2547
.pdfGeschichte, Natur und Menschen dieser Region, ihre Gegenwart und ihr Morgen zu betrachten.
Durch ihre Natur, durch die Geschichte ihrer Urbarmachung und Besiedlung, durch ihre Kultur, ihre Menschen, ihre Perspektiven ist dies keine gewöhnliche Region. Taiga und Tundra, Steppen des Transbaikal und Inseln der Arktis, das subtropische Primorjegebiet und eine weite Zone ewigen Eises in Jakutien und auf Tschukotka, Vulkane und Geiser Kamtschatkas und das größte Süßwassermeer der Welt, der Baikal, das alles gehört zum Begriff „Osten des Russlands“. Nirgendwo anders auf unserem Planeten weist die Natur so viele unterschiedliche Reichtümer auf: das beste Holz der Welt und wertvolle Fischarten, Bärenrobben und Zobel, Gold und Diamanten, Ginsengwurzeln und Oblepichabeeren . . . Die Hauptsache aber sind die mächtigen Energiequellen.
Doch nirgends in der Welt ist die Hebung dieser Reichtümer mit solchen Anstrengungen, solchen Anspannungen aller menschlichen Möglichkeiten verbunden wie hier. Das rauhe Klima: ewiges Eis, undurchdringliche Urwälder, reißende Flüsse, Meeresorkane und noch viele andere Hindernisse scheinen diese mächtige Schatzkammer der Natur bewachen zu wollen. Und deshalb gelingt es auch heute nur denjenigen diesen Reichtum zu heben, die sich durch Tapferkeit und Festigkeit, Widerstandskraft und Mut, Starke ihrer Gedanken und Handlungen auszeichnen.
Der erste Teil des Buches ist den Neulanderoberem gewidmet, Menchen von hoher Tapferkeit, deren Heldentaten die Begeisterung der Besten der Nation hervorriefen. Ihre Namen sind für immer auf den Landkarten verewigt, als Namen von Städten und Berggipfeln, Inseln und Vulkanen. Die ersten waren Kosaken, die im Verlauf vieler Jahre hin und wieder nach Osten vordrangen und auf ihren Zügen aus Holz erbaute Festungsanlagen an den wichtigsten Orten hinterließen. Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts gelangten sie auch an den äußersten nordöstlichen Punkt des asiatischen Kontinents wie nach Kamtschatka und an die Küste des Ochotskoje-Meeres, legten sie Hunderte Werst den Amur abwärts zurück. Ihren Pfaden folgten dann die ersten Kolonisten aus verschiedenen Gegenden Russlands.
Die Geschichte hervorragender Forschungen und Entdeckungen im Osten verzeichnet auf der gleichen Ehrentafel die Namen des Dänen Bering, der fast sein ganzes Leben in Russland verbrachte, den Namen Stepan Krascheninnikows, des Deutschen Steller und des Franzosen Angue, des Kaufmanns Grigori Schelichow, der unweit von Kursk geboren wurde und den seine Handelswege
100
über den Ozean an die kalifornische Küste Amerikas führten, des polnischen Studenten Iwan Tscherski, der wegen Beteiligung an Studentenunruhen in das ferne Jakutien verbannt wurde, und sein Leben der Erforschung Jakutiens widmete.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts spielen russische Seeleute die Hauptrolle bei der Erforschung der fernöstlichen Meere: Krusenstern und Lissjanski, Golownin und Wrangel und Dutzende, ja Hunderte andere, die den Stolz der russischen geographischen Wissenschaft bilden. Die großen Reisenden Prshewalski und Arsenjew, die Eheleute Potanin sowie die Gelehrten Obrutschew, Koslow und Komarow erforschten in der zweiten Hälfte des XIX. und zu Anfang XX. Jahrhunderts verschiedene Gebiete von Transbaikal und Primorje und unternahmen Reisen nach Zentralasien, in die Mongolei, nach China und Tibet, die großartige wissenschaftliche Ergebnisse brachten.
