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Ружитская КЕРНПХЫСИК Сборник текстов и упражнениы для магистрантов 2015.pdf
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Text 10

Kernfusion

Die Kernfusion ist eine Kernreaktion, bei der zwei Atomkerne zu einem neuen Kern verschmelzen. Die Kernfusion ist Ursache dafür, dass die Sonne und alle leuchtenden Sterne Energie abstrahlen.

Von entscheidender Bedeutung für das Zustandekommen einer Fusion ist der Wirkungsquerschnitt, das Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass die zusammenstoßenden Kerne miteinander reagieren. Ausreichend groß ist der Wirkungsquerschnitt meist nur dann, wenn die beiden Kerne mit hoher Energie aufeinander prallen. Die ist nötig, um die Coulombbarriere, die elektrische Abstoßung zwischen den positiv geladenen Kernen, zu erklimmen und ihr schmales Maximum zu durchtunneln. Jenseits des Maximums, bei einem Abstand von nur noch etwa 10−15 m, überwiegt die Anziehung durch die starke Wechselwirkung, die Kerne haben fusioniert.

Fusionsreaktionen können exotherm (Energie abgebend) oder endotherm (Energie aufnehmend) sein. Exotherme Fusionsreaktionen können die hohen Temperaturen aufrechterhalten, die nötig sind, damit die thermische Energie zu weiteren Fusionsreaktionen führen kann. Solche thermonuklearen Prozesse laufen in Sternen und Fusionsbomben unter extremem Druck ab. Sie sollen in Zukunft der Stromerzeugung in Fusionsreaktoren dienen. Im Gegensatz zur Kernspaltung ist eine Kettenreaktion mit Fusionsreaktionen nicht möglich.

Die Fusionsreaktion ist sowohl die Ursache für die Zerstörungswirkung von Wasserstoffbomben als auch ein Kandidat für die Stromerzeugung der Zukunft. Fusionsenergie ist die großtechnische Nutzung der Kernfusion zur Stromerzeugung. Die Aussicht auf eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle ohne das Risiko katastrophaler Störfälle und ohne die Notwendigkeit der Endlagerung langlebiger radioaktiver Abfälle ist die Motivation für langfristige internationale Forschungsaktivitäten.

1. Прочитайте слова, переведите их. Обратите внимание на образование сложных слов:

der Kern, der Atomkern, die Kernreaktion, die Kernfusion, die Kernspaltung, die Fusionsreaktion, die Kettenreaktion

die Wirkung, der Querschnitt, der Wirkungsquerschnitt, die Wahrscheinlichkeit

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2. Найдите в тексте немецкие эквиваленты следующих слов и словосочетаний:

термоядерный синтез, ядерная реакция, излучать энергию, эффективное поперечное сечение (ядра), кулоновский барьер, сила электростатического отталкивания, сила электростатического притяжения, сливаться, поддерживать высокие температуры, ядерная бомба, ядерный распад, цепная реакция, выработка электроэнергии, перспектива практически неисчерпаемого источника энергии, авария, захоронение радиоактивных отходов

3. Ответьте на вопросы.

1.Was ist die Kernfusion?

2.Was hat die entscheidende Bedeutung für das Zustandekommen einer Kernfusion?

3.Wie kann Fusionsenergie verwendet werden?

4.Задайте вопросы к подчеркнутой части предложения.

1.Ausreichend groß ist der Wirkungsquerschnitt meist nur dann, wenn die beiden Kerne mit hoher Energie aufeinander prallen.

2.Solche thermonuklearen Prozesse laufen in Sternen und Fusionsbomben unter extremem Druck ab.

3.Die Aussicht auf eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle ist die Motivation für langfristige internationale Forschungsaktivitäten.

5. Найдите синонимы для слов из списка A в списке B.

A:abstrahlen, Zustandekommen, zusammenstoßen, verschmelzen, erklimmen, Abstoßung, im Gegensatz zu

B:Verwirklichung, aufeinander prallen, emittieren, im Unterschied zu, Repulsion, überwinden, fusionieren

6.Найдите в следующих предложениях формы конъюнктива, назовите их

ипереведите предложения на русский язык.

