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Mensch und Fahrzeug

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7.5 Sanfte Technik

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Beispiel 15 Bauformen: Nach dem Marktstart der A6 Limousine führt Audi den A6 Avant ein (Werkbild Audi)

7.5 Sanfte Technik

Durch die Anwendung der Technik verfügen die Menschen heute über Kräfte und Energien die alles übersteigen, was Geschöpfen bisher möglich war. Wir bewegen im Jahr etwa 200 Mrd t Material (ο Kapitel 6, Bild 6-11), 33 t pro Kopf und Jahr und setzen 120 Billionen kWh Energie um, etwa 20 000 kWh pro Kopf und Jahr. Im Vergleich zu dem was die Natur oder gar der Kosmos bewegt ist das verschwindend wenig: allein 250 000 km3 Wasser verdunsten pro Jahr = 42 000 t pro Kopf und Jahr. Auf die Erde fallen 177 000 Mrd kW Solarstrahlung, 300 Mio kWh pro Kopf und Jahr. Aber wenn wir ein Kraftwerk oder den schier unendlichen Fahrzeugstrom auf der Autobahn sehen, einen Staudamm oder die Erdbewegung in einem Braunkohlebergbau, dann sind wir überwältigt. Wir leben gefühlsmäßig in einer mesokosmischen Welt, können uns nur Größenordnungen von Masse und Energie vorstellen, die wir im Alltag erleben. Nur mit Hilfe der Mathematik können wir aus dieser Gefühlswelt hinausgreifen und Zahlen nennen, die uns sagen, dass der Materialund Energieumsatz der Natur eben noch viel größer ist als das Menschenwerk.

Obwohl die Leistungsfähigkeit eines Autos die des Menschen bei weitem übersteigt (100 kW zu 0.2 kW), möchten wir sie meist so benutzen, dass sie andere (und uns selbst) nicht in Schrecken versetzt. Abgesehen vom Imponierund Balzgehabe möchten wir das Auto unauffällig,

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angepasst nutzen. Die Fahrzeugentwickler können dazu nur die Möglichkeit schaffen. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, wie er sich in das soziale Geschehen des Verkehrs einbringt. Geräuschloses Dahingleiten mit geringem Verbrauch und geringer Emission muss möglich sein, wird aber nicht von allen und zu jeder Zeit als optimal empfunden. Um so mehr kommt es darauf an, schonend mit den Resourcen um zu gehen, wenn schon die Technik so darauf angewiesen ist. Unspektakulär soll sie uns zu Diensten sein und kein Aufhebens darum machen, mit welchem Aufwand z. B. auch Umweltbelastungen zurückgefahren werden. Hier soll die Substitution herkömmlicher Kältemittel mit ihrem hohen Gefährdungspotenzial für die Umwelt durch Kohlendioxid als Beispiel dienen, Beispiel 16.

Beispiel 16 Sanfte Technik: Kohlendioxid-R744 als Kältemittel in Fahrzeug-Klimaanlagen (Werkbild Obrist Engineering)

Gelegentlich wollen wir auch spüren, welche Kraft in unserem Auto steckt, den anderen zeigen, dass wir beim Ampelstart mithalten können. Der tägliche Verkehr bietet unausgesetzt Beispiele für die Möglichkeiten, die im Auto stecken, und welchen Gebrauch die Menschen

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davon machen. Der Eindruck eines an der Leistungsgrenze betriebenen Fahrzeugs unterscheidet sich vom normalen, maßvollen Betrieb wesentlich. Normalerweise vermeiden wir hohe Drehzahlen, das Reifenquietschen beim Anfahren, Kurvenfahren und Bremsen, das laute Zuschlagen der Türen, den Gebrauch der Hupe. Natürlich kann die Technik den maßvollen Gebrauch nicht nur nahe legen sondern auch erzwingen. Zum Beispiel können Maximaldrehzahl und Zugkraft in den unteren Gängen beschränkt werden, Bild 7-16. Diese Maßnahme würde die Geräuschprüfung wesentlich erleichtern (wenn nicht die Vorschriften nachzögen). Es bleibt aber die Frage, ob die Fahrer eine solche Einbuße an Fahrleistung akzeptieren. Es müssten auch Ausnahmen möglich sein, z. B. für das Befahren steiler Strecken: mit dem Einschalten des Warnlichts wird die Begrenzung aufgehoben. Aber der angepasste Fahrer wird sich ohnehin so verhalten, wie es die Maßnahme erzwingt: Früh Hochschalten ist ein Prinzip, das in der Fahrschule gelehrt und von den Meisten praktiziert wird.

