
Theoretischen_Grammatik
.pdfFühren wir Beispiele für die Vieldeutigkeit des deutschen Dativs an. Der deutsche Dativ ist vieldeutig. Er kann u.a. folgende Bedeutungen haben:
dativus commodi-incommodi: |
der Dativ des Standpunktes |
Die Stunde der Befreiung hat ihm |
Das ist mir zu hoch. |
geschlagen. |
|
dativus auctoris |
adnominaler possessiver Dativ |
"Sei mir gegrüßt, Vaterlandserde!" |
Meiner Mutter ihr Sohn |
(F. Schiller) |
repariert sich das allein" |
|
(A. Seghers, 67). |
Zeit |
Zugehörigkeit |
Im folgenden Winter traf er |
Franz fragte ihn, ob er mal |
Georg bei der Januardemonstration |
ein paar Photographien vom |
(A. Seghers, 67) |
Ferienlager sehen wollte |
Ort |
(A. Seghers, 67). |
|
|
Er passte Elli montags am Büro ab. |
|
(A. Seghers, 71). |
|
Siehe Beispiele für die Synonymie der grammatischen Formen auf S. 20 (Gulyga, 1970, 37).
Grammatische Bedeutungen und grammatische Formen treten in verschiedenen Beziehungen zueinander.
§ 4
Die Wortarten
1.Das Wesen der Wortarten; Begriff und Funktionen der Wortarten;
2.Die Klassifikation der deutschen Wortarten:
a)in der deutschen Germanistik;
b)in der vaterländischen Germanistik;
3.Die Einteilung der Redeteile in der vaterländischen Russistik (nach V.W. Winogradow);
4.Strittige Fragen der Wortartentheorie;
5.Der Austausch zwischen den Wortarten (der Übergang einer Wortart in die andere).
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Die Kategorie der Wortarten bzw. Wortklassen ist für die gesamte Grammatikforschung von großer Bedeutung. Einheitlich sind die Sprachforscher
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nur in der Frage, dass sich der gasamte Wortschatz einer Sprache in Wortarten gliedert, aber „das Wesen der Wortarten oder der Wortklassen wird von den Linguisten unterschiedlich beurteilt“ (Abramow, 2001, 25). „Die grammatische Einordnung und Klassifizierung der ungeheuren Masse von Wörtern, über welche jede Sprache verfügt, gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Sprachwissenschaft. Der für die spraсhlichen Erscheinungen überhaupt charakteristische Aspektreichtum macht sich beim Wort im höchsten Grade geltend und widersetzt sich den Versuchen, eine solche Einordnung auf Grund eines einheitlichen Kriteriums durchzuführen“ (Admoni, 1986, 69). O.I. Moskalskaja betrachtet die Kategorie der Wortarten als eine klassifizierende Kategorie. Diese Kategorie „ordnet den Wortschatz in Wortklassen (Substantive, Adjektive, Verben usw.) und ermöglicht somit die Beschreibung seines Funktionierens beim Sprechen. Wortarten sind Wortklassen, in die die Grammatik den Wortschatz einer Sprache gliedert“ (Moskalskaja, 1983, 41). Die Duden-Grammatik definiert den Begriff „Wortart“ auf ähnliche Weise: “Jedes Wort unseres Sprachschatzes gehört einer Gemeinschaft anderer Wörter gleicher Art an, die man als W o r t a r t bezeichnet“ (Duden-Grammatik, 1962, 77). Auf die Lehrsätze des Neohumboldtianismus stützend, fügen die Verfasser der Duden-Grammatik hinzu: „Die Wörter einer Wortart kennzeichnen entweder die Welt, die durch die Sprache in unser geistiges Bewusstsein gerückt wird, in einer ihnen eigentümlichen Weise, oder sie tragen durch ihren gleichbleibenden Auftrag im Satze dazu bei, die Einzelinhalte in Verbindung mit der Formenwelt zu einer Ganzheit zusammenzufügen“ (Duden-Grammatik, 1962, 77). B.A. Abramow meint zu diesem Problem folgendes: „Der Wortschatz bzw. Wortbestand jeder Sprache kann als ein System allerdings von einem komplizierten Aufbau angesehen werden. Dieses System besteht aus vielen Tausenden unterschiedlich gearteter Elemente, die untereinander durch mannigfaltige Beziehungen verbunden sind. … die Elemente des Wortbestandes lassen sich zu verschiedenartigen Klassen zusammenfassen, je nachdem unter welchem Gesichtspunkt sie gruppiert werden. Eine der möglichen Einteilungen ist die Gliereung des Wortschatzes in Wortarten oder Wortklassen, früher Redeteile genannt (partes orationis)“ (Abramow, 2001, 25). Im „Linguistischen enzyklopädischen Wörterbuch“ werden unter den Wortarten Klassen der Wörter
einer |
Sprache verstanden, die gleiche |
syntaktische, morphologische |
|
und |
semantische |
Eigenschaften |
aufweisen (Лингвистический |
энциклопедический словарь, 1990, 578). |
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|
Die Geschichte der Wortartenfrage geht weit ins Altertum zurück, und die |
Einteilung des Wortbestandes der deutschen Sprache in Wortarten (Redeteile, Wortklassen) bleibt bis heute in der Grammatikforschung ein aktuelles Problem.
