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Remarque, Erich Maria - Arc de Triomphe

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08.06.2015
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In Prag habe ich einen Sisley und fünf Zeichnungen verwohnt und aufgegessen. Kein Mensch wollte etwas für Zeichnungen geben – es waren zwei Degas, eine Kreide von Renoir und zwei Sepias von Delacroix. In Amerika hätte ich ein Jahr länger davon leben können. Sehen Sie«, sagte er ziemlich trostlos, »jetzt habe ich nur noch diese drei Bilder. Gestern waren es noch vier. Dieses Visum kostet mich zwei Jahre Leben mindestens. Wenn nicht drei!«

»Es gibt eine Menge Leute, die haben keine Bilder, um davon zu leben.«

Rosenfeld hob die mageren Schultern. »Das ist kein Trost.«

»Nein«, sagte Ravic. »Das ist wahr.«

»Ich muß damit über den Krieg wegkommen. Und der Krieg wird lange dauern.«

Ravic antwortete nicht. »Der Totenvogel behauptet es«, sagte Rosenfeld. »Und er weiß nicht einmal, ob Amerika sicher bleiben wird.«

»Wohin will er dann?« fragte Ravic. »Da ist nicht mehr viel übrig.«

»Er weiß es noch nicht genau. Er denkt an Haiti. Er glaubt nicht, daß eine Negerrepublik in den Krieg gehen wird.«

Rosenfeld war völlig ernst. »Oder Honduras. Eine kleine,südamerikanische Republik.San Salvador.Neuseeland vielleicht auch.«

»Neuseeland.Das ist ziemlich weit weg – wie?« »Weit?« sagte Rosenfeld trübe lächelnd. »Von wo?«

27 Ein Meer. Ein Meer donnernder Finsternis, das gegen die Ohren klatschte. Dann das schrille Klingeln durch Gänge, ein Schi , tosend mit Untergang, klingelnd

und Nacht, das bleichere Fenster, vertraut in den weichenden Schlaf hineinlehnend, das Klingeln immer noch

Telefon.

Ravic hob den Hörer ab. »Hallo …« »Ravic …«

»Was ist los? Wer ist da?« »Ich. Erkennst du mich nicht?« »Ja, jetzt. Was ist los?«

»Du mußt kommen! Rasch! Sofort!« »Was ist los?«

»Komm, Ravic! Es ist etwas passiert!« »Was ist passiert?«

»Es ist etwas passiert! Ich habe Angst! Komm! Komm sofort! Hilf mir! Ravic! Komm!«

Das Telefon klickte.Ravic wartete.Das Freizeichen surrte. Joan hatte angehängt. Er legte den Hörer zurück und starrte in die blasse Nacht.Der künstliche Schlaf hing noch schwer hinter seiner Stirn.Haake,hatte er zuerst geglaubt. Haake sei es – bis er das Fenster sah und wußte, er war im »International«, nicht im »Prince de Galles«. Er sah auf die Uhr. Die Leuchtzeiger standen auf vier Uhr zwanzig. Plötzlich sprang er aus dem Bett. Joan hatte, als er Haake traf, etwas gesagt – von Gefahr, Angst. – Wenn … es war

alles möglich! Er hatte schon Blödsinnigeres gesehen. Er packte eilig das Nötigste zusammen und zog sich an.

Er fand ein Taxi an der nächsten Ecke. Der Fahrer hatte einen kleinen Rehpinscher bei sich. Der Hund lag wie ein Pelzkragen um die Schultern des Mannes. Er schwankte mit, wenn das Taxi schwankte. Es machte Ravic verrückt. Er hätte den Hund am liebsten auf den Sitz geworfen.Aber er kannte die Pariser Taxichau eure.

Der Wagen ratterte durch die laue Julinacht. Ein verwehter Geruch von schüchtern atmendem Laub. Geblüht, irgendwo Linden, Schatten, ein Jasminhimmel voll Sterne, dazwischen ein Flugzeug mit grünen und roten Blinklichtern, wie ein schwer drohender Käfer zwischen Leuchtfliegen; fahle Straßen, summende Leere, Gesang von zwei Beso enen, ein Akkordeon von einem Keller her,und plötzlich ein Stocken und Angst und peitschende Eile, das Zerren – zu spät vielleicht…

Das Haus.Laue Schlafdunkelheit.DerAufzug kroch herunter. Kroch, ein langsames, helles Insekt. Ravic war schon auf der ersten Treppe,als er sich besann und umkehrte.Der Aufzug war schneller, so langsam er auch war.

Diese Spielzeuglifts von Paris! Flimsige Gefängnisse, knarrend, hustend, oben o en, nach den Seiten o en, nichts als ein Boden mit ein paar Eisenstreben, eine Birne, halb ausgebrannt, trübe flackernd, lose im Kontakt die andere – endlich das oberste Stockwerk. Er schob das Gitter auf, klingelte.

