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Remarque, Erich Maria - Der schwarze Obelisk

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08.06.2015
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Erkenntnis durch alle schlüge und sie sich zusammenfänden in einer Revolte,wenn sie die Schlösser brächen,die Stangen zersprengten,undwieeinegraueWogedieTreppehinaufschäumten und das erleuchtete Zimmer, diese Kabine begrenzten, festen Geistes wegschwemmten in die Nacht und in das, was ohne Namen mächtiger hinter der Nacht steht?

Ich drehe mich um. Der Mann des Glaubens und der Mann derWissenschaft sitzen unter dem Licht,das sie bescheint.Die Welt ist keine vage, zitternde Unruhe für sie, kein Murren aus Tiefen, kein Wetterleuchten in eisigen Ätherräumen – sie sind MännerdesGlaubensundderWissenschaft,siehabenSenkblei undLotundWaageundMaß,jedereinanderes,aberdasfichtsie nicht an,sie sind sicher,sie haben Namen,die sie wie Etiketten auf allesklebenkönnen,sieschlafengut,siehabeneinenZweck, dasgenügtihnen,undselbstdasGrauen,derschwarzeVorhang vor dem Selbstmord,hat seinen wohlgeordneten Platz in ihrem Dasein,es hat einen Namen und ist klassifiziert und damit ungefährlich geworden. Nur das Namenlose tötet, oder das, was seinen Namen gesprengt hat.

«Es blitzt»,sage ich.

Der Doktor sieht auf.«Tatsächlich!»

ErerörtertgeradedasWesenderSchizophrenie,derKrankheit Isabelles. Sein dunkles Gesicht ist von Eifer leicht gerötet. Er erklärt,wie Kranke dieserArt blitzartig,in Sekunden,von einer Persönlichkeit in die andere springen,und daß man sie in alten Zeiten als Seher und Heilige bezeichnet habe und in anderen als vom Teufel Besessene, vor denen das Volk abergläubischen Respekt hatte.Er philosophiert über die Gründe,und ich wundere mich plötzlich, woher er das alles weiß und warum er es als Krankheit bezeichnet. Könnte man es nicht ebensogut als einen besonderen Reichtum ansehen? Hat nicht jeder normale

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MenschaucheinDutzendPersönlichkeiteninsich?Undistder Unterschiednichtnurder,daßderGesundesieunterdrücktund der Kranke sie freiläßt?Wer ist da krank?

Ich trete an den Tisch und trinke mein Glas aus. Bodendiek betrachtetmichwohlwollend;Wernickeso,wiemaneinenvöllig uninteressantenFallansieht.IchfühlezumerstenmaldenWein; ichfühle,daßergutist,insichgeschlossen,gereiftundnichtlose. ErhatkeinChaosmehrinsich,denkeich.Erhatesverwandelt. Verwandelt in Harmonie.Aber verwandelt, nicht ersetzt. Er ist ihm nicht ausgewichen. Ich bin plötzlich, eine Sekunde lang, ohne Grund unsagbar glücklich.Man kann das also,denke ich. Man kann es verwandeln! Es ist nicht nur eins oder das andere. Es kann auch eins durch das andere sein.

Ein neuer blasser Schein wirft sich gegen das Fenster und erlischt. Der Doktor erhebt sich. «Es geht los. Ich muß zu den Geschlossenen hinüber.»

Die Geschlossenen sind die Kranken,die nie herauskommen. Siebleibeneingeschlossen,bissiesterben,inZimmernmitfestgeschraubtenMöbeln,mitvergittertenFensternundmitTüren, die man nur von außen mit Schlüsseln ö nen kann.Sie sind in Käfigen wie gefährliche Raubtiere, und niemand spricht gerne von ihnen.

Wernicke sieht mich an.«Was ist mit Ihrer Lippe los?» «Nichts.Ich habe mich im Traum gebissen.»

Bodendieklacht.DieTürö netsich,unddiekleineSchwester bringt eine neue Flasche Wein herein, mit drei Gläsern dazu. Wernicke verläßt mit der Schwester das Zimmer. Bodendiek greift nach der Flasche und schenkt sich ein.Ich verstehe jetzt, warumerWernickeangebotenhat,mitunszutrinken;dieOberin hat daraufhin die neue Flasche geschickt.Eine allein wäre nicht genugfürdreiMänner.DieserSchlauberger,denkeich.Erhatdas

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WunderderSpeisungbeiderBergpredigtwiederholt.Auseinem Glas für Wernicke hat er eine ganze Flasche für sich gemacht. «Sie trinken wohl nicht mehr,wie?» fragt er.

