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пособие по анализу текста для 4 курса

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Ich legte langsam den Trauring, die Uhr und das Soldbuch mit den verschlissenen Fotos auf die grüne samtene Tischdecke. Da schluchzte sie plötzlich wild und schrecklich wie ein Tier. Die Linien ihres Gesichtes waren völlig verwischt, schneckenhaft weich und formlos, und helle, kleine Tränen purzelten zwischen ihren kurzen, fleischigen Fingern hervor. Sie rutschte auf das Sofa und stützte sich mit der Rechten auf den Tisch, während ihre Linke mit den ärmlichen Dingen spielte. Die Erinnerung schien sie wie mit tausend Schwerten zu durchschneiden. Da wußte ich, daß der Krieg niemals zu Ende sein würde, niemals, solange noch irgendwo eine Wunde blutete, die er geschlagen hat.

Interpretationsarbeit

1.Makroanalyse

Zum Leben und Schaffen von Heinrich Böll

Werk-und stiltypische Aspekte im Schaffen von H. Böll

Theorie

Lexikalisch-stilistische Mittel: Hyperbel, Personifikation, Vergleich

Substantivische und adjektivische Ableitungen mit Präfix unund ihre lexikalisch-semantischen Funktionen

2.Mikroanalyse

Wortschatzarbeit

1.Vieldeutigkeit: schief, düster, der Laden, pochen

2.Synonyme:verdammt sein, spüren, hochtönend, die Langeweile, öde, schmuddelig, die Brandung, stocken, verwaschen, vollgepropft sein, brutal, verzweifelt, sich verkriechen

3.Wählen Sie aus dem Text alle Ableitungen auf un-!

4.Finden Sie im Text Abstrakta und Farbenbezeichnungen! Textarbeit

3. Allgemeine Charakteristik des Textes

1.Analysieren Sie die Darstellungsart des Textes!

2.Mit welcher Absicht verwendet der Autor in der Einleitung die rhetorische Frage, Präsens als Zeitform und man-Sätze?

3.Sprechen Sie über die Komposition und Architektonik des Textes!

4.Durch welche lexikalischen und stilistischen Mittel erreicht der Verfasser die düstere deprimierende Stimmung der damaligen Zeit? Was für eine Rolle spielen dabei thematische Reihen und Abstrakta?

5.Erklären Sie die fuktional-stilistische Wirkung der Ableitungen auf unim Text!

6.Was für einen stilistischen Effekt erreicht der Autor durch den Gebrauch der Farbenbezeichnungen?

7.Welche stilistischen Dienste leisten Hyperbeln und Vergleiche?

8.Was fällt ihnen beim Gebrauch der Adjektive bzw. Epitheta im Text auf?

9.Wie ist die Wirkung der Antithesen?

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10.Charakterisieren Sie die Stilfärbung des Textes?

11.Wie charakterisiert die Figurenrede die Verhaltensweise der Helden?

4.Vollständige linguostilistische Analyse des Textes

5.Unterhaltung

1.Gab es andere Verhaltensmöglichkeiten der handelnden Personen in jener Zeit und Situation?

2.Welche Stilzüge von H. Böll kommen in diesem Text zum Vorschein?

6.Schriftliches

1.Interpretieren Sie ein Stück aus Die Botschaft!

2.Nehmen Sie Stellung zu folgenden Worten von Simon Dach (16051659)! Verwenden Sie dabei die Form des perönlichen Briefes!

Der Mensch hat nichts so eigen, So wohl steht ihm nichts an, Als daß er Treue erzeigen

Und Freundschaft halten kann.

Text 11

Heinrich Böll: Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral

In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst. Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotographieren: blauer Himmel, grüne See, rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: klick, und da aller guten Dinge drei sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick. Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach seiner Zigarettenschachtel angelt; aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die eilfertige Höflichkeit ab. Durch jenes kaum meßbare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der Touristder Landessprache mächtigdurch ein Gespräch zu überbrücken versucht.

,,Sie werden heute einen guten Fang machen“. Kopfschütteln des Fischers.

,,Aber man hat mir gesagt, daß das Wetter günstig ist“. Kopfnicken des Fischers.

,,Sie weden also nicht ausfahren?“

Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen. Gewiß liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über die verpaßte Gelegenheit.

