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krahl_kurz-kleines woerterbuch der stilkunde

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Isokolon n: syntaktischer Gleichlauf, Parallelität der Satzstruktur. Es verbindet thematisch sich ergänzende Aussagen eines Textes und ist Ausdruck gleicher Gedankenstruktur (↑ Isolog). Besondere Formen des Isokolons sind die syntaktische ↑ Anapher und die syntaktische ↑ Epipher, z. B. Aus Prag bekam sie die Stöckelschuh / — Das bekam sie aus der Stadt Prag. / — Aus Warschau bekam sie das leinene Hemd. / — / Das bekam sie vom Weichselstrand (Brecht). ↑ Wiederholung, ↑ auch Parallelismus.

Igolierung ↑ satzmäßige Absonderung.

Isolog m: mögliche Bezeichnung für Parallelität der gedanklichen Struktur von Textpassagen, nicht gebunden an Paralleli-tät der syntaktischen Form (↑ Isokolon) oder an parallel erscheinende Wortformen (lexische ↑ Anapher, lexische ↑ Epipher). Das folgende Textstück zeigt Parallelität auf lexischer, syntaktischer und gedanklicher Ebene: Partnerbetriebe, die bisher gewohnt waren, ihre Technologie nach eigenem Ermessen zu entwickeln, sahen sich nun Folgen gegenüber, die . . . / Forscher, die bisher nur an den Erfolg ihres eigenen Themas zu denken brauchten, sahen sich nun mit der Forderung konfrontiert, . . . / Leiter, für die es bisher genügte, den Plan zu erfüllen, erhielten nun Verantwortung für . . . Auf lexischer Ebene wiederholen sich in den Sätzen die Wörter die, bisher und nun, und zwar an der gleichen Stelle im Satz. Auf syntaktischer Ebene wiederholt sich die Struktur Subjekt im Plural + Relativsatz + Verb im Prä-teritum; es handelt sich also zugleich um syntaktische Paralleli-tät, um ein Isokolon. Unter dieser sprachstilistisch (lexisch und syntaktisoh) faßbaren Parallelität ist Parallelität des Gedankens verborgen: Es erscheint jedesmal eine thematisch gleiche ↑ Anti-these zum Oberthema „Rentabilität" (Brauch und Novum werden gegenübergestellt); diese gedankliche Parallelität, zu bezeichnen als Isolog, bliebe auch ohne lexische und syntaktische Gleichheit bestehen: Partnerbetriebe, gewohnt, . . . / Bisher nur um den Erfolg ihres eigenen Themas besorgte Forscher .. . / Hatte es den Leitern genügt, . . ., so ... Lexische Wiederholung und syntaktischer Gleichlauf sind also sprachlich auffällige, aber nicht notwendige Erscheinungsformen eines Isologs, einer charakteristischen Figur des ↑ Denkstils.

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Klammerung

Jargonismus: von der Norm abweichender Ausdruck, der überall dort entsteht, wo soziale oder berufliche Gruppen sich miteinander verständigen. In der Klassengesellschaft hat die Jargonbildung meist Klassencharakter, z. B. der Militaristenjargon als Ausdruck machtbewußter Überheblichkeit. Doch kann auch die harmlose Freude am humoristischen Anderssagen die Grundlage sein, z. B. bei den Spielarten der Schülerjargons. ↑ auch Fachjargoniamus, Stilfärbung, Stilschicht.

judiziale Gattung ↑ unter Rhetorik.

E

Kanzlei[sprach]stil: 1. historisch: der von Kanzleien, d. h. von zentralen und territorialen Behörden und Beurkundungsstellen in Akten und offiziellen Mitteilungen verwendete Sprachstil, gleichbedeutend mit ↑ Amts[sprach]stil. — 2. abwertend: papierene, vom Mündlichen und von moderner Ausdrucksweise vor allem in Syntax, aber auch in Phraseologie und Lexik abweichende Redeweise.

Kataehrese f: 1. im ursprünglichen Sinn ein ↑ Tropus, der eine Erscheinung benennt, für die keine konventionelle Bezeichnung vorliegt. — 2. heute oft der unpassende Gebrauch eines ↑ Epithetons (verwelkendes Licht, leises Schauen); dieser Gebrauch kann beabsichtigt sein (↑ Synästhesie).

Kerngedanke: rationaler Aussagekern (↑ Aussage); Summe einer Folge von argumentierenden Gedanken (↑ Syllogismus) oder veranschaulichenden Merkmalen (↑ veranschaulichende Merkmalsfolge).

Klammerung, Einklammerung, Rahmung: Einschluß eines Satzteils zwischen zwei Wörter, die zusammen eine grammatische Form bilden oder gemeinsames Signal eines Gliedsatzes sind. Danach unterscheidet man (1) die nominale Klammer: Ein-

Klimax

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sschluß von Attributen zwischen das Substantiv und den Artikel bzw. das Pronomen (ein nachträgliches, aus historischer Distanz wertendes Lebensinteresse [Billa]); (2) die verbale („prädikative") Klammer: Einschluß eines Satzteils zwischen die flektierte Verbform und zugehörige Einheiten: den Inflnitiv (wirst . . .

schreiben), das Partizip (haben . . . bekommen), das Präfix (trat .

. . ein), das zugehörige Substantiv (nahm . . . in die Hand / nahm . . . Abschied), ein Direktivum (lege . . . hierher), die Negation (sagt . . . nicht); (3) die hypotaktische Klammer: Einschluß zwischen das Nebensatzsignal (Konjunktion, Relativpronomen) und die endgestellte Verbform (weil er / welcher ... lobte).

Die Klammerung ist für den deutschen Satz kennzeichnend; der ↑ Alltagsstil übertrifft darin oft die literarischen Normen (macht. . . zu für ,schließt', macht... ab für ,entfernt', macht. .

. auf für .öffnet', macht ... ganz für .repariert', bringt . . . bei für ,lehrt'). Die Klammer kann stark belastet werden (↑ Satzspannung); Überlastung beeinträchtigt, vor allem im Mündlichen, das Verständnis. Aus diesem und aus anderen Gründen wird ↑ Ausklammerung vorgenommen. Klammerung darf nicht mit ↑ Rahmenbau verwechselt werden.

