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2. Komponenten der Intonation

Zur Intonation gehören, wie bereits beschrieben, die folgenden phoneti­schen Mittel, die noch als Komponenten der Intonation bestimmt werden: Stimmhöhe oder Melodieverlauf, Satzakzent, Pausenstellung, Rhythmus, Ton­stärke, Stimmfärbung oder Stimmklang, Tempo.

    1. Melodieverläufe

Der Melodieverlauf ist das wichtigste und wirksamste phonetische Mit­tel der Intonation. Er bestimmt die Satzarten und ist manchmal auch das ein­zige Mittel, das einen Satz bildet, was sich darin äußert, dass die Sprech- stimme auf eine bestimmte Tonhöhe eingestellt wird, z. B.:

Ist gut↓ . Diese Melodieführung zeugt von der Feststellung einer Tatsache.

Ist gut ?↑ Der steigende Melodieverlauf verursacht eine Frage.

Ist gutl!↓ Die fallende, tiefe Melodie (man nennt sie noch terminale Me­lodie) kann sowohl von einer Bestätigung als auch vom Ausruf zeugen.

Der Melodieverlauf kennzeichnet die Abgeschlossenheit oder Nichtab­geschlossenheit der Äußerung. Er kann auch den inneren Zustand des Spre­chenden charakterisieren. Er zeigt zusammen mit solchen Komponenten der Intonation, wie Klangfarbe-, Tempo- und Lautstärkeveränderungen an, ob Äußerungen ruhig oder mit stärkerer Erregung gesprochen werden. Der Spre­chende kann die Satzmelodie nutzen, um mitzuteilen, welchen Grad an Entschiedenheit und Nachdrücklichkeit er seiner Äußerung beimessen will.

Die kommunikative Funktion der Satzmelodie ist auf die Endfase (Kadenz) beschränkt. Sie umfasst die Akzentsilbe und alle nachbetonten Silben, die zum Nachlauf (3) gehören. Die Akzentsilbe nennt man noch Schwerpunktsilbe (2), die den Kern des Satzes bildet. Alle vorbetonten Silben gehören zum Vorlauf (1). Silben zwischen Vor- und Nachlauf bilden den rhythmischen Körper des Satzes (4).

Vorlauf rhythmischer Körper Nachlauf

Sie liebte die 'Kat zen nicht

1 2 3

4

Die emphatische Kadenz wird meistens durch besonders große oder kleine Intervallsprünge von der Schwerpunktsilbe (Kern des Satzes) zur nachfolgenden unbetonten Silben oder durch besonders langsames He­rabgleiten bzw. Hinaufgleiten des Stimmtones in der letzten Silbe marki­ert.

Die Reihenfolge der Einzelsilben, die einen bestimmten Melodiever­lauf tragen, nennt man Intonationsmuster (Intonem oder Prosodem).

Die Melodieverläufe bewegen sich im Deutschen nicht in bestimmten Intervallen, sondern in wellenförmigen Kurven. Die Tonhöhenbewegung des ganzen Aussagesatzes verläuft in einer Kurve, die einen Gipfel bildet und tiefer endet als sie begann. Das Steile am Kurvenende entspricht der Abnahme der Stärkebetonung. Die stärkstbetonte Silbe bildet einen Kurvengipfel.

hoch

mittel

tief

Für die Beschreibung der Melodieverläufe benutzt man drei Stufen: tief, mittel und hoch:

das gefällt mir

Hier werden unbetonte Silben mit einem Punkt und betonte mit einem Strich bezeichnet.

Ein Hinunter- oder Hinaufschleifen des Stimmtones entsteht innerhalb einer betonten Silbe.

Die Silben, die mit schwebender Melodie gesprochen werden, liegen tiefer als die vorhergehenden betonten Silben im Syntagma, doch fällt der Ton noch nicht in die spannungslose Tiefe ab. Das erweckt den Eindruck eines nichtab­geschlossenen Gedankens. Ihrer kommunikativen Funktion entsprechend un­terscheiden O. von Essen und E. Stock drei Typen der Melodieverläufe:

  1. Terminale (abschließende, fallende) Satzmelodie, z. B.:

Der Richter muss zwei gleiche "Ohren haben↓. Komm doch "später ↓. Wo sind deine "Eltern? ↓ Dieses Kleid ge"fällt mir!↓

Die fallende (terminale) Melodie wird in fast allen Sprachen der Welt verwendet, um Abgeschlossenheit der Äußerung zu kennzeichnen. Jede Sprache hat jedoch ihre Besonderheiten. Für das Deutsche sind das die fol­genden:

  • Die fallende Endmelodie beginnt im Allgemeinen in der Schwerpunktsilbe und wird für die Endphase gebraucht.

  • Innerhalb des Intonationsmusters ist der Melodieverlauf nach der Akzent­silbe mit einer Verringerung der Lautstärke und einer Verlangsamung des Sprechtempos verbunden. In den unbetonten Silben sinkt die Sprech­spannung.

  • In der letzten Akzentsilbe ist die fallende Endmelodie mit der typischen Akzentuierung gekoppelt. Die Akzentsilbe wird mit kleinen Lautstärke-, Tempo- und Melodie­veränderungen hervorgehoben.

