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§ 37. Genera Verbi — Diathesen (die Handlungsformen des Verbs)

Wenn das Verb eine Handlung bezeichnet, kann die von ihm zum Subjekt und zum Objekt führende Perspektive verschiedene Formen annehmen (griech. diathesis oder tat. genus verbi, was sich deutsch als Handlungsart oder Handlugsform wiedergeben läßt). Im Deutschen sind die Beziehungen des Verbs zum Subjekt und Objekt zweifach:

Die Form des transitiven Verbs kann eine Handlung ausdrücken, die vom Subjekt ausgeht und auf das direkte Objekt gerichtet ist: Arbeiter bauen Maschinen; Er erwartet den Freund. Solche Form des Verbs heißt die aktive (Aktiv, Tätigkeitsform). Auch die intransitiven Verben (oder die transitiven im intransitiven Gebrauch) stehen in dieser Form.: Der Knabe läuft; Sie näht. Sie ist somit, vom Standpunkt des Systems der Handlungsformen aus, die normale Form des Verbs, seine «Ruheform». Sie erstreckt sich auch auf die Verben, die einen Zustand bezeichnen (vgl. § 34).

Das Verb kann aber auch solche Handlung ausdrücken, die nicht vom Subjekt, d. h. dem Täter, dem Agens der Handlung, erzeugt wird, sondern auf das Subjekt gerichtet ist: Die Maschinen werden gebaut; Der Freund wird erwartet. Die entsprechende Form des Verbs (werden + Partizip II) wird die «passive» Form (Passiv, Leideform) genannt. Der eigentliche Erzeuger der Handlung, das Agens, kann dabei im Satz überhaupt unerwähnt bleiben, wenn seine Bezeichnung semantisch unwesentlich oder unmöglich ist, wie es oft z. B. in der technischen Literatur geschieht, oder wenn man ihn leicht dem Kontext oder der Situation entnehmen kann. Eine solche Struktur nennt man die «zweigliedrige» Passivkonstruktion im Gegensatz zu der «dreigliedrigen», in der das Agens durch eine Präpositionalkonstruktion (von + Dativ oder — instrumental gefärbt — durch + Akkusativ) ausgedrückt wird: Maschinen werden von Arbeitern gebaut; Er wurde durch ihre Worte verletzt. Zahlreicher sind die zweigliedrigen Konstruktionen.

Mit dem Passiv berührt sich die Zustandsform (Stativ), die durch Verbindung sein + Partizip II gebildet wird: Er war durch ihre Worte verletzt.

In der letzten Zeit sind wichtige Arbeiten zum Problem der Diathese im Deutschen erschienen: 147;.352; 370 u. a. Doch glaube ich die in den vorigen Auflagen des vorliegenden Buches enthaltene Auffassung dieses Problems im wesentlichen beibehalten zu dürfen.

Das Passiv hat dasselbe Formensystem wie das Aktiv. Es ist nur zu bemerken, daß das Partizip II von werden, wenn es als Hilfsverb in den Formen des Passivs auftritt, die Gestalt worden (statt geworden) aufweist: Er ist gelobt worden Er ist stark geworden. Das Fehlen der Vorsilbe ge- läßt sich hier als verbale Abart der Monoflexion deuten oder vielleicht als Kompression. Statt der Form des Futurs I wird im Passiv noch häufiger als im Aktiv die Präsensform gebraucht. Im Perfekt und Plusquamperfekt erscheint die Passivform oft ohne worden, so daß sie dem Präsens bzw. dem Präteritum der Zustandsform gleicht: Als seine Mahlzeit beendet war (= beendet worden war), kehrte er zu seiner Gesellschaft zurück. (Storm)