Die Technik selbst ist weder sanft noch gewalttätig. Wir können sie aber so oder so nutzen. Es liegt an uns, wie wir uns ins soziale Geschehen, ins Leben, einbringen.

Bild 7-16 Beschleunigen mit begrenzter Höchstdrehzahl wmax. Es sind Geschwindigkeit v(km/h) und Drehzahl w (1/s) über der Zeit aufgetragen. Links oben sind die Übersetzungen i(i) angegeben und die zu beschleunigende Gesamtmasse, die sich mit i(i) ändert. Rechts sind die Zeiten angegeben, die das Fahrzeug zum erreichen von 50 km/h (t50) und 100 km/h (t100) benötigt. Dort finden sich auch Angaben zum Verbrauch bis zum Erreichen von 50, bzw. 100 km/h. – Die Einkuppeldrehzahl ist auf w = 125/s und ein Moment von 125 Nm begrenzt. Im 1. Gang folgt daraus eine Zugkraft von 5670 N, die schon nahe der Quietschgrenze liegt. (Die Vorderachslast beträgt statisch 6600 N. Sie wird beim Anfahren mit 4 m/s2 um etwa 2000 N reduziert.)

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Literatur

 

>7.1 Fiala, E.: Absatz-

und Ertragsplanung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53 (1983),

S. 445/459

 

>7.2 Hucho, W. H.: Aerodynamik des Automobils, Vieweg, 2005

>7.3 Sawatzki, E.: Die Luftkräfte und ihre Momente, Deutsche Kraftfahrforschung, Heft 50, VDI-Verlag, Berlin 1941

>7.4 Triffin, R.: Monopolistic Competition and General Equilibrium Theory, Cambridge

1947

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8.1 Eine kurze Geschichte der Fahrzeugführung

8.1.1 Fahrrad

Der badische Forstmeister K. F. Drais hat 1813 einen muskelgetriebenen Wagen entwickelt, der aber für die damaligen Straßen kaum brauchbar war. Deshalb verfiel er auf die Idee des Laufrads: ein einspuriges Fahrzeug, für das man eher eine fahrbare Spur finden konnte, >hist. Bild 6 .

Mit dem modernen Fahrrad hat sein Laufrad wenig zu tun. Um das Laufrad zu fahren, muss man sich mit den Unterarmen auf dem „Balancier“ abstützen und das Fahrzeug mit den Beinen abwechselnd vorwärts stoßen. Man pendelt dann zwischen den abwechselnden Stößen hin und her, mit der Lenkung eine brauchbare Fahrspur suchend. Trotzdem ist Drais damit wiederholt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km/h gefahren. Seine Erfindung hat im englischsprachigen Raum große Verbreitung gefunden (Hobby Horse).

Als erstes Fahrrad muss man Macmillan´s Gefährt bezeichnen >hist. Bild 7 : mit Pedalen wurde das Hinterrad über einen Kurbeltrieb angetrieben, die Lenkung hatte einen Nachlauf (ο hist. Bild 6). Damit konnte man fahren. Die Fahrradentwicklung nahm aber einen Umweg: Pierre Micheaux und sein Sohn Ernest >hist. Bild 8 haben Fahrräder angeboten, die gut fahrbar waren. Eine größere Übersetzung versuchte man durch immer größere Vorderräder zu erreichen, was zum gefährlichen Hochrad geführt hat, das schließlich nur noch artistisch zu benutzen war. Daher wurde das alte Niederrad wieder weiter entwickelt (ο Tab. 8-1). Mit kugelgelagerten Achsen, kugelgelagerter Lenkachse und Luftreifen war der Weg zum modernen Fahrrad gefunden.

Die diffizile Abstimmung von Nachlauf und Schwerpunktlage des Vorderrads wurde wohl empirisch gefunden.

