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Bis_zur_Grossen_Freiheit.doc
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Vorhang auf Tour

Nachdem wir nun einige Festivals gespielt hatten, standen nun noch ein paar Shows in Russland an, welche genau genommen noch Nachholtermine waren, da die komplette Russlandtour in diesem Jahr aufgrund meiner Krankheit ebenfalls ausgefallen war. Wir alle waren schon vor einigen Jahren dort gewesen und es war damals ein ganz besonderes Erlebnis für mich. Allerdings hatten wir seiner Zeit nur einen Auftritt gemacht und nun sollten es drei werden. Moskau, St. Petersburg und Kaliningrad standen auf dem Plan. Ich fand alle Termine im Ausland immer sehr spannend, muss allerdings gestehen, dass ich bis heute extreme Flugangst habe. Da hilft auch kein gutes Zureden. Ich hasse es einfach.

Ich komme mir dermaßen hilflos vor in dieser Röhre, dass ich am liebsten nichts davon mitbekommen möchte. Unabhängig welche Fluglinie es ist, mag ich es nicht. Allerdings machte es das Ganze auch nicht besser, wenn es dann noch ein Flieger einer Fluglinie war, die nun wirklich kein Mensch kannte. Ebenso wusste man da nie so recht, wie die es dann mit den Sicherheitsbestimmungen hielten. Irgendwann saß man dann in den Fliegern und ich schloss dann immer mit meinem Leben ab. Das hört sich ziemlich hart an, aber so komme ich mit der Situation klar. Im Grunde war die Russlandreise sehr schön. Sie war erfolgreich und wir hatten wieder viel von den Städten und dem ganzen Drumherum mitbekommen. Allerdings war ich auch froh danach wieder zuhause zu sein. Richtig genießen konnte ich das Ganze nicht, weil ich einfach immer wieder eine Todesangst vor dem Fliegen hatte. In der Folge stand nun die Herbsttour „Vorhang auf auf dem Programm. Es sollte die letzte größere Tour in diesem Jahr sein.

Vor Tourbeginn allerdings geschah das, was wir alle in unserer Familie mittlerweile schon lange erwartet hatten. Mein Freund ging seinen letzten Weg, was für uns alle in der Familie im Grunde keine große Überraschung mehr war. Ich war die letzte Zeit auch im Ausland immer auf dem Laufenden gewesen und dachte mir damals in Russland schon, dass es nicht mehr so lange dauern würde, bis es passierte. Diese Tage und Wochen waren ziemlich heftig für mich. Wir haben ihn an einem sonnigen Morgen im kleinen Familienkreis beigesetzt. Es war einer von jenen Tagen, an denen das Wetter wunderschön war. Es war kalt, der Himmel war blau und die Sonne strahlte.

Ich glaube, ein bisschen sind wir alle damals auch erlöst worden. Wir wussten, dass er sterben würde und so genossen wir jeden Tag mit ihm. Allerdings stellten wir uns auch immer wieder die Frage, wann es nun passieren würde. Für seine und meine Familie war es eine unglaubliche Belastung, die nun auch von uns allen irgendwie abfiel. Es war so, wie ich es in dem Lied „An deiner Seite" geschrieben hatte. Ich merkte, wie jedes einzelne damals von mir gewählte Wort nun noch mehr an Bedeutung gewann.

Ich war damals hin und her gerissen, wie ich nun mit diesem Lied umgehen sollte. Ich wusste, dass nun die Tour anstand und die Unheiligfans bei jedem Konzert dieses Lied hören wollten. Ich war mir nicht sicher, ob ich es nun singen könnte. Schossen mir doch schon die Tränen in die Augen, wenn ich damals nur daran dachte. Ich entschloss mich mir einfach etwas Zeit zu nehmen, bevor ich mich entschied. Ich telefonierte mit Markus und Ollie und sie meinten, dass ich dies alleine entscheiden sollte. Ich bekam zu der Zeit immer noch Briefe, e-mails und Geschenke von Fans zugesendet. Im Grunde das ganze Jahr über. Es war im Grunde so, dass ich immer viel Post bekam.

Die Menschen schrieben an das Management und Ollie und Markus leiteten alle e-mails, Briefe oder Pakete dann an mich weiter. Ich lese sie immer, antworte allerdings ich fast nie darauf, da ich sonst mit nichts anderem beschäftigt wäre. Die Fans kennen und akzeptieren dies.

Ich bekam in diesen Wochen viele Briefe von Menschen, in denen sie mir schrieben, dass ihnen das Lied „An deiner Seite" sehr geholfen hätte. Einige schrieben mir sogar, dass dieses Lied der Grund dafür war, dass sie sich nicht das Leben genommen hätten, da es ihnen viel Kraft gäbe oder sie nun erst verstehen könnten, warum die Dinge sind, wie sie sind.

Einige von Ihnen hätten es dadurch erst nach Jahren geschafft sich mit der Trauer auseinanderzusetzen und so den schmerzvollen Abschied ihrerseits erst verarbeitet. Ich konnte sehr gut nachvollziehen, wie diese Menschen fühlten und dachten. War ich doch gerade in der gleichen Situation. Ich entschied mich damals das Lied auch bei der anstehenden Tour zu singen.

Nicht nur für mich, sondern auch für diejenigen, denen das Lied ebenso viel bedeutete und ebenso dafür, das dieses Lied vielleicht in Zukunft noch mehr Menschen erreichen könnte. Allerdings wusste ich nicht, wie es letztendlich ablaufen sollte und wie ich auf der Bühne reagieren würde, da die ganze Situation noch so frisch war. Im Grunde war mir das aber auch egal.

Ich singe von dem, was mich berührte, dachte ich. Wenn es mich nun so berührte, dass ich dabei anfinge zu heulen, dann wäre es so. Die Briefe der Fans hatten dafür gesorgt, dass aus der kleinen Geschichte meines Freundes nun eine Geschichte von vielen anderen Menschen geworden war, die sich darin wieder fanden und das fand ich wunderschön.

Die Konzerte der Herbsttour „Vorhang auf, waren allesamt großartig und zudem alle ausverkauft. Allerdings waren es für mich und wohl auch für das Publikum mit die emotionalste Tour. Ich entschied mich vor „An deiner Seite" einige Worte zu sagen, damit die Zuschauer es verstehen konnten, wenn ich anfinge zu heulen und letztendlich war es auch bei jedem Konzert so. Ich konnte machen, was ich wollte, die Tränen liefen.

Ich sah immer wieder die letzten Bilder von ihm vor mir und ebenso die schönen Momente der letzten Jahre. Irgendwelche Bildfragmente, die in solchen Momenten einfach vor dem eigenen geistigen Auge erscheinen.

Diese ganze Situation blieb natürlich bei den Konzerten nicht unentdeckt und ich erntete durch die Fans glücklicherweise immer sehr viel Mitgefühl, was sich im Applaus wieder spiegelte. Ich hatte mich zwar vorher schon bei der kleinen Beisetzung von meinem Freund verabschiedet, allerdings passierte das eigentliche „auf Wiedersehen" bei dieser Tour, wenn ich sein Lied sang.

Es waren schöne und sehr wichtige Momente für mich. Nicht ganz einfach, aber schön. Die Tour ging so erfolgreich zu Ende, wie sie angefangen war und ich hatte meinen inneren Frieden gefunden, da ich bei jedem Auftritt das Gefühl hatte, das mich auch mein verstorbener Freund sehen konnte.

Zu dieser Zeit beschloss ich das Lied „An deiner Seite" für mich persönlich noch einmal neu aufzunehmen. Ich wollte meinen Abschluss und meinen Frieden damit sinnbildlich besiegeln. Hatte ich es doch damals aufgenommen, ohne all die ganzen schönen Erinnerungen und lediglich mit der Gewissheit, dass er irgendwann nicht mehr da sein würde.

Das Lied stand nun schon lange nicht mehr für ihn alleine, sondern für so viele Menschen, die mir all die lieben Briefe geschickt hatten und mir ihre Geschichte zu dem

Lied erzählt hatten. Die Geschichten der Menschen, die das Lied mit sich und ihren Schicksalen oder Erinnerungen verbanden, gaben dem was ich erlebt hatte erst jetzt einen Sinn.

Für mich ist es noch heute so, das es viele Menschen gäbe, die ihren Frieden nicht gefunden hätten oder sich sogar das Leben genommen hätten. Jedem Menschen, dem dieses Lied aufs Neue hilft, gibt dem Tod meines Freundes somit einen weiteren, tieferen Sinn. Das mag für einige die dies lesen ziemlich hart klingen und vielleicht auch weit hergeholt sein, aber so erkläre ich es mir noch heute.

Im Grunde war es meine Art mit dem Verlust umzugehen und so entschied ich mich „An deiner Seite", obwohl die damalige Version nun mittlerweile ausverkauft war, noch einmal neu zu veröffentlichen.

