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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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wir respektieren Persönlichkeit über alles.»

Ich notiere dieAdressen für die Hügelsteine auf ein Blatt und übergebe sie Heinrich Kroll, der im Hof seine Fahrradreifen aufpumpt. Er sieht die Zettel verächtlich an. Für ihn als alten Nibelungen ist Oskar ein gemeiner Lump,obschon er von ihm, ebenfalls als alter Nibelunge, nicht ungern profitiert. «Früher hattenwirsoetwasnichtnötig»,erklärter.«Gut,daßmeinVater das nicht mehr erlebt hat.»

«Ihr Vater wäre nach allem, was ich über diesen Pionier des Grabsteinwesens gehört habe, außer sich vor Freude gewesen, seinenKonkurrenteneinensolchenStreichzuspielen»,erwidere ich. «Er war eine Kämpfernatur – nicht wie Sie auf dem Felde der Ehre, sondern in den Schützengräben rücksichtslosen Geschäftslebens.KriegenwirübrigensbalddieRestzahlungfürdas allseitigpolierteKreuzdenkmal,dasSieimAprilverkaufthaben? Die zweihunderttausend, die noch fehlen? Wissen Sie, was die jetzt wert sind? Nicht einmal einen Sockel.»

Heinrich brummt etwas und steckt den Zettel ein. Ich gehe zurück,zufrieden,ihnetwasgedämpftzuhaben.VordemHause stehtdasStückDachröhre,dasbeimletztenRegenabgebrochen ist. Die Handwerker sind gerade fertig; sie haben das abgebrocheneStückerneuert.«WieistesmitderaltenRöhre?»fragtder Meister.«Die können Sie doch nicht mehr brauchen.Sollen wir sie mitnehmen?»

«Klar»,sagt Georg.

DieRöhrestehtandenObeliskengelehnt,KnopfsFreiluft-Pis- soir.SieisteinigeMeterlangundamEnderechtwinkliggebogen. IchhabeplötzlicheinenEinfall.«LassenSiesiehierstehen»,sage ich.«Wir brauchen sie noch.»

«Wofür?» fragt Georg.

«Fürheuteabend.Duwirstessehen.Eswirdeineinteressante

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Vorstellung werden.»

Heinrich Kroll radelt davon. Georg und ich stehen vor der Tür und trinken ein Glas Bier, das Frau Kroll uns durch das Küchenfensterherausreicht.Esistsehrheiß.DerTischlerWilke schleichtvorbei.ErträgteinpaarFlaschenundwirdineinemmit Hobelspänen ausgepolsterten Sarg seinen Mittagsschlaf halten. SchmetterlingespielenumdieKreuzdenkmäler.DiebunteKatze derFamilieKnopf istträchtig.«WiestehtderDollar?»frageich. «Hast du telefoniert?»

«Fünfzehntausend Mark höher als heute morgen.Wenn es so weitergeht,könnenwirRiesenfeldsWechselmitdemWerteines kleinen Hügelsteins bezahlen.»

«Wunderbar. Schade, daß wir nichts davon behalten haben. Nimmt einem etwas vom nötigen Enthusiasmus,was?» Georg lacht.«Auch vom Ernst des Geschäftes.Abgesehen von Heinrich natürlich.Was machst du heute abend?»

«Ich gehe nach oben; zu Wernicke. Da weiß man wenigstens nichtsvomErnstundvonderLächerlichkeitdesGeschäftslebens. Dort oben geht es nur ums Dasein. Immer um das ganze Sein, um die volle Existenz,um das Leben und nichts als das Leben. Darunter gibt es nichts.Wenn man längere Zeit da lebte,würde einem unser läppisches Geschacher um Kleinigkeiten verrückt vorkommen.»

«Bravo»,erwidertGeorg.«FürdiesenUnsinnverdienstduein zweites Glas eiskaltes Bier.» Er nimmt unsere Gläser und reicht sie ins Küchenfenster hinein.«Gnädige Frau,bitte noch einmal dasselbe.»

Frau Kroll streckt ihren grauen Kopf heraus.«Wollt ihr einen frischen Rollmops und eine Gurke dazu?»