8.1.2 Auto (siehe Tabellen T8-2 und T8-4)

Die Geschichte des Autos ist die Geschichte des Motors. Der Motor hat aus dem altbekannten Fahrzeug etwas ganz Neues gemacht: das Automobil, das Selbstbewegliche. Fahrzeuge waren schon seit Jahrtausenden bekannt, als mechanische Maschine mit der man große Lasten oder sich selbst mit relativ geringer Muskelarbeit der Zugtiere befördern konnte. Das Rad ist eine 5000 Jahre alte Erfindung. Es gibt dafür kein Vorbild in der Natur. Zur Erfindung des Rades gehört die Achse, die mit der Deichsel den ursprünglichen einachsigen Wagen ergibt. Dieser folgt dem Ziehenden, sei es Mensch oder Tier. Zunächst hat es nur einachsige Karren gegeben, mit Scheibenrädern, die aus drei Teilen zusammengesetzt waren. Seit 3500 Jahren gibt es das Speichenrad. Es ist viel leichter, kann daher größer gebaut werden, was den Fahrwiderstand verringert und die Unebenheiten der Fahrbahn einebnet. Die Römer hatten nach der Zeitenwende verschiedene einund zweiachsige Wagen, die alle die gleiche Spurweite haben: 1.43 m. Offenbar war der Wagenbau in Gallien hoch entwickelt und die Römer haben diese Technik und die Namen dafür übernommen. Wahrscheinlich war auch der Drehoder Lenk-

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schemel den Galliern bekannt, doch musste diese Erfindung im 13. Jahrhundert erneut gemacht werden. Davor gab es einen wesentlichen Fortschritt im Geschirr: das Kummet hat die Zugleistung der Zugtiere verdreifacht.

Solange die Zugtiere an der langen Deichsel den Wagen gesteuert haben, war das Lenken kein Problem. Es trat erst auf, als der Fahrer versuchte, das Fahrzeug zu lenken: die Lenkschemelachse schlägt unbarmherzig nach der Seite ein, an der der Rollwiderstand größer ist. Die dadurch ausgelösten Stöße eines schweren Wagens auf einer unebenen oder unbefestigten Straße sind nicht ohne weiteres beherrschbar. Ein einzelnes Rad hat diese Stöße nicht, weil die Lenkachse durch die Radaufstandsfläche geht. Seit Stephan Farffler >hist. Bild 2 , der für sich ein Behindertenfahrzeug gebaut hat, findet sich das Dreirad von den schwersten Dampfwagen bis zum Benz Patentmotorwagen.

Das wesentliche Problem war aber die fehlende Antriebskraft, die den Muskel der Zugtiere ersetzen konnte, der Motor. Auch er wandelt wie der Muskel chemische Energie (Benzin statt Nahrung, statt Traubenzucker) in Arbeit. Mit dem Motor wird aus dem Fahrzeug eine Maschine der 2. Art, das Kraftfahrzeug. Es hat sowohl die mechanischen Voraussetzung zur Beförderung der Lasten als auch den Antrieb, der die Fahrwiderstände überwindet. Schon lange waren Fahrzeuge von allein ein Gefälle hinabgerollt, oder von Wind (Stevin 1600, >hist. Bild 3 ) oder Dampf (Trevithik 1803, >hist. Bild 5 ) angetrieben worden. Aber der Wind war unzuverlässig und auch der Betrieb der Dampfmaschine umständlich. Deshalb wurde auf die Scheine ausgewichen, womit auch das Problem der Lenkung gelöst war. Es begann die Erfolgsgeschichte der Eisenbahn, die für 100 Jahre das bevorzugte Transportmittel bleiben sollte.

Auf der Straße blieb die Lenkung problematisch. Um 1840 baut Goldsworthy Gurney einen großen Dampfwagen für 20 Personen mit Lenkschemellenkung. An der Spitze der Deichsel, sitzt ein kleines Radpaar, das gelenkt wird. Damit werden die großen Lenkmomente des Lenkschemels abgestützt.