Sonst unterscheidet sich aber die Zustandsform von dem Passiv sehr bedeutend. Erstens bildet das Passiv eine ausgesprochen analytische Form, d. h. die Bestandteile dieser Form verlieren ihre grammatische Eigenbedeuteng. Dagegen bleibt bei den Bestandteilen der Zustandsform ihre Eigenbedeutung völlig erhalten: sein ist kopulativ, das Partizip II bezeichnet die Eigenschaft des Subjekts. Die Gesamtsemantik ist hier nur eine Summe dieser Eigenbedeutungen. Die Zustandsform ist also eine syntaktische Fügung. Zweitens drückt die Zustandsform nicht den Verlauf einer Handlung, sondern ihr Ergebnis, nicht den Vorgang selbst/sondern seine Vollendung aus. Die Tür ist geöffnet gibt nicht den Prozeß des Öffnens wieder, sondern die Tatsache des OffenSeins.

Eben der Entstehungsprozeß eines Zustands, der sich im werden-Passiv ausdrückt, verursacht jene Nähe, sogar Durchdringung der Bedeutungsgehalte der Verbalform (werden) und des Partizips II, die zur Bildung einer wirklich einheitlichen, analytischen grammatischen Form führt. Jedoch fehlt eine analoge semantische syntaktische Intention der Verbalform (sein) und des Partizips II in der Zustandsform, so daß hier keine wirkliche analytische verbale Form entsteht, sondern das Verb sein syntaktisch-semantisch im wesentlichen kopulativ ausgerichtet bleibt. Gewiß enthält die Bedeutung des Zustandspassivs der terminativen oder perfektiven Verben (s. § 36) auch den Hinweis, daß der Ruhezustand erst nach einem Prozeß, einer Handlung, eingetreten ist. Aber dieser Prozeß ist im Zustandspassiv bereits ausgelöscht, aufgehoben, und das Agens der Handlung bleibt hier vollständig aus dem Spiel. Jedenfalls bildet in solchen Sätzen die Semantik der abgeschlossenen Handlung (mit Nachdruck auf Handlung) ein Merkmal des Partizips II, nicht der Gesamtform des Prädikats (vgl. § 3; 344, 10).

Wenn sich die Zustandsform mit dem Perfekt und Plusquamperfekt des Passivs berührt, so ist das eine Folge davon, da'ß diese Zeitformen überhaupt gewissermaßen resultativ, perfektiv gefärbt sind. Doch ist gewöhnlich der Unterschied zwischen Zustandsform und Passiv ganz offensichtlich: im Gegensatz zu der Zustandsform bezeichnet das Perfekt des Passivs nicht nur das Ergebnis der Handlung, sondern auch den Prozeß, der zu diesem Ergebnis geführt hat: Die Tür ist geöffnet Die Tür ist geöffnet worden.

Selbstverständlich schließt die Angabe des Ergebnisses einer Handlung auch einen Hinweis darauf ein, daß diese Handlung stattgefunden hat. Dies unterscheidet eben das von den terminativen Verben gebildete Zustandspassiv von den prädikativen Adjektiven mit demselben Grundmorphem (Die Tür ist offen), und eben deswegen

werden die Partizipien II bei ihrem Gebrauch in der Zustandsform nicht als adjektivierte Wortformen bestimmt. Deshalb läßt sich die Zustandsform solcher Art so leicht als Perfekt verwenden. Aber wenn die Zustandsform eben als solche gebraucht wird, so ist in ihr die ihr zugrunde liegende Handlung ausgelöscht und aufgehoben. Allerdings gibt es hier auch manche Übergangserscheinungen.