,,Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?“

Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über.

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,,Ich fühle mich großartig“, sagt er.,, Ich habe mich nie besser gefühlt“. Er steht auf, reckt sich, als wolle er demonstrieren, wie athletisch er

gebaut ist.

,,Ich fühle mich phantastisch“.

Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht:,,Aber warum fahren Sie denn nicht aus?“

Die Antwort kommt promt und knapp:,,Weil ich heute morgen schon ausgefahren bin“.

,,War der Fang gut?“

,,Er war so gut, daß ich nicht noch einmal auszufahren brauche, ich habe vier Hummer in meinen Körben gahabt, fast zwei Duzend Makrelen gefangen... „

Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen beruhigend auf die Schultern. Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch rührender Kümmernis.

,,Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug“, sagt er, um des Fremden Seele zu erleichtern. “Rauchen Sie eine von meinen?“. ,,Ja, danke“.

Zigaretten werden in Münder gesteckt, ein fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen.

,,Ich will mich ja nicht in ihre persönlichen Angelegenheiten mischen“, sagt er, „aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Duzend Makrelen fangen... Stellen Sie sich das mal vor“.

Der Fischer nickt.

,,Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei Booten oder dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangeneines Tages würden Sie zwei Kutter haben. Sie würden ...“, die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme,“Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht, eine Raucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und ihren Kuttern per Funk Anweisungen geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischerrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportierenund dann ...“, wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache. Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen.,, Und nun „ sagt er “, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.

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Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat. ,,Was dann?“, fragt er leise.

,,Dann“, sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, „dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen und auf das herrliche Meer blicken“.

,,Aber das tu ich ja schon jetzt“, sagt der Fischer“, ,,ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur ihr Klicken hat mich dabei gestört“.

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatte er auch einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, und es blieb keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.

Interpretationsarbeit

1.Makroanalyse

Theorie

Kurzgeschichte als literarische Gattung und Möglichkeiten ihrer Interpretation.

Wiederholung und Aufzählung als syntaktisch-stilistische Mittel

2.Mikroanalyse

Wortschatzarbeit

1.Vieldeutigkeit: schließen, ausfahren, verschlagen, ausmachen, erwerben

2.Synonyme: idyllisch, spröde, eilfertig, mächtig, die Kümmernis, betrübt, verlustig sein, nagen

3.Phraseologie: am Herzen liegen, j-m droht das Herz zu sprengen, j-m Nachdruck verleihen, j-m Anweisungen geben, sicher ist sicher, aller guten Dinge sind drei

4.Wählen Sie aus dem Text Substantive, die den inneren Zustand bezeichnen! Erklären Sie ihre Bildungsart und ihre Rolle im Text! Ergänzen Sie diese durch weitere ihnen bekannte Substantive des Zustands!

Textarbeit

3. Allgemeine Charakteristik des Textes

1.Sprechen Sie über Komposition und Architektonik des Textes! Berücksichtigen Sie dabei die Substantive des Zustandes und die Rahmenkonstruktion des Textes!

2.Welche Textstelle illustriert den Wendepunkt im Denken des Touristen?

3.Wie erreicht der Autor Expressivität und Emotionalität?

4.Wodurch zeichnet sich die Wortwahl des Textes aus?

5.Welchem Zweck dient im Text Gegenüberstellung?

6.Wodurch wird im Text Dynamik erreicht?

7.Welche Rolle spielen Wiederholungen und Aufzählungen im Text?

8.Was ist für die Figurenrede des Textes typisch?

9.Charakterisieren Sie anhand der Beispiele die Stilfärbung des Textes!

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4.Vollständige linguostilistische Interpretation des Textes

5.Unterhaltung

1.Sprechen Sie über den Sinn der Arbeit!

2.Welche Stilzüge von H. Böll werden in diesem Text sichtbar?

6.Schriftliches

Vergleichen Sie die Texte 10 und 11!