Das Problem der Wortarten stellt nicht nur theoretisches Interesse dar, sondern es ist auch für die praktische Grammatik von großer Bedeutung. Das Wesen der Wortarten wird von den Fachleuten unterschiedlich betrachtet, denn "die Vielseitigkeit, ein Merkmal alles Sprachlichen, erschwert auch diese
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Einordnung nach einem einheitlichen, rein grammatischen Gesichtspunkt" (Jung, 1967, 170). In dieser Frage gehen die Meinungen der Linguisten beträchtlich auseinander. O.I. Moskalskaja meint dazu: "Es wird oft als ein Mangel hervorgehoben, dass bei der Aufgliederung des Wortschatzes in Wortarten entgegen den allgemeinen Klassifikationsregeln drei verschiedene Merkmale (das semantische, syntaktische und morphologische Kriterium) geltend gemacht werden. … Der Hauptmangel der herkömmlichen Klassifikation besteht also darin, dass der Einteilung kein einheitliches Scheidungsmerkmal zu Grunde liegt" (Moskalskaja, 1983, 42). Als bestimmendes Kriterium bei der Ausgliederung der Wortarten gilt das funktionale: "Die Zugehörigkeit des Wortes zu einer bestimmten Wortart wird durch den Charakter seines Funktionierens in der Sprache bestimmt" (Moskalskaja, 1983, 41). "Wie man die Art der Wortklassen beurteilt, hängt davon ab, an welches Einteilungsprinzip dabei in erster Linie gedacht wird" (Abramow, 2001, 25). Es sei schon vorweggenommen, dass sich der ganze Grundstock unterschiedlicher Einteilungsgesichtspunkte auf eine bestimmte Anzahl reduzieren lässt. So verweist W. Schmidt darauf, dass "schon von mehr als 2000 Jahren mindestens vier Gesichtspunkte bei der Gruppierung der Wortarten beachtet worden sind: die begrifflich-kategoriale Prägung, die Sachbedeutung, die morphologische Struktur und die syntaktische Verwendung. Diese Klassifikationsprinzipien werden bis zum heutigen Tage angewandt" (Schmidt, 1966, 56-57).
Bei der Klassifikation der deutschen Wortarten gehen L.R. Sinder und T.V. Strojewa von zwei Prinzipien aus:
1)vom syntaktischen Prinzip, nach dem selbständige und Hilfswortarten unterschieden werden;
2)vom morphologischen Prinzip. Vom morphologischen Standpunkt aus werden die deutschen Wortarten in veränderliche und in unveränderliche eingeteilt (Sinder, Strojewa, 1957, 60).
H. Glinz legt seiner Klassifikation der deutschen Wortarten hauptsächlich die allgemein-begriffliche Bedeutungskomponente der Wörter zu Grunde (Glinz, 1965, 53 ff).
H. Brinkmann betrachtet das System der Wortarten von dem Inhalt, dem Formenkreis und der syntaktischen Leistung her, d.h. vom semantischen, morphologischen und syntaktischen Standpunkt aus (Brinkmann, 1971, 16-40; 198-262).