1.Diese Linie sei gerade. 2. Man suche die allgemeine Lösung. 3. Man

prüfe die Ergebnisse. 4. Es sei erwähnt, dass dieser Prozess nur selten beobachtet werden kann. 5. Es sei bemerkt, dass alle Daten miteinander verglichen werden müssen. 6. Ich möchte mich mit Hochenergiephysik beschäftigen. 7. Ich würde diese Aufgabe erfüllen, aber ich habe leider keine Zeit. 8. An deiner Stelle würde ich dieses Thema noch einmal wiederholen. 9. Wenn er doch heute käme! 10. Wie könnte man diesen Vor-

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gang erklären? 11. Es wäre für die Wissenschaft und Technik von großem Nutzen, wenn man noch mehr künstliche radioaktive Isotope herstellen könnte. 12. Hätte unsere Erde keine Atmosphäre gehabt, so hätten auf unserem Planeten keine Lebewesen entstehen können. 13. Wenn der Laborant aufmerksamer gewesen wäre, wäre ihm das Experiment gelungen. 14. Ich hätte diese Aufgabe erfüllt, aber ich hatte keine Zeit. 15. Beinahe hätten wir uns zur Versammlung verspätet. 16. Wenn ich Ihre Telefonnummer gehabt hätte, hätte ich Sie anrufen können. 17. Er spricht so, als ob er nichts verstanden hätte. 18. Würden Sie mir bitte bei der Übersetzung helfen? 19. Er sagt, er habe heute zwei Vorlesungen. 20. Der Lehrstuhlleiter sagt, sein Stellvertreter sei nach Deutschland gefahren. 21. Der Lehrer sagt dem Studenten, er solle sich auf die Prüfung gut vorbereiten. 22. Mein Brieffreund schreibt, er werde mich im nächsten Jahr besuchen. 23. Meine Verwandten schreiben, sie würden mich bald besuchen. 24. Die Temperatur war zu niedrig, die Reaktion würde unter dieser Bedingung nicht abgelaufen sein. 25. Hätte er das Gerät im Voraus überprüft, würden wir den Versuch erfolgreich beendet haben.

7. Составьте условные нереальные предложения.

Образец:

I. Ich bin nicht fleißig und arbeite nicht viel. Ich habe keine guten Leistungen. →

Wenn ich fleißiger wäre und mehr arbeitete, hätte ich gute Leistungen.

II. Ich habe diesen Artikel nicht gelesen. Ich konnte an der Besprechung nicht teilnehmen. → Wenn ich diesen Artikel gelesen hätte, hätte ich an der Besprechung teilnehmen können.

III. Er hat sich gut auf die Prüfung vorbereitet. Er hat sie glänzend bestanden. →

Wenn er sich nicht so gut auf die Prüfung vorbereitet hätte, würde er sie nicht glänzend bestanden haben.

1.Das Gerät ist kaputt. Wir können keinen Versuch durchführen.

2.Wir hatten Probleme. Wir mussten unseren Betreuer um Hilfe bitten.

3.Der Text war nicht schwer. Ich benutzte kein Wörterbuch. 4. Die Ergebnisse sind nicht ganz genau. Der Lehrer bittet uns, den Versuch zu wiederholen. 5. Er spricht zu leise. Ich kann ihn nicht verstehen. 6. Wir haben den Bus verpasst. Wir haben uns zum Unterricht verspätet.

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ТЕКСТЫ ДЛЯ САМОСТОЯТЕЛЬНОГО ЧТЕНИЯ

ELEKTRISCHE LADUNG

Die elektrische Ladung oder Elektrizitätsmenge ist eine der grundlegenden Größen der Physik. Sie wird im internationalen Einheitensystem in der Einheit Coulomb angegeben und mit dem vom lateinischen Wort ‚quantum‘ abgeleiteten Formelzeichen oder ausgedrückt. Die elektrische Ladung ist eine mit den elementaren Materiebausteinen verbundene Eigenschaft. Elektrisch geladene Teilchen unterliegen der elektromagnetischen Wechselwirkung, die zu den vier Grundkräften der Physik zählt. Die Kräfte zwischen elektrischen Ladungen bewirken den Zusammenhalt der Atome, Moleküle und Festkörper sowie den elektrischen Strom und sie erzeugen Phänomene wie Gewitter und das Knistern beim Haarekämmen.

