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Klaus Laubenthal-Strafvollzug 6. Auflage (Sprin...docx
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1.6.3 Anstaltsformen für den Vollzug von Freiheitsstrafe

  1. Am 31.3.2010 bestanden in Deutschland 190 Justizvollzugsanstalten mit einer Belegungsfähigkeit von insgesamt 78 450 Gefangenen.155 Dem Trennungs- und Differenzierungsgrundsatz folgend lassen sich die für den Vollzug der Freiheits-strafe vorhandenen Anstalten im Wesentlichen in folgende Typen aufteilen:

  2. Einweisungsanstalten und -abteilungen (§ 152 Abs. 2 StVollzG, § 71 Abs. 2 Nr. 1 HStVollzG, §§ 12 Abs. 1, 185 S. 2 NJVollzG), in denen nach Strafantritt die Behandlungsuntersuchung durchgeführt und eine Vollzugsprognose erstellt werden. Soweit derartige Einrichtungen bestehen, kommt es dort zur Klassifi-zierung der Gefangenen mit nachfolgender Verlegung in die den jeweiligen Behandlungsbedürfnissen entsprechenden Institutionen des differenzierten Vollzugssystems.156

65

Anstalten des geschlossenen Vollzugs (§§ 10 Abs. 2, 141 Abs. 2 StVollzG;

§§ 5 Abs. 2 JVollzGB I, 7 Abs. 2 JVollzGB III; Art. 12 Abs. 1, 167 Abs. 2 S. 1

BayStVollzG; §§ 11 Abs. 1, 99 Abs. 3 HmbStVollzG; §§ 13 Abs. 1 S. 1, 72

Abs. 2 S. 1 HStVollzG; § 12 Abs. 1 NJVollzG), die in erster Linie eine sichere

Unterbringung vor allem von langstrafigen bzw. ein großes Sicherheitsrisiko

darstellenden Inhaftierten gewährleisten. Dabei soll es auch innerhalb der ge-

schlossenen Einrichtungen zu einer Zusammenfassung der besonders gefährli-

chen Straftäter kommen.157 Dadurch werden Lockerungen der Sicherheitsvor-

kehrungen in anderen Bereichen und damit Abstufungen nach verschiedenen

66

Sicherheitsgraden ermöglicht.

Anstalten des offenen Vollzugs (§§ 10 Abs. 1, 141 Abs. 2 StVollzG; § 5

Abs. 2 JVollzGB I, § 7 Abs. 1 JVollzGB III; Art. 12 Abs. 2, 167 Abs. 2 S. 2

BayStVollzG; §§ 11 Abs. 2, 99 Abs. 3 HmbStVollzG; §§ 13 Abs. 3 Nr. 1, 72

Abs. 2 S. 2 HStVollzG; § 12 Abs. 2 NJVollzG), die keine oder nur verminderte

Vorkehrungen gegen Entweichungen vorsehen. Ein Verzicht auf physische Si-

cherungsmittel, das Fehlen einer ständigen und unmittelbaren Beaufsichtigung

155

Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen

Justizvollzugsanstalten, 2010; Aufteilung nach Bundesländern: oben Kap. 1.5, Tab. 1.1.

156

Dazu Kap. 5.1.2.

157

So bereits BT-Drs. 7/918, S. 92.

1.6 Die Vollzugsanstalten

37

der Gefangenen außerhalb der Hafträume kennzeichnen den offenen Vollzug. Dessen wesentliches Ziel besteht in einer Vermeidung der psycho-sozialen Stressfaktoren geschlossener Inhaftierung und deren möglichen schädlichen Nebenwirkungen.158

Halboffene Anstalten als Vollzugsart im Grenzbereich zwischen geschlosse- 67 ner und offener Unterbringung der zu Freiheitsstrafen Verurteilten. Der in der Literatur entwickelte Begriff159, den die Strafvollzugsgesetze nicht übernom-men haben, betrifft Institutionen, die nur teilweise ohne Sicherheitsvorrichtun-gen auskommen. Er bringt zugleich den fließenden Übergang zwischen den Anstaltstypen zum Ausdruck.

Sozialtherapeutische Anstalten (§§ 9, 123 ff. StVollzG; §§ 8, 94 ff. 68

JVollzGB III; Art. 11, 117 ff. BayStVollzG; § 10 HmbStVollzG; § 12 HStVollzG; §§ 103 ff. NJVollzG) als inhaltlich und strukturell eigenständige Vollzugsform mit speziellen Behandlungsangeboten. Therapiebedürftigen und behandlungsfähigen Gefangenen werden dort besondere therapeutische Mittel und soziale Hilfen gewährt, wenn das Anforderungsprofil der Anstalt den the-rapeutischen Notwendigkeiten im Einzelfall entspricht. Daneben bestehen be-sondere sozialtherapeutische Einrichtungen für Sexual- und Gewaltstraftäter.

Anstalten und Abteilungen für Frauen (§ 140 Abs. 2 StVollzG, § 4 Abs. 1 69

S. 1 JVollzGB I, Art. 116 Abs. 3 BayStVollzG, § 98 Abs. 3 HmbStVollzG, § 70 Abs. 2 HStVollzG, § 171 Abs. 1 NJVollzG), in denen weibliche Verurteil-te ihre Freiheitsstrafen getrennt von den Männern verbüßen. Dabei macht die relativ geringe Anzahl von Frauen im Strafvollzug deren Zusammenlegen in Schwerpunkteinrichtungen erforderlich, was eine weiter gehende Differenzie-rung des Frauenvollzugs unter Behandlungsaspekten erschwert. §§ 80, 142 StVollzG; § 10 JVollzGB I; Art. 86, 168 BayStVollzG; §§ 21, 100 HmbStVollzG; § 74 Abs. 2 HStVollzG; § 73 NJVollzG ermöglichen die Unter-bringung noch nicht schulpflichtiger Kinder bei der inhaftierten Mutter in sog. Mutter-Kind-Stationen.