Unheilig SC Friends

Markus und ich hatten in diesem Jahr sehr viel Zeit zusammen verbracht. Wir sind immer wieder durch die Lande gefahren und saßen somit immer stundenlang im Auto und unterhielten uns über alles, was uns durch den Kopf schoss. Wir teilten schon seit langem die Idee, irgendwann einmal selber ein Festival zu gestalten. Gab es doch immer wieder Dinge, die uns bei den altbekannten Festivals störten und die man einfach besser machen könnte.

In unseren Augen sparten viele Festivals immer an der falschen Stelle. Die Gelände waren fast immer einfach nur dreckig und schmuddelig. Ebenso war der Sound auf vielen Festivals sehr häufig einfach nur schlecht. Von der Möglichkeit sanitäre Anlagen wirklich zu nutzen mal ganz abgesehen. Da gräbt man sich wirklich manchmal lieber ein Loch im Wald. Zumindest, wenn nach einigen Stunden schon jeder in dem bereitgestellten Sanitärwagen war.

Der Gedanke manifestierte sich bei uns immer mehr, dies alles besser machen zu wollen. Wir waren davon überzeugt, dass dies durchaus positive Wirkung auf die Besucher eines Festivals haben könnte, wenn man bestimmte Dinge einfach anders machen würde.

Somit wurde damals auf irgendeiner Fahrt, wo wir wieder einmal in der Weltgeschichte herumkurvten die Idee zu Unheilig & Friends geboren.

Die grundsätzliche Idee war es, dass Unheilig mit bekannten Bands zusammen Auftritte machen sollte. Der ganze Event sollte allerdings in einem wesentlich schöneren Rahmen stattfinden, als man es normalerweise gewohnt war. Ebenso sollte es etwas für die ganze Familie sein.

Wir hatten schon bei so vielen Touren gemerkt, dass es bei Unheiligkonzerten unglaubliche Altersunterschiede gab. Wir hatten sehr viele Kinder, aber auch Besucher, die man aufgrund ihres Alters nicht auf vielen Konzerten sieht. Von acht bis achtzig war da so ziemlich alles dabei. Allerdings gab es nie genügend Möglichkeiten, gerade auf Eltern mit Kindern einzugehen.

Unheilig & Friends sollte auch Eltern mit Kindern die Möglichkeit geben, ein solches Festival zu besuchen. Wir schrieben in diesen Wochen viele Punkte und Ideen auf und hatten nach einiger Zeit eine ganze Litanei angesammelt, die nun umgesetzt werden wollten.

Wir legten den ersten Veranstaltungstermin für unser Unheilig & Friends Festival auf den 20.12.2008 und wollten schon dort viele unserer Ideen mit einbringen. Wir wussten damals schon, dass wir es nicht schaffen würden, gleich am Anfang alle Ideen zu verwirklichen. Allerdings sollten einige Ideen schon direkt umgesetzt werden. Wir wählten als Veranstaltungsort das Amphitheater in Köln aus, welches allerdings schon nach einigen Wochen ausverkauft war und mussten somit in eine größere Halle wechseln, um der Nachfrage gerecht zu werden. Es waren zum damaligen Zeitpunkt schon nahezu zweitausend Karten weg und noch ein ganzer Monat bis zum Konzert. Somit machte es Sinn eine etwas größere Örtlichkeit zu suchen, damit noch weitere Unheiligfans die Möglichkeit hatten dabei sein zu können. Allerdings schienen die anderen Veranstaltungsorte wohl alle schon aufgrund von Weihnachtsfeierlichkeiten vergeben zu sein und somit schien es lange so, dass wir das Konzert schon ziemlich früh ausverkauft melden sollten.

Dann allerdings machten wir die Expo Halle in Köln ausfindig, zu der wir wechseln konnten. Diese passte für uns alle noch viel besser ins Konzept von Unheilig & Friends. Alles war neu und sauber. Ebenso gab es einen Aufzug für Rollstuhlfahrer, die nun auch zu den Konzerten kommen konnten, inklusive einem Bereich, von wo sie alles gut erkennen konnten. Dieser Bereich konnte ebenso für Familien mit Kindern genutzt werden.

Wir entschieden uns somit für diese Halle, wo nun letztendlich fast viertausend Leute reinpassten. Wir wussten damals schon, dass dieses Unheilig & Friends Festival nicht das einzige bleiben sollte. Es sollten auch zukünftig über das Jahr verteilt zwei bis drei dieser Festivals stattfinden. Wir wollten an unserem Konzept festhalten und uns mit jedem Festival immer ein bisschen weiterentwickeln und die Details ausarbeiten. Somit legten wir Ende 2008 auch schon zwei weitere Festivals für das Jahr 2009 fest, wo Unheilig wieder mir anderen Bands ein solches Festival bestreiten sollte. Allerdings in anderen Städten. In Köln gestaltete sich anfänglich alles recht optimal. Die gefundene Location und das ganze Drumherum schienen einfach perfekt für unsere Zwecke zu sein.

In den kommenden Tagen allerdings gab es ziemlich viele Unstimmigkeiten zwischen der Location und allerlei Genehmigungen, die fast tagtäglich seitens der Behörden auferlegt wurden, damit eine solche Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte. Das schlimme daran war, das gewisse Dinge erst angegangen werden konnten, wenn die immer wieder neu auferlegten Genehmigungen erfüllt worden waren. Somit konnten viele Ideen nicht umgesetzt werden, da einfach keine Planungssicherheit bestand! Ich telefonierte zu dieser Zeit irgendwann mit Markus und merkte nach kurzer Zeit, dass einiges im Argen lag. Er erzählte mir von den ganzen Gegebenheiten um den Veranstaltungsort und ich konnte das genauso wenig nachvollziehen wie er. Wir hatten alle das Gefühl, als ob man uns für Unheilig & Friends absichtlich viele Steine in den Weg legte.

Es kamen aus uns unerfindlichen Gründen fast täglich irgendwelche Hiobsbotschaften. Es fing damit an, dass man uns untersagte Stoffe aufzuhängen oder Glühwein vor und in dem Gebäude auszuschenken. Das ganze Konzept von Unheilig and Friends zerbröselte regelrecht mit jedem neuen Verbot.

Die Location hatte nun wirklich nichts mehr mit Weihnachten oder irgendetwas ähnlichem zu tun. Es war nun einfach eine große Halle mit einer Bühne. Mehr nicht. Wir entschieden uns das ganze trotz aller Gegebenheiten stattfinden zu lassen, da wir wussten, das viele Fans aus ganz Deutschland und auch dem Ausland zu diesem Event kommen wollten und somit schon viel Geld für die Anreise und Übernachtungen ausgegeben hatten.

Wir organisierten zwei Tage vor der Veranstaltung nun letztendlich noch, dass es etwas zu essen und zu trinken für die Besucher gäbe und alles andere an Ideen die wir noch gehabt hatten, wurden für dieses Unheilig & Friends Festival verworfen. Wir hofften, das der Event trotz der Widrigkeiten noch in einem schönen Rahmen ablaufen könnte und es trotz der Umstände für alle ein schöner Abend werden würde. Im Grunde lief dann letztendlich am Tage des Festivals alles recht unproblematisch ab, wobei wir alle von dem ganzen hin und her im Vorfeld ziemlich doch recht gezeichnet waren.

Allerdings merkte ich, dass viele der Zuschauer wohl recht unzufrieden waren, was die Akustik und das ganze Ambiente des Festivals betraf. Mich ärgerte an diesem Abend letztendlich nur noch, das der Besitzer des gegenüberliegenden Parkhauses sich wohl scheinbar etwas nebenbei verdienen wollte und mal eben die Parkgebühren erhöhte. Das war fast schon inflationär und glich einer bodenlosen Unverschämtheit! Das ganze Festival dauerte bis spät in die Nacht und irgendwann gegen fünf Uhr, viel ich dann auch in mein Bett. Die anderen waren zu diesem Zeitpunkt noch damit beschäftigt alles abzubauen und sollten gegen zehn Uhr morgens daheim sein. Schon in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages hagelte es Einträge ins Gästebuch, die das Konzert besucht hatten. Allerdings waren es keine Lobeshymnen, die da geschrieben wurden. Eher das Gegenteil war hier der Fall. Ich wusste, dass nicht alles an diesem Abend perfekt war. So schlimm wie es von den Einträgen im Gästebuch dargestellt wurde, war es allerdings auch wieder nicht. Für mich waren diese Reaktionen seitens der Fans etwas völlig Neues. Damit musste ich erst einmal klarkommen. Wir alle hatten unser Bestes gegeben und hatten alles versucht, um das Festival schön zu gestalten. Niemand von allen Beteiligten hatte eine solche Schelte letztendlich verdient.

Somit entschied ich mich eine Stellungnahme auf den Homepages abzugeben, um die Umstände klarzustellen, damit die Fans verstehen konnten, warum die Dinge so waren, wie sie eben waren.