«Doch!» erwidere ich und setze mich. «Ich bin auf den Geschmack gekommen. Sie haben ihn mir beigebracht. Danke herzlich.»

Bodendiek zieht mit einem sauersüßen Lächeln die Flasche wieder aus dem Eis.Er betrachtet das Etikett einenAugenblick, ehe er mir eingießt – ein viertel Glas. Sein eigenes schenkt er fast bis zum Rande voll. Ich nehme ihm ruhig die Flasche aus derHandundgießemeinGlasnach,bisesebensogefülltistwie seines.«HerrVikar»,sageich.«InmanchenDingensindwirgar nicht so verschieden.»

Bodendiek lacht plötzlich.Sein Gesicht entfaltet sich wie eine Pfingstrose.«ZumWohle»,sagt er salbungsvoll.

Das Gewitter murrt und zieht hin und her.Wie lautlose Säbelhiebe fallen die Blitze. Ich sitze am Fenster meines Zimmers, die Fetzen aller Briefe Ernas vor mir in einem ausgehöhlten Elefantenfuß, den mir der Weltreisende Hans Ledermann, der Sohn des Schneidermeisters Ledermann, vor einem Jahr als Papierkorb geschenkt hat.

Ich bin fertig mit Erna.Ich habe mir alle ihre unangenehmen Eigenschaftenaufgezählt;ichhabesieemotionellundmenschlich inmirvernichtetundalsDesserteinpaarKapitelSchopenhauer undNietzschegelesen.Abertrotzdemmöchteichlieber,daßich einenSmokinghätte,einAutoundeinenChau eur,unddaßich, begleitet von zwei bis drei bekannten Schauspielerinnen,einige Hundert Millionen in der Tasche,jetzt in der Roten Mühle auftauchen könnte,um der Schlange dort den Schlag ihres Lebens zuversetzen.IchträumeeineZeitlangdavon,wieeswäre,wenn

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sie morgen in der Zeitung lesen würde,ich hätte das große Los gewonnenoderwäreschwerverletztworden,währendichKinder aus brennenden Häusern gerettet hätte.Dann sehe ich Licht in Lisas Zimmer.

Sie ö net es und macht Zeichen.Mein Zimmer ist dunkel,sie kannmichnichtsehen;alsomeintsienichtmich.Siesagtlautlos etwas,zeigt auf ihre Brust und dann auf unser Haus,und nickt. Darauf erlischt das Licht.

Ichbeugemichvorsichtighinaus.Esistzwölf Uhrnachts,und die Fenster rundum sind dunkel. Nur das von Georg Kroll ist o en.

Ich warte und sehe, wie Lisas Haustür sich bewegt. Sie tritt heraus,siehtraschnachbeidenSeitenundläuftüberdieStraße. Sie trägt ein leichtes buntes Kleid und hat ihre Schuhe in der Hand,um kein Geräusch zu machen.Gleichzeitig höre ich,wie sich die Haustür bei uns vorsichtig ö net. Es muß Georg sein. Die Haustür hat oben eine Klingel, und um sie ohne Krach zu ö nen,muß man auf einen Stuhl steigen,die Klingel festhalten und mit dem Fuß die Klinke herunterdrücken und aufziehen, eine akrobatische Leistung,zu der man nüchtern sein muß.Ich weiß,daß Georg heute abend nüchtern ist.

Gemurmelertönt;dasKlappernvonhohenAbsätzen.Lisa,das eitleBiest,hatalsoihreSchuhewiederangezogen,umverführerischerauszusehen.DieTürzuGeorgsZimmerseufztleise.Also doch!Werhättedaserwartet?Georg,diesesstilleWasser!Wann hat er das nur geschafft?

Das Gewitter kommt zurück. Der Donner wird stärker, und plötzlich,wie ein Regen von Silbertalern,stürzt dasWasser auf das Pflaster.Es sprüht als Staubfontäne zurück,und Kühle weht erfrischendherauf.IchlehneausdemFensterundblickeinden nassen Tumult. Das Wasser schießt bereits durch die Abfluß-

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rinnen, Blitze leuchten hinein, und im Aufund Abflammen seheichausGeorgsZimmerdienacktenArmeLisassichinden Regen strecken, und dann sehe ich ihren Kopf und höre ihre heisere Stimme. Georgs kahlen Kopf sehe ich nicht. Er ist kein Naturschwärmer.