Der Motor stand und steht im Mittelpunkt des Interesses, wenn es ums Auto geht. Trotzdem war die Fahrbarkeit wiederholt Hemmnis der Weiterentwicklung. Cugnot´s Dampfdreirad >hist. Bild 4 ist in eine Mauer, eine Klostermauer noch dazu, gefahren, was die Weiterentwicklung beendet hat. Carl Benz schreibt selbst über seine ersten Erfahrungen:

Es war im Spätherbst 1885; die ersten Fahrversuche gingen gegen die Hofmauern. Vieles musste umkonstruiert werden, und erst als ich die Lenkung einigermaßen beherrschte, wagte ich mich auf die freie Straße.“ (75 Jahre Motorisierung, Jubiläumsbericht der Daimler-Benz AG 1961)

Gottlieb Daimler hatte keine solchen Skrupel: er hat seinen leistungsfähigen Motor in alle möglichen Fahrzeuge eingebaut. In das Motorrad von 1885 >hist. Bild 10 , in das Wölfertschtsche Luftschiff 1888, den Triebwagen der Friedrich Krupp AG 1890 und eben auch den Motorwagen von 1886, >hist. Bild 12 . Es war eine sonst unveränderte Kutsche mit einem innenliegenden Zahnkranz um den Lenkschemel, in den das Ritzel der lotrecht stehenden Lenksäule eingriff. Wie weit das Fahrzeug überhaupt fahrbar ist, hängt von der Straßenbeschaffenheit ab. Denn der Lenkrollhalbmesser ist gleich der halben Spurweite, was bei jeder Unebenheit große Lenkmomente liefert. Aus diesem Grund hatte Benz das Dreiradkonzept gewählt, das anscheinend seit Farfler >hist. Bild 2 sich für alle Fahrzeuge ohne Zugtiere bewährt hat.

Die Achsschenkellenkung, die den Lenkradhalbmesser klein (positiv oder negativ) macht, wurde schon 1818 von Ackermann erfunden, aber nur selten verwendet, z. B. von Amédée

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Bollée 1873, für das erste Dampffahrzeug mit Einmannbedienung oder Daimler und Maybach für den Entwurf des Stahlradwagens von 1889.

Ein anderes Problem ist der automatische Betrieb des Motors. Mit Holz oder Kohle beheizte Dampffahrzeuge haben einen Heizer, den Chauffeur, erfordert. Den Standard aber hat das Elektroauto gesetzt (sofern die Batterie geladen ist): die Leistung ist einfach und verzugsfrei zu regulieren. Für den Verbrennungsmotor stand zunächst Leuchtgas zur Verfügung, das aber umständlich (in Ledersäcken) und nur in unzureichender Menge mitzuführen war. Deshalb war der Einsatz eines leicht betankbaren, energiedichten Energieträger ein wichtiger Schritt, der wahrscheinlich von Siegfried Marcus von 1870 in einem sonst kaum brauchbaren Fahrzeug gemacht wurde. Angeblich war auch die Kutsche von Delamare-Debouttville (Patent 1884) ein Fahrzeug mit Benzinantrieb (Baumwolle als Oberflächenvergaser). Der Nachbau von 1984 war jedenfalls fahrfähig wenn auch nicht richtungsstabil.