Klimax f: Aufzählung in steigender Linie, Gradation (Steigerung); graduell gewichtigere Bezeichnung des weiter ausgeführten Gegenstandes oder Gedankens, z. B. der Angriff der Monopolbourgeoisie auf den sozialen Besitzstand, auf die sozialen Rechte, auf die soziale Sicherheit der Werktätigen.

Antiklimax.

Klischee n: stereotyper Ausdruck, der unverarbeitet in eine Aussage übernommen wird und daher ohne Überzeugungskraft ist. ↑ auch Fertigstücke.

kollektive direkte Reflexion ↑ unter direkte Beflexion. kollektive erlebte Beflexion ↑ unter erlebte Reflexion. kollektiver innerer Monolog ↑ unter direkte Reflexion. kombinierter Tropus ↑ unter Tropus.

Kommentieren: erörternde Darstellungsweise, mit deren Hilfe der Autor kritische Erwägungen über ein Problem anstellt. Ergebnisse sind der Kommentar als publizistisches Genre oder der Kommentar als Erläuterung zu offiziellen Texten, z. B. zu Gesetzestexten. ↑ Erörtern, Darstellungsarten.

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Konkretisierung

Komposition: syntaktische und phonetische Gestaltung der Wortgruppe, des Satzes, der Aussagenfolge. Umgangssprachlich sind Sätze meist locker aneinandergereiht. Die dramatiscbe Umgangssprache übernimmt oftmals diese syntaktische Kompositionsweise: Was machen Ihre Jungens? Ja, ja, ich weiß. Große Jungen machen mit Fleiß das Gegenteil von dem, was die Mutter will, habe ich recht? Meiner war genauso (Baierl). In strenger Prosa wird diese Kompositionsweise stilisiert: Das Dorf, in dem der Fall sich ereignete, lag nicht am Rande der Welt, es war auch nicht mitten im Winter, und das Ereignis fand auch nicht statt im Altertum oder im Mittelalter, sondern in Deutschland, im Frühjahr 1948, in einem Dorf in Württemberg, einige Gehstunden entfernt von der Kreisstadt

(Becher). Kunstvoll komponiert ist die Satzperiode. Sie verbindet mebrere Aussagen in der Weise, daß die Satzeinheit in zwei Teile, in einen spannungsschaffenden (Protasis f) und in einen spannungslösenden (Apodosis f), gegliedert ist. Diese Teile stehen

— entweder koordiniert oder subordiniert — in antithetischem Verhältnis zueinander. Zum Beispiel: In Erwägung unserer Schwäche [= Protasis] machtet / Ihr Gesetze, die uns knechten solln [= Apodosis]. Die Gesetze seien künftig nicht beachtet [= Apodosis] / In Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein wolln [= Protasis; hierbei Umstellung von Protasis und Apodosis] (Brecht). Stilisierende Komposition liegt auch vor bei Absonderang, Anapher, Ausklammerung, Berichtigung, Epipher, Klimax, Kreuzstellung, Pointe, stilistischer Satzgliedfolge.

Die Komposition als Aussagen vereinigendes Prinzip ist zu unterscheiden von dem die Aussagen anordnenden Prinzip, der Disposition.

Komprimierung: Raffung, zur Dichte führend. Konkretisierung: 1. Zurückführen einer allgemeinen Aussage auf konkrete Aussagen (Tatsachen, Details). — 2. stilistisch unbeabsichtigte oder beabsichtigte Rückverwandlung eines Tropus in seine ursprünglich konkrete Bedeutung. Unbeabsichtigt wird z. B. die Metapher aus der Bahn werfen in dem Satz konkretisiert: Das Leben des Lokführers war mit diesem Unfall aus der (seiner) Bahn geworfen; beabsichtigt ist die Rückverwandlung oft beim Wörtlichnehmen.

5Stilkunde

Konspekt

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Konspekt unter Exzerpt.

konspirative Gedankenführung Gedankenführung.

Kontamination (im stilistischen Sinne): Verschmelzen mehrerer nicht zusammengehörender gedanklich-sprachlicher Formen (Wort, Phraseologismus, auch Sprachbild) auf Grund gemeinsamer Teile. Unbewußte Kontamination gilt als Stilfehler, bewußte dient häufig der Satire, z. B. Kompromißgeburt (aus Kompromiß und Mißgeburt). Kontamination von Phraseologismen entsteht unbeabsichtigt durch Schwund des ursprünglich metaphorischen Gehalts einer Wortfügung; genereller gilt dies auch für die Kontamination von Sprachbildern überhaupt (Bildkontamination).

Kontext: 1. Textzusammenhang; relativ geschlossene Einheit, die bei Voraussetzung bestimmter Sachkenntnisse und bestimmter Lebenserfahrung des Publikums eine selbständige, in sich determinierte Aussage enthält. — 2. auch Situationszusammenhang, in dem eine Äußerung steht.

kontextnale Einsparung: durch den Kontext im weitesten Sinn, d. h. durch Umgebung des Textes (auch Satzkonstanz), Situation, Gebärden, graphische, fotografische, filmische Mittel mögliche Einsparung an Ausdrack (Ausdruck 1), z. B. Einsparung an Raum-, Zeit-, Kausalangaben, eigentlich notwendigen kennzeichnenden Attributen, Begriffen, Satzteilen. Der kontextualen Einsparung in der aktuellen Mitteilung (der parole) entspricht die im Sprachsystem (der langue) fixierte grammatische Einsparung; beide sind Erscheinungsformen der Sprachökonomie.

kontextuale Mittel: Sprachmittel, deren Aussagefunktion erst im übersatzmäßigen Zusammenhang aktiviert bzw. eindeutig wird. Kontextuale Mittel bilden ein partielles System, das durch verschiedene Verbindüng unterscheidender Merkmale gekennzeichnet wird. Zum Beispiel sind, um die Form der direkten Reflexion und der erlebten Reflexion zu bestimmen, syntaktische, semantische, perspektivische, mitunter graphische Unterscheidungsbzw. Abgrenzungsmerkmale notwendig. Kontextualer Mittel zur exakten Bestimmung bedürfen z.B. Fügungen mit sollte, da sie Pflicht, nichtverbürgte Mitteilung oder zukünftigen Sachverhalt bezeichnen können.

kontextuale Redekennzeichnung unter Redekennzeichnung.