Diese Ergebnisse kamen nicht nur der Wissenschaft zu Gute. Allmählich, aber unaufhörlich siedelten sich russische Menschen in diesen Gebieten mil günstigen Lebensbedingungen an und errichteten an den Flussufern Dörfer und Städte.
Jakutien und Tschukotka, Transbaikal und Primorje, die Küste des Ochotskoje-Meeres und das Amurgebiet, Kamtschatka und Sachalin waren auch vor dem Vordringen der Siedler aus Russland keine Einöde. Die Geschichte der dortigen Zivilisation geht Jahrtausende weit zurück: Sibirische Archäologen haben in den letzten Jahren bemerkenswerte Entdeckungen in sehr entfernten Gebieten (z. B. auf Tschukotka) gemacht und nach Intensivierung ihrer Forschung lassen sie die Altertumsgeschichte Ostsibiriens und des Fernen Ostens anhand von Details wiedererstehen. Viele Traditionen der Ansässigen, die fest in ihre Kultur eingingen, sind bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben und von russischen Siedlern übernommen worden, die ihrerseits wieder Traditionen beitrugen, die sie aus dem Vorural mitbrachten. In diesem Sinne gelten nicht nur die hervorragenden Neulanderoberer als Erstentdecker, sondern jeder russische Bauer, der sich hier niederließ und an der Herausbildung der örtlichen Lebensgewohnheiten, an der Erforschung, Aneignung und Nutzung der örtlichen Erfahrungen beteiligte. Dadurch sind z. B. in Jakutien so hervorragende Kulturdenkmäler wie die Spasskaja Kirche in Saschiwersk, jakutische Grabsteine, Holztürme von Festungen oder die frühere Herberge (krushalo) in Jakutsk entstanden.
101
Eine große Rolle für die Entwicklung der sibirischen Kultur spielten jene, die „auf Befehl des Zaren" in diese entferntesten und schwer zugänglichen Orte Sibiriens gerieten: die Besten der Nation, Kämpfer gegen die Herrscherwillkür, bürokratische Dummheit, gegen die Allmacht der Bajonette. Im fernen Ilimsk machte Radistschew seine Verbannungszeit durch. Viele Dekabristen, die am Tag des Aufstands auf dem Senatsplatz noch nicht einmal 25 Jahre alt waren, verbrachten einen großen Teil ihres Lebens in sibirischer Zwangsarbeit und Verbannung. Ihre Gräber sind über ganz Sibirien verstreut. Wer aber das Glück hatte, in die Heimat zurückzukehren, war bereits ein gebeugter Greis. Zwanzig Jahre Verbannung in Ostsibirien lagen auf Tschernyschewski. Es würde schwer halten, den Namen eines hervorragenden Vertreters der dritten, proletarischen Phase der Revolutionsbewegung in Russland zu nennen, der nicht einen Teil seines Lebens im fernen Sibirien verbracht hätte.
Dennoch – dies ist nicht nur eine Liste von Opfern; dies ist auch eine Aufzählung von Taten. Weil jeder Tag für die fortschrittlichen Vertreter der Nation in diesen Gebieten zu einem Tag der Arbeit wurde, ausgefüllt von einer hohen gesellschaftlichen Mission. Das bestimmte in bedeutendem Maße Tempo und Besonderheiten der Entwicklung der revolutionären Bewegung in Sibirien und im Fernen Osten in den Jahren 1905-1906 und den revolutionären Aufbruch, der das Gebiet 1917 erfaßte.
Der Bürgerkrieg in Sibirien und im Fernen Osten war voll von Tragik und Heldentum. Die Taten der Partisanen von Dauria und Priangarje, die furchtlosen, Tausende Kilometer langen Ritte der „Rächer", die Schlacht von Wolotschajewka und „die Sturmnächte von Spassk" werden niemals aus dem menschlichen Gedächtnis verschwinden. Der Boden Sibiriens ist buchstäblich mit Denkmälern an diese legendären Ereignisse übersät. Das Buch zeigt in seinem dritten Teil die Bedeutendsten und Interessantesten von ihnen.