Text 12

Wolfgang Borchert: Das Brot

Plötzlich wachte sie auf. Es war halb drei. Sie überlegte, warum sie aufgewacht war. Ach so! In der Küche hatte jemand gegen einen Stuhl gestoßen. Sie horchte nach der Küche. Es war still. Es war zu still und als sie mit der Hand über das Bett neben sich fuhr, fand sie es leer. Das war es, was es so besonders still gemacht hatte: sein Atem fehlte. Sie stand auf und tappte durch die dunkle Wohnung zur Küche. In der Küche trafen sie sich. Die Uhr war halb drei. Sie sah etwas Weißes am Küchenschrank stehen. Sie machte Licht. Sie standen sich im Hemd gegenüber. Nachts. Um halb drei. In der Küche.

Auf dem Küchentisch stand der Brotteller. Sie sah, daß er sich Brot abgeschnitten hatte. Das Messer lag noch neben dem Teller. Und auf der Decke lagen Brotkrümel. Wenn sie abends zu Bett gingen, machte sie immer das Tischtuch sauber. Jeden Abend. Aber nun lagen Krümel auf dem Tuch. Und das Messer lag da. Sie fühlte, wie die Kälte der Fliesen langsam an ihr hochkroch. Und sie sah von dem Teller weg.

,,Ich dachte, hier wär was”, sagte er und sah in der Küche umher.,, Ich habe auch was gehört”, antwortete sie und dabei fand sie, daß er nachts im Hemd doch schon recht alt aussah. So alt wie er war. Dreiundsechzig. Tagsüber sah er manchmal jünger aus. Sie sieht doch schon alt aus, dachte er, im Hemd sieht sie ziemlich alt aus. Aber das liegt vielleicht an den Haaren. Bei den Frauen liegt das nachts immer an den Haaren. Die machen dann auf einmal so alt.

,,Du hättest Schuhe anziehen sollen. So barfuß auf den kalten Fliesen. Du erkältest dich noch”.

Sie sah ihn nicht an, weil sie nicht ertragen konnte, daß er log. Daß er log, nachdem sie neununddreißig Jahre verheiratet waren.

,,Ich dachte, hier wär was”, sagte er noch einmal und sah wieder so sinnlos von einer Ecke in die andere,”ich hörte hier was. Da dachte ich, hier wäre was.”

,,Ich hab auch was gehört. Aber es war wohl nichts.” Sie stellte den Teller vom Tisch und schnippte die Krümel von der Decke.

,,Nein, es war wohl nichts”, echote er unsicher.

Sie kam ihm zu Hilfe: ,,Komm man. Das war wohl draußen. Komm man zu Bett. Du erkältest dich noch. Auf den kalten Fliesen.”

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Er sah zum Fenster hin.,, Ja, das muß wohl draußen gewesen sein. Ich dachte, es wäre hier,”

Sie hob die Hand zum Lichtschalter. Ich muß das Licht jetzt ausmachen, sonst muß ich nach dem Teller sehen, dachte sie. Ich darf doch nicht nach dem Teller sehen.,, Komm man”, sagte sie und machte das Licht aus, ,,das war wohl draußen. Die Dachrinne schlägt immer bei Wind gegen die Wand. Es war sicher die Dachrinne. Bei Wind klappert sie immer.”

Sie tappten sich beide über dien dunklen Korridor zum Schlafzimmer. Ihre nackten Füße platschten auf den Fußboden.

,,Wind ist ja”, meinte er. ‚”Wind war schon die ganze Nacht.”

Als sie im Bett lagen, sagte sie: ,,Ja , Wind war schon die ganze Nacht. Es war wohl die Dachrinne.”

,,Ja, ich dachte, es wäre in der Küche. Es war wohl die Dachrinne.” Er sagte das, als ob er schon halb im Schlaf wäre. Aber sie merkte, wie unecht seine Stimme klang, wenn er log.

,, Es ist kalt”, sagte sie und gähnte leise, ‚,ich krieche unter die Decke. Gute Nacht.”

,,Nacht”, antwortete er noch:,, ja kalt ist es schon ganz schön”.

Dann war es still. Nach vielen Minuten hörte sie, daß er leise und vorsichtig kaute. Sie atmete absichtlich tief und gleichmäßig, damit er nicht merken sollte, daß sie noch wach war. Aber sein Kauen war so regelmäßig, daß sie davon langsam einschlief.

Als er am nächsten Abend nach Hause kam, schob sie ihm vier Scheiben Brot hin. Sonst hatte er immer nur drei essen können.