M.D. Stepanowa und G. Helbig vertreten auch diesen Standpunkt: "Wir halten es für notwendig, bei der Charakteristik der Wortarten (unabhängig davon, ob sie als selbständige Klassen erscheinen oder ob sie anderen Klassen untergeordnet werden) von einheitlichen Kriterien auszugehen und folgende Kriterien zu benutzen:
1)das semantische Kriterium,
2)das syntaktische Kriterium,
3)das morphologische Kriterium"
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(Stepanowa, Helbig, 1978, 58).
Vgl. die ausgesonderten Kriterien mit der Klassifikation von W.G. Admoni, die auch einen grammatisch-semantischen Charakter trägt. W.G. Admoni stellt die folgenden drei Hauptkriterien zur Einteilung der Wortarten auf: "1. die syntaktische Funktion, 2. die morphologische Struktur des Wortes, 3. die abstrahierte Bedeutung" (Admoni, 1986, 71). Der Grammatikforscher spricht einem einzigen Kriterium die dominierende Stellung ab und betont, dass diese drei miteinander eng verbundenen Hauptkriterien bei der Worteinteilung in der deutschen Grammatik berücksichtigt werden müssen.
"Die in der deutschen Grammatik herkömmliche Unterscheidung von 10 oder 9 Wortarten (je nachdem ob der Artikel als besondere Wortart angesehen oder ob er zum Pronomen gezählt wird) beruht auf der g l e i c h z e i t i g e n
Anwendung |
von |
d r e i v e r s c h i e d e n e n |
E i n t e i l u n g s p r i n - |
|||
z i p i e n", |
und |
zwar der m o r p h o l og i s c h e n S t r u k t u r des |
||||
Wortes, |
der |
S a c h b e d e u t u n g |
(dem |
semantischen |
Gehalt) |
|
und |
der |
|
s y n t a k t i s c h e n |
V e r w e n d u n g |
der Wörter |
(Schmidt, 1966, 58).
L.Sütterlin hat den Versuch unternommen, nach den unterschiedlichen Kriterien - dem morphologischen, syntaktischen und semantischen - drei unterschiedliche Einteilungsklassifizierungen zu schaffen (Sütterlin, 1900, 76 ff). Zum Unterschied von L. Sütterlin hält H. Paul die Möglichkeit, ein System der Redeteile von einem einheitlichen Standpunkt aus aufzustellen für unhaltbar, weil seiner Meinung nach "der Versuch, ein streng logisch gegliedertes System aufzustellen, … überhaupt undurchführbar ist" (Paul, 1898, 327; Пауль, 1960,
415). |
|
|
Viele Sprachforscher legen der Klassifikation der |
Wortarten |
das |
lexikalisch-grammatische Einteilungsprinzip zu Grunde: |
"Die Wortarten |
(Redeteile) sind lexikalisch-grammatische Gruppen von Wörtern" (Gulyga, 1970, 43). "Als Hauptprinzip bei der Einteilung der Wörter in Wortarten sieht M.D. Stepanowa das lexikalisch-grammatische Prinzip an, d.h. sie berücksichtigt in erster Linie ihre lexikalisch-kategorialen Besonderheiten…" (Stepanowa, Helbig, 1978, 38). "Der gesamte Wortschatz einer Sprache gliedert sich in Wortarten, die sich teils nach lexikalischen, teils nach grammatischen Merkmalen unterscheiden. Jede Wortart besitzt ihre lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Eigenschaften", meint E.J. Schendels (Schendels, 1982, 12). W. Schmidt ist auch der Meinung, "dass die Wortart als eine lexikalisch-grammatische Kategorie angesehen werden muss, die aus der objektiven Realität durch Anschauung und Beziehungsdenken gewonnen ist" (Schmidt, 1966, 54). Aber auch andere Einteilungsgesichtspunkte sind möglich. So z.B. betrachten W.G. Admoni, O.I. Moskalskaja die Wortarten als grammatische Klassen von Wörtern. W. Schmidt hebt in dieser Beziehung hervor: "Die Einteilung der Wortarten und die Zahl der Klassen hängt davon ab, welche Einteilungsprinzipien angewendet bzw. vorrangig beachtet werden." Und
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etwas weiter: "Es erweist sich, dass die traditionelle Grammatik im Recht ist, wenn sie die Klassifizierung der Wortarten nach verschiedenen Einteilungsgesichtspunkten vornimmt" (Schmidt, 1966, 71). W. Schmidt hält sich an die Klassifikation der Wortarten nach einigen Kriterien, weil man bei der konsequenten Verwendung des einheitlichen Kriteriums eine Klassifikation nicht geben kann, die alle Besonderheiten der entsprechenden Wortarten berücksichtigt. Der herkömmlichen Grammatik werden Vorwürfe gemacht, dass sie eine Klassifikation der Wortarten nicht nach einem einheitlichen, sondern nach heterogenen Kriterien vornimmt: "Die herkömmliche Wortarteneinteilung krankt daran, dass zu verschiedene Kriterien sich überkreuzen" (Glinz, 1965, 53). Die Einteilung des Wortschatzes in Wortarten stellt ein Problem dar, an dessen Lösung seit dem Altertum gearbeitet wird. Seit der Antike gibt es auch weit auseinandergehende Data über die Zahl der Wortarten. Die Zahl der aufgestellten Wortarten kann von der Art der angewandten Einteilungsprinzipien abhängen. Die Wortart als eine sprachliche Kategorie muss eine Einheit von gemeinsamen Funktionsmerkmalen und der Form darstellen: "Nur dort, wo eine Gruppe von Wörtern durch eine gemeinsame Allgemeinbedeutung u n d durch gemeinsame formal-grammatische Merkmale gekennzeichnet ist, darf man von Wortarten sprechen" (Isačenko, 1962, 11).