Unser Volk ist stolz auf seinen Kampfesruhm. Er entstand auch in Sibirien und im Fernen Osten. Unvergänglich sind die Heldentaten der Verteidiger von Petropawlowsk-Kamtschatski gegen die Angriffe der englisch-französischen Eskadronen im August 1854. Die Heldentaten der russischen Soldaten und Matrosen, die an der Verteidigung von Port Arthur teilnahmen, der Matrosen des Schiffes „Warjag" und von Zussima bleiben ebenfalls unvergesslich. Dutzende Denkmäler im Landesosten erinnern auch an die Ereignisse des Sommers 1945, als sowjetische Streitkräfte die Kurilen und Südsachalin befreiten und dem
102
japanischen Militarismus den letzten, entscheidendenSchlag versetzen.
Soldaten, Matrosen, Grenzer stehen Schulter an Schulter auf Wacht an den östlichen Grenzen unseres Staates, sie sind die Erben und Fortsetzer der großartigen Kampftraditionen. Der Begriff Denkmal ist umfassend und hat viele Bedeutungen. Er betrifft nicht nur eine einmalige alte Anlage, die wir sorgfältig vor dem Zahn der Zeit bewahren, oder ein eindrucksvolles Monument zu Ehren großer Ereignisse oder Personen der Vergangenheit. Er ist auch auf das Wesentlichste anwendbar, was heute vor unseren Augen in verschiedenen Gebieten des Landes entsteht und für unsere Nachkommen zu Denkmälern unserer Zeit wird, zu Zeugen ihrer Größe, ihres Strebens und ihrer Vollendung. Sibirien befindet sich in einer nie dagewesenen Wandlung. Die hiesige Bautätigkeit hat in den letzten zwei Jahrzehnten ein wahrhaft unvorstellbares Ausmaß angenommen. Immer umfangreicher geht auch die Erforschung der sibirischen Reichtümer voran, immer beharrlicher drängt der sowjetische Mensch danach, sich dieser Reichtümer nutzbar zu machen. Davon berichtet der fünfte und Schlussteil des Buches. Doch noch ein Thema blieb übrig: Der schönste allen Reichtums ist die Natur und davon kann man sich im Osten unseres Landes besonders gut überzeugen. Hier fühlt man eindringlich, wie wichtig die Verantwortung des Menschen für den Naturschutz ist. Denn Erhaltung der Natur – das bedeutet Erhaltung des Lebens und des Friedens auf unserem Planeten. Deshalb zeigen wir in unserem Buch alle Denkmäler eingebettet in ihre natürliche Umwelt. In der Natur und im Gedächtnis der Menschen wird das für uns und unsere Kinder Bedeutungsvollste und Wichtigste bewahrt.
OKUNJOWO - SCHATZKAMMER ALTER KULTUR
Zu den vielen überaus interessanten Gegenden und Orten im Gebiet Omsk gehört das kleine sibirische Dorf Okunjowo. Mit diesem Dorf befassen sich schon seit einer Reihe von Jahren russische und ausländische Wissenschaftler, und es zieht zahlreiche Touristen an. Unter den Leuten gehen Gerüchte um, es gäbe dort Wunder zu sehen.
Auf den ersten Blick ist Okunjowo lediglich ein malerisches, am Ufer des Flusses Tara gelegenes Dorf. Man muss hier schon einige Tage verbringen und mit den Einheimischen Kontakt haben, um etwas Ungewöhnliches zu entdecken.
In der Nähe des Dorfes befinden sich historische Grabstätten, in denen Gerüchten zufolge die Schätze des Chans Kutschums verborgen sein sollen. Der
103
Überlieferung nach ist Kutschum in dieser Gegend umgekommen, nachdem er zuvor seinen riesigen Staatsschatz in den hiesigen Wäldern versteckt hatte. Seine Nachfolger haben den Schatz nicht gefunden, und bis heute ist auch keine große archäologische Expedition darauf angesetzt worden.
Die Einheimischen erzählen von geheimnisvollen Strahlen, die nachts in der Umgebung von Okunjowo zu sehen seien, und von unbekannten Flugobjekten über dem Dorf.
