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Klaus Laubenthal-Strafvollzug 6. Auflage (Sprin...docx
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2.4.3 Nationalsozialistisches Abschreckungs- und Vernichtungskonzept

  1. Einen nachhaltigen Rückschlag erhielten die Reformbestrebungen zu einem an Humanität und Besserungsgedanken orientierten Strafvollzug während der Zeit

105 Abgedruckt in Materialien zur Strafrechtsreform. Band 6, 1954; dazu Schenk, 2001, S. 119 ff.

  1. Vgl. dazu Müller-Dietz, 1970, S. 18 f.

  1. Siehe Schattke, 1979, S. 149.

  1. Müller-Dietz, 1988a, S. 18; Schattke, 1979, S. 199.

2.4 Entwicklung vom Inkrafttreten des RStGB 1871 bis zum Jahr 1945 65

der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Strafe diente nunmehr „in erster Linie der Abschreckung“, es galt „durchzuhalten, bis die Verbrecherwelt ausgerot-tet ist“.109

Die Zielsetzung der Abschreckung potentieller Straftäter mit den Mitteln gene-ralpräventiver Härte sowie die Abkehr vom Erziehungsvollzug110 hin zur Un-schädlichmachung des Delinquenten kamen in den rechtlichen Regelungen deut-lich zum Ausdruck. Dies gilt bereits für die 1934 vom Reichsminister der Justiz erlassene „Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Besserung und Sicherung“.111 Diese knüpfte inhaltlich zwar an die Reichsrats-grundsätze von 1923 an, ergänzte jedoch das Erziehungsziel des § 48 um die Zwe-cke der Sühne und der Abschreckung. Zudem war der Freiheitsentzug so zu ge-stalten, dass er für den Gefangenen ein „empfindliches Übel“ darstellte.

Eine amtliche Kommission des Reichsjustizministeriums erarbeitete noch den 1939 vorgelegten „Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes nebst allgemeiner Be-gründung“.112 Leitende Gesichtspunkte für die geplante Neugestaltung des „Straf-vollstreckungsrechtes“ sollten Sinn und Zweck des damaligen Strafrechts („Schutz des Volkes, Sühne für Unrecht und Festigung des Willens zur Gemeinschaft“) sowie „die besondere Artung“ des „Objekts der Vollstreckung“ sein.113 Da eine gesetzliche Regelung des Strafvollzugs jedoch nicht zustande kam, erließ der Reichsminister der Justiz 1940 eine Allgemeinverfügung über die „Vereinheitli-chung der Dienst- und Vollzugsvorschriften für den Strafvollzug im Bereich der Reichsjustizverwaltung (Strafvollzugsordnung)“114, welche die Rechtsgrundlage für einen rigiden Vergeltungs- und Sicherungsvollzug bildete.115 Obwohl in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg die Zahl der wegen gewöhnlicher Kriminalität Verur-teilten zurückgegangen war, stieg die Belegung der Strafanstalten deutlich an. Denn die Gerichte schöpften die gesetzlichen Möglichkeiten aus, sog. politische Gegner strafrechtlich zu belangen. Zudem spielte auch die Justiz bei der Durchset-zung der nationalsozialistischen Rassenpolitik eine erhebliche Rolle.116

Kennzeichnend für das NS-Herrschaftsregime waren einerseits der Normen- 122 staat, der sich zunächst in rechtlichen Regelungen auszudrücken bemühte, sowie andererseits die Parallelexistenz eines auf die Ziele des Nationalsozialismus aus-gerichteten Maßnahmenstaats.117 Neben zumindest formal gemäß den damaligen Regeln der Strafprozessordnung ergangenen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen

und deren Vollzug in Strafanstalten118 erfolgte ab 1933 die Errichtung von Kon-

  1. Frank, 1935, S. 191 f.

  1. Vgl. Wachsmann, 2006, S. 68.

  2. RGBl. I 1934, S. 383 ff.

  1. Abgedruckt bei Schubert, 1999, S. 417 ff.

  1. Entwurfsbegründung bei Schubert, 1999, S. 434.

  1. Amtl. Sonderveröffentlichungen der Deutschen Justiz, 1940, Nr. 21.

  1. Dazu Kaiser, 2001, S. 330 ff.; Wachsmann, 2006, S. 57 ff.

  1. Siehe Wachsmann, 2006, S. 59 f.

  1. Fraenkel, 1984, S. 26 ff., 96 ff.; siehe auch Möhler, 1993, S. 17 ff.; Müller-Dietz, 1988a, S. 19 f.

  1. Dazu Möhler, 1996, S. 17 ff.; Müller-Dietz, 1996b, S. 379 ff.

66 2 Historische Entwicklung

zentrationslagern119, in denen zunächst zum Zweck politischer Repression vor allem Oppositionelle von der Geheimpolizei und deren Hilfstruppen ohne Ge-richtsurteil in sog. Schutzhaft genommen wurden. Zur Kategorie des politischen Gegners kamen dann ab 1936 die als „Volksschädlinge“ diffamierten Bevölke-rungsgruppen. Die Lager wurden zu einem Mittel grausamer „völkischer“ Sozial-politik.120 Hinzu kamen – insbesondere nach der Reichspogromnacht vom 9.11.1938 – in einer ersten groß angelegten Vernichtungsaktion jüdische Bürger. Neben der Ordnung der „Volksgemeinschaft“ diente die Inhaftierung der „Asozia-len“ zugleich unter ökonomischen Aspekten einer Zwangsrekrutierung von Ar-beitskräften für die Lagerbetriebe.121 In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs fand dann ein erneuter Funktionswechsel statt: Arbeitseinsatz in der Rüstungsin-dustrie; Exekution von Kriegsgefangenen sowie von Inhaftierten (insbesondere „Kriegssaboteuren“), derer sich die Polizei ohne Gerichtsverfahren entledigen wollte, sowie die Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas.122

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