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26.11.2019
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Zur Ware gestempelt

Dennoch fasziniert die Ausstellung, wenn das Wunder auch mehr von den Skulpturen und Installationen ausgeht als von den Gemälden. Da sind zum Beispiel die menschlichen Gestalten, die nackt von der Decke hängen. Sie scheinen anzukämpfen gegen die Stricke, die ihre Beine fesseln, und gegen die Schwerkraft, die sie nach unten drückt. Und doch hängen sie völlig still da. Jeder Figur ist ein Zeichen eingebrannt, das sie einmalig macht, aber auch zur Ware. Der Künstler Zhang Dali suchte Wanderarbeiter als Modelle. Die Hilflosigkeit der Hängenden wird so zum Symbol für die Lebenssituation der Menschen, die China den Reichtum bringen.

Im zweiten Raum, gleich neben dem Eingang, hängt ein leichter Geruch in der Luft, wie eine ferne Erinnerung. Zhang Huans Selbstbildnis steht auf einem grob gezimmerten Untersatz. Sein halber Kopf steht da, abgeschnitten unter der Nase und zwei Meter hoch, die Augen geschlossen. Das graue Material sieht pudrig aus, weich, als habe der Riesenklotz von Kopf kaum Gewicht. Nur wer nahe herantritt an die Skulptur entdeckt die Struktur des Materials. Es rieselt fast noch, überall stechen kleine Stöcke hervor, die sich als Räucherstäbchen entpuppen. Der ganze Kopf besteht aus der Asche dieser Stäbchen, gesammelt in buddhistischen Tempeln. Man traut sich kaum noch zu atmen, aus Angst, man könne das Riesengebilde einfach hinwegpusten.

Die große Sitzende heißt "Your Body" und stammt von Xiang Jing© Andy Rain/ DPA

Totentanz der alten Männer

Für den Höhepunkt der Ausstellung muss man in den Keller gehen. Hier gibt es eine kleine Zuschauertribüne. Doch richtig sehen kann man die Installation nur, wenn man die Stufen heruntergeht und sich zu den Rollstuhlfahrern stellt, die dort eine Art Totentanz aufführen. Lebensecht sind die Figuren alter Männer gestaltet. Beim einen sieht man das Ohrenschmalz, beim anderen die Haare in der Nase. Alle erscheinen irgendwie seltsam bekannt. Ist der mit dem gescheckten Kopftuch nicht Arafat? Und der mit der olivgrünen Uniform Fidel Castro? Und wer hatte noch mal so runde, schwere Brillengläser auf? Und warum hat der Mann mit der Marineuniform ein Taschentuch in der Hand? Es sind ehemalige Machthaber, Diktatoren und Militärs, die hier ein makabres Ballett aufführen, eine Art Alters-Auto-Scooter. Doch gibt es kein Ziel mehr für die alten Herren und damit auch kein Ende. Es ist ein endloser Reigen der sinnlosen Aggression.

Saatchis neue Ausstellung in der neuen Galerie wurde in Londoner Zeitungen gemischt bewertet. Ein bisschen zu lahm seien die meisten Stücke, schrieb etwa die "Times". Aber gesehen haben sollte man sie trotzdem, diese neuen Hallen für moderne Kunst. Sie sind einfach zu schön geworden. Und für Kunstkenner lohnt sich London in diesem Herbst sowieso: Im Museum Tate Britain hat gerade die neue Francis-Bacon-Ausstellung eröffnet. In der Tate Modern hängen Bilder von Mark Rothko. In der Hayward-Gallerie laufen die besten Filme von Andy Warhol. Und die National Gallery eröffnet nächste Woche die Ausstellung "Renaissance Faces" mit Porträts von Van Eyck bis Titian. Der britische Winter kann also kommen.

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