Unter der Sprachforschern besteht keine Meinungseinhelligkeit über die Zahl der Wortarten; seit der nachvollziehbaren Zeit der Antike schwankt sie "zwischen 2 und 15 und wird innerhalb dieser Grenzwerte noch mit 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 13 bestimmt" (Schmidt, 1966, 55). In den deutschen Grammatiken ist ein breites Spektrum von Ansichten über die Zahl der Wortarten anzutreffen. "…während die älteren Grammatiken, einschließlich der "Kleinen Grammatik der deutschen Sprache" von Walter Jung, die traditionellen 10 Wortarten vorführen, finden sich im "Abriss der deutschen Grammatik" von Johannes Erben nur 5 Klassen, im "Deutschen Sprachbau" von Wladimir Admoni dagegen 13 und in der Mannheimer "Grammatik der deutschen Gegenwartssprache" in Anlehnung an H. Glinz 6!" stellt W. Schmidt fest (Schmidt, 1966, 36).
Die meisten neueren deutschen Grammatiker vertreten die Ansicht, dass die herkömmliche grammatische Beschreibung der Wortarten deswegen wissenschaftlich nicht haltbar ist, weil sie nicht auf einem einheitlichen Prinzip, sondern auf einem Konglomerat von Prinzipien aufgebaut ist. Für das Deutsche schlägt L. Sütterlin die Klassifizierung der Wortarten vor, die vier HauptWortarten enthält: Substantive (einschließlich der Personalpronomen), Adjektive, Verben, Partikeln (Sütterlin, 1918, 99). H. Paul äußert sich skeptisch über die Möglichkeit, jedes Wort einer bestimmten Klasse zuzuschreiben, indem er behauptet, dass drei folgende Aspekte dazu beigetragen haben, das derzeitige Einteilungssystem der Wortarten zu ermitteln: 1) die B e d e u t u n g des
Wortes |
selbst, 2) seine F u n k t i o n e n |
i m R a h m e n d e s |
S a t z e s |
und 3) seine Besonderheiten auf dem Gebiet der F l e x i o n und der |
|
W o r t b i l d u n g (Paul, 1960, 415). |
|
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Was die Zahl der Wortarten anbetrifft, die von den einzelnen Grammatikforschern ausgegliedert werden, werden 9-10 Wortklassen am häufigsten erwähnt (Abramow, 2001, 26). B.A. Abramow schreibt über das komplexe Prinzip der Wortarteinteilung, "das gestattet, semantische, morphologische und syntaktische Eigenschaften der Wörter als Kriterien zur Gewinnung von Wortklassen heranzuziehen. Auf diesem Prinzip basieren die Systeme der Wortklassen, die innerhalb der traditionellen Grammatik vorgeschlagen worden sind.