Die Gesamtladung eines physikalischen Systems ist gleich der Summe der Ladungen seiner Teile. Es gibt positive und negative Ladungen; ist in einem System die Summe der positiven Ladungen gleich der Summe der negativen Ladungen, dann ist die Gesamtladung Null und das System elektrisch neutral. In einem abgeschlossenen System ist die Gesamtladung wegen der Ladungserhaltung unveränderlich. Physikalische Systeme können keine beliebigen Ladungsmengen, sondern nur ganzzahlige Vielfache der Elementarladung tragen. Sich bewegende elektrische Ladung bedeutet elektrischen Strom, der wiederum mit dem Phänomen des Magnetismus verbunden ist.

Die elektrische Ladung ist ein Spezialfall des allgemeineren physikalischen Ladungsbegriffs. Ist eine Verwechslung ausgeschlossen, wird meist einfach nur von „Ladung“ gesprochen.

Gesamtladung

Die elektrische Ladung kann positive oder negative Werte annehmen. Man spricht oft von zwei Arten von elektrischen Ladungen. Beispielsweise hat ein Elektron oder ein Myon die Ladung −1 e, ein Positron oder ein Proton die Ladung +1 e.

Ein Teilchen und sein Antiteilchen besitzen genau die entgegengesetzt gleiche Ladungsmenge. Beispielsweise trägt das Antiproton, Antiteilchen des Protons, die Ladung −1 e.

Die absolute Ladung eines Körpers bzw. einer Stoffmenge ist die Summe aller enthaltenen Elementarladungen. Dafür werden auch die Bezeichnungen Gesamtladung, Nettoladung oder Überschussladung

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verwendet. Die Bedeutung dieses Begriffs beruht darauf, dass die elektrischen Wirkungen positiver und negativer Ladungen sich aufheben, wenn ihr gegenseitiger Abstand vernachlässigbar klein ist gegenüber dem Abstand zum Wirkort. So wirkt das abgebildete Lithium-Ion in Abständen von einigen Nanometern wie ein einziger Ladungsträger mit einfach positiver Ladung und wird auch so geschrieben, Li+.

Als elektrisch neutral wird einerseits ein Teilchen bezeichnet, welches keine Ladung trägt (zum Beispiel ein Neutron, im Lithium-Atom- Bild grau). Andererseits wird auch ein Körper neutral genannt, der gleich viele positive und negative Elementarladungen trägt, etwa ein Heliumatom mit zwei Protonen und zwei Elektronen.

Ladungserhaltung

Unter Ladungserhaltung versteht man das Phänomen, dass in jedem abgeschlossenen System die vorhandene Menge an elektrischer Ladung zeitlich konstant bleibt. Dieses Phänomen hat Konsequenzen: Wenn aus elektromagnetischer Strahlung bzw. Photonen Materie entsteht, dann muss dies so geschehen, dass keine Ladung erzeugt wird. Es entsteht deswegen bei der Paarbildung beispielsweise gleichzeitig ein Elektron und dessen Antiteilchen, das Positron. Damit ist die erzeugte Gesamtladung Null, die Ladungsmenge bleibt erhalten. Ebenso verhält es sich bei der Umkehrung dieses Vorgangs, der Paarvernichtung eines Teilchen-Antiteilchen-Paares, bei der die vernichtete Gesamtladung ebenfalls Null ist.

KERNSPALTUNG

Kernspaltung bezeichnet Prozesse der Kernphysik, bei denen ein Atomkern unter Energiefreisetzung in zwei oder mehr kleinere Kerne zerlegt wird. Seltener wird die Kernspaltung auch Kernfission (lateinisch fissio = Spaltung, englisch nuclear fission) genannt. Fission darf nicht mit Kernfusion, dem Verschmelzen zweier Atomkerne, verwechselt werden. Die durch die Spaltung neu entstandenen Stoffe heißen Spaltprodukte.