,,Du kannst ruhig vier essen”, sagte sie und ging von der Lampe weg.,,Ich kann dieses Brot nicht so recht vertragen. Iß du man eine mehr. Ich vertrag es nicht so gut.”

Sie sah, wie er sich tief über den Teller beugte. Er sah nicht auf. In diesem Augenblick tat er ihr leid.

,,Du kannst doch nicht nur zwei Scheiben essen”, sagte er auf seinen Teller. ,,Doch. Abends vertrag ich das Brot nicht gut. Iß man. Iß man.”

Erst nach einer Weile setzte sie sich unter die Lampe an den Tisch.

Interpretationsarbeit

1. Makroanalyse

Zum Leben und Schaffen von Wolfgang Borchert

Lebensgeschichtlich-biographische und werkgeschichtliche Aspekte des Textes

W.Borchert als Vertreter der Trümmer-Literatur und einer „betrogenen Generation“

Theorie

Ellipse und ihre Funktionen im Text

Anapher und ihre stilistische Wirkung

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2.Mikroanalyse

Wortschatzarbeit

1.Vieldeutigkeit: aufwachen-erwachen, stoßen, die Decke, ausmachen, die Scheibe, kriechen

2.Synonyme: überlegen, tappen, schnippen, der Krümel, sich beugen (über Akk.), liegen (an D.), vertragen, lügen, horchen, anziehen

3.Wählen Sie aus dem Text Wörter, die zum Wortfeld Küche gehören!

4.Finden Sie im Text Wörter der thematischen Reihe Brot!

Textarbeit

3.Allgemeine Charakteristik des Textes

1.Sprechen Sie über die Zusammenwirkung der Komposition und der dreigliedrigen Struktur des Textes!

2.Kommentieren Sie die Wirkung des offenen Anfangs bzw. des unvermittelten Einstiegs für den 1. Teil der KG!

3.Mit welchem Satz wird der Höhepunkt der KG im . Teil 1 erreicht?

4.Erläutern Sie den 2. Teil der KG: die Schilderung der Küche, die quälende Figurenrede (Verlegenheitsdialog) und den Perspektivwechsel durch die erlebte Rede!

5.Wodurch wird der 3. Teil des Textes von den vorigen abgetrennt? Wie kann man das offene Ende der KG erklären?

6.Wodurch ist der Verzicht auf die Namen der Helden und auf konkrete Zeit-und Ortsangaben zu begründen?

7.Wie ist die Stilfärbung der KG und wodurch ist sie zu erklären?

8.Interpretieren Sie die Rolle der Symbole Licht bzw. Lampe, Kälte, Brot!

9.Erklären Sie die Wirkung der Parataxe?

10.Wie ist die Funktion der Ellipsen?

11.Erklären Sie den stilistischen Wert von Wiederholungen! 12.Spielt Konjunktiv im Text eine Rolle?

13.Formulieren Sie die Hauptgedanken des Textes!

4.Vollständige linguostilistische Interpretation des Textes

5.Unterhaltung

1.Welche Stilzüge von W. Borchert machen sich in der KG bemerkbar?

2.Sprechen Sie über assoziative Verbindungen zum Brot überhaupt!

3.Wie schätzen Sie die Not-Lüge als Ausweg aus einer Verlegenheit?

4.Ist Lüge aus Barmherzigkeit zu akzeptieren? Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht? Haben Sie es selbst erlebt? Kennen Sie das von Ihren Mitmenschen?

6.Schriftliches

1.Nehmen Sie Stellung zum Thema Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Wählen Sie dabei die Form eines Aufsatzes bzw. eines Artikels, einer Erzählung usw.!

2.Wie würden Sie diese KG mit den Schülern der Oberstufe analysieren? Fertigen Sie einen Stundenentwurf an!

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Text 13

Wolfgang Borchert: Die drei dunklen Könige

Er tappte durch die dukle Vorstadt. Die Häuser standen abgebrochen gegen den Himmel. Der Mond fehlte und das Pflaster war erschrocken über den späten Schritt. Dann fand er eine alte Planke. Da trat er mit dem Fuß gegen, bis eine Latte morsch aufseufzte und losbrach. Das Holz roch mürbe und süß. Durch die dunkle Vorstadt tappte er zurück. Sterne waren nicht da.