Einrichtungen für die Entlassung (§ 147 StVollzG, § 6 Abs. 3 JVollzGB I) 70 zur Erleichterung des Übergangs in die Freiheit. Die Entlassungsvorbereitung kann in einer gesonderten offenen Anstalt erfolgen oder in einer offenen Ein-richtung, die einer geschlossenen angegliedert ist. Unter § 147 StVollzG fallen nicht nur an Strafvollzugsanstalten angegliederte oder von diesen räumlich ge-trennte sog. Übergangshäuser, sondern auch angemietete Häuser oder Groß-wohnungen an dem Ort, an dem die Betroffenen nach ihrer Entlassung leben werden.160

Einrichtungen des Altenstrafvollzugs, in denen spezifischen Bedürfnissen 71 alter Gefangener Rechnung getragen werden kann.161

  1. Dazu Kap. 3.4.2.

  1. Grunau/Tiesler, 1982, § 141 Rdn. 2; Loos, 1970, S. 12 ff.

  1. AK-Huchting/Lehmann, 2006, § 147 Rdn. 2.

161 Dazu Kaiser/Schöch, 2002, S. 443 ff.; Laubenthal, 2008a, S. 506 ff.; Oberfeld, 2009, S. 234 ff.; Rotthaus K., 2010, S. 327 ff.; Schollbach/Krüger, 2009, S. 130 ff.;

38 1 Grundlagen des Strafvollzugs

Die steigenden Bevölkerungs- und Tatverdächtigenzahlen alter Menschen schlagen sich auch in der Strafvollzugsstatistik nieder. Danach hat sich – zurückzuführen auf die sog. Überalterung der Bevölkerung – die absolute Zahl der über 60 -jährigen In-sassen seit 1993 fast verdreifacht; dennoch bleibt die Gruppe der alten Gefangenen ab 60 Jahre noch vergleichsweise klein.162 Abgesehen von den chronischen Straftä-tern kann bei dem Großteil der über 60-jährigen Inhaftierten von einer sozialen Ge-fährlichkeit aber nicht mehr ausgegangen werden. Aufgrund eingeschränkter Präg-barkeit infolge des hohen Alters verliert hier die herkömmliche Resozialisierungs-arbeit an Bedeutung.163 Entsprechend ist ein stärkerer Ausbau ambulanter Maßnahmen sowie des offenen Vollzugs für diese Verurteiltengruppe notwendig. Er-achtet man geschlossenen Strafvollzug dennoch für erforderlich, kommt ihm eher die Aufgabe zu, die Insassen „auf erfolgreiches Altern“ vorzubereiten.164 Die besonderen Betreuungs - und Behandlungsbedürfnisse legen eine Separierung lebensälterer Straf-gefangener in gesonderten Abteilungen von Justizvollzugsanstalten oder in eigenen Vollzugseinrichtungen nahe. Es sind darüber hinausgehend die auch im bundesdeut-schen Strafvollzug den Strafalltag mitbestimmenden subkulturellen Aktivitäten, die eine derartige Konzentration und Zusammenlegung der Betroffenen als notwendig erscheinen lassen. Die aufgrund des psychischen und physischen Prozesses des Al-terns regelmäßig eintretende schwächere Position gegenüber jüngeren Mitinhaftierten setzt sie einem erhöhten Viktimisierungsrisiko aus. Die lange Zeit einzige Einrich-tung für Altenstrafvollzug befindet sich im baden-württembergischen Singen.165 In-zwischen praktizieren bzw. planen auch andere Bundesländer wie z.B. Hessen166 eine solche Haftform. In Nordrhein-Westfalen existieren in den Anstalten Hövelhof und Bochum zwei spezielle Einrichtungen als Pflegeabteilungen.167 In der bayerischen Justizvollzugsanstalt Straubing ist in der Krankenabteilung eine geriatrische Station eingerichtet.168

  1. Einrichtungen für die Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen, in denen zu Geldstrafen Verurteilte, bei denen diese uneinbringlich ist (§ 43 StGB), die ge-gen sie von der Vollstreckungsbehörde angeordneten kurzen Ersatzfreiheitsstra-fen verbüßen. Die als „Gefängnis light“ bezeichneten Haftanstalten weisen ge-ringere Sicherheitsstandards auf und senken durch Einsparungen bei Freizeit-möglichkeiten und Verzicht auf längerfristig angelegte Aus- und Fortbildungs-maßnahmen die Haftplatzkosten. Zudem dienen sie einer Entlastung der allge-meinen Justizvollzugsanstalten.169

Schramke, 1996, S. 315 ff.; zur Alterskriminalität: Kessler, 2005; Kreuzer/Hürlimann, 1992; Laubenthal, 1990a, S. 36 ff.; ders., 2005b, S. 5 ff.; ders., 2008a, S. 499 ff.

  1. Siehe Tab. 1.7.

  1. Görgen/Greve, 2005, S. 116.

  1. Laubenthal, 2005b, S. 7.

  1. Dazu Rennhak, 2007, S. 19 ff.; dazu Schollbach/Krüger, 2009, S. 135 f.

  1. Siehe Fennel, 2006, S. 270.

  1. Vgl. Oberfeld, 2009, S. 234.

  1. Vgl. Schollbach/Krüger, 2009, S. 135.

  1. Vgl. Informationsdienst Straffälligenhilfe 3/1999, S. 15; ZfStrVo 2001, S. 115; krit. Streng, 2001, S. 71 f.

1.6 Die Vollzugsanstalten

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