Spaltung kommt nur bei genügend schweren Nukliden vor, denn nur dann sind die entstehenden Kerne fester gebunden als der ursprüngliche Kern, so dass die Spaltung dem Kern einen „Energievorteil“ bringt.

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Spontanspaltung

Einige Atomkernarten (Nuklide) spalten sich ohne äußere Einwirkung. Diese spontane Spaltung ist eine Art des radioaktiven Zerfalls. Sie lässt sich quantenmechanisch ähnlich dem Alpha-Zerfall durch den Tunneleffekt erklären.

Praktische Anwendung findet die Spontanspaltung als Quelle freier Neutronen. Hierfür wird meist das Californium-Isotop verwendet.

Neutroneninduzierte Spaltung

Große technische Bedeutung hat die neutroneninduzierte Spaltung, eine Kernreaktion. Dabei kommt ein freies Neutron zufällig einem Atomkern so nahe, dass es von ihm absorbiert wird. Der Kern gewinnt dadurch die Bindungsenergie und eventuelle kinetische Energie dieses Neutrons, befindet sich dadurch in einem angeregten Zustand und spaltet sich. Mit geringerer Häufigkeit sind statt der Spaltung auch andere Abläufe möglich, beispielsweise kann das Neutron eingefangen werden, der angeregte Atomkern regt sich durch Emission eines Gammaquants ab und geht in einen stabilen Zustand über.

Spaltfragmente

Die Gesamtzahl der Protonen und Neutronen bleibt bei jeder Kernspaltung erhalten. Der bei weitem häufigste Fall ist die Spaltung in nur zwei neue Kerne (Spaltfragmente); nur in wenigen Promille aller Spaltungen entsteht noch ein drittes Fragment (ternäre Spaltung) mit meist sehr kleiner Massenzahl bis maximal etwa 30.

Bei zwei Spaltfragmenten sind viele verschiedene Nuklidpaare möglich. Meist entsteht ein leichteres (Massenzahl um 90) und ein schwereres Spaltfragment (Massenzahl um 140). Die Häufigkeitsverteilung (die Ausbeute aufgetragen als Funktion der Massenzahl des Spaltfragments) hat deshalb zwei Maxima.

Die Spaltfragmente sind mittelschwere Nuklide mit einem relativ hohen Neutronenanteil. Diesen Neutronenüberschuss haben sie vom Ursprungskern übernommen. Sie sind daher instabil und geben zunächst in einigen Fällen weitere Neutronen ab. Auch diese verzögerten Neutronen können weitere Kernspaltungen auslösen und sind daher für die Regelbarkeit von Kernreaktoren bedeutsam.

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Die danach noch immer instabilen Spaltprodukte bauen ihren Neutronenüberschuss durch aufeinander folgende Beta-minus-Zerfälle weiter ab. Da beim Betazerfall die Massenzahl des Atomkerns unverändert bleibt, bilden die Nuklide, die so aus einem gegebenen Spaltfragmentkern nacheinander entstehen, eine Isobarenkette; sie sind also Atomkerne verschiedener chemischer Elemente, aber gleichbleibender Massenzahl. Diese Umwandlungskette endet, wenn ein stabiles Nuklid entstanden ist. Die Halbwertszeiten sind am Anfang der Kette kurz, können aber für die letzten Zerfälle viele Jahre betragen. Genaue Zahlenwerte für die Häufigkeit der verschiedenen Isobarenketten, abhängig vom gespaltenen Nuklid und von der Energie des spaltenden Neutrons, finden sich in der Literatur.