So ist auch beim Zustandspassiv die Einführung des Agens (als Erzeuger, Mittel oder Instrument) durchaus möglich. Z. B. Heute ist aber die Wissenschaft noch sehr viel mehr von einer ameisenhaften Betriebsamkeit erfüllt; Der Mensch ist von der Welt getrennt durch seine Haut (angeführt nach 146, 85). Dies verbindet das Zustandspassiv mit dem werden-Passiv ganz entschieden. Auch die bereits erwähnte Leichtigkeit, mit der das Zustandspassiv die Rolle des Perfekts (bzw. Plusquamperfekts) übernimmt, läßt hier ganz klar gemeinsame Züge spüren, da es in beiden Fällen doch um Handlungen geht, die auf Objekte gerichtet sind (oder waren). Deswegen wird im vorliegenden Buch das Zustandspassiv in dem Abschnitt «Genera Verbi» behandelt, obgleich es an und für sich keine analytische Form ist. Das Zustandspassiv ist eben eine der. grammatischen Erscheinungen, die zugleich zu zwei grammatischen Feldern als ein gemeinsames Segment gehören, zu dem verbalen System der Genera Verbi und zu dem Satztyp mit dem adjektivischen Prädikativ. Ich expliziere hier diese in den früheren Ausgaben aus Raummangel nur implizit enthaltene These, da mein Standpunkt in der neueren Literatur mißverstanden wurde (vgl. 352, 101 — 102).

Andererseits erscheint auch das werden-Passiv, besonders in technischen Texten, oft als Bezeichnung nicht eines vor sich gehenden Prozesses, sondern nur einer Potentialen Beziehung zwischen den Dingen oder eines potentialen Zustands, der durch Einsetzen gewisser Triebkräfte zum Beginn eines aktiven Prozesses führen wird. Dies ist mit der potential-konditionalen Semantik des Präsens verbunden (vgl. §36). Somit erscheinen das werden-Passiv und die Zustandsform als Synonyme. Nach L. Suzdal'skaja können die beiden Formen mit derselben (statalen) Bedeutung in einem Satzgefüge verwendet . werden: Der Einsteigeraum wird an den Sitzen durch halbhöhe Wände abgetrennt, an denen gleichzeitig die Haltestangen befestigt sind (108, 222; 221, 86—87 ). Dies macht das Feld der passivischen Konstruktionen noch komplizierter.

Die Passivkonstruktion wird gewöhnlich der aktiven Konstruktion als ihre «Umkehrform» (Jung, I, 234) gegenübergestellt: Ich lobe den Schüler Der Schüler wird von mir gelobt. Aber vor einiger Zeit wurde eine solche Auffassung des Passivs einer scharfen Kritik unterwor­fen. Das zahlenmäßige Übergewicht der zweigliedrigen Passivkonstruktion und das Vorhandensein solcher Passive, die überhaupt keine Einwirkung auf das Subjekt, sondern einen Zustand bezeichnen und von den intransitiven Verben gebildet werden könnten (z. B. Hier wird getanzt), dienen als Beweise dafür, daß die passive Konstruktion keine Umkehr der aktiven ist, sondern eine selbständigere Rolle im verbalen System und in der Struktur des Satzes spielt.

Es wurde bereits von H. Paul darauf hingewiesen, daß die passive Konstruktion ein Mittel ist, das psyhologische Subjekt zum grammatischen zu machen (III, 14), also (in der modernen Terminologie) zum «Neuen», zum «Thema». Aber gerade ein solcher Unterschied in der Erkenntniseinstellung — oder in der «kommunikativen Gliederung der Rede» (vgl. § 53) — bezeugt eigentlich die Aufeinanderbezogenheit der passiven und der aktiven Konstruktion. Der Bedeutungsgehalt der oben angeführten Sätze vom Standpunkt der Widerspiegelung von Beziehungen der realen Wirklichkeit aus ist gleich (das Subjekt-Ob­jektverhältnis). Die beiden Konstruktionen drücken nur verschiedene Modifikationen eines und desselben Inhalts aus, gehören also unmittelbar zusammen, als Entsprechungen, als Glieder des deutschen Verbal-und Satzsystems, und müssen einander gegenübergestellt werden. Sie sind aufeinander orientiert und können nur in ihren Wechselbeziehungen richtig verstanden werden. Auch die zweigliedrige passive Konstruktion kann aus diesem Zusammenhang nicht losgelöst werden, da sie mit der dreigliedrigen eine Einheit bildet. Solche Sätze wie Er wird gelobt und Er wird von dem Lehrer gelobt sind voneinander nicht zu trennen.