Das Hoftor ö net sich unter einem Fausthieb. Klatschnaß wanktderFeldwebelKnopf herein.DasWassertrieftvonseiner Kappe.Gottlob,denkeich,beidemWetterbraucheichnichtmit einem Wassereimer hinter seinen Schweinereien her zu sein! AberKnopf enttäuschtmich.ErsiehtseinOpfer,denschwarzen Obelisken,überhaupt nicht an.Fluchend und nach dem Regen schlagend wie nach Stechmücken, flüchtet er ins Haus.Wasser ist sein großer Feind.

Ich nehme den Elefantenfuß und leere seinen Inhalt auf die Straße.Der Regen schwemmt Ernas Liebesgeschwätz rasch davon.DasGeldhatgesiegt,denkeich,wieimmer,obschonesnichts wert ist.Ich gehe zum anderen Fenster und sehe in den Garten. Das große Regenfest ist dort in vollem Gange,eine grüne Orgie derBegattung,schamlosundunschuldig.ImAufblitzendesWetterleuchtensseheichdieGrabplattefürdenSelbstmörder.Sieist beiseitegestellt,dieInschriftisteingehauenundleuchtetgolden. IchziehedasFensterzuundmacheLicht.UntenmurmelnGeorg und Lisa.Mein Zimmer erscheint mir plötzlich entsetzlich leer. Ich ö ne das Fenster wieder, lausche in das anonyme Brausen undbeschließe,mirvomBuchhändlerBaueralsHonorarfürdie letzteWocheNachhilfeunterrichteinBuchüberYoga,Entsagung undSelbstgenügsamkeitgebenzulassen.DieLeutesollendarin mitAtemübungen Fabelhaftes erreicht haben.

Bevorichschlafengehe,kommeichanmeinemSpiegelvorbei. Ichbleibestehenundsehehinein.Wasistdawirklich?denkeich. WoherkommtdiePerspektive,diekeineist,dieTiefe,dietäuscht,

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der Raum,der Ebene ist? Und wer ist das,der da herausschaut und nicht da ist?

IchsehemeineLippe,geschwollenundverkrustet,ichberühre sie,undjemandgegenüberberührteineGeisterlippe,dienichtda ist.Ichgrinse,undderNicht-Jemandgrinstzurück.Ichschüttle denKopf,undderNicht-JemandschütteltdenNicht-Kopf.Wer vonunsistwer?UndwasistIch?DasdaoderdasFleischumkleidetedavor?Oderistesnochetwasanderes,etwashinterbeiden? Ich spüre einen Schauder und lösche das Licht.

VII

Riesenfeld hatWort gehalten.Der Hof ist voll von Denkmälern undSockeln.DieallseitigpoliertensindinLatteneingeschlagen und in Sackleinen eingehüllt. Sie sind die Primadonnen unter den Leichensteinen und müssen äußerst vorsichtig behandelt werden,damit den Kanten nichts geschieht.

DieganzeBelegschaftstehtimHof,umzuhelfenundzuzusehen.SogardiealteFrauKrollwandertumher,prüftdieSchwärze undFeinheitdesGranitsundwirftabundzueinenwehmütigen Blick auf den Obelisken neben der Tür – das einzige, was von den Einkäufen ihres toten Gemahls übriggeblieben ist.

Kurt Bach dirigiert einen mächtigen Block Sandstein in seine Werkstatt. Ein neuer sterbender Löwe wird daraus entstehen, aberdiesesMalnichtgebeugt,mitZahnschmerzen,sondernmit letzterKraftbrüllend,einenabgebrochenenSpeerinderFlanke. EristfürdasKriegerdenkmaldesDorfesWüstringenbestimmt, in dem ein besonders zackiger Kriegerverein unter dem Befehl des Majors a. D.Wolkenstein haust.Wolkenstein war der trauernde Löwe zu waschlappig.Er hätte am liebsten einen mit vier

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feuerspeienden Köpfen bestellt.