  • Die fallende Endmelodie sinkt im Deutschen bis an die untere Grenze des Sprechstimmumfangs. Das ist ein ausschließliches Merkmal der deutschen Sprache, welches sie wesentlich von der ukrainischen und der russischen Sprachen unterscheidet, weil der terminale Ton in diesen Sprachen nicht so tief wie im Deutschen ist. Sowohl im Russischen als auch im Ukrainischen haben wir den Eindruck, dass “zwischen der letz­ten Akzentsilbe und der vorausgehenden Silbe ein musikalisches Inter­vall, etwa eine Quinte realisiert wird. Dieser Eindruck wird dadurch un­terstützt, dass die Melodie in der Akzentsilbe eben, also ohne Steig- und ohne Falltendenz verläuft.”

Bei mehreren Nachakzentsilben sinkt die Melodie kontinuierlich bis in die Tiefe. Fehlen die Nachakzentsilben, so muss der Melodiefall in der Akzent­silbe realisiert werden.

Die fallende Endmelodie gebraucht man für abgeschlossene Äußerungen, für Aussagen, Aufforderungen und Entscheidungsfragen: Sie fahren mit dem Zug nach Ber”lin. Du sollst das "lesen! Wer kann mir "helfen?

  1. Schwebende (progrediente, weiterweisende) Satzmelodie mit mit­telhoch schwebender (gleichbleibender), leicht steigender oder leicht fallen­der Sprechmelodie fängt von der Akzentsilbe an, mit Verringerung der Lautstärke und Verlangsamung des Sprechtempos nach dem Akzent.

Man verwendet sie für nichtabgeschlossene oder unentschiedene Äußerungen:

Ich weiß nicht, → was soll es bedeuten, → dass ich so traurig bin.↓

Die Tonführung bleibt in gleicher Höhe und zeugt davon, dass der Gedanke noch nicht abgeschlossen ist, z. B.: Der Kluge→ verkauft seinen Essig teu­rer →als der Narr→seinen Honig.↓

Der Sprechende signalisiert mit dieser Melodie, dass seine Äußerung nach einer Pause fortgesetzt wird.

Besonderheiten der schwebenden Endmelodie:

  • Die Melodie dieses Intonationsmusters wird als schwebend be­zeichnet, weil sie weder eindeutig fällt noch eindeutig steigt. Sie bleibt auf “in der Schwebe“. Steigt die Melodie an, so entsteht eine Ähnlich­keit mit dem Melodieverlauf des Intonationsmusters “steigende Endmelodie”. Dennoch wirkt die schwebende Endmelodie niemals als “Fragemelodie“. Melodische Kennzeichnung einer Frage besteht darin, dass die Akzentstelle in der Endphase der rhythmischen Gruppe durch eine deutlich fallend-steigen­de Melodie ausgezeichnet wird. Die Satzakzentsilbe liegt hier melodisch also immer tiefer als die Vor- und die Nachakzentsilben. Im Intonationsmus­ter “schwebende Endmelodie” dagegen fehlt ein solcher doppelter Tonbruch.

  • Die schwebende Endmelodie ist innerhalb des entsprechenden In­tonationsmusters mit Lautstärke- und Tempoveränderungen gekoppelt. Die Lautstärke nimmt ab und das Tempo verlangsamt.

  • Sie wirkt vor allem als Gliederungssignal. Endet eine rhythmische Gruppe mit schwebender Melodie, so setzt die Melodie der folgenden Gruppe oft deutlich tiefer ein.

  • Die Verwendung der schwebenden Endmelodie ist unabhängig von der Satzart.

Die phonetische Markierung von Progredienz und ihrer syntaktischen Gliederung besteht aber nicht nur in der Melodieführung, sondern auch in der stärkeren Dehnung von Endvokalen, teilweise von Frikativen und Liquiden. Die Verlaufsform “Progredienz” trägt im Vergleich zu terminalen Intonationsverläufen insgesamt einen mehr fakultativen Charakter sowohl in der Stellung als auch in der Form.

3. Die steigende Endmelodie (man nennt sie noch Hochschluss) wird eingesetzt:

- wenn eine Äußerung als abgeschlossen und gleichzeitig als Frage ge­kennzeichnet werden soll: Sind diese Blumen künstlich ↑?

- wenn sie persönlich wirken und demonstrativ die Kontaktaufnahme signalisieren soll. Das gilt für Entscheidungs- und Ergänzungsfragen, auch für Aussage-, Ausrufe- und Wunschsätze: ''Wieviel Zinsen muss ich bezahlen ↑? ''Ich koche gern ↑?

Die steigende Endmelodie kann aber nicht jede grammatische Form oder Wortfolge zu einer fragenden Äußerung machen. In manchen Fällen kann sie auch Nebenbedeutungen erzeugen:

  • Aufforderungen mit Befehlsformen werden durch steigende Melodie verstärkt:

Warte! Sieh her!

  • Äußerungen mit Verbformen in der 1. Person Singular Präsens und der 1. Person Plural Präsens erhalten durch die steigende Endmelodie den Cha­rakter der Zusicherung: Ich rede bestimmt mit ihm.

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