Als er die Tür aufmachte (sie weinte, die Tür), sahen ihm die blaßblauen Augen seiner Frau entgegen. Sie kamen aus einem müden Gesicht. Ihr Atem hing weiß im Zimmer, so kalt war es. Er beugte sein knochiges Knie und brach das Holz. Das Holz seufzte. Dann roch es mürbe und süß ringsum. Er hielt sich ein Stück davon unter die Nase. Riecht beinahe wie Kuchen, lachte er leise. Nicht, sagten die Augen der Frau, nicht lachen. Er schläft.

Der Mann legte das süße mürbe Holz in den kleinen Blechofen. Da glomm es auf und warf eine Handvoll warmes Licht durch das Zimmer. Die viel auf ein winziges rundes Gesicht und blieb einen Augenblick. Das Gesicht war erst eine Stunde alt, aber es hatte schon alles, was dazugehört: Ohren, Nase, Mund und Augen. Die Augen mußten groß sein, das konnte man sehen, obgleich sie zu waren. Aber der Mund war offen und es pustete leise daraus. Nase und Ohren waren rot. Er lebt, dachte die Mutter. Und das kleine Gesicht schlief.

Da sind noch Haferflocken, sagte der Mann. Ja, antwortete die Frau, das ist gut. Es ist kalt. Der Mann nahm noch von dem süßen weichen Holz. Nun hat sie ihr Kind gekriegt und muß frieren, dachte er. Aber er hatte keinen, dem er dafür die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte. Als er die Ofentür aufmachte, fiel wieder eine Handvoll Licht über das schlafende Gesicht. Die Frau sagte leise: Kuck, wie ein Heiligenschein, siehst du? Heiligenschein! dachte er und er hatte keinen, dem er die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte.

Dann waren welche an der Tür. Wir sahen das Licht, sagten sie, vom Fenster. Wir sollen uns zehn Minuten hinsetzen. Aber wir haben ein Kind, sagte der Mann zu ihnen. Da sagten sie nichts weiter, aber sie kamen doch ins Zimmer, stießen Nebel aus den Nasen und hoben die Füße hoch. Dann fiel Licht auf sie. Drei waren es. In drei alten Uniformen. Einer hatte einen Pappkarton, einer einen Sack. Und der Dritte hatte keine Hände. Erfroren, sagte er, und hielt die Stümpfe hoch. Dann drehte er dem Mann die Manteltasche hin. Tabak war darin und dünnes Papier. Sie drehten Zigaretten. Aber die Frau sagte: Nicht, das Kind.

Da gingen die vier vor die Tür und ihre Zigaretten waren vier Punkte in der Nacht. Der eine hatte dicke umwickelte Füße. Er nahm ein Stück Holz aus seinem Sack. Ein Esel, sagte er, ich habe sieben Monate daran geschnitzt. Für das Kind. Das sagte er und gab es dem Mann. Was ist mit den

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Füßen? fragte der Mann. Wasser, sagte der Eselschnitzer, vom Hunger. Und der andere, der dritte? fragte der Mann und befühlte im Dunkeln den Esel. Der dritte zitterte in seiner Uniform: Oh , nichts, wisperte er, das sind nur die Nerven. Man hat eben zuviel Angst gehabt. Dann traten sie die Zigaretten aus und gingen wieder hinein. Sie hoben die Füße hoch und sahen auf das kleine schlafende Gesicht. Der Zitternde nahm aus seinem Pappkarton zwei gelbe Bonbons und sagte dazu: Für die Frau sind die.

Die Frau machte die blassen blauen Augen weit auf, als sie die drei Dunklen über das Kind gebeugt sah. Sie fürchtete sich. Aber da stemmte das Kind seine Beine gegen ihre Brust und schrie so kräftig, daß die drei Dunklen die Füße aufhoben und zur Tür schlichen. Hier nickten sie noch mal, dann stiegen sie in die Nacht hinein.

Der Mann sah ihnen nach. Sonderbare Heilige, sagte er zu seiner Frau. Dann machte er die Tür zu. Schöne Heilige sind das, brummte er und sah nach den Haferflocken. Aber er hatte kein Gesicht für seine Fäuste.

Aber das Kind hat geschrien, flüsterte die Frau, ganz stark hat es geschrien. Da sind sie gegangen. Kuck mal, wie lebendig es ist, sagte sie stolz. Das Gesicht machte den Mund auf und schrie. Weint er? fragte der Mann.