Die Kritiker der traditionellen «Umkehrtheorie» haben aber recht in dem Sinne, daß von keiner mechanischen Umkehr der aktiven Konstruktion in die passive die Rede sein kann. Außer den stilistischen Erwägungen kommt hier in Betracht, daß von einigen transitiven Verben die passive Form überhaupt nicht gebraucht werden kann (vgl. 405, III, I, 302—305).

Freilich ist diese Tatsache aus der Semantik der meisten dieser Verben leicht zu erklären. Manche bezeichnen, obwohl sie Transitiva sind, nicht die Handlung, sondern einen Zustand: den Besitz — haben, besitzen; den Betrag (vgl. 141, II, 493) — kosten, wiegen, gelten; den Gedankengehalt — wissen, kennen. Es ist hier also keine Tätigkeit vorhanden, deren Richtung sich verändern ließe. Die Verben bekommen, kriegen (als Synonym zu bekommen), erhalten sind selbst passivischer Natur. Es wird weiter unten gezeigt, daß sie selbst zur Bildung einer eigenartigen passiven Konstruktion verwendet werden. Dagegen kann das Passiv von dem aktiveren empfangen gebildet werden, dessen Subjekt nicht bloß leidend gedacht wird: Ich empfange die Gäste Ich empfange den Brief. Passivisch gefärbt ist auch das Verb erfahren, was besonders klar wird, wenn man es mit dem Verb erkennen vergleicht. Die Wichtigkeit des semantischen Kriteriums bei der Bestimmung des Passivs als einer grammatischen Form betont E. Oksaar (305; vgl. 343).

Es ist also zur Bildung des Passivs in der Rege! notwendig, daß das Verb in seiner aktiven Form eine wirkliche Handlung, äußere öder innere, bezeichnet. Übrigens bekundet diese Einschränkung der «Umkehr» des Aktivs in das Passiv zugleich auch die Wichtigkeit der Gegenüberstellung: aktiv wirkende Handlung — aktiv bewirkter Vorgang für den Bedeutungsgehalt des Passivs in seiner Beziehung zum Aktiv. Es ist kennzeichnend, daß auch der innere Akkusativ zum Subjekt der passiven Konstruktion werden kann, da der Prozeß dabei immer als aktiv gedacht wird: Der Tanz wird getanzt; Der Traum wird geträumt. Eine besondere Stellung nimmt das im Deutschen sehr verbreitete unpersönliche Passiv ein. Es kann auch von intransitiven Verben gebildet werden: Es wurde hart gekämpft; Hier wird nicht getanzt usw. Das unpersönliche Passiv wird gebraucht, wenn der Träger des durch die passive Konstruktion bezeichneten Vorgangs als unbekannt oder unbestimmt auftritt oder leicht dem Kontext und der Situation zu entnehmen ist. Falls er aber, was selten geschieht, in die Konstruktion eingeführt werden soll, so erscheint er in der Form, die für das Agens der dreigliedrigen Konstruktion charakteristisch ist: Es wurde von den Jugendlichen viel getanzt.

Daraus könnte man vielleicht folgern, daß auch bei dem unpersönlichen Passiv der verbale Vorgang doch als eine aktive Handlung, als etwas Bewirktes aufgefaßt wird, nicht als bloßer Zustand.

Bei aller Vielfältigkeit im Gebrauch des unpersönlichen Passivs ist es im wesentlichen nur auf solche Sätze beschränkt, die einen Menschen als den Täter oder persönlichen Träger des verbalen Vorgangs voraussetzen. «Man sagt wohl: von der Jugend wurde getanzt, aber schwerlich: von den Mücken!» (405, III, I, 303). Auf irgendeine Wiese muß diese Konstruktion auf eine Person (oder Personen) bezogen werden.