Nicht weit von Okunjowo entfernt befindet sich der Schajtansee von dem angeblich eine unbegreifliche Kraft ausgeht. Das Wasser einer Reihe weiterer Seen in dieser Gegend ist ungewöhnlich sauber und schmackhaft und hält sich über lange Zeit frisch.
Außer Archäologen und anderen Wissenschaftlern kommen auch Vertreter verschiedener religiöser Glaubensrichtungen nach Okunjowo. 1994 wurden am Ufer der Tara ein christliches Bethaus und ein Kreuz errichtet. Unmittelbar danach begannen sich in Okunjowo Hindus vom gesamten Territorium der ehemaligen Sowjetunion zu versammeln. Der große indische Guru Muniradsh verkündete seinen Anhängern, in Okunjowo habe einmal die Kathedrale des großen Weisen und Heilers Chanuman gestanden. Dass es gerade Okunjowo an der Tara gewesen sein soll, ist nicht verwunderlich, denn das Wort „Tara“ bedeutet im Sanskrit „Retterin“ (спасительница), und es ist zugleich der Name einer großen hinduistischen Göttin. Ein kleiner Fluss, der in die Tara mündet, heißt Kailaska, und das hängt zusammen mit der Bezeichnung des Berges Kailas, der im Himalajagebirge die „Funktion“ des Olymp hat.Etwa 100 km von Okunjowo entfernt gibt es einen See Indowo. Und schließlich hat bekanntlich der Fluss Omj der Stadt Omsk den Namen gegeben. „Om“ aber ist der zentrale Begriff in den religiösen Schriften des Weda: Er umfasst das Wesen des ganzen Universums.
Von diesen und weiteren Hinweisen geleitet erbauten die Hindus in Okunjowo ein Kloster und errichteten neben dem Gebetshaus einen Altar. Darauf entzünden sie in einem bestimmten Ritual jährlich einmal ein heiliges Feuer und verbrennen darin Früchte, Getreidegräser und Blumen. Dazu tanzen die Gläubigen in prächtigen fremdländisch-östlichen Kostümen und singen geistliche Hymnen. Nach dem Ritual beköstigen sie die Besucher kostenlos und verteilen Süßigkeiten unter ihnen. In Okunjowo haben auch die russischorthodoxen Altgläubigen einen ihrer zentralen Treffpunkte. Dazu reisen Leute aus ganz Russland an, um hier ihre alten slawischen Feiertage, wie den Tag
104
Iwan Kupalas (den 23. Juni), das Fest der Heiligen Drei Könige, den Weles - Tag und andere zu begehen. Auch die Altgläubigen pflegen an diesen Feiertagen ihre alten Bräuche und laden dabei ihre Gäste zur Teilnahme ein.
Nicht vergessen sei schließlich die Keramikwerkstatt von Okunjowo, in der junge Künstler eine alte Kunst zu neuem Leben erwecken. In ihren Händen verwandeln sich Ton in kunstvoll geformte Tassen, Näpfe, Glocken, Schmuckanhänger u. a. m. Alles das wird bemalt, graviert und gebrannt. Diese Künstlerwerkstatt befindet sich im sogenannten „Haus mir den Wolken“, einem Haus mit himmelblauer Fassade und aufgemalten Wolken. Die Besucher dieser Werkstatt können selbst schöpferisch tätig werden und ihre eigenen kleinen Kunstwerke aus Ton formen. (Nach L. Rodina)
SIBIRISCHE RESOZIALISATION
Deutsche Jugendliche sollen in der Taiga wieder auf den rechten Weg kommen. Der Betreuer Andre Augustin vom Projekt „Pfad ins Leben“ berichtet über die sozialpädagogische Arbeit:
Muh, hörte ich von draußen. „Was war das?“, denke ich, als ich aus dem Fenster schaue. Die Kuh des Nachbarn steht im Vorgarten und frisst die Himbeersträucher kahl. Ich renne schnell raus, um das Tier zu vertreiben. „In Sibirien braucht man keinen Wecker“, sagte ich mir.