RADIOAKTIVITÄT

Mit Radioaktivität (lat. radius ‚Strahl‘ und activus ‚tätig‘, ‚wirksam‘) bezeichnet man die Eigenschaft instabiler Atomkerne, sich spontan in andere Atomkerne umzuwandeln und dabei ionisierende Strahlung auszusenden. Die Bezeichnung wurde 1898 erstmals vom Ehepaar Marie Curie und Pierre Curie für das 1896 von Antoine Henri Becquerel entdeckte Phänomen geprägt. Dieser Umwandlungsprozess wird auch als radioaktiver Zerfall oder Kernzerfall bezeichnet. Atomsorten mit instabilen Kernen werden als Radionuklide bezeichnet.

Die beim Umwandlungsprozess frei werdende Energie wird in der Regel als α-, β- oder γ-Strahlung emittiert. Die Art der emittierten Strahlung, ihre Energie und die spezifische Aktivität sind für das jeweilige Radionuklid typisch und experimentell bestimmbar. Jede dieser Strahlungsarten ist für den Menschen – ebenso wie Höhen- und Röntgenstrahlung – ab einer bestimmten Dosis gefährlich und nicht direkt wahrnehmbar. Nach einer für den radioaktiven Stoff charakteristischen Zeit, der Halbwertszeit, halbiert sich dessen Menge und somit auch dessen Aktivität und Strahlenemission; diese Halbwertszeit kann im Bereich von Sekundenbruchteilen bis hin zu Trillionen Jahren liegen.

Radionuklide kommen in der Natur vor, aber sie entstehen auch künstlich, z. B. in Teilchenbeschleunigern und Kernreaktoren, oder durch Kernwaffen. Radioaktive Substanzen finden Anwendung zum Beispiel in Radionuklidbatterien und -Heizelementen zur Energieversorgung in der Raumfahrt sowie in der Nuklearmedizin und Strahlentherapie. Weiterhin

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basiert die Altersbestimmung mittels der C14-Methode in der Archäologie auf dem radioaktiven Zerfall eines Kohlenstoffisotops.

Radioaktiver Zerfall

Im historisch geprägten Begriff Zerfall steckt die Sichtweise, dass die Menge der anfänglich vorhandenen Substanz zeitlich abnimmt, wie es auch das Zerfallsgesetz beschreibt. Das charakterisiert den Vorgang allerdings nur teilweise. Tatsächlich erfolgt eine Umwandlung des jeweiligen Nuklids in ein bestimmtes anderes Nuklid, so dass auch von der radioaktiven Erzeugung der entstehenden Atomkerne gesprochen werden könnte.

Fachsprachlich wird auch die spontane Umwandlung des einzelnen Atomkerns – und manchmal überhaupt jede spontane Zustandsänderung eines quantenmechanisch beschriebenen Systems – als Zerfall bezeichnet.

Radioaktive Strahlung, ausgetretene Strahlung

In der Alltagssprache und in öffentlichen Diskussionen werden die Bezeichnungen Radioaktivität und Strahlung oft synonym oder in unpassender Kombination verwendet. So wird oft von radioaktiver Strahlung gesprochen. Diese Wortkombination ist genau genommen falsch, denn nicht die Strahlung selbst ist radioaktiv, sondern die Substanzen (Strahler), aus denen sie austritt; gemeint ist also Strahlung radioaktiver Substanzen (genauer: ionisierende Strahlung radioaktiver Substanzen). Auch wird z. B. bei Berichten über atomare Zwischenfälle oft von ausgetretener Strahlung gesprochen, wenn es sich vielmehr um unbeabsichtigt freigesetzte radioaktive Stoffe (Strahler) handelt.

EXPERIMENT BESTÄTIGT MYSTERIÖS

OSZILLIERENDE NEUTRINOS

Das OPERA-Projekt unter dem Gran-Sasso-Massiv, bekannt durch angeblich überlichtschnelle Neutrinos, erreicht sein eigentliches Ziel.

Mit einem Teilchenstrahl durch das Gestein der Erdkruste haben Physiker erstmals den direkten Nachweis für die Umwandlung einer der drei bekannten Neutrinoarten in eine andere erbracht – jener der Myonin die Tau-Familien der Leptonen.