Da im unpersönlichen Passiv sowohl das Agens (der Täter) als auch der Träger des verbalen Vorgangs fehlen, wird bei seiner Bildung die ganze Aufmerksamkeit auf den Vorgang selbst konzentriert. Deswegen wird es zuweilen auch dann gebraucht, wenn man den Täter und den Träger des Vorgangs gut kennt, aber aus verschiedenen (inhaltlichen oder stilistischen) Gründen den Vorgang besonders hervorheben will.

Oft sind für das unpersönliche Passiv die näheren Bestimmungen des Ortes wichtig, da für den Vorgang gewisse räumliche Grenzen notwendig sind: Hier wird nicht geraucht! Selbst der Täter oder der Träger des Vorgangs wird zuweilen in Form einer derartigen Bestimmung eingeführt. Mehrere Bedeutungsschattierungen des unpersön­lichen Dativs sind im folgenden Beispiel enthalten:

Bei Leni wurde verbunden, gewaschen, getrunken, geschlafen, geheilt. (Seghers)

Diese Natur des unpersönlichen Passivs macht es verständlich, warum diese Konstruktion, wie das Passiv überhaupt, oft als ein Synonym der unbestimmt-persönlichen man-Konstruktion erscheint: Das Haus wird gebaut Man baut das Haus; Es wird gespielt Man spielt. Beide Bildungen lassen die Handlung in den Vordergrund treten, sind aber persönlich gefärbt. In der technischen und wissenschaftlichen Literatur hat sich freilich besonders der Gebrauch des Passivs entwickelt, der ganz und gar unpersönlich ist und durch die man-Konstruktion wenigstens vom stilistischen Standpunkt aus nicht zu ersetzen ist. Die Leerstelle des Agens, die sonst bei der passiven Konstruktion, wenn auch fakultativ, vorhanden ist, wird hier vollständig getilgt. Es wäre befremdend, wenn auf das Agens irgendwie Bezug genommen wäre in einem Satz wie

In jedem Falle wird bei den einzelnen Stufen der Extraktion lediglich ein Gleichgewichtszustand zwischen dem Protein im Pflanzenmaterial und dem in der Lösung erreicht.

Eine andere synonyme Form ist das Reflexiv:

Man öffnet die Tür Die Tür wird geöffnet Die Tür öffnet sich.

Doch fehlt hier die persönliche Färbung, die der man-Konstruktion und zum Teil auch dem Passiv anhaftet. Das Reflexiv bezeichnet hier einen Vorgang, der anscheinend von selbst erfolgt oder sogar von dem Nominativsubjekt hervorgebracht wird.

Von den drei synonymen Formen ist also die erste (die man-Konstruktion) am persönlichsten, d. h. mit dem Begriff des reellen Erzeugers des Vorgangs verbunden, die zweite (das Passiv) ist in dieser Hinsicht schwankend, kann aber ganz neutral sein, d. h. den Begriff des Erzeugers (des Täters, des Agens) gänzlich ausschalten, und die dritte (das Reflexiv) beseitigt diesen Begriff überhaupt und läßt das Nominativsubjekt nicht nur als den Träger des Vorgangs, sondern auch fast als den Täter erscheinen. Nur in ganz seltenen Fällen, wenn die Semantik der betreffenden Wörter sehr eindeutig ist, schaltet sich dieser Bedeutungsgehalt der Reflexiva aus und die Konstruktion bekommt einen wirklich passiven Charakter: Diese Waren verkaufen sich gut.

Es gibt noch andere Synonyme zum Passiv:

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Adjektive mit den Suffixen -bar und -lich (vgl. 203, 251—254; 192, 99—101; 204; 272, 391—396). In der gegenwärtigen Sprache spezialisieren sich die Bildungen auf -bar fast ausschließlich auf diese Funktion. Es sollen über 98% aller neueren Bildungen auf -bar deverbativen Ursprungs, somit passivisch ausgerichtet sein (204, 94).