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Kreuzstellung

kontextuale Synonymie: Sonderform der Synonymie. Verschiedene Wörter bezeichnen innerhalb eines Textes dieselbe Person, denselben Sachverhalt, z. B. in einem Text über Marx: der Philosoph, der Deutsche, der Sohn eines Bürgers, der Führer des Proletariats, der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, der Entdecker der gesellschaftlichen Entwicklungsgesetze, der Theoretiker der jungen Arbeiterklasse, der größte Sohn des deutschen Volkes, der unermüdliche Arbeiter. Als kontextuale Synonyme können (wie hier) Eigennamen, Gattungsnamen, umschreibende Klassifizierungen fungieren. auch synonyme Wiederholung. kontextuale Verdeutlichung: Sammelbezeichnung für die Umschreibung von Wörtern, Verwendung anderer grammatischer Formen und Fügungsweisen, die durch den Kontext der Eindeutigkeit wegen erzwungen werden. Zum Beispiel irritiert der Gebrauch von Homonymen, auch wenn sie Termini (Terminus) sind, in ein und demselben Zusammenhang; auch indifferente Anfangstellung zwingt zu kontextualer Verdeutlichung.

Der kontextualen Verdeutlichung, der Verdeutlichung auf der Ebene der aktuellen Rede (der parole), entspricht die im Sprachsystem (in der langue) fixierte grammatische Verdeutlichung; beide sind Erscheinungsformen der Spracheffizienz.

Konzept: vorläufiger Entwurf, Zwischenstufe zwischen fixierter Disposition und endgültigem Text. Das Konzept enthält in

sprachlich gedrängter Form bereits die endgültige Aussage. Kreuzstellung: Fortführnng einer Aussage unter Umkehrung der Wortfolge, z.'B. Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen

(Marx). Die Kreuzstellung hat mehr oder minder antithetischen Charakter (Antithese). Ergänzen sich in dieser Struktur in überraschender Weise zwei Aussagen, so kann die Kreuzstellung dem Pointieren einer Aussage dienen. Zum Beispiel antwortet Kisch auf die Frage, was er von politischen Redakteuren in Amerika halte: Von ihnen gibt es zwei Gruppen. Die eine schreibt mehr als aie weiß, und die andere weiß mehr als sie schreibt..

künstlerischer Sprachstil

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künstlerischer Sprachstil, belletristischer Sprachstil: Sammelbezeichnung für den Sprachstil bzw. die Sprachstile künstlerischer Werke, weniger genau auch als literarischer Stil bezeichnet. Die Existenz eines künstlerischen Sprachstils wird teils bestritten, teils entschieden vertreten. Einerseits wird gesagt, künstlerische Äußerungen hätten keinen allgemeinen Stil, sondern nur speziflsche Stile, Individualstil. Zudem hätte die Zahl lexikalischer und syntaktiseher Poetismen (Poetismus) so stark abgenommen, daß von der Bildung eines eigenen Systems keine Rede sein könne. Andererseits werden zwei allgemeine Merkmale für den künstlerischen Sprachstil angeführt: die potentiell breiteste Auswahl an sprachlichen Formen (Kombinationen) und ihre intensive und schöpferische Verwendung, sodann der Umstand, daß die Sprachformen nicht nur dem nichtsprachlichen Inhalt dienen, sondern als ästhetische Mittel selbst Teile der ästhetischen Struktur des künstlerischen Werkes sind.

Eindeutiger hebt sich der künstlerische Sprachstil von speziellen Bereichsstilen ab, so in der Regel vom Stil der Wissenschaft durch die Vieldeutigkeit der Ausdrücke und des Textes insgesamt im Vergleich zur Eindeutigkeit und relativen Beständigkeit wissenschaftlicher Terminologie (Terminus); durch die Möglichkeit der Überfülle des Ausdrucks (Amplifikation) gegenüber der Tendenz zu maximaler Präzision und Dichte; durch individualstilistische Färbung gegenüber entindividualisierter Darstellung (bei relativ gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen; bei hypothetischen Theorien und in der Polemik ist das Eindringen subjektiver Darstellung unvermeidlich); durch Verwendung des Dialogs als Mittel der Aussage gegenüber der Benutzung von Äußerungen (Zitat) als bloßem Beweismittel.

In bezug auf das Kunstwerk selbst ist der künstlerische Sprach-stil nur ein Teil des künstlerischen Stils, da das realistische künstlerisch-literarische Werk nicht nur Sprachkunstwerk ist. Bereichsstil.

69

llterarischer Stil

L

Lakonie f: Knappheit und Schlagfertigkeit des Ausdrucks, der Formulierung, der Mitteilung. In einer lakonischen Äußerung erwartet man oft Ironie, u. U. auch versteckten Zynismus. landschaftliche Dubletten ↑ Heteronyme. ↑ auch unter Dublet-ten. landschaftliche Synonyme ↑ Heteronyme.

Laudatio ↑ unter Rhetorik.

Leitmotiv: leitender, dem ↑ Thema und der ↑ Aussageabsicht dienender Gedanke; auch stehende Redewendung (↑ Phraseologismus) dargestellter Personen als verbindendes kompositorisches Mittel an wichtigen Stellen meist eines künstlerischen oder publizistischen Textes.

Lektorierung: eingehende Überprüfung eines umfangreicheren künstlerischen oder wissenschaftlichen Manuskripts in stilistischer Hinsicht, aber auch in bezug auf Konzeption. und Inhalt, durch eine fremde, nicht an der Ausarbeitung beteiligte Person. Diese, der Lektor, faßt Kritiken und Vorschläge gewöhnlich in einem Lektorat echriftlieh zusammen. ↑ auch Redigierung.

lexische Anapher ↑ unter Anapher. lexische Dubletten ↑ Dubletten. lexische Epipher ↑ unter Epipher. lexische Synonyme ↑ unter Synonyme. linguistische Stilistik ↑ Sprachstilistik.