Das OPERA (Oscillation Project with Emulsion-tracking Apparatus) genannte Projekt im unterirdischen Gran-Sasso-Labor in Italien machte bereits 2012 Schlagzeilen, als die beteiligten Arbeitsgruppen verlauten

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ließen, sie hätten überlichtschnelle Neutrinos gefunden – im augenscheinlichen Widerspruch zu Einsteins spezieller Relativitätstheorie. Während sich dieses Ergebnis später, nachdem diverse potenzielle Fehlerquellen auftauchten, als etwas peinliche Falschmeldung erwies, erreichte die OPERA-Kollaboration nun ihr eigentliches Ziel: die Umwandlung zwischen Neutrinos der verschiedenen Leptonenfamilien.

„Das war eine extrem schwierige Messung, die bisher noch niemand vorgenommen hat“, erklärt Marco Pallavicini, Neutrinophysiker an der Universität Genua und selbst nicht Mitglied der OPERA-Kollaboration.

Es gibt drei Arten, „Flavours“ genannt, von Neutrinos: Elektron, Myon und Tau. Die Flavours spielen auf den Umstand an, dass sie in jenen seltenen Fällen, in denen sie mit Protonen oder Neutronen interagieren, jeweils Elektronen, Myonen und Tau-Leptonen erzeugen.

Forscherinnen und Forscher vermuten seit Langem, dass Neutrinos ihre Flavours und damit von einem Typ zum anderen wechseln können. In diversen früheren Experimenten mit Quellen für Neutrinos einer bestimmten Sorte hatten die Detektoren weniger dieser Neutronen erfasst, als man erwartet hätte, wenn sie eben nicht ihren Flavour wechseln würden.

Bereits im Juli 2013 sah das T2K-Experiment in Japan erste direkte Beweise für das Erscheinen eines anderen Neutrinotyps – es waren also nicht einige der ausgesendeten Neutrinos einfach verschwunden. Das Team detektierte Elektron-Neutrinos in einem Strahl, der ursprünglich aus reinen Myonen-Neutrinos bestand.

Verstecktes Ziel

Zwischen 2008 und 2012 richteten Forscher am CERN, dem Teilchenphysiklabor in der Nähe von Genf, einen Strahl aus MyonNeutrinos auf die Basis des Gran-Sasso-Massivs 730 Kilometer südöstlich. Das italienische Labor ist dort nahe einem Straßentunnel aus dem Fels gefräst worden.

Als der Neutrinostrahl nach einer gewissen Zeit in Gran Sasso ankam, hatten sich einige der Myon-Neutrinos in Tau-Neutrinos verwandelt. Und sobald diese die Blei-Targets im OPERA-Detektor trafen, produzierten sie tatsächlich die erwünschten Tau-Leptonen, wie die neuesten Ergebnisse nun zeigen.

Cover Spektrum Kompakt: Neustart am LHC – Mit Beschleunigern in die Welt der kleinsten Teilchen

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Die Leptonen zerfallen binnen billionstel Sekunden, sagt Giovanni De Lellis, ein Physiker der Universität Neapel. Er wurde Sprecher der OPERA-Kollaboration, als sein Vorgänger 2012 nach einem Misstrauensvotum zurücktrat. „Auch wenn sie mit beinahe Lichtgeschwindigkeit reisen, schaffen sie weniger als einen Millimeter.“

OPERA detektierte die kurzlebigen Teilchen mit einem Gitter aus 150 000 „Bricks“, von denen jeder aus 57 gestapelten Emulsionsplatten mit acht Kilo Gewicht besteht. Die Konstruktion hat 110 000 Quadratmeter Oberfläche, deswegen erdachte das OPERA-Team ein automatisches System, das die Platten nach den mikroskopisch kleinen Spuren der Tau-Leptonen absuchte.

In einem Teilergebnis, das die Arbeitsgruppe letztes Jahr verkündete, zählte sie vier wahrscheinliche Tau-Leptonen-Sichtungen – nicht genug, um dies nach den anspruchsvollen Kriterien der Teilchenphysik als tatsächliche Entdeckung geltend machen zu können. Inzwischen jedoch fand sie ein fünftes Ereignis – genug für De Lellis, um das Experiment für erfolgreich zu erklären.