Für ein halbes Jahr arbeite ich mit straffällig gewordenen Jugendlichen in einem kleinen Dorf, über 300 Kilometer nördlich von Omsk. Hier sollen die Jungs wieder lernen, wie man in einer Gemeinschaft lebt. Sie sind im Alter zwischen 10 und 17 Jahren, sind zum Teil Kinder drogenabhängiger Eltern, wurden missbraucht und geschlagen. Kleine Verbrecher sind sie auch schon. Die Schule hat keiner der Jugendlichen abgeschlossen. Ein ganzes Jahr Sibirien. Das ist eine andere Welt für die Jugendlichen. Viele Arbeiten haben sie zu erledigen. Holz hacken, Wasser holen, Garten und Tiere pflegen, Wäsche mit der Hand waschen sowie eine neue Sprache lernen. Nachdem ich Kuh aus dem Garten getrieben habe, treffe Philipp und seinen Betreuer Holger. Phillip will gerne eine Zigarette rauchen. Doch Holger sagt nein. Gestern erzählte der Nachbar, dass ihm eine Flasche Samogon fehle. Der Verdacht fiel sofort auf Phillip. Es ist leider nicht das erste Mal, dass er stielt. Zunächst gehen alle in die Schule. Pro Tag zweimal 45 Minuten. Jedoch dauert es 2 bis 3 Stunden, bis der Stoff durchgearbeitet ist. Phillip ist jetzt endgültig sauer. Er will seine Zigarette.
105
Wütend wirft er Hefte und Stifte in den Klassenraum und beleidigt seinen Betreuer. Nachdem er sich ausgetobt hat, klären wir den Skandal. Den Samogon hat Phillip gestohlen, verkauft und sich für die 20 Rubel Zigarette gekauft. Ohne Strafe geht es nicht. Daher gehen wir ins Dorf. Beim Betreuer Mathias ist das Plumpsklo randvoll und muss ausgeschaufelt werden. Eine harte und übelriechende Strafe im Sommer. Vielleicht lernt Phillip dadurch etwas dazu.
Iwan Schichatow
IM DIENST DES HERRSCHERS
Historischer Abriss über die Deutschen von Omsk in der Zeit von 1706 bis 2002. Auf der Grundlage von Archivmaterialien schildert das Buch die Rolle dieser Volksgruppe bei der Gewinnung des Omsker Gebiets und seiner wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und militärischen Entwicklung.
IM DIENSTE DES HERRSCHERS (VORWORT DES AUTORS)
Über manche Taten Zar Peter des Großen sind die Historiker unterschiedlicher Meinung. Jedoch über seinen Entschluss, bei den Reformen Deutsche zu seiner Helfern zu machen, sowie über die positive Rolle, die diese dabei spielen, gibt es keinen Streit.
Als Folge dieser historischen Entwicklung siedelten sich in den neugewonnenen Gebieten Deutsche an, und Russland wurde zur Heimat für viele Generationen von Russlanddeutschen. Militärs, Wissenschaftler, Künstler, Handwerksmeister und Bauern wurden gleichberechtigte Bürger des großen russischen Staates.
Auch bei der Gewinnung Sibiriens für das Russische Reich spielten Deutsche eine bedeutende Rolle. In Omsk gibt es viele historische Stätten, die mit dem Leben und Wirken von Deutschen in Sibirien verbunden sind. Beim Studium von verschiedenartigen historischen Dokumenten und Quellen zur Geschichte Omsks und seiner engeren und weiteren Umgebung ist der Autor des Buches ständig auf die „deutsche Spur“ gestoßen. Er hat über die in vielen Jahren gesammelt Dokumente, Namen und Geschehnisse in Zeitungen und Zeitschriften publiziert, z. B. in „Bunte Woche“, „Ihre Zeitung“, „Omskij Vestnik“, „Moskowskij Komsomolez“. Mit der Schaffung des Deutschen Nationalen Kreises von Asowo und der Nationalen kulturellen Autonomie der
106
Russlanddeutschen im Omsker Gebiet ergab sich die Möglichkeit zur Veröffentlichung des Buches „Im Dienste des Herrschers“.