Linguostilistik ↑ Sprachstilistik.

literarischer Stil: 1. Stil der überlieferten literarischen Zeugnisse im weitesten Sinne, d. h. ↑ schriftlicher Stil, im Unterschied zum ↑ mündlichen Stil. — 2. Stil künstlerischliterarischer Texte im Unterschied zum Stil nichtkünstlerischer Texte, genauer als ↑ künstlerischer Sprachstil bezeichnet. — 3. im Unterschied zu den von der sprachwissenschaftlichen Stilistik erfaßten Komponenten (↑ Sprachstil) die spezifisch literarische (künstlerische) Seite der Texte, die gedanklichkompositionelle Seite (↑ Denkstil) einschließlich der von der traditionellen Grammatik nicht erfaßten Darstellungsformen und -methoden wie ↑ erlebte Reflexion, ↑ direkte Reflexion, ↑ Pointieren. — 4. Stil künst-

literarische

Stilisierung

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lerisch-literarischer Werke in Abgrenzung vom Stil anderer Kunstgattungen wie Musik, Plastik, Malerei.

literarische Stilisierung ↑ ästhetische Stilisierung. Literatursprache: 1. im weitesten Sinne: Gesamtheit des Systems der vorbildlichen und verbindlichen schriftlichen und mündlichen nationalen ↑ Sprachnormen, Schriftsprache und mündliche Hochsprache im Unterschied zu sozial oder territorial gebundenen Formen der Sprache (Umgangssprache, Dialekt, Mundart). — 2. historisch: in schriftlichen Zeugnissen überlieferte Sprache, Schriftsprache (↑ auch Schreibe) im Unterschied zur mündlichen Sprache (↑ auch Rede 3). — 3. in (künstlerisch-) literarischen Werken fixierte Form der Sprache im Unterschied zur ↑ Gebrauchssprache; gemeint ist hier der ↑ künstlerische Sprachstil.

literaturwissenschaftliche Stilistik: Disziplin, die sich mit dem ↑ literarischen Stil, insbesondere auch mit den nicht sprachwissenschaftlich faßbaren Komponenten des Stils künstlerischliterarischer Texte (↑ literarischer Stil 3) befaßt, mit jenen Seiten des Stils, die sich nicht auf ↑ fakultative Sprachformen reduzieren lassen (↑ Monolog, Dialog, Darstellungshaltung, Perspektive). Als Korrelat der literaturwissenschaftlichen Stilistik wird gewöhnlich die linguistische Stilistik (↑ Sprachstilistik) betrachtet; diese ist jedoch nicht Korrelat, sondern Bestandteil einer literaturwissenschaftlichen Stilkunde, da Literatur Sprache voraussetzt. Der Gebrauch der Bezeichnung „literaturwissenschaftliche Stilistik" schwankt entsprechend dieser theoretischen Unklarheit und der Mehrdeutigkeit der Bezeichnung „literarischer Stil". ↑ auch Denkstilistik, ↑ auch Stilistik.

Litotes f: Art des ↑ Tropus; verneinende Umschreibung eines Sachverhalts, meist in Form des verneinten Gegenteils. Die Gründe, die Litotes zu setzen, sind mannigfaltig, z. B. kann es die intellektuelle Eigenart eines Sprechers sein, Tatsachen, Urteile grundsätzlich in verneinter Neinform zu bezeichnen (Es ist nicht unberechtigt); Litotes kann auch zur Milderung der Aussage (Ich ärgere mich darüber nicht wenig), zur nachdrücklichen Formulierung, um die Überwindung eines alten Zustands nochmals zu dokumentieren (Es gab kein . . . mehr), zur ironischen Abwertung (. . . womit natürlich nicht gesagt ist, daß dieser

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Metapher

Standpunkt selbst irgendeine Berechtigung hat) eingesetzt werden.

Logik und Stil ↑ sprachliche Aussage und formal-logische Aussage.

Losung: aus der historischen Situation heraus kurz und einprägsam abgefaßter Aufruf, z. B. Krieg dem Kriege!

M

Materia ↑ unter Rhetorik. Materialstil ↑ unter Stilarten.

Melden: Darstellungsart, die aktuelle Fakten aus einem meist umfassenden Sachverhalt abgestuft nach Wichtigkeit sachbezogen und komprimiert mitteilt. ↑ Darstellungsarten, Dichte. meliorativer Ausdruck: Sprachnorm, die eine Erscheinung qualitativ erhöht, aufwertet; sie kann bei arger Täuschungsabsicht den Sachverhalt bewußt verhüllen (↑ Euphemismus). ↑ aber pejorativer Ausdruck.

Memoria ↑ unter Rhetorik.

Merkmalsfolge ↑ veranschaulichende Merkmalsfolge. Merkmalshäufung ↑ Epithetahäufung, veranschauIichendeMerkmalsfolge.

Metapher f: Art des ↑ Tropus; Ersatzbezeichnung; Ersatz eines Ausdrucks durch einen Ausdruck, dessen Bedeutuhg sinnbildlich für die Bedeutung des ersetzten Ausdrucks steht. Wenn z. B. F. Engels die Renaissance-Menschen als Riesen an Denkkraft und Leidenschaft und Charakter würdigt, so steht der Ausdruck Riesen an Denkkraft und Leidenschaft und Charakter für den Ausdruck ,große Männer' im Sinne von ,Männer, groß an Denkkraft und Leidenschaft und Charakter'. Das Verbindende, Gemeinsame des ersetzten und des ersetzenden Ausdrucks ist das analoge Merkmal ‚groß'. Dieses analoge Merkmal ermöglicht das Identifizieren der Renaissance-Menschen mit den Riesen aus den Volkssagen. Dieses Verbindende, Gemeinsame wird als das Dritte des Vergleichs, das ↑ Tertium comparationis bezeichnet. Im Beispiel

Metonymie

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F. Engels' wird das Merkmal ,groß’ in qualitativem Sinne gedeutet (Riesen an Denkkraft). Möglich ist auch die Deutung von ,groß' in quantitativem Sinne, z. B. Der Kapitän unserer Volleyballmannschaft ist ein Riese, d. h. ein hochgewachsener Mann.