Da aber dieses Prinzip von den einzelnen Linguisten recht unterschiedlich gehandhabt wird, gelangt man natürlich zu verschiedenen Ergebnissen" (Abramow, 2001, 29); es herrscht keine Meinungseinigkeit in Bezug auf die Zahl der Wortarten im Deutschen: "…man vermehrt oder verringert die Zahl je nachdem, ob man einige Wortarten in eine Gruppe zusammenfasst oder getrennt behandelt" (Schendels, 1982, 12-13). E.J. Schendels hält es für zweckmäßig, "12 Wortarten zu unterscheiden, die sich auf drei Gruppen verteilen: I. Vollwörter oder selbständige (autosemantische) Wortarten (=Autosemantika). Dazu gehören: das Substantiv, das Adjektiv, das Pronomen, das Numerale, das Verb, das Adverb, das Modalwort. …II. Hilfswörter (Dienstwörter, Funktionswörter), unselbständige (synsemantische) Wortarten (= Synsemantika): die Präposition, die Konjunktion, die Partikel, der Artikel. …III. Eine isolierte Stellung nimmt die I n t e r j e k t i o n ein" (Schendels, 1982, 13).
E.W. Gulyga und M.D. Natanson sondern sieben selbständige Wortarten und zwei Hilfswortarten aus. Zu den selbständigen Wortarten (7) gehören das Substantiv (das Hauptwort, das Dingwort), das Adjektiv (das Eigenschaftswort, das Beiwort), das Numerale (das Zahlwort), das Pronomen (das Fürwort), das Verb (das Zeitwort, das Tätigkeitswort), das Adverb (das Umstandswort) und die Modalwörter. Zu den Hilfswortarten (2) gehören die Präposition (das Verhältniswort, das Vorwort) und die Konjunktion (das Bindewort). Die Interjektion (der Empfindungslaut) nimmt als zehnte Wortart einen ganz besonderen Platz unter den Redeteilen ein und wird getrennt betrachtet. "Außer den selbständigen und Hilfswortarten bestehen in der Sprache die sogenannten Partikeln (die grammatischen und modalen)" (Gulyga, Natanson, 1957, 21). Die Partikeln werden also zum Bestand der Wortarten nicht gerechnet. Dasselbe gilt auch für den Artikel, "die grammatische Partikel, die das Substantiv begleitet und die Zugehörigkeit des Wortes zur Klasse der Substantive, Geschlecht, Kasus, und Zahl des Substantivs, die Bedeutung der Bestimmtheit und Unbestimmtheit, die das Substantiv in der Rede bekommt, anzeigt" (Gulyga, Natanson, 1957, 61). Als Merkmale der Wortarten als Ränge von Wörtern werden aufgeführt: 1) ihre verallgemeinerte lexikalische Bedeutung, 2) ihnen eigene grammatische Kategorien, 3) ihre bestimmte syntaktische Funktion im Satz, 4) die Kombinierbarkeit mit anderen Wortarten, 5) ihre bestimmte Wortbildungsform (Gulyga, Natanson, 1957, 20). In ihrer späteren Arbeit nennt E.W. Gulyga ähnliche Klassifikationsprinzipien für die Wortarten. Aus dem
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Vergleich mit der oben aufgeführten Klassifikation ergibt sich, dass das vierte Merkmal "die Kombinierbarkeit mit anderen Wortarten" durch den Begriff der Fügungspotenz ersetzt wird.
"Folgende Merkmale charakterisieren die Wortarten:
1.Allgemeinbedeutung: Gegenständlichkeit, Handlung, Eigenschaft. Die Allgemeinbedeutung bedingt die Fähigkeit der Substantive, der Verben, der Adjektive, diese Erscheinungen zu benennen. Andere Wortarten drücken Beziehungen aus,
2.Grammatische Kategorien und die Fähigkeit der Wortformveränderung,
3.Fügungspotenz (Fügungswert),
4.Syntaktische Funktion,
5.Wortbildende Affixe" (Gulyga, 1970, 43).
In den Bestand der selbständigen Wortarten werden sechs Wortarten einbezogen. Diese sechs vollbenennenden Wortarten "bilden die erste Schicht im System der Wortarten" (ebenda). Aus der früheren Klassifikation der selbständigen Wortarten werden die Modalwörter ausgeschlossen, die als zweite Schicht im System der Wortarten eingestuft werden. "Die dritte Schicht von Wortarten bilden Fügewörter, zu denen die Präpositionen (Verhältniswörter) und die Konjunktionen (Bindewörter) gehören; dazu können auch Partikeln gerechnet werden (modale und grammatische). Zur vierten Schicht gehören die Interjektionen (Empfindungslaute)" (Gulyga, 1970, 43-44). Also beträgt die Gesamtzahl der von E.W. Gulyga ausgesonderten Wortarten elf.