Ich hielt es für wichtig, das ich mich in diesem Moment für alle Beteiligten, die wochenlang Tag und Nacht dafür gearbeitet hatten, dass dieses Konzert überhaupt stattfinden konnte, einsetzen musste. Ich finde noch heute, dass es richtig war die Karten offen zu legen und die Fakten zu nennen.

Danach relativierten sich die Einträge, da nun die Hintergründe bekannt waren. Allerdings gab es auch weiterhin negative Einträge. Ich versuchte damit umzugehen, was mir leider nur langsam gelang. Im Grunde lerne ich heute immer noch damit umzugehen wenn Menschen anscheinend an allem etwas zu bemängeln haben.

In den darauf folgenden Tagen näherte sich langsam das Jahresende und die Wogen glätteten sich. Ein neues Jahr sollte bald anfangen. Wir absolvierten noch den letzten Auftritt in Chemnitz, welcher für uns alle ein weiteres Highlight war. Ich hatte bis dahin alle Auftritte sehr genossen, allerdings merkte ich auch, dass nun wieder Zeit für etwas Neues kommen sollte und freute mich auf das Schreiben neuer Songs. Gedanklich war ich zu diesem Zeitpunkt schon bei dem neuen Album allerdings legte ich mir selber eine Pause auf, damit ich mich erst einmal wieder erholen konnte.

Nach einigen Tagen sollte es dann losgehen. Am 01.01.2009. begann ich mit dem Schreiben der neuen Lieder für die Grosse Freiheit.

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Grosse Freiheit

Schon seit der Puppenspieler Tour, als ich mit Markus gemeinsam unterwegs war und wir uns wie immer über alles unterhielten, redeten wir auch über das nächste Album. Im Grunde trug ich die Idee dazu seit damals in mir. Ich wollte mich allerdings noch nicht zu sehr darin vertiefen, da ich mich erst einmal auf die Tour und andere Dinge konzentrieren wollte.

Ebenso ließ die Achterbahn der Gefühle, die mich in diesem Jahr begleitete, mich nicht wirklich zur Ruhe kommen und somit schob ich den Gedanken erst einmal ganz nach hinten. Ich konnte die Gedanken an das neue Album allerdings nie ganz ausschalten. Es flammten immer wieder Ideen dazu auf, gerade wenn ich mit Markus unterwegs war. Ich hatte damals schon das Gefühl, das es etwas Besonderes werden würde. Der Titel des neuen Albums sollte „Große Freiheit" sein und im Grunde von dem handeln, was uns Menschen umgibt. Neues zu entdecken, fast vergessenes wieder zu finden und die Freiheit zu haben, sein Leben so wie man es sich wünscht zu gestalten, sollte nun beim Schreiben des Album im Vordergrund stehen. Alles menschliche wie Ängste, Hoffhungen, Wünsche, Träume oder Sehnsüchte, sollte sich in den verschiedensten Formen und Geschichten in den Liedern wieder finden. Das, was bei Puppenspiel lediglich nur die Bühne war, sollte bei „Grosse Freiheit" nun die ganze Welt sein, welche entdeckt werden wollte. Ich hatte das Bild eines Seefahrers vor Augen, der die Welt über Meere und durch Stürme mit allen Unwägbarkeiten entdeckt und bereist. Auf der Suche nach seinem Glück sollte er Unbekanntes oder fast Vergessenes wieder entdecken. Sinnbildlich dafür sollte ein Kompass stehen, der die Himmelsrichtungen und letztendlich den Kurs anzeigt, wo die musikalische Reise hingeht.

Es fielen mir damals schon jede Menge Stichworte für Texte ein und ich hatte nahezu unendlich viele Ideen. Es war eines dieser Konzepte geboren, wo mir die Bilder in meinem Kopf nur so um die Ohren flogen, die ich in Texte und Lieder packen wollte. Aufgrund der doch so menschlichen Thematik, könnte sich der Hörer so in all den Geschichten, von denen die Lieder handeln sollten, selber erkennen und wiederfinden.

In den letzten Wochen des Jahres 2008 fand ich langsam die Ruhe mich mit dem gesamten Thema immer mehr zu beschäftigen. Im Grunde auch in der Zeit, als ich anfing dieses Buch zu schreiben. Das inspirierte mich ungemein und ich fing an mir Bücher über Seefahrt und Entdecker zu besorgen, damit ich noch mehr in die „Grosse Freiheit" eintauchen konnte. Mein Ziel war es, in aller Ruhe Lied für Lied zu schreiben und dann nach einigen Monaten mit der finalen Produktion zu beginnen. Im Grunde so wie beim Puppenspiel.

In den nächsten Wochen und Monaten schrieb ich weiter an der „Grosse Freiheit" und das ganze Album manifestierte sich mit jedem weiteren Titel immer mehr. Meine Demos schickte ich sobald sie fertig waren immer wieder zu Markus und Ollie, damit sie auf dem neuesten Stand der Dinge waren und wussten wo die musikalische Reise hinginge.

Ich zog mich in meine Schreibwelt zurück und tauchte völlig ab. Ich ging, wie beim Schreiben der Alben vorher in dieser Situation auf und ließ nichts anderes an mich heran. Die ersten Wochen und Monate waren sehr still für mich, um es einmal so auszudrücken.

Es gab nichts anderes außer der Musik und Ideen über Seefahrt, Entdeckung und alles, was zum Konzept des neuen Albums passte. Ich stand mit diesen Gedanken morgens auf und ging abends damit schlafen. Andere Interessen hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Für meine Außenwelt, wie Familie und Freunde war dies wieder die Zeit, wo ich mich von allem abkapselte, damit ich in meiner Welt des neuen Albums leben konnte.

Den ersten Song, den ich zu „Grosse Freiheit" schrieb, war das Intro des Albums. Es sollte „Das Meer" heißen und den Zuhörer auf die anstehende Reise der „Grosse Freiheit" einstimmen. Daraufhin folgten Lieder wie „Für immer", „Heimatstern" und „Unter deiner Flagge", welches ich meiner Mutter widmete. Die Wochen und Monate vergingen damals wie im Fluge und ich hatte schon eine Vielzahl an Liedern geschrieben und wir alle fingen nun an, darüber nachzudenken, wie die Produktion des Albums „Grosse Freiheit" ablaufen sollte. Ich schrieb zu den Liedern, die ich schon ganz alleine geschrieben hatte, wieder einige Songs mit Henning zusammen.

Schon bei Puppenspiel, waren so Songs wie „Sei mein Licht" entstanden, wo wir zusammen die Musik gemacht hatten. Das fand ich schon damals sehr erfrischend und diese Möglichkeit, wollte ich auch bei „Grosse Freiheit" haben. Aufgrund der Möglichkeiten, die wir nun dank der Universal hatten, entschieden wir uns alle die Lieder in verschiedenen Studios zu produzieren.

Es war ein befreiendes Gefühl, nun mehr Auswahl zu haben, wenn es um die Aufnahme und Produktion der einzelnen Songs ging.

Endlich hatten wir die Möglichkeit in Studios aufzunehmen, die wir vorher nur von Photos kannten.

Somit nutzten wir es aus und nahmen viele Instrumente, wie E- Gitarre, Akustik-Gitarre, Schlagzeug, Chöre und Streicher in den verschiedensten Studios auf, damit „Grosse Freiheit" einen guten Schritt an Musikalität nach vorne machte. Im Grunde lief alles synchron ab. Die Lieder entstanden in den darauffolgenden Wochen und zeitgleich wurde in den verschiedensten Studios an ihnen gearbeitet.

Wie bei Puppenspiel konnte ich mich so wieder voll und ganz auf die Lieder konzentrieren und diesmal aus einem fast unerschöpflichen Pool an Ideen und Kreativität schöpfen, was die Lieder unglaublich bereicherte.

Es war die Zeit, die es nur gibt, wenn ein Lied entsteht und im Grunde geboren wird. Das mag seltsam klingen aber es ist so. Du hörst dir etwas an, was es vorher noch nicht gab. Man hört zum ersten mal Wort und Musik zusammen und alles erzählt eine Geschichte, die im Kopf Bilder entstehen lässt.

Das ist unbeschreiblich schön und bestimmte zu dieser Zeit tagtäglich mein Leben. Ich konnte mich zu dieser Zeit wieder wunderbar in den Schreibprozess fallen lassen.

Moppel geht joggen

Nach den ersten Wochen in meiner Schreibphase flammte immer wieder die Erinnerung auf, dass in diesem Jahr auch einige Live Auftritte anstehen würden. Festivals und Unheilig & Friends Konzerte sollten irgendwann vor der Tür stehen. Im Grunde wollte ich davon in dieser frühen Phase des Jahres noch nichts wissen. Allerdings wusste ich, dass sich das irgendwann rächen würde, wenn ich nicht fit wäre und auf die Bühne müsste. Nachdem nun Weihnachten vorbei war und ich nicht gerade darauf geachtet hatte, wie viel ich gegessen hatte, wurde mir bewusst, dass ich es mit meiner Fresserei wohl mal wieder übertrieben hatte.