Metonymie f: Art des ↑ Tropus; Ersatz eines Ausdrucks durch einen Ausdruck, der außerhalb der Grenzen des begrifflichen Inhalts des ersetzten Ausdrucks liegt (↑ aber Synekdoche), und auf Grund eines begrifflich-logischen Zusammenhangs, z. B. des Zusammenhangs von Ursache und Wirkung (die Zeitungsüberschrift Brecht vertont statt der nicht-metonymisierten Überschrift ,Liedtexte B. Brechts vertont'), von Gefäß und Inhalt (ein Glas trinken statt ,ein Glas Milch trinken'), von Qualitätsträger und Qualität (unser Visavis statt ,die Bewohner des uns gegenüberliegenden Hauses'), von Erscheinung und Symbol (Friede den Hütten! Krieg den Palästen! [Büchner]).

Modernismus: mögliche zusammenfassende Bezeichnung für modische Ausdrücke (Modewörter, Modefügungen), die zunächst dem Bedürfnis, einer Aussage besonderen Nachdruck zu geben, entspringen, aber infolge häufigen Gebrauchs und gedankenlosen Nachsprechens bald inhaltsleer sind. ↑ Stilfärbung, ↑ auch charakterologischer Ausdruck, Neologismus, ↑ aber Archaismus, Anachronismus.

Modewort ↑ unter Modernismus.

Monolog m: Selbstgespräch einer Gestalt in einem Kunstwerk, z. B. im Drama die Äußerung von Gedanken und Gefühlen, soweit sie nicht aus der Handlung selbst hervorgehen. Seltener dient der Monolog rein technischen Zwecken. (Erläuterung zur Handlung usw.). In diesem Fall nähert er sich der ↑ Anrede. Der Monolog ist eine aus der Antike überkommene Form; er nimmt auch in der realistischen Weltliteratur großen Raum ein und kann hier wichtige Funktion haben (etwa der Monolog des Hamlet), wobei sich das Publikum stets als Adressaten dieser dramaturgischen Konvention weiß. — Der klassische Mono-log wird heute oft nicht als Selbstgespräch, sondern als tech-nisch reproduzierte Rede (Tonbandaufzeichnung) zu stummem Spiel oder als Einblendung in eine Funksendung gebracht. Dadurch und durch weitere technische Verfahren wird der Monolog bei gleichem Stil verändert, überhöht, überwirklich.

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mündlicher Stil

Hier haben sich neue Konventionen angebannt, die sinnvoll die Technik ins Spiel bringen. Dem Monolog, dem Alleingespräch, entgegengesetzt war in der älteren Dramatik der ↑ Dialog, das Zwiegespräch. Da der Monolog heute oft als nicht geäußert dargestellt wird, nähert er sich dem ↑ inneren Monolog.

morphologische Synonyme ↑ unter Synonyme.

mündlicher Stil, mißverständliche Bezeichnung Sprechstil: durch die mündliche Kommunikationsart bestimmter Stil im Unterschied zum ↑ schriftlichen Stil. Der mündliche Stil ist infolge der Eigenheiten mimischer, gestischer und akustischer Mittel gegenüber graphischen Mitteln und auch — wenn es sich nicht um fernmündliche Mitteilung (Hörfunk usw.) handelt — durch den Einfluß der Situation vom schriftlichen Stil potentiell verschieden. Bestimmend für den mündlichen Stil ist die Möglichkeit, durch Mimik, Gestik und phonetische Mittel (Betonung, Sprechtempo, Lautstärke, Tonhöhe) Sinnwichtiges hervorzuheben oder überhaupt den Schlüssel zum Verständnis zu geben (mimische Zeichen für ↑ Ironie usw.); bestimmte Redeteile erübrigen sich durch den Kontext (↑ Kontext 2), durch Gestik usw. Andererseits entbehrt die mündliche Äußerung differenzierender Zeichen zur gedanklichen Gliederung; sie ist im Vergleich zur schriftlichen nicht überschaubar. Gegebenenfalls muß im Inhalt der Äußerung auf die Struktur und auf das quantitative Verhältnis des Gehörten zum noch zu Hörenden hingewiesen werden

(Damit kommen wir zu .. . / Ich beginne mit . .. / Nun ein Wort zu .. . / Ich zitiere: / Zitat-Ende / Ich komme nun zum Schluß).

Im allgemeinen weist der mündliohe Stil relativ — d. h. in Abhängigkeit vom Bildungsgrad des Sprechenden und vom Gegenstand der Mitteilung — einfacheren Satzbau auf, er ist mehr verbal als nominal orientiert, ↑ Zuordnungsfolge und ↑ Zuordnungshäufung werden gemieden oder parataktisch aufgelöst. Unregelmäßigkeiten der Syntax wie ↑ Satzbruch und ↑ Gedankenabbruch sind bestimmten, mündlichen Formen, etwa dem Erlebnisbericht oder dem ↑ Dialog (↑ auch Satzkonstanz), angemessen; die formale Vollendung der Rede kann sich durch außersprachliche Faktoren erübrigen. Andererseits zwingt die Flüchtigkeit des gesprochenen Worts — abhängig von Stoff und Hörer — mehr zu Breite und Wiederholungen.

Nachdruckformen

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Der real vorhandene Partner wirkt nicht nur im Dialog, sondern auch bei monologischer Mitteilung auf die sprachliche Form ein. Inwieweit die besonderen Bedingungen der modernen Massenmedien (etwa die Unsichtbarkeit des Sprechers im Hörfunk oder das Überwiegen der Bildkomponente innerhalb des Bild-Wort- Komplexes im Fernsehfunk) den mündlichen Stil modifizieren, ist noch nicht schlüssig untersucht.

N

Nachdruckformen: attributive Formulierungen anstelle von Komposita, z. B. Ministerium der Finanzen für ,Finanzministerium', Rat des Kreises für ,Kreisrat', Theorie der Entstehung für ,Entstehungstheorie', oder anstelle von Präpositionen, z. B. in der Zeit ihres Aufenthalts für ,während ihres Aufenthalts', in den Spalten der Zeitung für ,in der Zeitung'. Üblich gewordene Nachdruckformen sind ↑ Fertigstücke und haben nicht mehr Gewicht als Komposita; sie begünstigen die Bildung von Genitivketten.