«Unbedingt! Mit einem Stück Brot. Das kleine Dejeuner für jedeArtvonWeltschmerz»,erwidertGeorgundreichtmirmein

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Glas.«Hast du welchen?»

«Ein anständiger Mensch in meinem Alter hat immer Weltschmerz»,erwidere ich fest.«Es ist das Recht der Jugend.» «Ich dachte, man hätte dir die Jugend beim Militär gestohlen?»

«Stimmt.Ichbinimmernochauf derSuchenachihr,findesie aber nicht. Deshalb habe ich einen doppelten Weltschmerz. So wie ein amputierter Fuß doppelt schmerzt.»

Das Bier ist wunderbar kalt. Die Sonne brennt uns auf die Schädel, und auf einmal ist, trotz allen Weltschmerzes, wieder einer derAugenblicke da,wo man dem Dasein sehr dicht in die grüngoldenenAugen starrt.Ich trinke mein Bier andächtig aus. AllemeineAdernscheinenplötzlicheinSonnenbadgenommen zuhaben.«Wirvergessenimmerwieder,daßwirnurkurzeZeit diesenPlanetenbewohnen»,sageich.«Deshalbhabenwireinen völlig irrigenWeltkomplex.Den von Menschen,die ewig leben. Hast du das schon gemerkt?»

«Und wie! Es ist der Kardinalfehler der Menschheit.An sich ganz vernünftige Leute lassen grauenhaften Verwandten auf dieseWeise Millionen von Dollars zukommen,anstatt sie selbst zu verbrauchen.»

«Gut!Was würdest du tun,wenn du wüßtest,daß du morgen sterben müßtest?»

«KeineAhnung.»

«Nein? Gut,ein Tag ist vielleicht eine zu kurze Zeit.Was würdest du tun, wenn du wüßtest, daß du in einer Woche dahin wärest?»

«Immer noch keineAhnung.»

«Irgendwasmüßtestdudochtun!Wiewärees,wenndueinen Monat Zeit hättest?»

«Ich würde wahrscheinlich so weiterleben wie jetzt»,sagt Ge-

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org.«IchhättesonstdenganzenMonatdurchdaselendeGefühl, mein Leben bisher falsch gelebt zu haben.»

«Du hättest einen Monat Zeit,es zu korrigieren.»

Georg schüttelt den Kopf. «Ich hätte einen Monat Zeit, es zu bereuen.»

«Du könntest unser Lager verkaufen an Hollmann und Klotz, nachBerlinfahrenundeinenMonatmitSchauspielern,Künstlern und eleganten Huren ein atemberaubendes Leben führen.» «DerZasterwürdenichtfürachtTagereichen.UnddieDamen würdennurBarmädchensein.Außerdemleseichlieberdarüber. Phantasie enttäuscht nie.Aber wie ist es mit dir? Was würdest du machen, wenn du wüßtest, daß du in vier Wochen sterben würdest?»

«Ich?» sage ich betro en. «Ja,du.»

Ich blicke in die Runde. Da ist der Garten, grün und heiß, in allen Farben des Hochsommers,da segeln die Schwalben,da ist das endlose Blau des Himmels, und oben aus seinem Fenster glotzt der alte Knopf, der gerade aus seinem Rausch erwacht ist,in Hosenträgern und einem karierten Hemd auf uns herab. «Ich muß darüber nachdenken», sage ich. «Sofort kann ich es nicht sagen.Es ist zuviel.Ich habe jetzt nur das Gefühl,daß ich explodieren würde,wenn ich es so wüßte,daß es mir als genug erschiene.»

«Denkenichtzustarknach;sonstmüssenwirdichzuWernicke bringen.Aber nicht zum Orgelspielen.»

«Dasistes»,sageich.«Wahrhaftig,dasistes!Wennwiresganz erkennen könnten,würden wir verrückt.»

«NocheinGlasBier?»fragtFrauKrolldurchdasKüchenfenster. «Es ist auch Himbeerkompott da.Frisches.»

