberhohtem Selbst- und denunzierendem Feindbild mit ihrem signifikanten rassenideologi- schen Gut-Bose-Schema war eines der hervorstechenden Merkmale der deutschen Propaganda im Krieg gegen die Sowjetunion. Das Titelblatt des Illustrierten Beobachters vom Mai 1942 (Abb. 14) zeigt die polemi- sche, fotografische Gegemiberstellung eines sowjetischen und eines deut­schen Jungendlichen. Wahrend der sowjetische Junge mit einer asiatisch gepragten Physiognomie zerlumpt, heruntergekommen und angstlich wirkt, strahlt der gepflegte, strammstehende Junge, der dem “arischen Ideal” zu entsprechen scheint, Stolz und Zuversicht aus. Die plakative Gegeniiberstellung des vermeintlich Heil bringenden Nationalsozialis- mus und des Feindbildes des “jiidischen Bolschewismus” anhand der bei- den Jungen sollte die Auswirkungen beider Systeme auf die Menschen aufzeigen, besonders auf die Jugend und damit die Zukunft der Lander. Diesem typisierten Format entsprachen auch die Kriegsmaler, wie zwei Portratzeichnungen von Gerhard Hensel aus dem Jahr 1941 belegen. Per- spektiven wie diese legten nahe, aus den Gesichtern dieser Manner auf deren Charakter und Eigenschaften zu schieBen. Im Kontrast zu dem den Betrachter offen anblickenden deutschen Soldaten (Abb. 15) steht der russische Soldat (Abb. 16) mit scheinbar verschlagenem, von Heimtiicke gepragtem Blick. Symbole der miteinander um die Vorherrschaft ringen- den Systeme, wobei der Kiinstler im Rahmen seiner zeichnerischen Mog- lichkeiten den emotionalen Spielraum einer siegesgewissen Zukunft fur den Betrachter auf die deutsche Seite zieht.

Das Ziel der kiinstlerischen Erfassung des Kriegsgeschehens lag in einer seit dem Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland bestehenden mystischen Verehrung des Kriegserlebnisses. Wie von einem Glaubens- bekenntnis erwartete man davon die groBten Wirkungen auf den Einzel- nen wie auf die Gesellschaft. Um im Sinne des ideologisch bestimmten Kriegserlebnisses eine Gesamtdarstellung des Krieges im Bild spateren Generationen weitergeben zu konnen, erschienen auch Landschaftsstudi- en von den Fronten erforderlich, damit spater Erinnerungsbilder gefertigt werden konnten. Weiterhin sollten charakteristische Typen der Bevol- kerung sowie die ethnische Vielfalt der gegnerischen Truppen dokumen- tiert werden. In solchem Zusammenhang stehen z. B. zwei Auftrage an Olaf Jordan. Einer fuhrte ihn 1943 in ein Kriegsgefangenenlager, wo er auf 100 Blattern das ethnische Panorama der Lagerwelt und den — wahr- lich beklagenswerten — Zustand der Gefangenen (Abb. 17) dokumentier- te. Im selben Jahr begleitete er mit Skizzenblock und gleicher Intention russische Kosakeneinheiten, die in Diensten der Wehrmacht standen. Dabei lasst sich gerade an der Visualisierung der auf dem Territorium der Sowjetunion lebenden Volker ein Wandel feststellen, der erneut die Ab- hangigkeit der deutschen Kriegsmalerei von den politisch-ideologischen Zielsetzungen unterstreicht. Jordans Portrats von Angehorigen verbun- deter Sowjetvolker orientierten sich zunachst am herrscherbildhaften Habitus des deutschen Offiziers in der zweiten Kriegshalfte. Angesichts der realen Kriegswirklichkeit waren zunehmend Uberlegenheit, Ruhe und Zuversicht zu den hervorstechenden Merkmalen im Gestus des he- roischen Soldaten geworden. Das Portrat von Leutnant Matl (Abb. 18) entspricht mit seiner entspannten Haltung und den auf die Oberschenkel gelegten Handen dieser Imagination in besonderem MaBe. Die astheti- sche und somit auch politische Orientierung der pittoresk anmutenden Kosakenoffiziere (Abb. 19) mit ihren ktihn geschnittenen Gesichtszugen ist unubersehbar. Mehr noch erlangen sie, weil auf der richtigen, deut­schen Seite stehend, dariiber eine gleichsam “rassische Ebenburtigkeit”.

Wenn man abschlieBend die Produkte der offiziellen deutschen Kriegs- maler und -zeichner an der Ostfront einer statistischen Betrachtung und Bewertung unterziehen will, so zeigt sich auf den ersten Blick ein iiberra- schendes Ergebnis. So enthalten die hier als Referenzgruppe herangezoge- nen ca. 2500 bis 3000 Blatter der erhalten gebliebenen Grafik zum Russ- landkrieg, die als Teil der sogenannten German War Art Collection des Deutschen Historischen Museums durch das Bayerische Armeemuseum in Ingolstadt verwaltet werden, nur zu 10 Prozent Ansichten von Kriegs- gefangenen oder von Zivilbevolkerung. Ein guter Teil bildet deutsche Soldaten und ihre Handlungen ab, etwa 40 Prozent enthalt Landschaft- simpressionen. Dabei war die Frage nach der Propagandawirkung bzw. dem dokumentarischen Wert von Landschafts- und Milieudarstellungen bei den deutschen Kunstpropagandisten umstritten und offensichtlich abhangig vom Kriegsverlauf. Dennoch andert dies selbst ohne Beriick- sichtigung stilistischer Merkmale nichts am damaligen Entstehungszu- sammenhang und der intendierten Nutzung. Neben der Schaffung von Sinnbildern war es namlich ein im Sinne von Heroismus und Herrschaft weiteres, unmissverstandliches Ziel der Kriegsmalerei, “der Gegenwart die GroRe des Kampfes anschaulich zu machen, indent sie der Mitwelt den Kriegsraum vor Augen fiihrt, den heute die deutschen Waffen beherrschen, den deutsche Kraft erobert hat und halt”. Folgt man den Erinnerungen von Angehorigen der Staffel der Bildenden Kiinstler, dann wussten sie, dass ihre intendierte Arbeit genuiner Teil der NS-Kunstpolitik war. Jedenfalls erinnerte sich z. B. Richard Hohly tiber seinen Maleinsatz bei Charkow 1942 daran, dass er nicht nur “Land und Leute, Soldaten und Eroberungs- ziige”zu studieren hatte, sondern seine “Skizzen undBildersollten natiirlich diesen Siegeszug idealisiert festhalten”. Die Landschaftsimpressionen sind

keine Plakate eines Reiseveranstalters oder Dokumente einer ethnologi- schen Expedition, sondern auch fast alien solchen Bildern der offiziellen deutschen Kriegsmalern haftet mit Blick auf den Kontext des Krieges ge- gen die Sowjetunion ein grundsatzlicher Trophaencharakter des rasseni- deologischen Krieges an.

Weiteijiihrende Literatur mit Nachweis der wortlichen Zitate