Nachdruckstellung ↑ stilistische Satzgliedfolge. Nachholtechnik: mögliche übergreifende Bezeichnung für das Prinzip, Ursache, Vorgeschichte, Vorbedingung nach der Sache anzuführen, auch wenn sie wichtiger sind als die Sache selbst und wenn diese nur eine der möglichen oder tatsächlichen Folgen bildet. Zur klaren Scheidung des Nachzuholenden von der eigentlichen ↑ Zeitebene des Textes dienen meist die relativen Tempora Plusquamperfekt und Perfekt. Steht das Nachgeholte im gleichen Tempus wie der übrige Text und ohne besondere Zeitadverbiale, so kann dies auch als Fehler in der Gedankenfolge erscheinen.

Eine ↑ rhetorische Figur der Nachholtechnik im engeren Sinne bildet das ↑ Hysteron-Proteron; Ergebnis der Nachholtechnik im weiteren Sinne, bei Schilderung größerer Zusammenhänge, sind ↑ Rückgriff und ↑ Rückblende. ↑ auch Nachtrag.

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Nominalstil

Nachtrag: 1. Bezeichnung für die ↑ Absonderung von Satzteilen. — 2. im engeren Sinn Bezeichnung für ↑ satzmäßige Absonderung. — 3. In bezug auf den Geaamttext können auch ↑ Hysteron-Proteron und ↑ Nachholtechnik als Formen des Nachtrags bezeichnet werden.

Namenwitz: Form des ↑ Wörtlichnehmens, oft Mittel der Satire, mitunter in allegorischer Funktion, z. B. Weerths Gestalt „Preiß", ↑ Wortwitz.

Narratio ↑ unter Dreiteilung. Nationalstil ↑ unter Stilarten.

Nebenaussage: (1) in der argumentierenden Gedankenfolge der argumentierende Gedanke, der Beleg, der vernünftige Grund (↑ Ratio); (2) in der ↑ veranschaulichenden Merkmalsfolge das bestimmende Merkmal, der besondere Umstand, die Einzel-heit (↑ Detail).

Die Nebenaussage präzisiert die ↑ Hauptaussage durch Häufung von Belegen und Merkmalen. Syntaktisch sind Nebenaussagen nicht an bestimmte Formen gebunden. Sie können der Hauptaussage in Form von Satzgliedern oder Gliedsätzen untergeordnet, in Form eines Hauptsatzes übergeordnet sein, aber auch in formal selbständigen Sätzen folgen. Erhält die Nebenaussage durch Umfang, syntaktische Stellung und Wortwahl mehr Gewicht als die Hauptaussage, so besteht die Gefahr, daß die ↑ Perspektive verschoben und vom ↑ Thema 1 abgelenkt wird.

Neologismus: Ausdruck, der neue, ins Bewußtsein tretende natürliche und gesellschaftliche Erscheinungen benennt. Er verharrt oder schwindet in Abhängigkeit von der geschichtsgebundenen Erscheinung. ↑ Stilfärbung, ↑ auch Modernismus, ↑ aber Archaismus, Anachronismus.

nominale Klammer ↑ unter Klammerung.

Nominalstil: Darstellungsweise, die sich relativ vieler Nomina (Substantive und Adjektive) (↑ auch Attributhäufung) bedient. Die Nomina werden hier meist Hauptträger der mitzuteilenden Gedanken, Vorstellungen, Impressionen, Assoziationen. Der Nominalstil kann sehr verschiedenen Zwecken dienen. In ihm können sich impressionistische Einzelvorstellungen äußern, z. B. in der Reportage: . . . der Motor, das geduldige, starke Tier . . .

fauchend und dröhnend, durch die seltsam enge Nebelwelt

Normalfolge

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des kalten Vormorgens . . . Eine Talsperre. Hohe Gerüste. Schienen. Gebäude . . . (Weiskopf). Andererseits verkörpert der Nominalstil, z. B. in wissenschaftlicher Darlegung, Begriffe und hohe Verallgemeinerungen: die ständige Erweiterung und Vervollkommnung der Produktion auf der Grundlage der modernsten Technik.

Vom Nominalstil als Mittel literarisch-impressionistischen oder wissenschaftlich-begrifflichen Darstellens sind die von der Aussagesubstanz nicht getragenen extrem nominalen Formulierungen zu unterscheiden, etwa: Vor uns steht die Aufgabe der gründlichen Überprüfung der Möglichkeiten der Verbesserung der Technik der Produktion aller Abteilungen des Betriebes (statt: Wir müssen gründlich überprüfen, wie die Produktionstechnik in allen Betriebsabteilungen verbessert werden kann). Solcher Stil hat seine Ursache meist in mangelndem Umsetzen resümierender Begriffe (↑ Stichpunkte), unbedachter Verwendung von ↑ Fertigstücken und von ↑ Streckformen. ↑ auch Statik, Zuordnungshäufung, ↑ aber Verbalstil.

Normalfolge: übliche Abfolge der Satzglieder innerhalb .eines isolierten bzw. Beispielsatzes, in dem kein Satzglied besonders hervorgehoben ist. Als normal gilt traditionell die Folge Subjekt

— Prädikat — Dativobjekt — Akkusativobjekt oder Subjekt — Prädikat — adverbiale Bestimmung. Enthält jedoch z. B. der Anfangssatz einer ↑ suprasyntaktischen Einheit eine Zeitbestimmung, so kann die Folge Zeitbestimmung — Prädikat usw. als normal gelten (Jedes Jahr setzte Großvater vorgezogene Kürbispflanzen in Kompost . .. [Strittmatter]). Dabei rangiert die Zeitbestimmung vor der Ortsbestimmung (Gestern fand im ausverkauften Schwimmstadion...); die Umstellung darf bereits als ↑ stilistische Satzgliedfolge gelten (Im ausverkauften Schwimmstadion fand gestern . ..).

Nullfärbung: verbreitete Bezeiehnung für die ↑ Stilfärbnng von Sprachformen, die, isoliert betrachtet, jedem beliebigen Stilsystem, jedem beliebigen Text zugeordnet werden können, ohne daß ihr Gebrauch als unangemessen, als besonders auffallend, als ↑ Stilbruch empfunden würde. Innerhalb eines bestimmten Textes nehmen sie dessen ↑ Expressivität an.