Ich wusste schon lange, dass ich so eine Art Belohnungsfresser bin. Wenn ich dachte, ich hatte etwas gut gemacht, wollte ich mich damit belohnen, einfach mal alles zu essen, was ich konnte. Nachdem das letzte Festival im vergangenen Jahr zu Ende war, wollte ich mich schlussendlich auch hierfür belohnen. Im Grunde sollte das ja auch kein Problem sein. Es konnte allerdings eines werden, wenn ich mich fast jeden Tag belohnen würde.

Da ich schon seit einigen Monaten nicht mehr rauchte, war nun alles erdenklich essbare Ersatz für die gewohnte und belohnende Zigarette. Eines Morgens kramte ich die Auftrittsklamotten heraus und hoffte, dass sie mir noch passten, denn dann wäre alles in Ordnung. Natürlich war nichts in Ordnung.

So eng saß das Ding noch nie. Mir wurde bewusst, dass ich mich wohl ein wenig zu häufig belohnt hatte. Ich war fett geworden! Zu fett für die Klamotten zumindest. Ich fing auf diese Erkenntnis hin an, ziemlich zu jammern und war sauer auf mich selbst. Wie hatte ich es so weit kommen lassen können, fragte ich mich immer wieder. Somit entschied ich mich noch am gleichen Tag mit Sport und einer Diät anzufangen. Ich ging nun bis Mittags ins Studio und schrieb Lieder und am Nachmittag ging es in den Wald zum Joggen. In meinen hautengen Joggingklamotten, sah ich ziemlich peinlich aus. Ich sah aus wie eine Bratwurst mit Turnschuhen. Allerdings war mir das egal und ich lief einfach weiter. Ich hätte mir zu diesem Zeitpunkt niemals neue Klamotten zum Joggen gekauft, denn ich sah mein peinliches Outfit eher als Antrieb an. Diese Hose sollte, ebenso wie mein Bühnenoutfit, bald wieder passen.

Ich weiß es noch wie heute, dass ich absolut keine Lust dazu hatte. Dazu fiel es mir auch noch unendlich schwer zu laufen. Meine Kondition war irgendwo, nur nicht bei mir. Die Lunge brannte nach den ersten Kilometern und die Knie fingen langsam an zu schmerzen, da ich eine ganze Menge Gewicht zu viel hatte. Allerdings kannte ich es, Sport zu machen um abzunehmen. Zu oft war ich schon an dem Punkt in meinem Leben angekommen abnehmen zu müssen, da ich es einfach übertrieben hatte. Ich machte weiter und blieb nicht stehen.

Nach einer halben Stunde allerdings, bekam ich einen Stich in der Wade und blieb abrupt stehen. Ich humpelte auf einem Bein weiter und wusste nun überhaupt nicht mehr, was da passiert war. Muskelkrampf? Muskelriss? Nach einigen Minuten lief ich weiter. Es tat noch immer weh, allerdings versuchte ich es zu ignorieren. Ich rannte die vorgenommenen fünf Kilometer zu Ende und versuchte das ziehen in meinem Bein zu ignorieren.

Zuhause angekommen, hüpfte ich unter die Dusche und danach ging es wieder ins Studio. Meine Wade tat mir immer noch weh, was ich allerdings nicht so richtig wahrhaben wollte.

An diesem Tag, begann ich auch Kalorien zu zählen, um meine Fressattacken wieder in den Griff zu bekommen. Ich wusste aus der Vergangenheit, das Sport zwar zum Abnehmen hilfreich sein konnte, die Ernährung allerdings ebenfalls wichtig war. Somit schaute ich im Internet nach, wie viel ich wieder wiegen wollte und errechnete mir dort anhand eines Kalorienrechners meinen Tageskalorienumsatz. Ich gehörte zu denen, die sich beim Essen etwas gönnen mussten und ich wusste, wenn ich mir alles verkneifen sollte, würde ich es nicht schaffen und nur frustriert werden. Somit plante ich für jeden Tag eine komplette Tafel Schokolade und ein Wassereis als Belohnung ein.

Dafür verzichtete ich auf andere Dinge wie zwei Brötchen am Morgen, da zwei belegte Brötchen ungefähr achthundert Kalorien hatten. Eine Tafel Schokolade hingegen nur sechshundert Kalorien und somit sollte es wohl klappen. Wassereis war für zwischendurch angedacht. Die Dinger haben je nach Sorte manchmal pro Eis nur siebenundfünfzig Kalorien. Das sollten meine Highlights sein.

Ansonsten achtete ich darauf, das ich Morgens nur Obst aß und abends eine Hauptmahlzeit, deren Kilokalorien ich vorher im Internet recherchierte, so dass ich nicht über meine zweitausend Kalorien kam, die ich mir pro Tag zustand. Mittags aß ich so gut wie nichts.

Im Grunde sah ich nun wieder voller Tatendrang nach vorne und dachte mir, das ich so mit zusätzlichem Sport schnell an mein Ziel käme und wieder in die gewünschte Hose passen sollte. Schließlich verbrannte der Körper bei Sport ziemlich viele Kalorien, welche ich dann sparte und somit abnahm.

Die Nacht nach dem ersten Joggen war die Hölle. Mein Bein fühlte sich an, als ob einer mit einem Messer die ganze Zeit drin herumrührte. Am Morgen stand ich auf und konnte es überhaupt nicht mehr belasten. Ich krabbelte an diesem Tag in mein Studio und versuchte den Schmerz beim Schreiben von neuen Songs zu vergessen. Allerdings wurde mir klar, dass ich wohl nun einige Tage keinen Sport mehr machen konnte. Ich hielt mich an meine selbst auferlegte Kaloriengrenze und aß recht vernünftig. Irgendwann ließ ich sogar meine eingeplante Schokolade weg und spürte nach zwei Wochen, das ich wohl etwas abgenommen hatte. Die Hose passte aber immer noch nicht.

Der Schmerz in der Wade war nun weg und ich ging wieder frohen Mutes joggen. Nach einem Kilometer allerdings stand ich wieder humpelnd im Wald. Die an mir vorbeilaufenden anderen Jogger schauten mich etwas bemitleidend an, wie ich da so vor mich hin humpelte.

Ich kam mir vor wie ein dicker Junge in der Schule, der nicht über den Holzbarren kam oder auf den alle nach dem zwei Kilometerlauf warteten, damit sie wieder in die Schulklasse gehen könnten. Ich war damals froh als ich wieder zuhause angekommen war. Ich pfefferte meine Joggingschuhe völlig frustriert in die Ecke und fluchte vor mich hin.

Wie in aller Welt, sollte ich denn nun fit werden? Wenn ich auf der Bühne solche Stiche bekäme, könnte ich nicht mehr rUm rennen. An Joggen war nicht mehr zu denken. Ich brauchte etwas anderes um Kondition zu bekommen und abzunehmen. Ich entschied mich dafür es mit dem Fahrradfahren zu probieren, wartete allerdings ab bis ich keine Schmerzen mehr hatte und hoffte, dass diese beim Fahrradfahren wegblieben. Nach einigen Tagen war es dann soweit. Ich kramte mein altes Mountain-bike heraus und begann mit dem Fahrradfahren. Es klappte wunderbar. Ich fuhr an diesem Tag meine ersten 20 Kilometer und ich fühlte mich wunderbar. Das Wetter war schön, der Himmel blau und ich schwitzte wie lange nicht mehr. Beim Fahren spürte ich, das mir absolut nichts mehr wehtat. Es machte richtigen Spaß. In den darauffolgenden Wochen nahm ich mir vor, jeden zweiten Tag zu fahren, was dazu führte, dass die Kilos nur so purzelten. Irgendwann hatte ich somit wieder eine gewisse Routine in meinem Leben. Ich achtete auch meine Ernährung und machte regelmäßig Sport. Ich musste mich zwar immer wieder selber kontrollieren, aber es klappte.

Nach fast drei Monaten hatte ich acht Kilo abgenommen und die Hose passte wieder. Ich nahm mir damals fest vor, alles so beizubehalten und das klappte wunderbar. Somit stand dem ersten Konzert nichts mehr im Wege.

Unheiliger Zuwachs

Es folgte einer dieser Momente, wo ich mal wieder ein ziemlich großes Fragezeichen auf der Stirn hatte, als Markus mir vorschlug, ob wir nicht versuchen sollten, einen Schlagzeuger in unsere Liveshow einzubinden. Er meinte, dass es vielleicht nun der richtige Zeitpunkt wäre und der Show mehr Dynamik verleihen könnte. Ich war damals nicht wirklich überzeugt davon. Vielleicht lag es auch daran, das ich im Grunde meine Ruhe habe und mit nichts anderem etwas zu tun haben wollte, als mit dem Schreiben von Liedern. Ich schaute schon seit Wochen ziemlich missmutig auf den ersten Livetermin 2009, das Zitarock.

