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Text 4. Das Weihnachtsfest in seinen vielfältigen Funktionen und Aspekten

Uwe Kühneweg (gekürzt)

          1. Der christliche Gehalt des Festes

Was wenig bekannt ist: Unter den großen Kirchenjahresfesten ist Weihnachten das jüngste. Als Fest der Menschwerdung Gottes ist es gewiss kein marginales Datum des Kirchenjahres, aber es wird an Bedeutung deutlich übertroffen vom Triduum der heiligen Woche, insbesondere vom Osterfest. Weil die Festlegende des Weihnachtsfestes besonders viele mythologische Elemente aufweist, spielen die Texte um Weihnachten in der systematischen Theologie heute eine geringe Rolle. Hierzu hat auch die gegenüber der alten Kirche geänderte Fragerichtung in der Christologie beigetragen.

          1. Der stabilisierende Faktor für die Volkskirche

Trotz dieser theologischen Marginalisierung spielt das Weihnachtsfest für die Stabilität der Volkskirche in Deutschland eine erhebliche Rolle, es dient auch geradezu als einer der Gradmesser ihrer Lebendigkeit. Alle deutschen Landeskirchen lassen die Besucherzahlen der Weihnachtsgottesdienste für ihre Statistiken erheben. Obwohl der Besuch der Weihnachtsgottesdienste nur hier und da von Konfirmationsgottesdiensten übertroffen wird, darf der Eindruck freilich nicht trügen: Es sind insgesamt nur etwa 30% der evangelischen Kirchenmitglieder, die an Weihnachten in die Kirche gehen. Diese Zahl stimmt auch schon deshalb nicht ganz genau, weil Weihnachtsgottesdienste vermutlich auch eine gewisse Zahl von Ausgetretenen und anderen Nichtmitgliedern der Kirchen anziehen.

Bei den Katholiken liegt der Anteil der Kirchenbesucher an Weihnachten höher, aber dies entspricht genau dem Befund in anderen Zeiten des Kirchenjahres.

          1. Das Bescherfest

Seit der Reformationszeit ist in Deutschland das winterliche Kinderbescherfest vom Nikolaustag auf das Weihnachtsfest verlagert. (In anderen Ländern sind solche Kinderbeschertage vom eigentlichen Weihnachtsfest getrennt, so etwa in Italien, wo am 6. Januar die Hexe "La Befana" die Geschenke bringt.)

Im 19. Jahrhundert ist daraus aber das allgemeine Bescherfest der Familie geworden. Als solches ist es auch ein Wirtschaftsfaktor der Konsumgesellschaft (s.u.). Aber auch über den familiären Zusammenhang hinaus wird an Weihnachten geschenkt, in Betrieben, Schulkassen und Vereinen.

          1. Das Fest der bürgerlichen Familienideologie

Im traditionellen deutschen Weihnachtsfest feiert sich die Familie selbst und begründet sich je neu. Ursprünglich in gehobenen bürgerlichen Kreisen beheimatet, hat sich die Weihnachtsfeier mit Tannenbaum und Geschenken im 19. Jahrhundert in alle Schichten der Bevölkerung ausgebreitet.

Das Weihnachtsfest ist das Fest der versammelten Familie. Wie die heilige Familie in trauter Eintracht an der Krippe versammelt ist, so führt Weihnachten Familien zusammen. Nicht zufällig wurden die Passierscheinregelungen im geteilten Berlin der 60er Jahre zuerst für die Weihnachtstage erzielt.

Das Weihnachtsfest symbolisiert die heile Familie ohne Konflikte. Das Friedensmotiv führt direkt zu Aggressionsverdrängung und inszenierter Harmonie. Diese Problematik wird heute, in einer Zeit der Ausdifferenzierung familialer Lebensformen, sehr viel stärker empfunden als in Zeiten, in denen die Familie (als Klein- oder Großfamilie) wenigstens als Ideal noch Bedeutung hatte.

          1. Das Konsumfest als Wirtschaftsfaktor

Die deutsche Wirtschaft ist auf Weihnachten eingestellt, ja zu einem gewissen Prozentanteil lebt sie von Weihnachten. In manchen Branchen werden bis zu 40 % des Jahresumsatzes in den letzten Wochen vor Weihnachten erzielt. Das Weihnachtsgeld muss ausgegeben werden. Tatsächlich ist diese Sonderzuwendung, die die meisten Arbeitgeber gewähren, ein starker Anheizer der Konjunktur im Winter.

          1. Das Friedensfest

Die Integrationskraft des Weihnachtsfestes beruht nicht zuletzt darauf, dass viele seiner Motive vom spezifisch christlichen Hintergrund leicht abzulösen sind. So entwickelte sich aus der Botschaft der Engel an die Hirten (Friede auf Erden) der Gedanke an Weihnachten als ein universales Friedensfest. Tatsächlich schwiegen in Kriegszeiten nicht selten über die Weihnachtsfeiertage die Waffen, so auch noch im Vietnam-Krieg.