Nein, ich glaube, er lacht, antwortete die Frau. Beinahe wie Kuchen, sagte der Mann und roch an dem Holz, wie Kuchen. Ganz süß.

Heute ist ja Weihnachten, sagte die Frau.

Ja, Weihnachten, brummte er und vom Ofen her fiel eine Handvoll Licht auf das kleine schlafende Gesicht.

Interpretationsarbeit

1.Makroanalyse

Theorie

Allegorie, Symbol, Leitmotiv und Periphrase als Stilmittel

2.Mikroanalyse

Wortschatzarbeit

1.Vieldeutigkeit: das Pflaster, das Stück, das Licht, dünn, aufheben

2.Synonyme: zittern, das Gesicht, schlafen, sich beugen, süß, mürbe, weich, losbrechen

3.Nennen Sie Phraseologismen mit folgenden Wörtern: das Knie, die Faust, das Bein, das Kind!

4.Charakterisieren Sie die Verben des Sprechens!

Textarbeit

3. Allgemeine Charakteristik des Textes

1.Sprechen Sie über die Komposition und Architektonik der Kurzgeschichte! Beachten Sie dabei das Symbolhafte des Textes! Warum heißt die Geschichte Die drei dunklen Könige?

2.Bestimmen Se die Stilfärbung unter dem Aspekt der Wortwahl und der Syntax!

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3.Welche Stilmittel der Expressivität gebraucht der Autor?

4.Was für funktional-stilistische Wirkung haben Periphrasen im Text?

5.Mit welchen Stilmitteln schildert der Autor das Kind, den Vater, die Mutter?

6.Wodurch zeichnet sich die Syntax des Textes aus? Was für eine Rolle spielen dabei Wiederholungen?

4.Vollständige linguostilistische Interpretation

5.Unterhaltung

1.Was ist für den Stil von W. Borchert typisch?

2.Wodurch kann man die Knappheit und Ausgespartheit des Ausdrucks von W. Borchert begründen?

3.Worin liegen expressionistische und surrealistische Stilelemente des Autors?

6. Schriftliches

Interpretieren Sie einen Abschnitt aus dieser Kurzgeschichte!

Text 14

Wolfgang Borchert: Die Krähen fliegen abends nach Hause

Sie hocken auf dem steinkalten Brückengeländer und am violettstinkenden Kanal entlang auf dem frostharten Metallgitter. Sie hocken auf ausgeleierten muldigen Kellertreppen. Am Straßenrand bei Staniolpapier und Herbstlaub und auf den sündigen Bänken des Parks. Sie hocken an türlose Häuserwände gelehnt, hingeschrägt, und auf den fernwehvollen Mauern und Molen der Kais. Sie hocken im Verlorenen, krähengesichtig, grauschwarz übertrauert und heisergekrächzt. Sie hocken und alle Verlassenheiten hängen an ihnen herunter wie lahmes loses zersaustes Gefieder. Herzverlassenheiten, Mädchenverlassenheiten, Sternverlassenheiten.

Sie hocken im Gedämmer und Gediese der Häuserschatten, totwegscheu, teerdunkel und pflastermüde. Sie hocken dünnsohlig und graugestaubt im Frühdunst des Weltnachmittags, verspätet, ins Einerlei verträumt. Sie hocken über dem Bodenlosen, abgrundsverstrickt und schlafwankend vor Hunger und Heimweh.

Krähengesichtig (wie auch anders?) hocken sie, hocken, hocken und hocken. Wer? Die Krähen? Vielleicht auch die Krähen. Aber die Menschen vor allem, die Menschen.

Rotblond macht die Sonne um sechs Uhr das Großstadtgewölke aus Qualm und Gerauch. Und die Häuser werden samtblau und weichkantig im milden Vorabendgeleuchte.

Aber die Krähengesichtigen hocken weißhäutig und blaßgefrohren in ihren Ausweglosigkeiten, in ihren unentrinnbaren Menschlichkeiten, tief in die buntflickigen Jacken verkrochen.

Einer hockte noch von gestern her am Kai, roch sich voll Hafengeruch und kugelte zerbröckeltes Gemäuer ins Wasser. Seine Augenbrauen hingen mut-

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