77

Parenthese

0

Ornatus m: Ausgestaltung des Textes nach ästhetischen Prinzipien. Die Forderung nach Ästhetik auch des nichtkünstlerischen Textes, eine Fordftung der antiken ↑ Rhetorik, bezieht sich gleichermaßen auf die gedankliche wie auf die sprachliche Fügung, auf den ↑ Denkstil wie auf den ↑ Sprachstil.

Oxymoron n: Sonderform der ↑ Antithese; Verbindung zweier sich scheinbar widersprechender Begriffe zu einer sinnvollen Aus-sage mit der Absicht, eine widersprüchliche Erscheinung der Wirklichkeit nachdrücklich und originell zu kennzeichnen (stummer Aufschrei). Bei Kisch ist folgende Herleitung eines Oxymorons zu lesen: . . . der Seelsorger der Anstalt. En profil schien er dick, denn er trug einen Bauch vor dem Bauche, en face aber mußte man ihn als mager bezeichnen, weil seine Schultern und sein Körper schmal waren. Dieser bäuchig-magere Priester ...

P

Paradoxon n: Sammelbezeichnung für alle Arten absichtsvoller Kontrastierung von Inhalt und Form, z. B. beabsichtigter ↑ Doppelsinn, ↑ Ironie, ↑ Litotes, ↑ Oxymoron.

Parallelismus: gleichlaufende Struktur der Gedankenführung (↑ Isolog), zuweilen verengt auf gleichlaufende syntaktische Form (↑ Isokolon). Lexischer Parallelismus liegt in lexischer Anapher (↑ unter Anapher) und lexischer Epipher (↑ unter Epipher) vor.

Parenthese f: Form der ↑ Einschaltung; Einschub, der die Satzkonstruktion vorübergehend aufhebt und einen relativ abgeschlossenen Gedanken enthält, der den dargestellten Sachverhalt erläutert oder bewertet. Die Parenthese wird in Gedankenstriche, aber auch in Klammern oder Kommata ein-

Parodieren

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gesohlossen. Parenthesen können belebend, humoristisch, assoziativ, polemisch wirken.

Parodieren: Darstellungsweise, die dazu dient, den Sprachstil berühmter oder berüchtigter Autoren in scherzhafter, spöttischer, höhnischer, sarkastischer Absicht nachzuahmen. Tucholsky parodiert z.B. „Die Moderne um 1900": „Seele", flüsterte er. Dann knallte ein Schuß. Die aufgeschreckten Hausbewohner liefen durcheinander — Schutzleute bahnten sich einen Weg durch die Menge. Der Mann im Hausflur war tot. Sein Blut sickerte durch den linken Ärmel auf den hellblau und grünlich karierten Steinfliesboden und verrann in Rinseln in den staubigen Fugen ...

Pars pro toto ↑ unter Synekdoche.

pejorativer Ausdruck: Sprachform, die auf Herabsetzung einer Erscheinung zielt. ↑ aber meliorativer Ausdruck.

Periphrase f: Art des ↑ Tropus; Umschreibung der Bezeichnung eines Dinges oder einer Person oder der Bezeichnung für einen Sachverhalt durch einen Ausdruck, der Merkmale der zu bezeichnenden Erscheinung benennt: Das Kind, das seine Fragen an den Erwachsenen stellt, wird ein Plagegeist; ein hervorstechendes Merkmal der bürgerlichen Frühperiode, das Wiederaufleben antiker Kulturund Lebenswerte, repräsentiert die Gesamterscheinung der Periode (Renaissance). Als Aussage über bestimmte Merkmale einer Erscheinung nimmt die Periphrase die mannigfaltigsten Formen an, abhängig nicht nur vom Charakter der Sache, sondern auch von der Lebensbzw. Sprech-situation. Die Periphrase kann erscheinen als definierende oder zumindest als charakterisierende Kennzeichnung der gemeinten Erscheinung (Lenin: jaulender, parasitärer und absterbender Kapitaliamus für Imperialismus') oder als laienhafte Um-schreibung der Sache, vielfach anhand äußerer Merkmale. Periphrasen sind auch alle dichterischen und publizistischen Anderssagungen (Tropus), sofern sie die Sache durch Nennung bestimmender Merkmale zu verdeutlichen suchen, wie ↑ Metapher und ↑ Metonymie, ↑ Ironie und ↑ Litotes. In diesen Fällen wird vom kombinierten Tropus gesprochen. Der Titel Falladas Wer einmal aus dem Blechnapf frißt periphrasiert die Bezeichnung Zuchtäusler und assoziiert eine bestimmte Zuchthaussituation. Umgangssprachlich tritt mitunter die stark übertreibende Periphrase hervor (↑ Hyperbel), so z. B. für ‚nichts' die peri-

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Personifizierung

phrastischen Ausdrücke keine Silbe (verstehen), nicht die Bohne (wert sein), nicht ein Körnchen (finden).

Peroratio ↑ unter Dreiteilung.

personale Darstellungssituation: Situation innerhalb eines Textes, in der das Geschehen unmittelbar oder mittelbar aus der ↑ Perspektive einer dargestellten Person, z. B. einer Romangestalt, fixiert wird; in erzählender Literatur spezieller als personale Erzählsituation (↑ auch Erzählsituation) bezeichnet. Die Textperson führt mit ihrer Äußerung oder mit ihrer ↑ Reflexion faktisoh die Darstellung weiter, auch wenn diese nach wie vor in

Er-Form erscheint (↑ erlebte Rede, erlebte Reflexion). Spricht oder reflektiert die Person unmittelbar (↑ direkte Rede, direkte Reflexion), so handelt es sich um ↑ personalen Text bzw. ↑ personalen Stil, im anderen Fall um ↑ Autor-Personen-Text bzw.