Joan ö nete.Ravic starrte sie an.Kein Blut – das Gesicht normal, nichts. »Was ist los?« fragte er. »Wo ist…«

»Ravic. Du bist gekommen!«

»Wo ist … hast du irgend etwas gemacht?«

Sie trat zurück. Er machte ein paar Schritte. Übersah den Raum. Niemand da. »Wo? Im Schlafzimmer?«

»Was?« fragte sie.

»Ist jemand im Schlafzimmer? Hast du jemand da?« »Nein. Warum?«

Er sah sie an. »Ich werde doch niemand hier haben, wenn du kommst«, sagte sie.

Er sah sie immer noch an. Sie stand da, gesund, und lächelte ihn an. »Wie kommst du darauf?« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Ravic«, sagte sie, und er spürte, als schlüge ihm Hagel ins Gesicht, daß sie glaubte, er sei eifersüchtig, und daß sie es genoß. Die Tasche mit den Instrumenten in seiner Hand wog plötzlich einen Zentner. Er stellte sie auf einen Stuhl. »Du gottverdammtes Luder«, sagte er.

»Was? Was hast du?« – »Du gottverdammtes Luder«, wiederholte er. »Und ich Esel, darauf hereinzufallen.«

Er nahm die Tasche wieder auf und drehte sich zur Tür. Sie war sofort neben ihm. »Was willst du? Geh nicht! Du kannst mich nicht allein lassen! Ich weiß nicht, was passiert, wenn du mich allein läßt!«

»Lügnerin«,sagte er.»Jammervolle Lügnerin! Es macht nichts, daß du lügst, aber daß du es so billig tust, ist zum Kotzen. Mit so etwas spielt man nicht!«

Sie drängte ihn von der Tür weg. »Aber sieh dich doch um! Es ist etwas passiert! Du kannst es doch selbst sehen! Sieh doch, wie er getobt hat. Und ich habe Angst, daß er wiederkommt! Du weißt nicht, was er tun kann.«

Ein Stuhl lag am Boden. Eine Lampe. Ein paar zerbrochene Scherben Glas. »Zieh dir die Schuhe an, wenn du herumgehst«, sagte Ravic. »Damit du dich nicht schneidest. Das ist alles, was ich dir raten kann.«

Zwischen den Scherben lag eine Fotografie. Er schob das Glas mit dem Fuß beiseite und hob die Fotografie auf. »Hier …« Er warf sie auf den Tisch. »Und nun laß mich in Ruhe.«

Sie stand vor ihm. Sie sah ihn an. Ihr Gesicht hatte sich verändert. »Ravic«, sagte sie leise und unterdrückt. »Ich mache mir nichts daraus, wie du mich nennst. Ich habe oft gelogen. Und ich werde weiter lügen. Ich wollte es ja so.« Sie gab dem Foto einen Stoß. Es glitt über den Tisch und fiel so, daß Ravic es sehen konnte. Es war nicht das Bild des Mannes, den er mit Joan in der »Cloche d’Or« gesehen hatte.

»Alle wollen es«,sagte sie vollVerachtung.»Lüg nicht,lüg nicht! Sag nur dieWahrheit! Und wenn man es tut,können sie es nicht ertragen. Keiner! Aber dich habe ich nicht oft belogen. Dich nicht. Bei dir wollte ich es nicht …«

»Gut«, sagte Ravic. »Wir brauchen das nicht zu erörtern.« Er war plötzlich auf eine sonderbare Weise gerührt. Irgend etwas hatte ihn getro en. Er wurde ärgerlich. Er

wollte nicht mehr getro en werden.

»Nein. Bei dir hatte ich es nicht nötig«, sagte sie und sah ihn fast flehend an.

»Joan …«

»Und ich lüge jetzt auch nicht. Ich lüge nicht ganz, Ravic. Ich habe dich wirklich angerufen, weil ich Angst habe. Ich hatte ihn glücklich aus der Tür ’raus und abgeschlossen. Es war das erste, was mir in den Sinn kam. Ist das so schlimm?«

»Du warst verdammt ruhig und ohne Angst, als ich kam.«

»Weil er fort war.Und weil ich dachte,du wirst kommen und mir helfen.«

»Gut. Dann ist jetzt alles in Ordnung, und ich kann gehen.«

»Er kommt wieder. Er hat geschrien, er würde wiederkommen. Er sitzt jetzt irgendwo und trinkt. Ich weiß das. Und wenn er betrunken ist und wiederkommt,ist er nicht wie du – er kann nicht trinken.«

»Genug!« sagte Ravic. »Laß das. Es ist zu albern. Deine Tür ist gut. Und mach so etwas nicht wieder.«

Sie blieb stehen. »Was soll ich denn sonst machen?« stieß sie plötzlich hervor.