„Das Ergebnis war nicht garantiert“, so der Physiker. Seit der CERNNeutrinostrahl abgeschaltet ist, müssen sich De Lellis und Co mit den existierenden Daten begnügen. Fünf Ereignisse zu finden, erforderte ein bisschen Glück, gibt er zu. „Es hätten auch sechs sein können – oder vier, oder drei.“

(von Davide Castelvecchi)

UNGEWÖHNLICHER ZERFALL NACHGEWIESEN:

SELTENER ALS DAS HIGGS-BOSON

Schon wieder sind Physiker erfolgreich daran gescheitert, das Standardmodell ins Straucheln zu bringen. Ein extrem seltener Teilchenzerfall verlief (fast) wie geplant

Jeder rechnet mit einer Sensation, aber sie kommt nicht. Das Standardmodell der Teilchenphysik erweist sich wieder einmal als deutlich stabiler, als selbst seine Begründer einst annahmen. Im Standardmodell sind alle heute bekannten Teilchen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen mathematisch exakt beschrieben. Dennoch gibt es diverse triftige Gründe, warum dieses Modell nicht der Physik letzter Schluss sein kann: Es kann weder erklären, was Dunkle Materie und Dunkle Energie sind, aus denen unser Universum zum größten Teil besteht, noch kann

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es eine Ursache dafür angeben, warum unser Universum aus Materie gemacht ist und nicht aus Antimaterie.

Es gibt eine ganze Reihe von Theorien, die diese Mängel zu beheben suchen, indem sie das Standardmodell erweitern. Beispielsweise tauchen in Theorien zur Supersymmetrie – oft kurz SUSY genannt – schwere Geschwisterteilchen zu den heute bekannten Elementarteilchen auf. Solche Erweiterungen des Standardmodells beinhalten damit nicht nur neue Teilchen, sondern auch neue Wechselwirkungen. Denn irgendwie müssen die geheimnisvollen Partner unserer normalen Materie ja mit dieser in Kontakt treten können.

Wo findet sich die neue Physik?

Wahrscheinlich wäre eine solche Wechselwirkung nur äußerst schwach und entsprechend schwierig nachzuweisen. Aber irgendeine Form von Interaktion muss es geben, denn sonst ließe sich etwa die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie nicht erklären. So vermuten viele Theoretiker, es könnten in der Frühzeit des Universums, als unglaublich hohe Temperaturen herrschten, besonders schwere und instabile Teilchen existiert haben, die diese Asymmetrie hervorriefen.

Erste Kollisionen im CMS-Detektor nach dem Neustart

Nach seiner Wartungspause ist der LHC inzwischen wieder an den Start gegangen. Die neuen Kollisionen bei noch höheren Energien könnten helfen, supersymmetrische Teilchen direkt nachzuweisen. Bis dahin sind Forscher auf die Auswertung von Zerfallsdaten früherer Kollisionen angewiesen.

Die Experimentalphysiker versuchen auf zwei verschiedene Weisen, der verborgenen Teilchen habhaft zu werden. Der direkte Weg wäre die Erzeugung solcher schweren und extrem kurzlebigen Teilchen in einem Teilchenbeschleuniger wie dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf. Wenn dort Protonen – die Atomkerne des Wasserstoffs – bei den höchsten menschengemachten Energien miteinander kollidieren, kann eine Vielzahl unterschiedlicher Teilchen entstehen. Ist die Energie groß genug, ist es im Prinzip auch möglich, bislang unbekannte Teilchen nachzuweisen. Die Entdeckung des Higgs-Bosons, das aller Materie Masse verleiht, im Juli 2012 am CERN war ein solcher direkter Nachweis. Zugleich war es eine der größten Sensationen der Teilchenphysik in den letzten Jahrzehnten und gewissermaßen der Schlussstein des Standardmodells. Denn nun

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war der Teilchenbaukasten abgeschlossen, die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment perfekt. Umso größer sind jetzt die Bemühungen, Teilchen jenseits des Standardmodells zu finden.