O.I. Moskalskaja nimmt folgende Einteilung des Wortschatzes in Wortarten vor und sondert dementsprechend vierzehn Wortarten aus:
I."Eigentliche Wortarten (Autosemantika)
a)benennende oder nominative
1.S u b s t a n t i v
2.V e r b
3.A d j e k t i v (einschließlich der qualitativen Adverbien)
4.A d v e r b
b)verweisende
5.P r o n o m e n
c)zählende
6.N u m e r a l e
II.Funktionswörter (Synsemantika)
a)mit syntaktischer Funktion
7.P r ä p o s i t i o n
8.K o n j u n k t i o n
9.K o p u l a
10.P a r t i k e l
b)mit morphologischer Funktion
11.A r t i k e l
12.H i l f s v e r b
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III. 13. M o d a l w o r t
IV. 14. I n t e r j e k t i o n" (Moskalskaja, 1983, 50).
In der Forschung von M.D. Stepanowa, die der Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache gewidmet ist, werden die Wortarten in Hinblick auf ihre
Wortbildungsmöglichkeiten ausgegliedert. Es |
werden |
traditionsgemäß die |
|
b e n e n n e n d e n |
Wörter (Substantiv, Adjektiv, Numerale, Pronomen, |
||
Verb, Adverb) und |
die H i l f s w ö r t e r (Präposition, Konjunktion, |
||
Artikel) ausgesondert. Die M o d a l w ö r t e r |
und die |
I n t e r j e k t i o n e n |
unterscheiden sich sowohl von den benennenden als auch von den Hilfswortarten und werden als besonderer Typ von Wörtern eingestuft. Die Partikeln bleiben außerhalb der Betrachtung, sie werden als besondere Wortart nicht berücksichtigt. Insgesamt werden also elf Wortarten ausgegliedert (Stepanowa, 1953, 20-23; 92; 202; 258; 264; 269; 328; 342; 353; Stepanowa, Helbig, 1978, 38).
W.G. Admoni widerlegt die Auffassung, dass "ein wissenschaftlich befriedigendes System der Redeteile für eine beliebige Sprache überhaupt unmöglich sei, da das Wort eine zu komplizierte und vielseitige grammatische Einheit darstelle" (Admoni, 1986, 69). Der Sprachforscher gibt zu: "Es besteht kein Zweifel, dass auch bei der sorgfältigsten und methodisch einwandfreien aspektmäßigen Behandlung des Materials manches auf dem Gebiete der Klassifizierung des Wortbestandes fragwürdig und strittig bleiben wird" (ebenda). "W.G. Admoni akzeptiert nun alle zehn Wortarten der traditionellen Grammatik, wobei auch er der Interjektion aus den bekannten Gründen eine Sonderstellung einräumt. Aber das Neue bei ihm ist, dass er den zehn überkommenen Wortklassen noch drei weitere hinzufügt, nämlich 1. die Negation (Verneinung), 2. das Modalwort und 3. die Partikel (Füllwort)" (Schmidt, 1966, 69), wodurch W.G. Admoni "einen beachtenswerten Beitrag zum Problem der Wortarteinteilung liefert" (Schmidt, 1966, 68).
W.G. Admoni vertritt den Standpunkt, es komme nicht darauf an, mit der herkömmlichen Grammatik zu brechen, sondern zu versuchen, das System der traditionellen Grammatik weiterzuentwickeln, zu zeigen, dass "einzelne Abänderungen im System der traditionellen Morphologie keineswegs einen Umbau des ganzen Systems erfordern" und "selbst wenn man von verschiedenen Voraussetzungen ausgeht, kann man also nicht umhin, bei der Behandlung solcher Sprachen wie z.B: der germanischen mehr oder weniger in die Fußstapfen der traditionellen Grammatik zu treten. Es ist das Material selbst, das dazu zwingt" (Admoni, 1986, 70).
Der Sprachforscher unterbreitet den Vorschlag, im Deutschen dreizehn Redeteile zu unterscheiden:
"1. Das Substantiv (Hauptwort);
2.Das Adjektiv (Eigenschaftswort);
3.Das Numerale (Zahlwort);
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