«Gerettet!» sage ich. «Sie haben mich soeben gerettet, gnädi-

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ge Frau. Ich war wie ein Pfeil auf dem Wege zur Sonne und zu Wernicke.Gott sei Dank,alles ist noch da! Nichts ist verbrannt! Das süße Leben spielt noch mit Schmetterlingen und Fliegen um uns herum, es ist nicht in Asche zerstäubt, es ist da, es hat noch alle seine Gesetze, auch die, die wir ihm angelegt haben wie einemVollblut ein Geschirr! Trotzdem,kein HimbeerkompottzuBier,bitte!DafürabereinStückfließendenHarzerKäse. Guten Morgen, Herr Knopf! Ein schöner Tag! Was halten Sie vom Leben?»

Knopf starrt mich an.Sein Gesicht ist grau,und unter seinen AugenhängenSäcke.NacheinerWeilewinkterverärgertabund schließt sein Fenster. «Wolltest du nicht noch was von ihm?» fragt Georg.

«Ja,aber erst heute abend.»

Wir treten bei Eduard Knobloch ein. «Sieh da», sage ich und bleibestehen,alswäreichgegeneinenBaumgerannt.«Sospielt das Leben scheinbar auch! Ich hätte es ahnen sollen!»

In derWeinabteilung sitzt Gerda an einem Tisch,auf dem ein Bukett Tigerlilien steht. Sie ist allein und hackt gerade auf ein StückRehrückenein,dasfastsogroßistwiederTisch.«Wassagst du dazu?» frage ich Georg.«Riecht das nicht nachVerrat?» «War etwas zu verraten?» fragt Georg zurück.

«Nein.Aber wie wäre es mitVertrauensbruch?» «War einVertrauen zu brechen?»

«Laßdas,Sokrates!»erwidereich.«Siehstdunicht,daßEduards dicke Pfoten hier im Spiele sind?»

«Das sehe ich.Aber wer hat dich verraten? Eduard oder Gerda?»

«Gerda!Wer sonst? Der Mann hat nie etwas damit zu tun.» «Die Frau auch nicht.»

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«Wer denn?» «Du.Wer sonst?»

«Gut»,sageich.«Duhastleichtreden.Duwirstnichtbetrogen. Du betrügst selbst.»

Georg nickt selbstgefällig.«Liebe ist eine Sache des Gefühls», doziert er. «Keine der Moral. Gefühl aber kennt keinen Verrat. Es nimmt zu,schwindet oder wechselt – wo ist daVerrat? Es ist keinKontrakt.HastduGerdasOhrennichtmitdeinemSchmerz um Erna vollgeheult?»

«Nur im Anfang.Sie war ja dabei,als der Krach in der Roten Mühle passierte.»

«Dann jammere jetzt nicht.Verzichte oder handle.»

Ein Tisch neben uns wird frei. Wir setzen uns. Der Kellner Freidank räumt ab.«Wo ist Herr Knobloch?» frage ich. Freidanksiehtsichum.«Ichweißnicht–erwardieganzeZeit an dem Tisch mit der Dame drüben.»

«Einfach,was?»sageichzuGeorg.«Soweitwärenwir.Ichbinein natürlichesOpferderInflation.Schonwieder.ErstErna,jetztGerda.BinicheingeborenerHahnrei?Dirpassiertsowasnicht.» «Kämpfe!» erwidert Georg.«Noch ist nichts verloren.Geh zu Gerda hinüber!»

«Womit soll ich kämpfen? Mit Grabsteinen? Eduard gibt ihr Rehrücken und widmet ihr Gedichte.Bei den Gedichten kennt sie den Unterschied in der Qualität nicht – beim Essen leider. Und ich Esel habe mir das selbst zuzuschreiben! Ich habe sie hierhergebracht und ihrenAppetit geweckt.Buchstäblich!» «Dann verzichte»,sagt Georg.«Wozu kämpfen? Um Gefühle kann man sowieso nicht kämpfen.»

«Nein?Weshalb rätst du mir dann vor einer Minute,ich solle es tun?»

«WeilheuteDienstagist.DakommtEduard–inseinemSonn-

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tagsgehrock und mit einer Rosenknospe im Knopfloch.Du bist erledigt.»

