Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
MENSCH.doc
Скачиваний:
32
Добавлен:
18.05.2015
Размер:
7.28 Mб
Скачать

Text 1: Erich Kästner Keiner blickt dir hinter das Gesicht

Niemand weiß, wie reich du bist...

Freilich mein ich keine Wertpapiere,

keine Villen, Autos und Klaviere,

und was sonst sehr teuer ist,

wenn ich hier vom Reichtum referiere.

Nicht den Reichtum, den man sieht

und versteuert, will ich jetzt empfehlen.

Es gibt Werte, die kann keiner zählen,

selbst wenn er die Wurzel zieht.

Und kein Dieb kann diesen Reichtum stehlen.

Die Geduld ist so ein Schatz,

oder der Humor, und auch die Güte,

und das ganze übrige Gemüte.

Denn im Herzen ist viel Platz.

Und es ist wie eine Wundertüte.

Arm ist nur, wer ganz vergisst,

welchen Reichtum das Gefühl verspricht.

Keiner blickt dir hinter das Gesicht.

Keiner weiß, wie reich du bist...

(Und du weißt es manchmal selber nicht.)

Text 2: Das alles kommt mir so spanisch vor

Vor-Urteile sind vorschnelle Urteile. Es sind völlig oder teilweise falsche Urteile, denen mangelhafte Informationen zugrunde liegen...

Vorurteile im engeren Sinne werden als soziale Vorurteile bezeichnet. Zwei Merkmale werden dabei besonders hervorgehoben:

  1. Von Interesse sind dabei vor allem negative Vorurteile. Den Angehörigen einer Fremdgruppe werden negative Eigenschaften zugesprochen. Für die Eigengruppe gilt dann in der Regel das positive Merkmal. ...

  2. Da das Andere, das Fremde oft als gefährlich und als bedrohlich empfunden wird, vor allem in Krisensituationen, sind solche Vorurteile stark gefühlsmäßig verankert. ...

Das ist nun mal so: Selbst wer nichts erbt, erbt Vorurteile. Von Generation zu Generation werden sie weitergereicht: die fertigen Bilder über die Amerikaner, die Engländer, die Franzosen, die Russen und die Deutschen.

Wer zwei Spanier kennen gelernt hat, weiß schon alles über die Spanier. Wer keinen kennen gelernt hat, ebenfalls. Denn der Spanier ist nun mal so: romantisch, arm und stolz. Spanien, das ist die Mischung aus Sonne, Stierkampf und Kastagnetten. Der Spanier liebt blonde Frauen und Geld. Der Engländer lebt vorwiegend in Clubs, raucht Pfeife, trägt unmöglich karierte Anzüge. Überdies trinkt er Whisky, langweilt sich und andere, spielt Golf oder ähnlich Unnötiges und ist überhaupt der Erfinder des Spleens. Der Franzose lebt und liebt gern, trinkt zu viel Wein, hat den Nationalstolz erfunden und Napoleon, die Tour de France und “Vive la France”! Der Russe singt Volkslieder oder vergewaltigt fremde Völker und Frauen. Oder so ähnlich.

Die Welt ist kleiner geworden. Durch Flugzeuge, Fernsehen und den Tourismus. Unsere Vorurteile aber haben ein zähes Leben. Sie werden eher noch größer: Die Slawen sind falsch, verschlagen, aber oft erstaunlich blond. Viele Tschechen haben deutsche Namen. Die Italiener sind sympathisch, faul und feige, lieben ihre Mamma, aber stellen jeder Blondine nach. Wenn sie nicht gerade singen ...

Zweieinhalb Milliarden Menschen leben in ihrem nationalen Zwinger, eingesperrt in Gewohnheiten, umgeben von Klischees, die jeder über jeden hat. Wird es noch lange so bleiben? Oder wir brechen aus - und lernen uns endlich besser kennen.

(Stufen 4)

der Spleen, -s, -e u. -s <gr.-lat.-engl.> - Überspanntheit

die Tour de France, -s alljährlich in Frankreich von Berufsradfahrern ausgetragenes Straßenrennen, das über zahlreiche Etappen führt und als schwerstes Straßenrennen der Welt gilt.