Autor-Personen-Stil.

personale Erzählsituation ↑ unter personale Darstellungssituation, ↑ unter Erzählsituation.

personaler Stil: Stil einer im Text auftretenden Person im Unterschied zum eigentlichen Stil des Textes, dem ↑ Autorstil; in künstlerischer Literatur spezieller als ↑ Figurenstil bezeichnet. Der personale Stil wird sichtbar im ↑ personalen Text, z. B. in direkten Äußerungen (↑ direkte Rede, Dialog, Monolog usw.) oder in redeähnlich formulierter ↑ Reflexion. Personaler Stil und Autorstil können verschmelzen (↑ Autor-Personen-Stil). Die Bezeichnung personaler Stil ist nicht identisch mit der zuweilen (so von Kerkhoff) verwendeten Bezeichnung „Personalstil" (↑ unter Stilarten); nicht identisch ist sie ferner mit ↑ Individualstil.

personaler Text, in künstlerischer Literatur auch Figurenrede: Text, den der Autor seinen Personen als geäußert (↑ Rede 2) oder nur gedacht, gefühlt (↑ Reflexion) zuschreibt, im Unterschied zum eigentlichen ↑ Autortext. Autortext und personaler Text können in bestimmten Formen der ↑ Rededarstellung (↑ Inhaltsangabe) und der ↑ Reflexionsdarstellung (↑ erlebte Reflexion) in bezug auf die ↑ Perspektive verschmelzen (↑ Autor- Personen-Text), in anderen Fällen (↑ Redebericht) syntaktisch vereinigt sein.

Personiflzierung: Ausstattung unbelebter Erscheinungen mit Eigenschaften, Gefühlen, Absichten, Handlungsweisen be-

Perspektive

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lebter Wesen: Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion (Marx/Engels).

Perspektive f: Blickrichtung des Textes in räumlicher, zeitlicher, personaler, gedanklicher Hinsicht. Der Wechsel von einer Perspektive zu einer anderen muß deutlich erkennbar sein; er kann auch künstlerischer Absicht dienen (↑ Point-de-vue-Technik). Perspektiven können verschmelzen., z. B. in der ↑ erlebten Rede.

Phrase f: 1. in der älteren Grammatik ursprünglich Satz (so auch noch im Französisehen), dann auch phraseologische Fügung (↑ Phraseologismus). — 2. in der strukturellen Linguistik Satzteil, der zum Substantiv (Nominalphrase) oder zum Verb (Verbalphrase) gehört. — 3. in Stilistik und Sprachkritik leere Redensart, nichtssagende Äußerung, abgedroschene, oft pathetische Formulierung, Klischee, Formel (↑ Formeln), Floskel (↑ Floskeln).

phraseologische Fügung ↑ Phraseologismus.

Phraseologismus, phraseologische Fügung, stehende Wortverbindung, [idiomatische] Redewendung: Wortfügung, deren Bedeutung nicht der Summe ihrer Bestandteile entspricht; ein Teil oder die gesamte Wortfügung wird nicht-wörtlich verstanden (eine Prüfung ablegen / etwas unter Dach und Fach bringen). ↑ auch unter Fertigstücke.

Pleonasmus: Häufung sinngleicher, nach der Wortart versohiedener Wörter (hektisches Rattern) im Unterschied zur ↑ Tautologie, der Häufung sinngleicher, nach der Wortart gleicher Wörter (bereits schon). Heute werden die Bezeichnungen Pleonasmus und Tautologie meist synonym gebraucht. Eine Quelle des Pleonasmus wie der Tautologie ist das Nichtverstehen fremder Wörter (die neu Immatrikulierten für ,die Immatrikulierten').

Poetismus: Sprachform in künstlerischer ↑ Stilfärbung bzw. gehobener ↑ Stilschicht, z. B. Silbervogel für ‚Flugzeug'. ↑ künstlerischer Sprachstil.

Point-de-vue-Technik: literarische Gestaltung eines Geschehens aus wechselnder ↑ Perspektive; Technik des Blickpunktwechsels.

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Präteritalanziehung

Pointe ↑: unerwartete Wendung des Gesagten; überraschende Entspannung einer vorbereiteten Erwartung; Zielpunkt des Witzes.

Pointieren: Darstellungsmethode, mit deren Hilfe der Autor dem eine Erwartung auslösenden Teil einen zweiten, relativ knapp gehaltenen Teil folgen läßt, der die Erwartung unter Ausnutzung einer eigenwilligen Sprachform, z. B. einer ↑ Antithese, eines ↑ Paradoxons, einer beabsichtigten ↑ Konkretisierung, eines ↑ Wortwitzes, mit überraschendem Effekt löst. Zum Beispiel: Eine Pariser Zeitung, befragt von einer Leserin, was sie für das schöne, durch das Alter aber unansehnlich gewordene Geweih ihres Mannes tun könne, antwortete: „Am besten, Sie verschaffen ihm ein neues."

Polysem n: sprachliches Zeichen mit mehreren Bedeutungen, z. B. Zug = ,Gesichtszug', ,Eisenbahnzug', ‚Luftzug', ,Demonstrationszug' usw. Auch Wortgruppen, morphologische und syntaktische Formen können polysem sein. Ein Polysem kann auch nachträglich die Bedeutung anderer semantisch weniger differenzierter Zeichen und Strukturen beeinflussen. Zum Beispiel wird in den beiden Fügungen ein wertvolles Buch erhalten / ein wertvolles Gebäude erhalten zunächst der Sinn von erhalten auf .bekommen' bzw. ‚konservieren' festgelegt und dann die Bedeutung von wertvoll in dem einen Fall als ,teuer' oder ,inhaltlich wertvoll', in dem anderen als ‚historisch bedeutsam' bestimmt; auch die syntaktische Konstruktion erschließt sich nachträglich: Im ersten Beispiel bildet erhalten eine verkappte Passivfügung, im zweiten eine Aktivkonstruktion. Polyseme haben für ↑ Wortspiel und ↑ Anspielung usw. große Bedeutung. Andererseits zwingen sie zu ↑ kontextualer Verdeutlichung. ↑ auch Homonyme.

Polysyndeton ↑ verbundene Aufzählung.

Prägnanz f: gehaltvolle Kürze der Aussageweise, Vereinigung von ↑ Dichte und ↑ Präzision.

praktische Stilistik ↑ unter Stilistik.

Präsens ↑ historisches Präsens, Tempuswahl.

Präteritalanziehung, Präteritalattraktion: Einbeziehung von noch Gegenwärtigem in die Schilderungsoder Erlebnisebene; Angleichung eines gegenwärtigen Sachverhalts an den präteritalen Kontext, an die Erlebniszeit. Zum Beispiel: Vergangenen Monat

6 Stilkunde

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