Ich wusste, dass ich aus meiner Produktionsabgeschiedenheit nun herauskommen musste. Zudem musste ich mich neben dem eigentlichen Auftritt auch noch mit der Tatsache auseinandersetzen, dass wir einen neuen Schlagzeuger bekommen sollten. Ich machte Liveauftritte sehr gerne und sie waren für mich unglaublich schöne Momente in meinem Leben.

Allerdings fand ich es immer schon schwer schwer, mich gedanklich darauf einzulassen, wenn ich an einem neuen Album arbeitete, da ich in dieser Phase am liebsten nichts mit Liedern zu tun haben wollte, die nicht vom neuen Album handelten. Allerdings machte ich das nun schon eine ganze Weile und hatte es bisher auch immer gut hinbekommen.

Somit fing ich an mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich nun bald gleichzeitig schreiben und Liveauftritte machen sollte. Ich war auch schon ziemlich weit in meinem Schreibprozess zum neuen Album und fand den Gedanken gut, nun ein paar Dinge gleichzeitig machen zu können. Wir legten eine Setlist für die ersten Liveauftritte fest und jeder Musiker sollte nun erst einmal für sich alleine proben und nach einigen Tagen und Wochen, würden dann die gemeinsamen Proben losgehen. Auch der Drummer sollte sich so an die Songs herantasten und ich sollte ihn dann bei der ersten gemeinsamen Probe kennenlernen. Das war mir ganz recht, da ich ihn so nicht nur kennenlernen, sondern auch entscheiden konnte, ob er musikalisch zu uns allen passt. Licky kannte ihn schon seit vielen Jahren, da der Drummer aus dem gleichen Ort kam und somit nahmen beide schnell Kontakt miteinander auf. Ich war gespannt, was mich bei der ersten Probe erwarten würde und wie die Lieder dann mit Live-Schlagzeug neben der ganzen Programmierung klingen würden. Ebenso gespannt war ich, ob er menschlich zu uns passte, wobei man das erst nach einiger Zeit sagen könnte. Kurz gesagt, ich lies mich darauf ein und entschied offen für alles zu sein und zu gegeben Zeitpunkt vorurteilsfrei auf alles anstehende zuzugehen. Einige Wochen vergingen und der Tag der Probe stand an. Ich lernte den Drummer „Porti", wie er sich nannte, zum ersten mal im Proberaum kennen. Er war mir direkt sympathisch und machte einen ruhigen und ausgeglichenen Eindruck. Er hatte die letzten Wochen Tag und Nacht geprobt, was ich mir von den anderen hatte sagen lassen, was ich schon einmal sehr gut fand. Die Proben gingen los und alle, auch ich, waren begeistert. Was nun zu hören war, wenn ein Schlagzeug sich noch zu den Liedern gesellte, war einfach toll. Die Lieder begannen noch mehr zu leben und das Schlagzeug tat ihnen gut.

Schon damals bei der Probe, wusste ich, dass wir in Zukunft einen Schlagzeuger haben würden. Ich hatte ein richtig gutes Gefühl und zudem schien er auch menschlich zu uns zu passen.

So setzten wir uns nach der Probe zusammen und hießen Potti bei uns willkommen. Ich freute mich nun riesig auf das Zitarock Festival, wo unser erster gemeinsamer Auftritt stattfinden sollte.

Ein ganz besonderer Tag

Der Tag des anstehenden Festivals war etwas Besonderes für mich und ich denke, ich war nervöser als bei jedem anderen Konzert vorher. Vieles kam an diesem Tag zusammen, was für mich eine große Bedeutung hatte.

An diesem Tag sollten wir zum ersten Mal mit Schlagzeuger auftreten und ich war gespannt, was die Fans dazu sagen würden. Zudem hatte ich etwas Sorge, ob alles funktionieren würde. Ebenso war es mein erstes Konzert, bei dem ich als Headliner auftreten sollte.

Das Kuriose daran war, das wir an diesem Abend nach der Band spielen sollten, die eigentlich dafür verantwortlich war, das ich überhaupt begonnen hatte deutsche Texte zu schreiben. Ich hatte sie damals auf Viva mit dem Song „Das weiße Licht" gesehen und danach „Sage ja" geschrieben, weil ich dadurch inspiriert worden bin und nun spielte ich nach ihnen! Dazu fiel mir nur das Wort „Wahnsinn" ein. Ich glaube damals merkte ich erst, wie weit ich den Weg nun schon mit Unheilig gegangen war und wie viele Jahre es bis hierhin gedauert hatte. Diese Tatsache machte mich nun noch nervöser und ließ mich kaum zur Ruhe kommen. Ich werde niemals vergessen, wie viel Angst ich auf der Hinfahrt zu diesem Festival hatte, wo so viele besondere Dinge anstehen sollten.

Die größte Angst allerdings hatte ich vor mir selber. Ich hatte einfach Angst davor, dass ich versagen würde und der Aufgabe des Headliners nicht gewachsen war. Ich weiß nicht, ob es daran lag, wer da nun vor mir spielte oder an der Tatsache, dass wir mit Schlagzeuger spielten und da eine Menge schief gehen konnte. Ich denke es war die Urangst, die immer mit mir auf die Bühne geht. Die Angst davor, zu spüren das der damalige Rektor meiner Schule doch recht hatte und ich vielleicht doch nicht gut genug wäre um in der nun anstehenden Liga der Musiker mitzuspielen. Mir brummte der Kopf und ich glaube, ich habe Markus ungefähr eine Million Mal gefragt, ob das auch alles gut werden würde. Er versuchte immer wieder mich zu beruhigen und sagte mir, ich sollte Vertrauen in mich setzten und einfach mal anfangen an mich zu glauben.

Irgendwann war es dann soweit, dass wir an den Auftrittsort kamen und ich rannte anfänglich ziemlich ziellos umher. Ich hatte schon einmal vorher auf diesem Festival gespielt, trotzdem war heute alles anders. Ich wusste, daß heute ein besonderer Tag war und sich heute entscheiden sollte, ob ich mit dem klarkäme, was vor mir lag. An diesem Tag sollte sich zeigen ob ich die Stärke hätte, alle Fragen und Ängste auszuschalten und einen überzeugenden Auftritt abzuliefern. Irgendwann stand dann die angekündigte Autogrammstunde an und ich war froh darüber, dass ich nun etwas machen konnte, anstatt nur sinnlos umherzugehen und neben mir zu stehen. Bei dem Autogrammstundenstand angekommen, war ich ziemlich perplex darüber, wie lang die Schlange diesmal war. So viele Leute standen dort an und mir wurde bewusst, das das viel länger als eine Stunde oder gar zwei dauern würde, bis jeder sein

Autogramm hätte. Ich machte mir aber keine weiteren Gedanken darüber und fing einfach an Autogramme zu schreiben.

Ich genoss es, nach recht langer Zeit des Schreibens im Studio, wieder unter Menschen sein zu können und nahm mir, trotz der endlos scheinenden Schlange, wie früher Zeit für jeden einzelnen, der ein Foto oder Autogramm wollte. Es war einer dieser unglaublich schönen Sommertage und die Atmosphäre war einzigartig. Die Zeit verging wie im Fluge und die angesetzte Stunde war auch schon viel zu schnell zu Ende. Die Schlange an Menschen, die zu mir wollten war allerdings keineswegs kürzer geworden. Ich entschied mich, noch länger bleiben zu wollen und gab Markus ein Zeichen, dass er alles in die Wege leiten sollte. So machte ich neben den anderen Bands einfach weiter.

Nach über vier Stunden merkte ich allerdings auch, dass ich ziemlich platt war und bekam Konzentrationsprobleme. Ich entschied hier nun abzubrechen und hoffte, dass niemand sauer war, der angestanden hatte und nun doch kein Autogramm bekam. Auf dem Rückweg merkte ich allerdings, dass einige Fans darüber ziemlich erbost waren, was mir denn nun einfiele einfach zu gehen. Ich ging an der immer noch vorhandenen Schlange vorbei und einige machten ihrem Unmut Luft. Die Beschimpfungen waren deutlich unterhalb der Gürtellinie, was mich ziemlich schockte. Ich hatte gesehen, das einige bekannte Gesichter, die ich von vielen Konzerten her kannte darunter waren und verstand die Welt nicht mehr. Ich konnte nicht verstehen, dass niemand sah, das ich seit vier Stunden da stand und aufhörte, weil ich einfach platt war und zudem umgehend auf die Bühne musste um ein Konzert zu spielen.

Ich versuchte das auszublenden und mir später Gedanken darüber zu machen, da nun der Auftritt anstand. Rückblickend gesehen, sollte es ein sehr beeindruckender Auftritte werden.

Potti meisterte seinen ersten Auftritt mit Unheilig wunderbar und die Stimmung war unglaublich intensiv. Meine neu erlangte Fitness durch den Sport, hatte auch ihren Beitrag geleistet. So fit war ich noch nie bei einem Auftritt gewesen. Als ich nach dem Auftritt von der Bühne wieder in die Umkleide kam, war ich eine Zeitiang alleine und ließ das erlebte einmal an mir vorbeiziehen.