EineSendungderWürttembergischenMetallwarenfabrik,die gleichzeitig angekommen ist, wird ebenfalls ausgepackt. Vier au iegendeAdlerwerdenineinerReihenebeneinanderaufden Bodengestellt,zweiausBronzeundzweiausGußeisen.Siesind da,umandereKriegerdenkmälerzukrönenunddieJugenddes Landes für einen neuen Krieg zu begeistern – denn,wie Major a. D.Wolkenstein so überzeugend erklärt: Einmal müssen wir schließlich doch gewinnen, und dann wehe den anderen! VorläufigsehendieAdlerallerdingsnurwieriesigeHühneraus,die Eier legen wollen – doch das wird sich schon ändern,wenn sie erst oben auf den Denkmälern thronen.Auch Generäle wirken ohneUniformleichtwieHeringsbändiger,undsogarWolkenstein siehtinZivilnurauswieeinfetterSportlehrer.Aufmachungund Distanz sind alles in unserem geliebtenVaterland.

Ichüberwache,alsReklamechef,dieAnordnungderDenkmäler.Siesollennichtbeziehungslosnebeneinanderstehen,sondern freundlicheGruppenbildenundkünstlerischdurchdenGarten verteilt werden.Heinrich Kroll ist dagegen.Er hat lieber,wenn die Steine wie Soldaten ausgerichtet sind;alles andere erscheint ihm verweichlicht.Zum Glück wird er überstimmt.Auch seine Mutteristgegenihn.Sieisteigentlichimmergegenihn.Sieweiß heute noch nicht,wieso Heinrich ihr Kind ist und nicht das der Majorin a.D.Wolkenstein.

DerTagistblauundsehrschön.DerHimmelbauschtsichwieein riesigesSeidenzeltüberderStadt.DiefeuchteKühledesMorgens hängt noch in den Kronen der Bäume. Die Vögel zwitschern, als gäbe es nur den beginnenden Sommer, die Nester und das junge Leben darin.Es geht sie nichts an,daß der Dollar wie ein häßlicher,schwammigerPilzauf fünfzigtausendangeschwollen

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ist. Auch nicht, daß in der Morgenzeitung drei Selbstmorde gemeldet worden sind – alle von ehemaligen kleinen Rentnern; alle auf die Lieblingsart derArmen begangen: mit dem o enen Gashahn.DieRentnerinKubalkeistmitdemKopf imBackofen ihres Herdes gefunden worden; der pensionierte Rechnungsrat Hopf frischrasiert,inseinemletzten,tadellosgebürsteten,stark geflickten Anzug, vier wertlose rotgestempelte Tausendmarkscheine wie Einlaßbillette zum Himmel in der Hand; und die Witwe Glaß auf dem Flur ihrer Küche,ihr Sparkassenbuch,das eine Einlage von fünfzigtausend Mark zeigte, zerrissen neben sich. Die rotgestempelten Tausendmarkscheine Hopfs sind eine letzte Fahne der Ho nung gewesen; seit langem bestand der Glaube,sie würden irgendwann einmal wieder aufgewertet werden.WoherdasGerüchtkam,weißkeinMensch.Nirgendwo aufihnensteht,daßsieinGoldauszahlbarsind,undselbstwenn esdastünde:derStaat,dieserimmuneBetrüger,derselbstBillionenunterschlägt,aberjeden,derihmnurfünf Markveruntreut, einsperrt,würdeschoneinenKni finden,sienichtauszuzahlen. ErstvorgesternhatinderZeitungeineErklärunggestanden,daß siekeineVorzugsbehandlunggenießenwürden.Dafürstehtheute die Todesanzeige Hopfs drin.

Aus der Werkstatt des Sargtischlers Wilke dringt Klopfen, als hausedorteinriesigerfröhlicherSpecht.WilkesGeschäftblüht; einenSargbrauchtschließlichjeder,sogareinSelbstmörder–die Zeit der Massengräber und der Beerdigungen in Zeltbahnen ist seit dem Krieg vorbei. Man verfault wieder standesgemäß, in langsammorschwerdendemHolz,imTotenhemdoderimFrack ohne Rücken und im Totenkleid aus weißem Crêpe de Chine. DerBäckermeisterNiebuhrsogarimSchmuckallerseinerOrden und Vereinsabzeichen; seine Frau hat darauf bestanden. Auch

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eine Kopie der Vereinsfahne des Gesangvereins Eintracht hat sie ihm mitgegeben. Er war dort zweiter Tenor. Jeden Samstag brüllteerdas«SchweigenimWalde»und«StolzwehtdieFlagge schwarzweiß-rot»,trankgenugBier,umfastzuplatzen,undging dannnachHause,seineFrauzuverprügeln.EinaufrechterMann, wie der Pastor am Grabe sagte.