Spurensuche in Zerfallskanälen

Es gibt auch den indirekten Weg zum Nachweis neuer Teilchen. Denn die Zerfallsraten von instabilen Teilchen hängen von vielen verschiedenen Parametern ab und insbesondere davon, ob es unbekannte schwere Geschwisterteilchen unserer normalen Materie gibt. Der Grund hierfür ist nicht besonders anschaulich und eine typische Eigenheit der Quantenfeldtheorie: Allein die Möglichkeit, dass diese Teilchen existieren, verändert die Struktur des Vakuums und eröffnet damit potenzielle Zerfallskanäle. Wenn es bestimmte, bislang unbekannte Teilchen gibt, sollten einige bekannte Teilchen also etwas schneller zerfallen als nach dem Standardmodell vorgesehen.

Ein Zerfall, der besonders sensibel darauf reagiert, ist der des so genannten B0Sund des B0-Mesons in zwei Myonen. Mesonen bestehen aus einem Quark und einem Antiquark. Sie sind instabil und zerfallen nach sehr kurzer Zeit wieder. Das B0S-Meson besteht aus einem so genannten Bottom-Antiquark und einem Strange-Quark, das B0-Meson aus einem Bottom-Antiquark und einem Down-Quark. Myonen sind die schwereren und instabilen Geschwister der Elektronen.

Während die B-Mesonen aber fast an Ort und Stelle ihrer Erzeugung wieder zerfallen, sind die Myonen langlebig genug, um quer durch den Detektor zu flitzen, wobei man sie exakt vermessen kann. Die beiden Kollaborationen CMS und LHCb, die je einen Großdetektor am CERN betreiben, haben deshalb die in den letzten Jahren genommenen Daten nach solchen Zerfällen von B-Mesonen durchsucht. Die Datenanalyse war sehr anspruchsvoll, denn die Zerfälle sind extrem selten. Nur rund vier von einer Milliarde B0S-Mesonen und nur rund eines von zehn Milliarden B0-Mesonen zerfallen in zwei Myonen. Damit sind diese Zerfälle noch schwieriger nachzuweisen als die des Higgs-Bosons.

Bei den B0S-Mesonen hatten die beiden Kollaborationen jede für sich schon ein Ergebnis erzielt, das in guter Übereinstimmung mit dem Standardmodell war. Die Statistik der einzelnen Experimente reichte jedoch nicht aus, um auf das für wissenschaftliche Nachweise erforderliche Maß von fünf Sigma zu kommen. Indem die Wissenschaftler ihre Daten kombinierten, konnten sie den Zerfall der B0S-Mesonen in zwei

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Myonen sogar mit über sechs Sigma bestätigen. Es ist zudem das erste Mal, dass diese großen Experimente ihre Daten kombinierten. Eine entsprechende Veröffentlichung erschien jetzt im Journal „Nature“.

Für den noch selteneren Zerfall der B0-Mesonen reichte es aber auch mit gemeinsamen Daten nur für rund drei Sigma. Das Signal zeigte zwar eine starke Abweichung nach oben, was ein Hinweis auf die lang gesuchte neue Physik sein könnte. Die Statistik ist aber noch zu schlecht; ein Ausreißer bei den Messungen nicht auszuschließen. Hier werden erst künftige Messungen am CERN Aufschluss bringen können. Aber auch die bislang negativen Ergebnisse sind keinesfalls unbedeutend: Einige Theorievarianten jenseits des Standardmodells lassen sich mit Hilfe solcher Messungen bereits ausschließen.

In Kürze wird der LHC seinen Messbetrieb nach längerer Umrüstphase wieder aufnehmen und dann bei fast verdoppelter Energie sowohl auf direktem wie auf indirektem Weg nach neuen Teilchen suchen. Man darf gespannt bleiben, ob das Standardmodell dann endlich nicht mehr hält. Vielleicht sind es ja sogar die B0-Mesonen, die den Weg zu einer neuen Physik weisen.

(von Dirk Eidemüller)

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