Ich weiß noch ganz genau, wie ich dachte, dass ich vielleicht doch dazu gemacht bin, auch als Hauptakt auf einer Bühne zu stehen und ich dafür gut genug war. Es war einer dieser Momente voller Stille und Ruhe, wo man im Grunde einmal alleine mit sich selber ist und einem viel bewusst wird. Ich war glücklich darüber, das alles so gut gelaufen war.

Die Band, die dafür verantwortlich gewesen war, das ich überhaupt deutsche Lieder schrieb, hatte ich kaum gesehen. Sie rannten lediglich ein paar mal an mir vorbei. Ihr Sänger gab mir kurz die Hand und wir sagten uns Hallo. Ich überlegte noch, ob ich ihm erzählen sollte, was ihr Song „das weiße Licht" in mir ausgelöst hatte, ließ es allerdings dann doch sein. Warum weiß ich nicht.

Auf dem Nachhauseweg dachte ich an alles erlebte und hatte ein gutes Gefühl. Allerdings dachte ich auch an die Autogrammstunde und wusste, dass ich scheinbar an dem Punkt angekommen war, wo ich leider nicht mehr jedem Einzelnen sein Autogramm geben konnte, da es einfach zu viele gewesen waren. Ich wusste auch, dass das von allen Seiten nicht gerade positiv aufgenommen werden würde und nun wieder die Gebetsmühlen von Kommerz, Arroganz und Missgunst aufkommen sollten. Allerdings wurde mir auch bewusst, dass ich nun endlich lernen musste, damit umzugehen und das dies wohl nun zu meinem Leben als Musiker dazugehörte.

Geboren um zu leben

Wochen und Monate flogen ins Land und das Schreiben der Lieder sowie die Produktion der Songs standen im Vordergrund. Alles ging gut voran und das Album „Grosse Freiheit" nahm immer mehr Form an.

Die Thematik stellte sich weiterhin als unglaubücher Pool an Ideen für Songs heraus. Im Grunde kann man sagen, das jedes Album seine eigene Bildsprache entwickelt. War es bei Puppenspiel die Bühne und die Bilder des Schauspiels, die im Vordergrund standen, so waren es nun Bilder der Endlosigkeit des Meeres oder Horizontes, sowie der Segel im Wind oder einem Sturm im Einklang mit den Gezeiten. Diese bildhafte Sprache in den Texten zeigt im Grunde, welches Lied zu welchem Album gehört und ich spürte wie unendlich diese Bilder bei „Grosse Freiheit" waren. Ich schrieb Lied für Lied und irgendwann hatten ich achtzehn Lieder, welche nun noch fertig produziert werden mussten. Mit jedem Song merkte ich, dass ich ruhiger und zufriedener wurde.

Ich spürte einen riesigem Druck und die große Verantwortung gute neue Lieder schreiben zu wollen, die sich mit meinen vorherigen Liedern messen mussten oder vielleicht noch besser sein sollten. Trotzdem hat man mich glücklicherweise in Ruhe schreiben lassen.

Erst jetzt wird mir eigentlich wirklich bewusst, dass dies in keiner Weise normal ist. Wenn ich genau darüber nachdenke, hat mich keiner irgendwann einmal gedrängt oder dazu gezwungen Lieder zu schreiben oder in einer bestimmten Art zu schreiben. Alle warteten immer in Ruhe ab. Selbst unser neuer Partner Universal hielt sich hier extrem zurück. Alle ließen mich in Ruhe schreiben und an den Songs arbeiten. Irgendwann waren alle Demoversionen zu „Grosse Freiheit" soweit fertig und wir schickten sie unserem neuen Partner Universal um eine Meinung dazu einzuholen. Das Feedback dazu war einfach klasse. Sie waren davon angetan, bisweilen sogar begeistert, und somit konnten die Planungen für die „Grosse Freiheit" diesmal schon ungewohnt früh losgehen. Schließlich hatten wir gerade erst Juni. Ich hatte im Grunde alles zu diesem Zeitpunkt für mich persönlich erreicht. Das Album war von meinem Schreibprozess her nun fertig und alle Beteiligten waren davon begeistert.

Nun ging die Produktion in die heiße Phase und das Karussell ging los, welcher Song wohl die erste Single werden sollte. „Unter deiner Flagge", „Für immer" oder „Grosse Freiheit" waren zum damaligen Zeitpunkt wohl die Kandidaten, die bei uns allen im Blickpunkt standen, wobei ich am liebsten mal wieder alle genommen hätte, weil ich mich nicht wirklich entscheiden konnte.

Zu dieser Zeit gingen die Planungen an allen erdenklichen Baustellen los und ich hatte den Kopf wieder frei für andere Dinge, da ich mit dem Schreibvorgang nun fertig schien. Ich nahm mir ein paar Tage einfach Zeit für mich, konnte allerdings nicht so richtig abschalten. Einige Tage später traf ich mich wieder mit Henning, da es um die Produktion ging und wir klimperten einfach vor uns hin und nahmen einige Pianomelodien auf die uns einfielen.

Es war im Grunde der normale Ablauf während einer Produktionspause und wir spielten uns gegenseitig Melodien vor, die wir gut fanden bevor die Aufnahmen zum Album weitergehen sollten. Als ich am Abend wieder zuhause war, dachte ich fiel an meinem Freund, für den ich „An deiner Seite" geschrieben hatte. Ab und zu flammten diese Erinnerungen einfach wieder auf und damals war es auch wieder so. Ich schrieb einfach meine Gedanken auf, um mit diesem Moment klarzukommen und es entstand ein Gedicht, welches ich „Geboren um zu leben" nannte. Als ich es mir aufgeschrieben hatte, fühlte ich mich besser, so wie es immer war, wenn ich mir meine Ängste und Gedanken von der Seele schrieb. Ich erinnerte mich an die Pianomelodien, die vorher im Studio aufgenommen worden waren und aus Zeitvertreib fing ich an diese so zusammenzusetzen, das der Text dazu passte. Ich weiß noch ganz genau, wie sich alles fast von selbst zusammenfügte und ein neues Lied entstand. Ich machte davon einen MP3 und schickte es an alle. Es war nur eine Pianomelodie mit Gesang, den ich kurz aufgenommen hatte. Es dauerte keine Minute und mein Telefon klingelte. Jeder schien von dem neuen Lied hin und weg zu sein. Markus und Ollie sagten mir direkt am Telefon, dass dieser Song die neue Single sein müsste. In den nächsten Wochen, wurde „Geboren um zu leben" somit im Studio als erster Song von „Grosse Freiheit" fertig produziert und das Ergebnis haute uns alle um.

Ich hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie so intensiv mit einem Lied befasst und jedes noch so kleine Detail berücksichtigt. Deshalb nahmen wir zusätzlich noch einen Kinderchor auf, der den Song noch außergewöhnlicher machte und für mich die schönen Erinnerungen an meinen Freund und unsere Kindheit wieder aufleben ließen.

Schon damals habe ich mich darüber gefreut, das „Geboren um zu leben" auf diese ungewöhnliche Weise entstanden ist. Es war in keiner Weise geplant. Der Song ist einfach entstanden ohne jede Ankündigung. Einfach aus vielen kleinen Zufällen und das war wunderschön.

Ein australischer Freund kehrt zurück

In den darauf folgenden Wochen standen nun noch einige Festivalauftritte an. Das Zusammenspiel mit dem Schlagzeuger wurde von Auftritt zu Auftritt immer besser und wir alle bekamen auf der Bühne immer mehr Routine miteinander zu spielen. Es war so, als wäre Potti schon immer dabei gewesen. Die Auftritte waren in diesem

Jahr für uns alle besondere Highlights, da wir keine richtige Tournee spielten. Wir spürten, dass zu dieser Zeit immer mehr Menschen zu den Konzerten kamen und wir alle freuten uns riesig über diesen Umstand.

Ich versuchte bei Autogrammstunden so lange wie möglich für alle da zu sein, wobei auch ich nach vier Stunden abbrechen musste, da ansonsten der Auftritt darunter leiden würde. Das waren für mich immer unangenehmen Momente. Die letzte halbe Stunde, schaute ich immer entlang der Schlange an Menschen, die zu mir wollten und es tat mir immer in der Seele weh, wenn ich nicht allen ihren Wunsch erfüllen konnte, obwohl auch sie schon über drei Stunden in der Schlange warteten.

In den nächsten Tagen sollte dann das Amphi Festival anstehen und ich konnte es kaum noch erwarten dort aufzutreten. Einige Tage vorher klingelte das Telefon und eine altbekannte Stimme war am anderen iEnde zu hören. „Hi, hier ist Grant" sagte die Stimme und ich freute mich riesig darüber.