Heinrich Kroll verschwindet zum Glück um zehn Uhr, mit Fahrrad und gestreifter Hose, um auf die Dörfer zu gehen. So vielfrischerGranitmachtseinKaufmannsherzunruhig;ermuß los,ihn an die trauernden Hinterbliebenen zu bringen.

Wir können uns jetzt freier entfalten. Zunächst machen wir einePauseundwerdenvonFrauKrollmitLeberwurstbutterbroten und Ka ee erquickt.Lisa erscheint am Hoftor.Sie trägt ein knallrotes Seidenkleid. Die alte Frau Kroll verscheucht sie mit einem Blick. Sie kann Lisa nicht ausstehen, obschon sie keine Kirchenläuferin ist.

«Diese dreckige Schlampe»,erklärt sie zielsicher.

Georg fällt prompt darauf herein. «Dreckig? Wieso ist sie dreckig?»

«Sie ist dreckig,siehst du das nicht? Ungewaschen,aber einen Seidenfetzen darüber.»

Ich sehe, daß Georg unwillkürlich nachdenklich wird. Dreck hat keiner gern an der Geliebten, wenn er nicht dekadent ist. Seine Mutter hat eine Sekunde lang eine Art Triumphblitz im Auge;dannwechseltsiedasThema.Ichschauesiebewundernd an;sieisteinFeldherrmitmobilenEinheiten–schlägtraschzu, und wenn der Gegner sich langsam zur Wehr anschickt, ist sie schon ganz woanders.Lisa mag schlampig sein; aber au allend dreckig ist sie bestimmt nicht.

Die drei Töchter des Feldwebels Knopf schwirren aus dem Hause. Sie sind klein, rundlich und flink, Näherinnen wie ihre

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Mutter.DenganzenTagsurrenihreMaschinen.Jetztzwitschern siedavon,PaketemitunerschwinglichteurenseidenenHemden fürdieSchieberinihrenHänden.Knopf,deralteMilitär,gibtvon seinerPensionkeinenPfennigandenHaushaltab;dafürhaben die vier Frauen zu sorgen.

Vorsichtig packen wir unsere beiden schwarzen Kreuzdenkmäler aus. Eigentlich sollten sie im Eingang stehen, um einen reichen E ekt zu machen, und im Winter hätten wir sie auch dahingestellt;aberesistMai,undsosonderbaresauchseinmag: unser Hof ist ein Tummelplatz der Katzen und der Liebenden. Die Katzen schreien bereits im Februar von den Hügelsteinen herab und jagen sich hinter den Grabeinfassungen aus Zement

–dieLiebendenaberstellensichpromptein,wenneswarmge- nug ist,im Freien zu lieben – und wann ist es dazu zu kalt? Die Hakenstraßeistabgelegenundstill,unserHoftoreinladendund der Garten alt und groß. Die etwas makabre Ausstellung stört die Liebespaare nicht; im Gegenteil,sie scheint sie zu besonderemUngestümanzufachen.EsisterstzweiWochenher,daßein Kaplan aus dem Dorf Halle,der wie alle Gottesmänner mit den Hühnern aufzustehen gewohnt ist,morgens um sieben bei uns erschien,um vier der kleinsten Hügelsteine für die Gräber von im Laufe des Jahres verstorbenen barmherzigen Schwestern zu kaufen.Als ich ihn schlaftrunken in den Garten führte,konnte ich gerade noch rechtzeitig ein rosa Höschen aus Kunstseide entfernen,das wie eine Fahne am rechtenArm unseres allseitig polierten Kreuzdenkmals flatterte und von einem begeisterten nächtlichen Paar vergessen worden war. Das Leben zu säen an derStättedesTodeshatsicheretwasimweiten,poetischenSinne Versöhnliches, und Otto Bambuss, der dichtende Schulmeister unseres Klubs, hat, als ich ihm das erzählte, die Idee sofort gestohlenundzueinerElegiemitkosmischemHumorverarbeitet

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