Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
futurismus und dadaismus32 verändert 2014.doc
Скачиваний:
0
Добавлен:
01.07.2025
Размер:
288.26 Кб
Скачать

1.11 Zur Lebensenergie, „Élan vital„ (Bergson):

Auch den Dadaisten war die Idee der Kraft des Lebens vertraut und bekannt, auch sie - wie die Futuristen, was übrigens einen Unterschied zu den sonstigen zeitgenössischen Bewegungen ausmacht, die sich dieses Begriffes nicht bemächtigten – entwickelten ihn in ihren Kunstwerken und Manifesten weiter. „Wir glauben auch nicht, dass es notwendig ist, „der europäischen Entartung die Heilmittel aus der Welt der Upanishads und des Buddha“38 zuzuführen. Das würde, wie die Dinge in Deutschland heute beschaffen sind, nur die Gelehrsamkeit mehren, die Energie aber schwächen“ (Ball, „Zur Kritik...“ S. 32).

„Ist Dada wirkliche Energie?“ fragte einst Raoul Hausmann rhetorisch. (zit. bei Bergius, S.10). Diese Frage scheeinen die Dadaisten unisono mit einem „Ja“ zu beantworten. Marcel Janco sprcht von einem „Spiel lebendiger Kräfte“ (Bergius, S. 11); „Ununterbrochener „Hexensabbath... Taumel mit Pauken und Negertrommeln,... Extase mit Steps und kubistischenTänzen“- all das faßte Huelsenbek als „Darstellung entfesselter Energien“ zusammen, und Dada – als „Brennpunkt internationaler Energien“. (zit bei Bergius, S. 23). „Energie einer Lach – Arbeit!“ meint Franz Jung (Bergius, S. 12). Auch feierten die Futuristen den Umbruch und die Veränderung als eine von Dogmen und Grenzen „befreiende Kraft“ (Bergius, S. 19).

Was jedoch die dadaistische Auffassung von solcher der Futuristen abhebt, ist die Vorstellung von den Ausprägungen jener Kraft, in welchen sich diese manifestiert.

Ist die Lebensenergie des Futurismus eine vernünftige, auf eigene Selbsterhaltung und auch auf die der Umgebung gerichtete Kraft, so sehen in ihr die Dadaisten ein zielloses Herumtreiben

einer unbewußten krafterfüllten Macht. Ihr sind keine Grenzen gesetzt, nicht einmal die Vernunft ist imstande, sie zu bändigen. Die Dadaisten, vermerkt dazu Robert Short, „... ahmten in ihren Werken spielerisch die überschäumende Gesetzlosigkeit der Lebenskraft nach“(S.18.). Ganz ausweglos sah die Situation nisht für alle Dadaisten aus: „Arp unterschied zwischen einer rein destruktiven, der Natur innewohnenden Energie und einer gütigen, geistigen Kraft“, fügt Short hinzu (Short, a.a.O).

Nimmt Arp die Rolle eines Aussenseiters an, der versucht, die negative vitale Energie in eine positive umzuwandeln, so identifiziert sich Tzara mit der chaotischen Lebenskraft als solcher, wenn er schreibt:

„„Energietrunkene Gespenster, wir bohren den Dreizack ins sorglose Fleisch.

Wir sind triefende Flüche in tropischem Überfluss von schwindelerregenden Vegetationen, unser Schweiß ist Gummi und Regen, wir bluten und brennen den Durst aus, unser Blut ist Lebenskraft“ /hervorgehoben von mir, A.M./“. (Tzara, Dada Manifest 1918, S.18). Indem man sich mit der Lebensenergie identifiziert, versucht er diese jedoch auch in die richtige Bahn zu lenken, sie

zu einem Allgemeingut zu erklären, sie in den Machtbereich des Menschen zu übergeben, von der Vorstellung und von dem Willen jedes Einzelnen steuern zu lassen: „Das fruchtbare Rad eines universellen Zirkus wieder in die wirklichen Mächte und die Fantasie jedes Individuums einführen“, so ist das Motto Tzaras. Élan vital ist somit dem futuristischen annehmbar: nicht als eine von menschlicher Willkür unabhängige und dabei vernünftige Macht, sondern als diejenige, sich sich durch den Willen des Menschen formen läßt. Inwieweit dies machbar ist, bleibt jedenfalls eine offene Frage. Die Dadaisten äußern sich in dieser Hinsicht niemals allzu optimistisch.

Denn die vitale Kraft ist für den Dadaisten sich selbst gegenüber untreu: sporadisch,launisch, wechselhaft, entzieht sie sich dem beobachtenden Auge eines Vernunftsmenschen, einzig einem nihilistisch gesinnten, auf unvorhersehbare Änderungen gefassten, spontan agierenden Menschen wird gelingen, sich ihrer jemals zu bemächtigen:

„Wir suchen die gerade reine nüchterne einzige Kraft wie suchen NICHTS wir behaupten die LEBENSKRAFT jeden Augenblickes die Antiphilosophie der spontanen Akrobatik«. Tzara, ebenda).

Denn ,wie oben ausgeführt, ist die Lebenskraft eines Dadaisten eine andere, als die des Futuristen: eine unstete, unzuverlässige, veränderbare, nur kurze Augenblicke bestehende Lebenskaft, von kurzer Lebensdauer. Tzara pries „die chaotische Intensität, unbewußte unpersönliche Kräfte“ (Short, S. 69). Gewiß würde ein Futurist die Lebenskraft nicht allzu chaotisch, sondern geregelt sehen wollen.

Jedoch haben beide- ein Futurist und ein Dadaist-das gleiche Mittel, die Lebenskraft zu bezwingen: nämlich die von den Fesseln der Logik befreite Intuition, Explosion der Sinne und Instinkt. Auch wenn ein Dadaist sich die Intuition etwas mehr alseinFuturist zu eigen macht.

Glaubt er an die „Élan vital“, so glaubt er daran konsequent. Ein Dadaist verhält anders: Die Ablehnung gerade gemachter eigener Statements-wahrscheinlich kein futuristischer „Modus operandi“-ist in seinen Deklarationen merkbar:

„Keine Säufer mehr!

Keine Flugmaschinen mehr!

Keine Lebenskraft mehr!

Keine Rätsel mehr!“

ruft Tzara, in seinem weiteren Manifest, „Kolonialer Syllogismus“, S. 59 aus, nachdem er so glaubhaft seine Vorstellung von der Lebenskraft präsentierte.

Weitere Passagen aus dadaistischen Statements mit kunsttheoretischer, philosophischer und weltanschaulicher Ideennähe zum Futurismus, die komplexe Wechselbeziehungen zwischen den wissenschaftlichen Ansichten futuristischer und dadaisischer Prägung beleuchten sollen,sind im Anhang untergebracht.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]