Es war so lange her, dass wir uns mal gehört hatten und demzufolge redeten wir ziemlich lange miteinander. Wir sprachen darüber, was jeder von uns gerade machte und wie es bei ihm und bei mir mit der Musik gerade liefe. Nach einiger Zeit sagte er mir dann den Grund seines Anrufes. Er suchte dringend eine Wohnung im Kölner Raum. Er wohnte zu dieser Zeit noch in Berlin, müsste aber aus beruflichen Gründen umgehend umziehen. Er fragte mich, ob ich nicht jemanden kennen würde, der vielleicht eine Wohnung für ihn hätte. Ich verneinte das, da ich absolut niemanden kannte. Ich fragte ihn allerdings, ob er im wahrsten Sinne des Wortes glauben würde, alles in so kurzer Zeit schaffen zu können. Er meinte nur, das es leider nicht anders gehen würde. Es war mal wieder so ein typischer Grant. Alles auf die letzte Minute. Ich musste im Grunde darüber schmunzeln. So lange hatten wir uns nicht mehr gehört und miteinander gesprochen und nichts hatte sich geändert. Ich fragte ihn noch, ob er keinen Makler kennen würde.

In diesem Moment fiel mir ein, das mir jemand bei einem Konzert eine Karte in die Hand gedrückt hatte. Ich ging mit Grant am Ohr in mein Studio zu meiner Fanecke, wo eine Kiste mit allen Visitenkarten steht, die ich jemals von Fans bekommen hatte. In fast zehn Jahren ist da eine ganze Menge zusammengekommen! Ich kramte in der Kiste rum und irgendwann fiel mir die gesuchte Karte in die Hand. Ich erzählte Grant, das ein Fan mir mal besagte Karte in die Hand gedrückt hatte. Vielleicht hatte sie es nur aus Spaß getan, aber ich nahm die Karte zu Anlass, mich dort melden zu wollen. Sie arbeitete als ganz reguläre Maklerin, war aber auch Moderatorin einer Fernsehshow für Wohnungssuchende tätig. Ich erzählte Grant davon und schlug im vor, dass Markus sich mit ihr in Verbindung setzten sollte, was Grant wiederum super fand.

Zwei Tage später hatten wir auch schon Antwort von Ihr bekommen. Sie wollte gerne hilfreich sein, fragte aber direkt, ob es nicht möglich wäre diese Suche bei einer Ihrer anstehenden Sendungen mit einzubauen. Ich musste kurz darüber nachdenken, fand aber keinen Grund ihr das zu untersagen.

Die Wohnungsdame wollte nun mit ihrem Kamerateam zum Amphi Festival kommen und dort erfahren, was wir genau suchen. Ich wiederum schloss mich mit Grant kurz und er organisierte es, dass er später nach Köln kommen konnte, um bei der

Wohnungssuche dabei zu sein.

Ich fand das alles damals recht witzig und freute mich darauf, Grant einmal wiederzusehen. Zudem war die Aktion mit der Wohnungssuche eine spannende Angelegenheit. Am Tage des Konzerts kam die Wohnungsdame dann auch. Sie war so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Nett, freundlich und sympathisch. Im Schlepptau hatte sie ein komplettes Kamerateam, welches die Wohnungssuche nun begleiten sollte, aber auch einige Aufnahmen vom Auftritt machen wollte. Diese Situationen eines solchen Drehs sind immer ziemlich anspannend. Ich überlegte dreimal mehr, was ich sagte und hoffte nur, das ich nicht völlig Banane aussehen würde. Zumal ich mich selber nie wirklich gerne im Fernsehen anschaute, da ich immer fand, dass ich nicht telegen war. Ich zog das Ganze trotzdem durch. Der Dreh bei dem Konzert beinhaltete das Treffen und ein Vorgespräch über die zu suchende Wohnung. Zudem noch einige Aufnahmen von dem Auftritt. Wir verabredeten uns, um einige Tage später die ersten Wohnung zu besichtigen. Die verbleibende Zeit, die die Wohnungsdame lediglich zur Verfügung hatte, schien ihr keine Probleme zu machen. Ich holte Grant vom Flughafen ab und ich freute mich riesig in wiederzusehen. Nach einer kurzen Begrüßung fuhren wir zur ersten Wohnung, wo wir die Wohnungsdame inklusive Kamerateam wider treffen sollten. Alles in allem, war es eine schöne Sache und ein toller Tag. Grant und ich unterhielten uns den ganzen Tag und alte Erinnerungen kamen auf. Gerade über die Anfänge von Unheilig sprachen wir viel. Ganz nebenbei wurde dann noch gefilmt, wie die Wohnungen waren und was ihm gefiel und was nicht.

Als der Drehtag fast zu Ende war, musste Grant dann auch wieder aus beruflichen Gründen weg und ich übernahm dann die Besichtigung der letzten Wohnung. Ich fotografierte alles und ließ ihm die Bilder zukommen, so dass er entscheiden konnte, ob er sie nun nehmen wollte nicht. Es war eigendich typisch. Mitten im Dreh fuhr er, weil etwas dazwischen gekommen war, was dann noch wichtiger erschein. Ich fand es erfrischend, dass er sich nach so vielen Jahren nicht geändert hatte.

So war er halt, der Grant, dachte ich und als dann der ganze Dreh im Kasten war und ich nach Hause fuhr, nahm ich mir vor, ihn nun öfter mal anzurufen und nicht erst wieder zehn Jahren zu warten. Das habe ich bis heute auch gemacht.

Unheilig SC Friends

Das Jahr rannte im Grunde wieder an uns allen vorbei. Ruck zuck war schon mehr als die Hälfte rum und unsere Unheilig & Friends Festivals standen nun an. Songtechnisch war nun meinerseits alles im Kasten. Die Produktion lief auf vollen Touren und ich fing nun an, alle Lieder von „Grosse Freiheit" nach und nach im Studio einzusingen.

Die drei Unheilig & Friends Festivals lagen uns allen sehr am Herzen. War doch das erste Festival dieser Art Ende 2008 in Köln nicht gerade so gelaufen, wie wir uns das alle vorstellten. Wir wussten, dass es besser ging und nahmen uns fest vor, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass es nun auch letztendlich besser wurde. Das größte Problem bei diesen Festivals, die speziell für Familien mit Kindern sein sollten, ist es allen an der Organisation beteiligten Parteien begreiflich zu machen, das dies ein Familienkonzert ist. Das mag sich recht seltsam anhören, aber es schien fast unmöglich zu sein, dass wirklich jeder verstand, was wir vorhatten. Fast alle glaubten bis zum Tage des Konzertes nicht daran, dass überhaupt ein Kind kommen würde, geschweige denn komplette Familien. Obwohl wir per e-mail hunderte Ankündigungen von Familien hatten, wollte uns keiner glauben, das nun auch wirklich Kinder kommen könnten.

Als von dem speziell dafür gebuchten Personal begonnen wurde die Hüpfburg für die Kinder aufzubauen, wurde es von allen Seiten der Mitverantwortlichen nur belächelt. Markus, Ollie und ich ließen uns allerdings in keiner Weise davon beeindrucken und zogen es einfach weiter durch.

Selbst an Veranstaltungstag hatte man noch Überzeugungsarbeit zu leisten! Es fing bei dem Kinderprogramm an, was wir einfach durchzogen, ging über das Podest, was wir für die Familien haben wollten, damit diese etwas sehen konnten, bis hin zu den Behinderten WCs. Dies alles schien für andere in keiner Weise wichtig zu sein und sie würden am liebsten darauf verzichten, da es nur wieder Geld kosten würde und kein Mensch es brauchte.

Wir bestanden allerdings darauf und ließen uns nicht davon abbringen. Am Nachmittag strömten die ersten Zuschauer nach Leipzig in die Parkbühne zum ersten Unheilig & Friends Festival. Es war ein wunderschöner Sommertag und das Wetter meinte es gut mit uns. Nach kurzer Zeit war die mitderweile ausverkaufte Parkbühne restlos gefüllt und uns allen bot sich ein wundervolles Bild.

An diesem Tag waren an die 120 Kinder da. Familien hatten sich zu diesem Konzert gemeinsam organisiert und besuchten somit komplett das Festival. Die Hüpfburg war sofort mit einer Horde von Kindern gefüllt und das Team der Kinderbetreuung hatte alle Hände voll zu tun.

Wir organisierten eine Kinderautogrammstunde, die vor der „regulären" für die Erwachsenen stattfinden sollte und pünktlich auf die Minute gab es eine Schlange von Eltern mit Kindern, die auf ein Autogramm warteten. Es war sagenhaft und ich freute mich riesig über diesen Erfolg. Es hatte funktioniert. Alles hatte geklappt und die Stimmung von Kindern, Familien und Konzertbesuchern war für uns etwas Besonderes an diesem Tag. Die Autogrammstunde für die Kinder und danach für die Erwachsenen dauerte wieder mal über vier Stunden und dann ging ich wieder in den Backstage, um mich noch eine halbe Stunde bis zum Auftritt auszuruhen.