DIE GRÜNDUNG DER STADT OMSK
Im Frühjahr 1716 lief eine Flottille unter der Om ein. Die Truppen auf den Schiffen, deren Reihen stark gelichtet waren, kehrten von einem erfolglosen Feldzug an den Oberlauf des Irtysch zurück und brachten unbedingt eine Erholungspause. Der damalige Statthalter Buchholz, unverzüglich mit dem Bau einer Festung an der Om zu beginnen. Dazu schickte er ihm aus Tobolsk Soldaten, Kosaken, gefangene Schweden und aus Tara Fachleute mit den notwendigen Geräten und Werkzeugen sowie Lebensmittelvorräte. Darauf begann am linken Ufer der Om kurz vor ihrem Zusammenfluss mit dem Irtysch der Bau einer befestigten Siedlung. Als erstes Gebäude wurde eine Kirche zu Ehren des Propheten Elias errichten und drum herum die ersten Festungsund Wohnbauten, die dann Iljinskij-Quartal genannt wurden. Deshalb gilt der 20. Juli (der 2. August nach neuem Kalender) als Gründungstag von Omsk.
ZUR GESCHICHTE DER LUTHERISCHEN KIRCHE IN OMSK
Bereits 1716 wurde in Omsk eine erste hölzerne Kirche für die Lutheraner erbaut. Sie wurde 1721 wieder geschlossen, weil die gefangenen Schweden repatriiert worden waren und die Zahl der deutschen Lutheraner sehr gering war. Für sie fanden die Gottesdienste dann in russisch-orthodoxen Kirchen statt. Ab 1968 gab es wieder eine hölzerne, nach 1792 eine steinerne Kirche für die Lutheraner, die Kirche der heiligen Katharina. Die Kirchenregister wurden bis 1871 in deutscher Sprache geführt, danach nur noch in russischer mit nachstehender Übertragung der russisch geschriebenen Namen und Familiennamen in lateinische Schrift (Transliterierung).
Iwan Pawlowitsch Schichanow hat die Matrikeln der Kirchengemeinde der heiligen Katharina der Jahre 1871 bis 1919 studiert sowie die erforderlichen Auszüge und Statistiken über Geburten, Heiraten und Sterbefälle angefertigt. In diesen Jahren zählten zu den Mitgliedern der Kirchengemeinde hauptsächlich Esten und Letten aus Om – Gebiet und Deutschen aus Omsk.
1995 ist in Omsk am Ufer des Irtysch eine neue lutherische Kirche erbaut worden.
107
EIN NEUES ZUHAUSE
Die Omsker Festung hatte nur verhältnismäßig wenig zivile Bewohner, und ihre Zahl wuchs nur geringfügig. Im Jahre 1762 zum Beispiel, als der Bau der neuen Festung begann, kamen auf 100 Männer 27 Frauen! Mit dem Baubeginn aber setzte ein stärkerer Zustrom von Familienangehörigen ein, und sie siedelten sich nicht nur in der Festung, sondern auch in den umliegenden Dörfern an.
So gab es zum Beispiel 1789 im Omsk 99 Häuser mit 430 Männern und 425 Frauen. Aus Omsk und Umgebung waren als Mitglieder der Gemeinde der Elias-Kirche 823 Männer und 800 Frauen, also insgesamt 1623 Seelen eingetragen.
VORAUSSICHT
Die erste aus Holz errichtete Omsker Festung war baufällig geworden und von Süden her strategisch sehr verwundbar. Als im Jahre 1763 Generalleutnant Iwan Iwanowitsch Springer zum Leiter der Sibirischen Inspektion ernannt wurde, wählte er die Omsker Festung zu seinem Standort.