Verbreitet als Synonyme zum Passiv sind sowohl die Konstruktion sein + zu + Infinitiv und die modalen Verben (212, 18 ff.; 147) als auch die Konstruktion sich lassen + Infinitiv (58).

Zu den Synonymen des Passivs wird auch das Gebilde mit dem intransitiven Verb erfolgen gezählt (221, 88), das von den «Sprachkritikern» als ein «antihumanes» Wort betrachtet wurde, aber wirklich bedeutende strukturelle Dienste beim Aufbau des Elementarsatzes leistet.

Das System des Passivs und seiner synonymen Formen betrachtet Gelhaus (212, 160—352)'. Das Feld des Passivs im heutigen Deutsch analysiert Oserow (60).

Von allen genannten Formen ist die Beziehung zum Passiv besonders kompliziert bei den reflexiven Verben.

Die Tendenz zur Vereinigung der Bedeutung des Trägers im Nominativsubjekt des Reflexivs mit der des Täters ist überhaupt für diese Konstruktion charakteristisch und veranlaßt manche Forscher, in ihr nicht eine besondere Form der transitiven Verben (mit dem Reflexivpronomen als einem direkten Objekt), sondern eine besondere Abart der verbalen Genera zu erblicken. Da der Vorgang hier durchaus vom Standpunkt des Subjekts aus dargestellt und unmittelbar auf das Subjekt bezogen wird, so sieht man in der reflexiven Konstruktion eine Parallele zu dem griechischen Medium und bezeichnet sie als eine mediale oder subjektiv-mediale Handlungsform des deutschen Verbs. Nicht nur in solchen Sätzen wie sie fürchtet sich, erhitzt sich, schläft sich aus, wo das Reflexivpronomen selbst bei den Verben, die mit Objekten anderer Art transitiv werden, schon deswegen kein direktes Objekt ist, weil der Vorgang hier nicht als eine auf das Akkusativobjekt gerichtete Handlung auftritt, sondern auch in den Sätzen wie Sie kleidet sich mit großem Geschmack, putzt sich ausgesucht, sogar wäscht sich, kämmt sich usw. drückt das Reflexivpronomen, wenn es keine Betonung trägt, nicht das eigentliche direkte Objekt aus, sondern die Bezogenheit der Handlung auf das Subjekt, also die Tatsache, daß das Subjekt sich in einem gewissen Zustand befindet. Nur die Betonung verleiht dem Reflexivpronomen den Wert eines Objekts (Ich wasche mich (Ich wasche mich selbst)). Sonst dient aber dieses Pronomen, trotz seiner Akkusativform, zur Intransitivierung der Transitiva (Sie wäscht das Kind Sie wäscht sich) und zur Hervorhebung des medial-subjektiven Charakters der Handlung bei den intransitiven Verben (Er eilt Er eilt sich).

Ob das alles genügt, um die reflexive Konstruktion als ein besonderes verbales Genus anzuerkennen, bleibt doch fraglich. Es fehlt ihr die Fähigkeit, von anderen Arten des Verbs frontal gebildet zu sein. So erscheinen die Reflexivformen von intransitiven Verben nur ganz sporadisch: sich eilen kommt neben eilen vor, sich flüchten neben flüchten, sich gipfeln neben gipfeln usw. (vgl. 132, 153—158). Aber sich laufen, sich fliehen usw. existieren in der neueren Sprache nicht. Dagegen hat ein solches Verb wie sich sputen keine Form sputen neben sich.

Dasselbe gilt für das Verb sich schämen und ähnliche Verben, bei denen das Reflexivpronomen durch kein anderes (eigentliches) Objekt ersetzt werden kann und keine Passivform zu bilden ist.

Die reflexive Konstruktion bleibt im Deutschen ein Mittelding zwischen einer besonderen grammatischen Klasse der Verben und einem verbalen Genus. Diese Mittelstellung des deutschen Reflexivs wird besonders klar, wenn man es mit dem russischen Reflexiv vergleicht, das ein notwendiges, wenn auch sehr kompliziertes Glied in dem System der Genera des russischen Verbs ist.