»Nichts.«

»Ich rufe dich an – dreimal, viermal –, du antwortest nicht.Und wenn du antwortest,sagst du mir,ich solle dich in Ruhe lassen. Wie denkst du dir das?« – »Genauso.«

»Genauso? Wie genauso? Sind wir Automaten,die man anund abstellen kann? Eine Nacht ist alles wunderbar und voll Liebe und dann plötzlich …«

Sie schwieg, als sie Ravics Gesicht sah. »Ich habe mir gedacht,daß das kommen würde«,sagte er leise.»Ich habe mir gedacht, daß du versuchen würdest, es auszunützen! Es paßt zu dir! Du wußtest, es war das letztemal damals, und du hättest es damit genug sein lassen sollen.Du warst bei mir, und weil es das letztemal war, war es so, wie es war, und es war gut, und es war ein Abschied, und wir waren voll voneinander, und wir würden es in unserer Erinnerung geblieben sein – du aber konntest nichts weiter tun, als es wie ein Händler ausnützen, es umdrehen in eine neue Forderung, um etwas Einmaligem, Fliegendem eine kriechende Fortsetzung zu machen! Und da ich nicht wollte,greifst du jetzt zu diesem ekelhaften Trick hier,und man muß widerkauen, worüber Sprechen allein schon eine Schamlosigkeit ist.«

»Ich …«

»Du wußtest es«, unterbrach er sie. »Lüg nicht wieder. Ich will nicht wiederholen, was du gesagt hast. Ich kann so etwas noch nicht! Wir beide wußten es. Du wolltest nie wiederkommen.«

»Ich bin nicht wiedergekommen!«

Ravic starrte sie an. Er beherrschte sich mühsam. »Gut. Dann hast du telefoniert.«

»Ich habe telefoniert, weil ich Angst hatte!«

»O Gott«, sagte Ravic. »Dies ist zu idiotisch! Ich gebe auf!«

Sie lächelte langsam. »Ich auch, Ravic. Siehst du nicht, daß ich nur will, daß du hierbleibst?«

»Das ist genau, was ich nicht will.« »Warum?« Sie lächelte immer noch.

Ravic kam sich ziemlich geschlagen vor. Sie weigerte sich einfach, ihn zu verstehen, und wenn er anfangen würde,es zu erklären,würde er weiß wo enden.»Es ist eine verfluchte Korruption«, sagte er schließlich. »Du kannst das nicht verstehen.«

»Doch«,erwiderte sie langsam.»Vielleicht.Aber warum ist es anders als vor einer Woche?«

»Da war es dasselbe.«

Sie schwieg und sah ihn an. »Ich kümmere mich nicht um Namen«,sagte sie dann.Er antwortete nicht.Er spürte, wie überlegen sie war. »Ravic«, sagte sie und kam näher. »Ja,ich habe gesagt,damals,es sei zu Ende.Ich habe gesagt, du würdest nie wieder etwas von mir hören. Ich habe es gesagt, weil du es wolltest. Daß ich es trotzdem nicht tue

– verstehst du das nicht?«

Sie sah ihn an.»Nein«,erwiderte er grob.»Alles,was ich verstehe, ist, daß du mit zwei Männern schlafen willst.« Sie rührte sich nicht. »Es ist nicht so«, sagte sie dann.

»Aber selbst, wenn es so wäre, was geht es dich an?«

Er starrte sie an. – »Was geht es dich wirklich an?« wiederholte sie. »Ich liebe dich. Ist das nicht genug?«

»Nein.« – »Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Du nicht. Du warst es auch nie …«

»So?«

»Nein. Du weißt überhaupt nicht, was es ist.« »Natürlich nicht. Weil ich keine Theaterau ührungen

veranstaltet habe, wie dein Knabe da …«

Sie lächelte. »Ravic«, sagte sie. »Eifersucht beginnt mit der Luft, die der andere atmet.«

Er antwortete nicht. Sie stand vor ihm und sah ihn an. Sie sah ihn an und schwieg. Die Luft, der schmale Korridor, das halbe Licht – alles war plötzlich voll von ihr.Voll von einem Warten, einem atemlosen, sanften Ziehen, wie die Erde, wenn man sich über die Brüstung eines Turms schwindelnd beugt. Ravic fühlte es. Er wollte nicht gefangen werden. Er dachte jetzt nicht mehr daran, zu gehen. Wenn er ginge, würde ihn dieses hier verfolgen. Und er wollte nicht verfolgt werden. Er wollte ein klares Ende machen. Er brauchte Klarheit morgen.

»Hast du einen Schnaps da?« fragte er. »Ja. Was willst du? Calvados?«

»Kognak, wenn du ihn hast. Oder meinetwegen auch Calvados. Ganz gleich.«

Sie ging zu dem kleinen Schrank. Er blickte hinter ihr her.Die helle Luft,die unsichtbare Strahlung der Lockung, das: hier laßt uns Hütten bauen, die alte, ewige Gaukelei

– als wenn Friede jemals länger als für eine Nacht aus dem Blute kommen konnte!

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