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Kapitel 22_23.doc
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Kapitel 23 Der Brief

Punkt neun stand Martha Guthmann vor Bastians Wohnungstür. "Ja, Bub, was war denn gestern los mit dir? So darfst du mich nicht anschreien. Du hättest mir auch freundlicher sagen können, dass du nicht mehr Taxi fährst." Außer Vorwürfen packte sie eine Tüte mit fri­schen Brezen und einen Andechser Käse auf den Küchen­tisch. "Hast du schon gefrühstückt?"

"Hab' keinen Hunger", brummte er.

Da zog sie ihn zum Küchenfenster und schaute ihn prüfend an. 'Was ist denn los mit dir, Bub?"

'Was soll denn los sein!?"

"Du hast doch was. Bist du krank?"

"Nein."

"Hast du gesoffen?" Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. "Jetzt weiß ichs." '

'Was?"

"Du bist durchgefallen."

"Im Schrank liegt der Brief."

'Was für ein Brief? Etwa der Brief??" Großmutter sah ihn entsetzt an. 'Wieso liegt der Brief im Schrank?"

"Im obersten Fach."

Sie eilte hin und fand ihn auch gleich. "Aber Bub, der ist ja noch halb zu! Und mit dem Buttermesser bist du so an solch wichtiges Dokument — ja, bist du nar­risch?"

"Es war bloß Margarine."

Sie holte ihre Brille aus der Tasche und setzte sie mit hastigen Fingern auf. Untersuchte den Umschlag und war erschüttert. "Am Zehnten ist er abgestempelt. Bastian!"

Aber er war nicht mehr da.

Er hockte auf seinem ungemachten Bett und hielt sich das Kopfkissen um die Ohren. Schloss auch noch die Augen. Wollte nichts hören und nichts sehen.

Einen endlosen Augenblick lang geschah gar nichts.

Dann ein glücklicher Aufschrei.

"Bastian — Bastian, wo bist du?"

"Hier nicht."

Sie blieb strahlend vor ihm stehen. "Du brauchst keine Scheuklappen, Bub, du hast bestanden!"

Bastian nahm das Kissen ab und saß wie erschlagen da. "Das hab' ich befürchtet", murmelte er. "Jetzt muss ich Lehrer werden."

Während Großmutter von hinnen eilte, um die frohe Botschaft in München und Oberbayern zu verkünden, frühstückte Bastian einen Schnaps.

Na schön. Er hatte bestanden. In Pädagogik vier, sonst alles Zweier und Dreier auf dem Zeugnis.

Überragend war das nicht. Immerhin hatte er allen, die an ihm zweifelten, bewiesen, dass er in der Lage war, ein Studium zu Ende zu führen.

Aber was bedeutete ein bestandenes Examen. Ein Abschlusszeugnis in Theorie. Entscheidend war die Praxis. Gerade das, was ihn am Lehrerberuf anfangs am meisten gereizt hatte — der Umgang mit Kindern, mit unberechenbaren Lebendigkeiten — machte ihm jetzt am meisten Sorge.

Dass die Kinder mit ihm fertig werden würden, daran zweifelte er keinen Augenblick. Aber ob er mit ihnen fer­tig wurde? Seine Dienstags-Aushilfsstunden in Schulen hatte er nicht als Sieger verlassen.

Und noch immer war kein Bescheid vom Kultusminis­terium gekommen, wo man ihn einsetzen würde.

Als er damals sein Bewerbungsschreiben aufsetzte, hatte er eine bestimmte Vorstellung gehabt: ein land­schaftlich hübscher und verkehrsgünstiger Ort, möglichst an einem See gelegen und nicht weit von einem Skigebiet-Und München höchstens eine Autostunde entfernt.

Das war schon eine schöne Vorstellung gewesen.

Am ersten Tag war Kathinka nur bös auf ihn und wollte ihn nie mehr wieder sehen.

Am zweiten Tag war sie vor allem bös, weil er nicht anrief. Er sollte, verdammt noch mal, anrufen, damit sie den Hörer zornig in seine Stimme knallen konnte.

Am dritten Tag war sie traurig. Warum gab er nicht nach? Sie vermisste ihn so sehr.

Wenn er sich bis zum Abend nicht meldete, dann — also schön, dann würde sie es tun. Wozu denn auch die Bockerei? Sie hatten sich doch lieb.