Carl Benz und Gottlieb Daimler waren die Konkurrenten in den dramatischen ersten 15 Jahren der Automobilentwicklung, (Tabelle T8-2). Daimler hatte den Vorteil, den leichteren Motor zu haben. Er hat sich aber offensichtlich nicht um die Lenkbarkeit gekümmert. Ganz anders Carl Benz. Nach eigenem Bekunden hat er sich erst auf die Straße getraut, als er glaubte, die Lenkung seines Fahrzeuges zu beherrschen. Und der Ausflug seiner Frau 1888 mit ihren beiden Chauffeuren im kindlichen Alter von 13 ½ und 15 Jahren spricht auch dafür, dass schon der erste Benzwagen gut fahrbar war. Benz hat erst ein vierrädiges Fahrzeug gebaut, nachdem er die an sich bekannte Achsschenkellenkung durch die (Wieder-?) Erfindung der Faustachse praktikabel gemacht hatte, >hist. Bild 14 . Daimler und Maybach haben für ihren Stahlradwagen 1899 zwar auch eine Lenkung nach Ackermann (1813) verwendet, aber die Räder umständlich in Gabeln geführt. Sie sind 1894 noch einmal zum Lenkschemel zurückgekehrt, >hist. Bild 17 . Die Messingkugeln an den Enden der Vorderachse zeigen wo man beim Rangieren anfassen musste. Carl Benz hatte 1893 mit der Viktoria eindeutig die Nase vorn. 1894 ist Theodor von Liebieg mit dem Benz Viktoria >hist. Bild 15 von Reichenberg in Böhmen nach Reims und zurück gereist. Nach Benz Meinung war dieses Auto aber zu aufwendig. Er kehrte mit dem Velo von 5 auf 1.5 PS (später 3 PS) zurück und hat mit diesem Serienauto die größten Absatzzahlen erzielt: bei einem Verkaufspreis von 2000 Reichsmark 1895 wurden 62 Velo verkauft, insgesamt 135 Fahrzeuge, 1899 sind es 572 Fahrzeuge. Bis Ende 1899 hat Benz insgesamt 2000 Fahrzeuge hergestellt, darunter Fahrzeuge mit 2-Zylinder Boxermotoren mit 15 PS.

Die Entwicklung des Fahrgestelles und der Anordnung von Motor und Getriebe fand in den neunziger Jahren in erster Linie in Frankreich statt, wo in zahllosen Zuverlässigkeitsfahrten und Rennen alle Varianten verglichen wurden, >hist. Bild 18 . Die Standardanordnung längsliegender Motor vorn, Getriebe, Antrieb hinten wurde erstmals von Panhard & Levassor gezeigt. Auch findet sich dort (oder bei Peugeot) zum ersten Mal die Achsschenkellenkung (wenn nicht nachträglich verändert).

Dann allerdings beginnt die Ära Mercedes. Daimler hatte enge Geschäftsbeziehungen nach Frankreich (Panhard & Levassor) und England (Simms) angebahnt, Maybach 1900 einen 4-Zylindermotor für 25 PS entwickelt, der erst 30 PS, später 40 PS geliefert hat. Emil Jellinek verlangt immer mehr Leistung, nennt seinen Daimler Phönix Mercedes (nach seiner Tochter) und entfacht mit seinen die Franzosen überraschenden Siegen in Nizza eine Welle der Begeisterung, >hist. Bild 20 . Die Geschäfte der Firma Benz leiden unter diesen Erfolgen der Konkurrenz. Benz scheidet 1903 als Vorstand aus. Nach einigen Umwegen kommt dann 1904 der Parsifal heraus, der die Reputation Benz wieder herstellt. Benz verschließt sich nicht länger

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der Höhermotorisierung: bis 1909 entsteht der 200 PS Blitzen-Benz, der mit 205 km/h einen Weltrekord aufstellt und diesen 1911 auf 228.1 km/h verbessert.

Unter starker Mitwirkung französischer Firmen war die Entwicklung der ersten Autogeneration abgeschlossen. Die leistungsstarken Motoren hatten erneut an die Grenze der Fahrbarkeit geführt. Verkehrstüchtig im modernen Sinn waren diese Autos trotz aller Stärke nicht: Das Bremssystem war völlig unzureichend, >hist. Bild 21 . Einer ganzen Reihe von Rennleitern hat man das zu den Rennfahrern gesprochene Wort in den Mund gelegt: „Ihr sollt nicht bremsen, sondern fahren!“ Tatsächlich hat sich bald gezeigt, dass Anhalten wichtiger als Fahren sein kann. Aber noch lange wurden Fahrzeuge ohne Vorderradbremsen angeboten und vielen Radfahrern ist die Vorderradbremse bis heute suspekt geblieben. Der Ford T hatte ab 1927 zwar einen elektrischen Starter, aber bis zu seinem Auslaufen keine Vorderradbremse.