Eduardstutzt,alserunssieht.ErschieltzuGerdahinüberund begrüßt uns dann mit der Herablassung des Siegers.

«HerrKnobloch»,sagtGeorg.«IstTreuedasMarkderEhre,wie unser geliebter Feldmarschall es verkündet hat,oder nicht?» «Es kommt darauf an», erwidert Eduard vorsichtig. «Heute gibtesKönigsbergerKlopsmitTunkeundKarto eln.Eingutes Essen.»

«Darf der Soldat dem Kameraden in den Rücken fallen?» fragt Georg weiter. «Der Bruder dem Bruder? Der Poet dem Poeten?»

«Poeten greifen sich dauernd an.Sie leben davon.»

«Sie leben vom o enen Kampf; nicht vom Dolchstoß in den Magen»,erkläre ich.

Eduard schmunzelt breit. «Der Sieg dem Sieger, mein lieber Ludwig,catchascatchcan.Jammereich,wennihrmitEßmarken kommt,die keine Nuß mehr wert sind?»

«Ja»,sage ich,«und wie!»

EduardwirdindiesemAugenblickbeiseitegeschoben.«Kinder, daseidihrja»,sagtGerdaherzlich.«Laßtunszusammenessen! Ich habe gehofft,ihr würdet kommen!»

«Du sitzest in der Weinabteilung», erwidere ich giftig. «Wir trinken Bier.»

«Ich trinke auch lieber Bier.Ich setze mich zu euch.» «Erlaubst du,Eduard?» frage ich.«Catch as catch can?» «Was hat Eduard da zu erlauben?» fragt Gerda. «Er freut sich doch,wennichmitseinenFreundenesse.Nichtwahr,Eduard?» DieSchlangenenntihnbereitsbeimVornamen.Eduardstottert. «Natürlich,nichts dagegen,selbstverständlich,eine Freude –» ErbieteteinschönesBild,rot,wütendundverbissenlächelnd.

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«EinehübscheRosenknospeträgstduda»,sageich.«Bistduauf Freiersfüßen? Oder ist das einfache Freude an der Natur?» «Eduard hat ein sehr feines Gefühl für Schönheit», erwidert Gerda.

«Dashater»,bestätigeich.«HattestdudasgewöhnlicheMittagessen?LiebloseKönigsbergerKlopseinirgendeinergeschmacklosen deutschen Tunke?»

Gerdalacht.«Eduard,zeig,daßdueinKavalierbist!Laßmich deine beiden Freunde zum Essen einladen! Sie behaupten dauernd,du wärest entsetzlich geizig.Laß uns ihnen das Gegenteil beweisen.Wir haben –»

«KönigsbergerKlops»,unterbrichtEduardsie.«Gut,ladenwir sie zum Klops ein.Ich werde für einen extra guten sorgen.» «Rehrücken»,sagt Gerda.

Eduard ähnelt einer defekten Dampfmaschine. «Das da sind keine Freunde»,erklärt er.

«Was?»

«WirsindBlutsfreunde,wieValentin»,sageich.«Erinnerstdu dichnochanunserletztesGesprächimDichterklub?Solliches laut wiederholen? In welcherVersform dichtest du jetzt?» «Über was habt ihr gesprochen?» fragt Gerda.

«Über nichts»,erwidert Eduard rasch.«Die beiden hier sagen nie ein wahres Wort! Witzbolde, trostlose Witzbolde sind sie! Wissen nichts vom Ernst des Lebens.»

«Ichmöchtewissen,weraußerTotengräbernundSargtischlern mehr vom Ernst des Lebens weiß als wir»,sage ich.

«Achihr!IhrwißtnurwasvonderLächerlichkeitdesTodes», erklärt Gerda plötzlich aus heiterem Himmel. «Und deshalb versteht ihr nichts mehr vom Ernst des Lebens.»

Wirstarrensiemaßlosverblüfftan.DasistbereitsunverkennbarEduardsStil!Ichfühle,daßichaufverlorenemBodenkämpfe,

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gebe aber noch nicht auf.