Der mediale Charakter der reflexiven Konstruktion, ihre Bezogenheit auf das Subjekt erklärt den eigenartigen Gebrauch der unpersönlichen Reflexiva. Die Bildungen von dem Muster es arbeitet sich, es tanzt sich, es schreibt sich scheinen überhaupt widerspruchsvoll und unmöglich zu sein, da die Verflüchtigung des realen Subjekts dem Wesen des Reflexivs, dieser in den Bereich des Subjekts gehörenden Form, widerspricht. Und wirklich, diese Bildungen als solche sind nicht fähig, allein einen Satz zu formen.

Doch wird auch das unpersönliche Reflexiv sozusagen «lebensfähig», wenn es mit einer Einschätzung des von ihm bezeichneten Vorgangs verbunden wird. Solche Bildungen wie Es arbeitet sich gut; Es tanzt sich nicht schlecht sind schon richtige Sätze. Vgl. Es hörte sich ihr gar so gut zu (Goethe). Die emotional-qualitativen Adverbien und Modalwörter spielen dabei eine Rolle, die im wesentlichen der des Prädikativs gleichkommt. Der erste Bestandteil des Satzes in seiner Gesamtheit nähert sich dabei einem vorgangsbezeichnenden Subjekt, das von dem prädikativen gut usw. bestimmt wird.

Die Aussonderung und Hervorhebung des verbalen Vorgangs, die durch die Bildung des unpersönlichen Reflexivs erzielt wird, die Ausscheidung aus dem Satz des Subjekts und Objekts machen diese Konstruktion dem unpersönlichen Passiv synonym. (Es arbeitet sich ...; Es wird gearbeitet.) Aber das Passiv ist viel «neutraler» in seiner semantisch-grammatischen Beziehung zum Nominativsubjekt als dem Träger des Vorgangs, so daß die Aussonderung des Vorgangs sich hier ohne weiteres durchführen läßt.

Die emotional-qualitativen Wörter spielen beim unpersönlichen Passiv die Rolle der gewöhnlichen Adverbialbestimmungen. (Vgl. Es arbeitet sich gut Es wird gut gearbeitet.)

Es gibt noch spezifischere Arten, den passivischen Bedeutungsgehalt zum Ausdruck zu bringen: z. B. in der Substantivgruppe das Gerundiv, auch rein lexikale Mittel. Alle Formen mit passivischer Semantik werden besonders häufig in den Fachsprachen verwendet, wo die Erkenntniseinstellung sehr oft eben auf den zu erzeugenden oder zu bearbeitenden Gegenstand ausgerichtet ist.

Zu den Erscheinungen, die sich mit dem System der Genera des deutschen Verbs berühren, gehört auch eine Konstruktion, die in der Umgangssprache verbreitet ist, aber in der Literatursprache nur vereinzelt vorkommt. Es ist die passive Form, die zu den Verben mit dem Dativobjekt gebildet wird nach dem Muster Ich bekomme die Zeitung gebracht (vgl. 374, 271). Das Subjekt ich entspricht hier semantisch dem Dativobjekt mir im Satz: Man bringt mir die Zeitung. (Vgl. Ich habe schon alles erzählt bekommen — «Man hat mir schon alles erzählt», Die Kinder bekamen am Tische aufgedeckt... (Keller) — «Man deckte den Kindern am Tische auf».) Außer bekommen können in solchen Konstruktionen auch kriegen und erhalten als Hilfsverben gebraucht werden. Aber in der Literatursprache kommt, wie gesagt, dieses Passiv des indirekten Objekts nur vereinzelt vor. Zum System der Handlungsformen im Deutschen gehören als vollwertige Genera nur das Aktiv und das Passiv, das von den Verben mit dem Akkusativobjekt gebildet ist (vgl. 191, 91—92).