Ab den 20er Jahren gab es dann Fahrzeuge mit Vorderradbremsen. Aber durch das tiefliegende Momentanzentrum vorn (Querlenker) und das hochliegende hinten (Pendelachse) kamen Fahrzeuge in Mode, die übersteuernd und bei größeren Querbeschleunigungen instabil waren. Dazu kam noch das Ideal des Heckmotors, der die erwünschte Belastung der Antriebsachse brachte. Hans Ledwinka hat mit dem Tatra 11 von 1923 und den Tatra 77 >hist. Bild 24 beide Trends durch überzeugende Fahrzeuge hervorgebracht und verstärkt. Der Volkswagen, zahlreiche Heckmotorfahrzeuge der Nachkriegsjahre bis hin zum Chevrolet Corvair von 1961 zeigen diesen Einfluss. Daneben gab es aber auch die Entwicklung des Vorderradantriebs, der heute zum Standard geworden ist.

Aus dem Wagen, einer Maschine der 1. Art (Mechanik zum Transport von Lasten), ist durch den Motor eine Maschine der 2. Art geworden (Energiewandlung). Nun tritt immer mehr mechanische Intelligenz, Datenverarbeitung, hinzu: das Auto wird zur Maschine der 3. Art: Mechanik (Abstützen der Last und Bewegung), Motor zur Überwindung der Fahrwiderstände und Nutzen von Informationen für die sichere und sparsame Fortbewegung. Merkmale, die sonst nur Lebewesen kennzeichnen: Skelett, Muskel und Nerven.

8.1.3 Richtungsstabilität

Von einem Fahrzeug erwarten wir, dass es ohne Zutun des Fahrers geradeaus fährt, und dass das Lenkmoment in einem eindeutigen Verhältnis zur Querbeschleunigung steht, es auch krümmungsstabil ist. Auch Rad-Umfangskräfte aus Antrieb oder Bremsen dürfen den Zusammenhang zwischen Querbeschleunigung und Lenkung nicht zu sehr stören.

Um die Bremsstabilität war es zunächst schlecht bestellt. Es scheint logisch, dass die Fahrtrichtung nicht gestört wird, wenn man das Fahrzeug hinten zurückhält. Man darf aber den Einfluss der Vorderachse nicht vergessen, der das Auto herumdreht, wenn die Seitenführung an der Hinterachse durch das Blockieren der Räder verloren geht. So hat es 30 Jahre gedauert, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass das stärkere Bremsen an der Vorderachse zur Stabilität führt. Generell gilt: wenn das Fahrzeug instabil wird: Fuß vom Gasund Bremspedal, Auskuppeln (oder Gang herausnehmen) und Lenkung loslassen. An der Vorderachse kann dann nur eine kleine, durch die Reibung in der Lenkung bedingte Seitenkraft aufgebaut werden, und die Seitenkraft an der Hinterachse bringt die Fahrzeuglängsachse in die Bewegungsrichtung. Das ist freilich leichter gesagt als getan: wenn die Bewegungsrichtung an das Hindernis oder in den Abgrund führt, ist der Fahrer mehr an der Richtungsänderung als an der Stabilität interessiert. Er wird zu lenken versuchen. Dazu müssen die Umfangskräfte an allen Rädern so klein wie möglich sein. Die Richtungsbeeinflussung durch Blockieren der Hinterräder (mit der Handbremse) gehört eher in den Zirkus als auf die Straße.

