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Drei Maenner.doc
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Im vierten Stock stiegen Schulze und Karl der Kühne aus. Denn die Liftanlage reichte nur bis hierher.

Sie kletterten zu Fuß ins fünfte Stockwerk und wanderten dann einen langen, schmalen Korridor entlang. An dessen äußerstem Ende sperrte der Direktor eine Tür auf, drehte das Licht an und sagte: »Das Hotel ist nämlich vollständig besetzt.«

»Drum«, meinte Schulze und blickte, fürs erste fassungslos, in das aus Bett, Tisch, Stuhl, Waschtisch und schiefen Wänden bestehende Kämmerchen. »Kleinere Zimmer haben Sie nicht?«

»Leider nein«, sagte der Direktor.

Schulze setzte den Spankorb nieder. »Schön kalt — ist es hier!«

»Die Zentralheizung geht nur bis zum vierten Stock. Und für einen Ofen ist kein Platz.«

»Das glaube ich gern«, sagte der arme Mann. »Glücklicherweise hat mir der Arzt streng verboten, in geheizten Räumen zu schlafen. Ich danke Ihnen für Ihre ahnungsvolle Rücksichtnahme.«

»Oh, bitte sehr«, erwiderte Kühne und biß sich auf die Unterlippe. »Man tut, was man kann.«

»Die übrige Zeit werde ich mich nun freilich völlig in den Gesellschaftsräumen aufhalten müssen«, meinte Herr Schulze. »Denn zum Erfrieren bin ich natürlich nicht hergekommen.«

Karl der Kühne sagte: »Sobald ein heizbares Zimmer frei wird, quartieren wir Sie um!«

»Es hat keine Eile«, meinte der arme Mann versöhnlich. »Ich liebe schiefe Wände über alles. Die Macht der Gewohnheit, verstehen Sie?«

»Ich verstehe vollkommen«, antwortete der Direktor. »Ich bin glücklich, Ihren Geschmack getroffen zu haben.«

»Wahrhaftig«, sagte Schulze. »Das ist Ihnen gelungen. Auf Wiedersehen!« Er öffnete die Tür. Während der Direktor über die Schwelle schritt, überlegte sich Schulze, ob er ihm mit einem wohlgezielten Tritt nachhelfen sollte.

Er beherrschte sich aber, schloß die Tür, öffnete das Dachfenster und sah zum Himmel hinauf. Große Schneeflocken sanken in die kleine Kammer und setzten sich behutsam auf die Bettkante.

»Der Tritt wäre verfrüht«, sagte Geheimrat Tobler. »Der Tritt kommt in die Sparbüchse.«

Das siebente Kapitel

Siamesische Katzen

Dieser Abend hatte es in sich. Das erste Mißverständnis sollte nicht das letzte bleiben. (Echte Mißverständnisse vervielfältigen sich durch Zellteilung. Der Kern des Irrtums spaltet sich, und neue Mißverständnisse entstehen.)

Während Kesselhuth den Smoking anzog und Schulze, dicht unterm Dach, den Spankorb auskramte, saß Hagedorn, im Glänze seines blauen Anzugs, in der Halle, rauchte eine der Zigaretten, die ihm Franke, der Untermieter, auf die Reise mitgegeben hatte, und zog die Stirn kraus. Ihm war unbehaglich zumute. Hätte man ihn schief angesehen, wäre ihm wohler gewesen. Schlechte Behandlung war er gewöhnt. Dagegen wußte er sich zu wehren. Aber so?

Er glich einem Igel, den niemand reizen will. Er war nervös. Weswegen benahmen sich die Menschen mit einem Male derartig naturwidrig? Wenn plötzlich die Tische und Stühle in die Luft emporgeschwebt wären, mitsamt dem alten Portier, Hagedorn hätte nicht überraschter sein können. Er dachte: »Hoffentlich kommt dieser olle Schulze bald wieder. Bei dem weiß man doch, woran man ist!« Zunächst kamen aber andere Gäste. Denn das Abendessen näherte sich seinem Ende.

Frau Casparius ließ die Nachspeise unberührt und segelte hastig durch den großen Speisesaal.

»Eine widerliche Person«, sagte die Mallebré.

Baron Keller blickte vom Kompotteller hoch, verschluckte einen Kirschkern und machte Augen, als versuche er in sein Inneres zu blicken. »Inwiefern?« fragte er dann.

»Wissen Sie, warum die Casparius so rasch gegessen hat?«

»Vielleicht hat sie Hunger gehabt«, meinte er nachsichtig.

Frau von Mallebré lachte böse. »Besonders scharfsinnig sind Sie nicht.«

»Das weiß ich«, antwortete der Baron.

»Sie will sich den kleinen Millionär kapern«, sagte die Mallebré.

»Wahrhaftig?« fragte Keller. »Bloß weil er schlecht angezogen ist?«

»Sie wird es romantisch finden.«

»Romantisch nennt man das?« fragte er. »Dann muß ich Ihnen allerdings beipflichten: Frau Casparius ist wirklich eine widerliche Person.« Kurz darauf lachte er.

»Was gibt's?« fragte die Mallebré.

»Mir fällt trotz meines notorischen Mangels an Scharfsinn auf, daß auch Sie besonders rasch essen.«

»Ich habe Hunger«, erklärte sie ungehalten.

»Ich weiß sogar, worauf«, sagte er.

Frau Casparius, die fesche Blondine aus Bremen, hatte ihr Ziel erreicht. Sie saß neben Hagedorn am Tisch. Onkel Polter sah manchmal hinüber und glich einem Vater, der seinen Segen kaum noch zurückhalten kann. Hagedorn schwieg. Frau Casparius beschrieb unterdessen die Zigarrenfabrik ihres Mannes. Sie erwähnte, der Vollständigkeit halber, daß Herr Casparius in Bremen geblieben sei, um sich dem Tabak und der Beaufsichtigung der beiden Kinder zu widmen.

»Darf ich auch einmal etwas sagen, gnädige Frau?« fragte der junge Mann bescheiden.

»Bitte sehr?«

»Haben Sie siamesische Katzen im Zimmer?«

Sie sah ihn besorgt an.

»Oder andere Tiere?« fragte er weiter.

Sie lachte. »Das wollen wir nicht hoffen!«

»Ich meine Hunde oder Seelöwen. Oder Meerschweinchen. Oder Schmetterlinge.«

»Nein«, erwiderte sie. »Bedaure, Herr Doktor. In meinem Zimmer bin ich das einzige lebende Wesen. Wohnen Sie auch in der dritten Etage?«

»Nein«, sagte er. »Ich möchte nur wissen, weswegen sich in meinem Zimmer drei siamesische Katzen aufhalten.«

»Kann man die Tierchen einmal sehen?« fragte sie. »Ich liebe Katzen über alles. Sie sind so zärtlich und bleiben einem doch fremd. Es ist ein aufregend unverbindliches Verhältnis. Finden Sie nicht auch?«

»Ich habe wenig Erfahrung mit Katzen«, sagte er unvorsichtigerweise.

Sie machte veilchenblaue Augen und erklärte mit dichtverschleierter Stimme: »Dann hüten Sie sich, lieber Doktor. Ich bin eine Katze.«

Glücklicherweise setzten sich Frau von Mallebré und Baron Keller an den Nebentisch. Und wenige Minuten später war der Tisch, an dem Hagedorn saß, rings von neugierigen Gästen und lauten Stimmen umgeben.

Frau Casparius beugte sich vor. »Schrecklich, dieser Lärm! Kommen Sie! Zeigen Sie mir Ihre drei kleinen Katzen!«

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