          1. Weihnachten als Last

Weihnachten wird natürlich als Stress erlebt von vielen Pfarrern und Pfarrerinnen, aber auch - in anderer Hinsicht - von einem erheblichen Teil der Bevölkerung.

Nicht umsonst fragen wir einander nach Weihnachten: "Hast Du die Feiertage gut überstanden?" Sie sind offenbar bedrohlich, nicht nur für den Verdauungstrakt.

Jedes Jahr erscheinen in Zeitschriften mehr oder weniger komische oder auch besinnliche Artikel zum Problem, wie man denn Weihnachten in seiner herkömmlichen Gestalt entfliehen könnte. Oder auch nicht, denn Weihnachten entkommt keiner so leicht: Auch die Flucht an südliche Strände bewahrt nicht vor Weihnachtsbäumen und Touristensentimentalität.

Aber die Zeiten ändern sich. Seit einigen Jahren öffnen immer mehr Gaststätten und Cafés am Heiligabend und bieten so den Weihnachtsflüchtigen eine gewisse Heimstatt.

          1. Weihnachten als Krisenzeit

Die Besetzung des Festes durch Friedens- und Familienideologie steigert nicht selten die Not zur akuten Krise. So bei einsamen Menschen: Angesichts der (vorgeblichen) Harmonie der Außenwelt wird das eigene Alleinsein umso stärker empfunden. So steigt die Suizidrate über die Weihnachtstage deutlich an. Aber auch die Zahl der Gewaltverbrechen, insbesondere Körperverletzungs- und Totschlagsdelikte in der Familie ist an Weihnachten erheblich. Gerade die vermeintliche, durch die Festideologie vorgegebene Nötigung zur Harmonie offenbart die Brüchigkeit von Beziehungen.

Texterläuterungen

Das Triduum ist eine Zeitperiode, die 3 Tage lang dauert.

Marginalisierung ist ein Prozess, bei dem sozial schwächere Bevölkerungsschichten an den Rand (margin) der Gesellschaft gedrängt werden und dadurch nicht mehr am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Der gleiche Prozess kann in allen Sphären des gesellschaftlichen Lebens vor sich gehen, also auch im Bereich der Religion.

Als Vietnamkrieg wurde die letzte, besonders verlustreiche Etappe (ca. 1964 - 1974) in einem dreißigjährigen bewaffneten Konflikt bezeichnet, der 1946 mit dem Widerstand der vietnamesischen Kommunisten und anderer Gruppierungen gegen die französische Kolonialmacht begonnen hatte. Daran beteiligten sich mehrere Staaten, in erster Linie Vietnam, die USA, die Sowjetunion u.a.

Aufgaben zum Text

1. Ergänzen Sie die fehlenden Wörter in den Sätzen:

Seit der …………… ist in Deutschland das ………….. Kinderbescherfest vom ………………... auf das Weihnachtsfest verlagert. Jedes Jahr erscheinen in Zeitschriften …………… Artikel zum Problem, wie man Weihnachten in seiner ……………. Gestalt ……………….. könnte. Die Flucht an …………….. bewahrt nicht vor ……………………… und Touristensentimentalität. Die durch die Festideologie ………….. Nötigung zur Harmonie ………… die Brüchigkeit von ………………....den Beziehungen.

2. Welche gesellschaftliche Rolle spielt heute das Weihnachtsfest in Deutschland?

3. Besprechen Sie mit Ihren Studienkollegen die Fragen:

- ist das Weihnachtsfest wirklich eine Krisenzeit?

- worauf ist das zurückzuführen und wovon hängt das ab?

- kann die Situation verbessert werden?

4. Erklären Sie die Bedeutung folgender Wörter und Ausdrücke aus dem Text. Aktivieren Sie diese Wörter in Sätzen.

an Bedeutung deutlich übertroffen sein, das Bescherfest, verlagern, beheimatet sein, in trauter Eintracht, inszenierte Harmonie, Ausdifferenzierung familialer Lebensformen, ein erheblicher Teil, besinnlich, akute Krise, die Brüchigkeit von Beziehungen.

5. Besprechen Sie mit Ihren Kollegen folgende Themen:

der christliche Gehalt des Festes;

der stabilisierende Faktor für die Volkskirche;

das Fest der bürgerlichen Familienideologie;

das Konsumfest als Wirtschaftsfaktor;

das Friedensfest;

Weihnachten als Last;

Weihnachten als Krisenzeit.

Machen Sie einen ausführlichen Bericht über Weihnachten, wobei Sie verschiedene Standpunkte beleuchten.

6. Was gibt es Gemeinsames beim Feiern des Weihnachtsfestes in Deutschland und des Neujahrsfestes in unserem Land, was ist unterschiedlich? Welche Traditionen stimmen dank ihrem gemeinsamen Ursprung überein?