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– Jedenfalls war das Führen eine übersteuernden Fahrzeuges eine spannende Sache. Solange die Querbeschleunigung (gemessen an der verfügbaren Seitenführungskraft) klein war, konnte man sich durch sanftes Anfassen der Lenkung helfen: man konnte den Aufbau einer zu großen Seitenkraft an der Vorderachse verhindern. Wenn aber die Querbeschleunigung zu groß geworden war, dann hat auch oft das Auskuppeln und Gegenlenken bis zum Anschlag nicht mehr geholfen: das Fahrzeug hat sich um die Hochachse gedreht und im besten Fall nach einer halben Umdrehung den stabilen Zustand, also Hinterachse vorn, erreicht. Bei vielen Unfällen, deren Ursache im Abfall der Seitenführung an der Hinterachse liegt, kann man diesen Hergang beobachten. Der Abfall der Seitenführungskraft kann z. B. der Verlust des Reifendrucks oder eine zu große Umfangskraft an der Hinterachse sein (zu großes Bremsoder Antriebsmoment des Motors, Blockieren des Antriebs, Fehlfunktion der Hinterachsbremse). Der Druckverlust an einem Hinterrad ist gefährlich, wenn die Querbeschleunigung so groß geworden ist, dass der Unterschied der Seitenkräfte vorn und hinten nicht mehr durch Gegenlenken ausgeglichen werden kann. Bei einer Reifenpanne hinten also behutsam bremsen, um diesen Bereich zu vermeiden. Die Gefährlichkeit des Motorbremsmoments hinterradgetriebener Fahrzeuge kann nur durch Auskuppeln, einen Freilauf oder ein elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) vermieden werden. Diesem Nachteil des Hinterradantriebs steht die Fahrfreude gegenüber, die das Nutzen des power slides bringen kann: der gefahrene Krümmungsradius wird nicht nur durch den Lenkwinkel sondern auch durch die Antriebskraft bestimmt. Durch geschicktes aufeinander Abstimmen von Lenkwinkel und Gaspedalstellung wird die Kurve durchfahren, wobei dem Fahrer durchaus bewusst wird, dass er sich in einem indifferenten Gleichgewicht befindet.

Die Anordnung von Motor und Antriebsachse bleiben in Diskussion. Für die Frontanordnung des Motors spricht die günstigere Nutzung des Hecks für den Kofferraum und die nahe Kühleranordnung, für den Antriebsblock der einfache Gesamtaufbau, für die getrennt Anordnung von Motor und Antriebsachse das kleinere Abstützmoment des Motors in den unteren Gängen, das eine weichere, akustisch günstigere Lagerung erlaubt. Der Antrieb hinten ist für viele Unfälle verantwortlich, die dadurch entstehen, dass der Fahrer in den unteren Gängen das Gas wegnimmt. Die Umfangskraft an den Hinterrädern baut dort die Seitenkraft ab, was zur Unstabilität führen kann. (Die gleiche Gefahr besteht bei Fahrzeugen mit automatischem Getriebe, das zurückschaltet, wenn die Hinterräder heruntergebremst werden und dann im kleinen Gang eine hohe Umfangskraft liefert, die den Fahrer überrascht.)

8.2 Festigkeit, Steifigkeit, Material

Den besonderen Ansprüchen an die Festigkeit und Steifigkeit ist Carl Benz von Anfang an mit einem Stahlrohr-Rahmen entgegengetreten, [hist. Bild 11]. Aus diesem Rohrrahmen wurde bald ein verdrehweicher Leiterrahmen aus U-Profilen. Dieser Rahmen ergibt mit Antrieb und Fahrwerk das Chassis, das in den nächsten 40 Jahren den Karossiers zur Ergänzung zum fertigen Auto nach den Wünschen des Kunden übergeben wurde. Bis zu den fließenden Linien von Exterieur und Interieur heutiger Autos war es ein weiter Weg, siehe Beispiel 17. Diese Vorstellung des tragenden Rahmens auf den die Karosserieteile aufgebaut wurden, hat sich für die selbst drehsteiferen Aufbauten des PKWs (nicht LKWs) bald als unbefriedigend gezeigt. Der Rahmen degenerierte zur Montageerleichterung und später zu getrennten Hilfsrahmen für Vorderund Hinterachse.

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Beispiel 17 Interieur: Fließende Linien und Flächen (Werkbild Magna/Intier)

Der Aufbau bestand zunächst überwiegend aus Holz, in das der hoch angesehene Stand der Kastenmacher seine Kunst einbrachte. Noch in den 50er Jahren war der „Holzbetrieb“ im Daimler-Benz Werk Sindelfingen ein ausgedehnter Komplex, in dem pro Auto so viele Stunden wie im Rohbau gearbeitet wurde: das Fahrzeuginnere war mit Armaturenbrett und Fensterschlüssel aus Holz ein betont wohnlicher Raum. Der heutige Materialmix hingegen benutzt das Material Holz nur noch selten und ersetzt es durch andere hochwertige Materialien, Beispiel 18.

Beispiel 18 Interieur:

Hochwertige Oberflächen betonen die Formensprache (Werkbild BMW/M+H)

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