«Vonwemhastdudas?»frageich.«DuSybilleüberdendunklen Teichen der Schwermut!»

Gerdalacht.«FüreuchistdasLebenimmergleichbeimGrabstein.SoschnellgehtdasnichtfürandereMenschen.Eduardzum Beispiel ist eine Nachtigall!»

EduardblühtüberseinefettenBacken.«Wieistesalsomitdem Rehrücken?» fragt Gerda ihn.

«Nun,schließlich,warum nicht?»

Eduard entschwindet. Ich sehe Gerda an. «Bravo!» sage ich. «ErstklassigeArbeit.Was sollen wir davon halten?»

«MachnichteinGesichtwieeinEhemann»,erwidertsie.«Freue dich einfach deines Lebens,fertig.»

«Was ist das Leben?» «Das,was gerade passiert.»

«Bravo»,sagtGeorg.«UndherzlichenDankfürdieEinladung. Wir lieben Eduard wirklich sehr;er versteht uns nur nicht.» «Liebst du ihn auch?» frage ich Gerda.

Sielacht.«Wiekindischerist»,sagtsiezuGeorg.«KönnenSieihm nichteinbißchendieAugendarüberö nen,daßnichtallesimmer seinEigentumist?Besonders,wennerselbstnichtsdazutut?» «Ichversuchefortwährend,ihnaufzuklären»,erwidertGeorg. «ErhatnureinenHaufenHindernisseinsich,dieerIdealenennt. Wenn er erst einmal merkt,daß das euphemistischer Egoismus ist,wird er sich schon bessern.»

«Was ist euphemistischer Egoismus?» «JugendlicheWichtigtuerei.»

Gerdalachtderartig,daßderTischzittert.«Ichhabedasnicht, ungern»,erklärt sie.«Aber ohneAbwechslung ermüdet es.Tatsachen sind nun einmal Tatsachen.»

Ichhütemichzufragen,obTatsachenwirklichTatsachenseien.

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Gerda sitzt da,ehrlich und fest,und wartet mit aufgestemmtem Messerauf diezweitePortionRehrücken.IhrGesichtistrunder als früher; sie hat schon zugenommen bei Eduards Kost und strahlt mich an und ist nicht im mindesten verlegen.Weshalb sollte sie auch? Was für Rechte habe ich tatsächlich schon an ihr? Und wer betrügt im Augenblick wen? «Es ist wahr», sage ich.«Ich bin mit egoistischenAtavismen behangen wie ein Fels mit Moos.Mea culpa!»

«Recht, Schatz», erwidert Gerda. «Genieße dein Leben und denke nur,wenn es nötig ist.»

«Wann ist es nötig?»

«Wenn du Geld verdienen mußt oder vorwärtskommen willst.»

«Bravo», sagt Georg wieder. In diesem Augenblick erscheint derRehrücken,unddasGesprächstockt.Eduardüberwachtuns wie eine Bruthenne ihre Küken.Es ist das erstemal,daß er uns unser Essen gönnt.Er hat ein neues Lächeln,aus dem ich nicht klug werde. Es ist voll von feister Überlegenheit, und er steckt es Gerda ab und zu heimlich zu wie ein Verbrecher jemandem einen Kassiber im Gefängnis.Aber Gerda hat immer noch ihr altes,völligo enesLächeln,dassieunschuldigwieeinKommunionkindmirzustrahlt,wennEduardwegsieht.Sieistjüngerals ich, aber ich habe das Gefühl, daß sie mindestens vierzig Jahre mehr Erfahrung hat.«Iß,Baby»,sagt sie.

Ich esse mit schlechtem Gewissen und starkem Mißtrauen, und der Rehbraten, eine Delikatesse ersten Ranges, schmeckt mir plötzlich nicht.«Noch ein Stückchen?» fragt Eduard mich. «Oder noch etwas Preiselbeersoße?»

Ich starre ihn an.Ich habe das Gefühl,als habe mein früherer Rekrutenuntero zier mir vorgeschlagen, ihn zu küssen. Auch Georg ist alarmiert. Ich weiß, daß er nachher behaupten wird,

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