Alle diejenigen, die sich vorher mit witzelnden Sprüchen darüber ausgelassen hatten, das ein Familienevent Blödsinn sei und doch eh keiner kommen würde, sagten nun kein Wort mehr. Sie taten plötzlich so, als wenn sie auch immer daran geglaubt hätten und was für eine tolle Idee das sei.

Ich dachte mir nur meinen Teil und ignorierte das einfach. Der darauffolgende Auftritt war unglaublich. Es war ein toller Abendhimmel der so klar war, dass man während des Auftrittes die Sterne sehen konnte. Väter hatten Kinder bei dem Konzert auf die Schultern gehoben und es war eine Stimmung an diesem Abend, die eine der schönsten war, die ich je erlebt hatte.

Nach dem Konzert kehrte dann bei uns allen ein wenig Ruhe ein und Markus, Ollie und ich nahmen uns in den Arm und waren einfach froh, dass alles geklappt hatte. Wir alle wussten, was für ein Risiko wir eingegangen waren, trotz allen Gegenwindes von so vielen Seiten, alles einfach durchgezogen zu haben. Wäre es schief gegangen, wären wir mit wehenden Fahnen untergegangen, um es mal so zu nennen. Umso glücklicher waren wir, dass alles funktionierte.

In der darauffolgenden Woche standen die beiden nächsten Unheilig& Friends Konzerte an und sie liefen genauso grandios ab. Insgesamt besuchten diese neue Art des Festivals fast zehntausend Besucher. Wir hätten nie zu träumen gewagt, dass es so gut bei den Menschen ankommt ein Familienkonzert zu machen. Ich denke, ich werde diese Festivals nie vergessen. Ist es doch immer etwas Besonderes, wenn man an etwas glaubt, an das kaum jemand anders glaubt. Wenn es dann so läuft, wie man es sich wünscht, gehört es zu einem Highlight, auf das man immer wieder gerne zurückschaut.

In den darauffolgenden Wochen fand noch das letzte Konzert in diesem Jahr statt. Wir alle freuten uns darüber, wie gut doch alle Festivals gelaufen waren und stießen an diesem Abend noch einmal auf das Jahr an. Markus und ich fuhren danach noch am gleichen Abend wieder nach Hause und die heiße Phase für die „Grosse Freiheit" lag nun in den kommenden Monaten vor uns.

Blick in die Zukunft

Ich bin an dem Punkt in diesem Buch angekommen, wo mich die komplette Vergangenheit bis zum hier und jetzt geführt hat. Ich weiß, dass noch vieles in den kommenden Wochen und Monaten vor mir liegt und im Augenblick eine enorme Nervosität in mir brodelt.

Niemand kann mir beantworten, was noch in diesem Jahr und vor allem im nächsten Jahr passieren wird. Ich würde es hier gerne aufschreiben, kann es allerdings noch nicht, da es noch vor mir liegt. Man kann also sagen, das ich diese Zeilen hier gerade im hier und jetzt schreibe.

Wenn das Buch allerdings veröffentlicht wird, ist das Kapitel „Blick in die Zukunft" schon wieder vergangen. Da ich dieses Buch bald abgeben muss, damit es von jemandem der wirklich Ahnung vom schreiben hat noch einmal auf Rechtschreibfehler und Grammatik geprüft wird und das ein oder andere von meinem doch recht verwirrenden Satzbau noch einmal geradegebogen wird, muss meine Zeitreise nun enden, da es ansonsten nicht pünktlich fertig wird.

Eigentlich widerstrebt es mir einen Blick in die Zukunft zu wagen, da ich im Grunde derjenige bin der abwartet und schaut was passiert. Ich kann also nur raten was alles passiert und meine Hoffnungen und Wünsche äußern, das alles weitere gut wird und meine musikalische Reise in die Vergangenheit mit einem Happy End endet. Geplant ist in den nächsten Wochen und Monaten noch vieles. Angefangen bei einer weiteren Fotosession und dem Videodreh zu dem Song „Geboren um zu leben". Ich denke, das steht fest und wird sich wohl auch nicht mehr ändern. Ich hoffe, dass alles gut funktioniert und das es bald schöne neue Fotos geben wird und ein Video zu „Geboren um zu leben", welches alle Fans und mich begeistert. Zudem sind die Planungen für die „Grosse Freiheit Tour" schon in vollem Gange. Wir alle planen eine Show, die aufwendiger ist als alles andere, was wir bisher auf die Beine gestellt haben. Ich hoffe und wünsche mir, dass dies auch so funktioniert. Ebenso frage ich mich, wie die „Grosse Freiheit" letztendlich wird.

Natürlich ist zu diesem Zeitpunkt, wo ich dieses Buch schreibe, alles bisher wunderbar. Aber wie es nun genau wird, weiß ich fioch nicht. Ich habe das Gefühl, dass etwas Großes ansteht und „Grosse Freiheit" außergewöhnlich wird. Ich hoffe, dass dies auch so sein wird.

Viele Fragen und viel Ungewisses liegt noch vor mir und allen Beteiligten. Ebenso können wir nächstes Jahr unser 10-jähriges feiern. Wenn ich diese Zeilen schreibe spüre ich, dass ich noch immer viele Träume habe. Ebenso viele Wünsche und Hoffnungen. Im Grunde kann ich mir für den Blick in die Zukunft nur eines wünschen. Ich würde mich freuen, wenn es einfach immer so weiter geht wie bisher und ich vielleicht viele weitere wundervolle Erlebnisse, die nun noch in den Sternen stehen, mein eigen nennen kann.

Abschlusswort

Nachdem ich nun diesen recht weiten Rückblick gewagt habe, bin ich doch sehr erstaunt darüber, wie die Dinge in meiner Vergangenheit sich so abgespielt haben. Ich hatte vieles wirklich vergessen und ohne diesen kleinen Rückblick wären sie wohl für immer verloren gewesen.

Gerade die Erinnerungen aus den frühen Jahren, wären irgendwann unwiderruflich fort gewesen und ich bin froh darüber, dass ich sie wieder entdeckt habe. Das Abtauchen in die Vergangenheit hat Spaß gemacht und war ein schönes Gefühl. Allerdings war es auch eine besondere Erfahrung für mich persönlich. Ich hatte mir anfänglich gewünscht, dass ich vieles, was in der Vergangenheit passiert ist nun durch das Schreiben verstehe. Dies war letztendlich auch der Fall. Setzte sich das Puzzle, wer ich bin und warum ich so bin wie ich bin, doch erst zusammen, nachdem ich alles ein wenig aufgearbeitet habe. Das was gewesen ist, ist manchmal genauso wichtig, wie das was kommen wird. Ich glaube, dass man immer das Resultat von dem ist, was man mal war. Das Ganze klingt recht geschwollen, aber ich denke, dass es bei mir so ist. Es gab bei meinem persönlichen Rückblick viele „aha-Effekte" für mich. Oft musste ich aufhören zu schreiben, weil ich plötzlich bestimmte Dinge erst verstand. Ich musste mich gedanklich erst einmal wieder finden und die kleinen wieder entdeckten Puzzlestückchen in mein „Jetzt und Hier" erst einsetzen, um weiter schreiben zu können. Im Vorfeld habe ich lange überlegt, ob ich dieses Buch überhaupt schreiben soll. Wen interessiert das denn, fragte ich mich. Ebenso weiß ich, das es wieder viele geben wird, die nur sagen, dass ich nun noch kommerzieller werde, weil ich ein Buch schreibe. Ich glaube, ich habe angefangen das Buch zu schreiben, um den Fans eine Möglichkeit zu geben mich als Mensch vielleicht noch besser zu verstehen. Aufgehört dieses Buch zu schreiben habe ich allerdings mit der Gewissheit, dass ich mich vor dem schreiben des Buches weniger kannte und mich dadurch erst einmal selber wirklich kennen gelernt und verstanden habe.

Daher denke ich, diese kleine Zeitreise in Form eines Buches ist für mich als Mensch wahrscheinlich enorm wichtig gewesen und ich bin froh darüber, dass ich es getan habe. Es war schön, in meiner Vergangenheit zu stöbern und vieles wieder zu entdecken. Ich kann jedem nur den Rat geben, dies für sich persönlich einmal selber zu tun. Der Vorgang ist reinigend und befreiend. Er tut einfach gut. Sich mit sich selber und dem Vergangenen auseinanderzusetzen, schafft einen anderen Blick auf alles. Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich die Zeit genommen haben bei meiner kleinen Zeitreise dabei gewesen zu sein. Ich hoffe, ich konnte euch auf diesem Wege ein bisschen mehr zeigen, wer ich bin und warum ich vielleicht heute so bin, wie ich bin. Dass ich diese Buch hier schreiben konnte, verdanke ich wie immer euch Allen. Ihr habt diese meine Zeitreise in einer Form bereichert, die nicht in Worte zu fassen ist.

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