Am Vormittag des dritten Tages hatte sie der Chef bei der Visite plötzlich so prüfend angeschaut. "Ist was mit dir?"

"Der Föhn, Herr Professor."

"Ah so, der Föhn. Wie heißt er denn mit Vornamen, Katharina?"

Seit einiger Zeit beachtete Klein sie wieder. Er brauchte ihr nicht mehr übelzunehmen, dass sie ihn hatte abblitzen lassen. Er hatte eine neue Affäre. Tolles Weib, sagte Weißbart der sie zusammen gesehen hatte.

Im Grunde sollte Kathinka froh sein, dass Bastian sich nicht mehr meldete. Je früher sie von ihm loskam, desto besser. Am Mittag des dritten Tages verließ sie aus­nahmsweise einmal pünktlich das Krankenhaus.

Sie ging zum Parkplatz.

Neben dem Kühler ihres Wagens hockte Bastian auf dem Rinnstein.

"Na du?" sagte er sehnsüchtig.

"Na endlich wieder du", sagte Katharina und wäre beinah in Tränen ausgebrochen vor Erleichterung, ihn wiederzuhaben.

Katharina bezahlte das Versöhnungsessen im "Steak-house", weil Bastian pleite war. (Keine Taxifahrten mehr, die Nachhilfeschüler verreist — und was er noch besaß, hatte er für Biggy ausgegeben. Biggy aus Wilmersdorf — erst gestern und schon so furchtbar lange her.)

Eine halbe, lauwarme Augustnacht lang bummelten sie durch Schwabing. Blieben immer wieder stehen und mussten sich furchtbar küssen, so, als ob es morgen verboten würde. Küssten sich meistens da, wo es besonders hell und belebt war. Nicht absichtlich. Es ergab sich so.

Unter einer Laterne fiel ihm ein, was sein Unter­bewusstsein wie Schwermut belastete. "Ich hab' be­standen, Kathinka."

Sie wollte sich freuen, er schnitt ihr die Freude mit der Bemerkung ab: "Das heißt, dass ich bald fort muss."

Kathinka lachte. "Du redest, als ob du mit'm Frühzug in den Krieg ziehen musst. Komm, mach's nicht so dramatisch!"

"Wer weiß, wo sie mich hinstopfen werden! In welchen Schulamtsbereich?"

"Vielleicht ist es ganz nah bei München", tröstete sie, "Und selbst wenn nicht, es ist ja nicht für ewig."

"Aber abends? Was mach' ich abends ohne dich?"

"Hefte durchsehen. Dich vorbereiten für deine Schulstunden."

"Du bist so roh, Kathinka. Du bist wahrscheinlich froh, dass ich abends nicht mehr da sein werd'."

"Ja, o ja. Da komm' ich endlich einmal zum Aus­schlafen."

Sie zog ihn weiter.

"Was reden wir über ungelegte Eier. Warten wir's ab, Bastian Freuen wir uns über jeden Tag, an dem wir noch nichts Definitives wissen."

Gegen zwei Uhr früh schlief sie endlich in seiner Armbeuge ein. Sie schlief so gern mit ihm, aber so schlecht. Für zwei war ihr Bett zu schmal und die Nacht zu heiß.

Kathinka lag schon eine Weile wach, bevor um halb sieben der Wecker klingelte. Sie hörte auf die dichter werdenden Straßengeräusche. Sah, wie der blasse Himmel im Fensterausschnitt Farbe annahm und Sonnenstrahlen die rechte untere Fensterecke erreichten. Im Haus rauschten die Klos.

Bastian schlief auf dem Bauch liegend, das Gesicht auf den Händen, mit leicht geöffnetem Mund.

Es rührte Katharina immer wieder, wie ein Mensch dem anderen seine Wehrlosigkeit im Schlaf anvertraute.

Und in wenigen Wochen würde er nicht mehr da sein. Warum konnte sie vorher nicht noch einmal mit ihm irgendwohin fahren, und wenn's nur für drei Tage war? Warum war es in diesem Beruf nicht möglich, einfach mal drei Tage blauzumachen?

Irgendwo ins Salzkammergut.

Ohne Bergsteigen. . Fiaker fahren.

Dabei Veltliner trinken.

In den Himmel gucken. So tun, als ob's keine anderen Touristen außer ihnen gäbe.

Pferdeäpfel. Kutscheknarren. Hufeklappern.

Genau zwei Minuten vorm Weckerklingeln schlief Katharina wieder ein.

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