Schon 1764 beschloß Springer, auf dem rechten Ufer der Om eine neue Festung erbauen zu lassen, die von Süden durch das natürliche Wasserhindernis gedeckt war. Springer scharte fähige Mitarbeiter um sich, ließ Tonerde gewinnen, Ziegelwerke erbauen und Ziegelsteine herstellen, Bauholz einschlagen, zubereiten und heranschaffen. In verschiedenen Gegenden Russlands wurden Arbeiter und Baufachleute geworben.
Unter Springers persönlicher Leitung begann 1768 der Bau der größten Festung im Osten Russlands. Sie wurde schon 1782 zur Stadt. Springer hat wahrscheinlich vorausgesehen, dass Omsk auf Grund seiner günstigen Lage bei der Gewinnung Westund Südsibiriens für das Russische Reich und der Ausgestaltung dieses Landesteils in Zukunft eine große Rolle spielen könnte.
Iwan Springer legte auch den Grundstein für die Entwicklung in den ihm unterstehenden Festungen und Städten Sibiriens und tat viel für die Entfaltung des Handels. Im Jahre 1765 zum Beispiel wurden nach seinen Plänen für 150 Kinder Omsker Festung Schulen eröffnet. 1764 organisierte er den Markt von Semipalatinsk. Für den Tauschhandel mit den angrenzenden Staaten und den Nomadenvölkern befahl Springer 1765 in Ust-Kamenogorsk einen Tauschhof einzurichten.
108
Iwan Iwanowitsch Springer hat die Vollendung des Festungsbaus nicht mehr miterlebt. Er ist 1771 gestorben und auf dem Omsker Russisch-orthodoxen Friedhof zwischen Eliasund SergiusKirche bestatten worden. (Es gab damals für die Lutheraner keinen sonderten Friedhof.) Obwohl der Friedhof später aufgelöst und überbaut worden war, blieb Springers Grab lange Zeit erhalten. Schließlich geriet es doch in Vergessenheit. Nicht so bei den Historikern: Heute steht an dieser Stelle ein Blumengeschäft. Auf Initiative der Omsker Gebietsorganisation der Allrussischen Gesellschaft zu Erhaltung von historischen und kulturellen Denkmälern ist dort eine Tafel zum Gedenken an Springer angebracht geworden.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts hat man den Weg am Irtyschufer von Tobolski – Tor bis zur OmBrücke für Springer – Straße genannt, die im Jahre 1920 leider unbenannt wurde. Sie befindet sich im historischen Zentrum vom Omsk und besteht unter Denkmalschutz. Dort stehen zum Beispiel das älteste erhaltene Gebäude Omsks, die 1781 erbaute frühere Hauptwache (Partisanenstraße 14) sowie eine Reihe weiterer historisch und architektonisch bedeutender Gebäude aus dem 19. Jahrhundert.
DIE DEUTSCHEN AUS DEUTSCHLAND
Viel neues Leben kam nach Omsk durch die Eisenbahn. Von allen Enden der Welt strömten Kaufleute und andere Unternehmer dorthin. In der Stadt entstanden viele Geschäftsvertretungen, Handelsund Versicherungsgesellschaften, Genossenschaften, Bankfilialen und Konsulate. Allein mit dem Aufkauf der berühmten sibirischen Butter „Weißen Schwan“ befassten sich 20 ausländische Gesellschaften, und mit landwirtschaftlichen Maschinen handelten 22 Betriebe.
Unter diesen Unternehmen waren deutsche besonders stark vertreten. Mit Metallwaren und Maschinen zum Beispiel handelten die Firmen „Wolf“ (aus Magdeburg), die „Deutsche Internationale Gesellschaft“, die „Genossenschaft Mechanischer Werke „ W. G. Stoll & Co.“, die „Genossenschaft Anton Erlinger & Co.“ Deutscher Konsul in Omsk war Oskar Nolte von der „Deutschen Internationalen Handelsgesellschaft“. Nolte handelte mit Kupferblech, Metallwaren und Nähemaschinen der Firma „Naumann“ aus Deutschland. Eine solche Maschine mit einem Firmenschild darauf ist von I. Schichatow aufgefunden und dem Omsker Heimatkundemuseum übergeben worden. Dieses
109
