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FREUD Gesammelte Werke.docx
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III. Theoretisches.

(J. Breuer.)

In der „Vorläufigen Mitteilung“, welche diese Studien einleitet, haben wir die Anschauungen dargelegt, zu denen wir durch unsere Beobachtungen geführt wurden; und ich glaube in der Hauptsache an ihnen festhalten zu dürfen. Die „Vorläufige Mittheilung“ ist aber so kurz und so knapp, dass darin grossentheils nur angedeutet werden konnte, was wir meinen. Es sei darum gestattet, nun, da die Krankengeschichten Belege für unsere Anschauungen erbracht haben, diese ausführlicher darzulegen. Natürlich soll und kann auch hier nicht „das Ganze der Hysterie“ abgehandelt werden; aber es sollen diejenigen Punkte, welche in der „Vorläufigen Mittheilung“ ungenügend begründet und zu schwach hervorgehoben wurden, eine etwas eingehendere, deutlichere, wohl auch einschränkende Besprechung erfahren.

In diesen Erörterungen wird wenig vom Gehirn und gar nicht von den Molecülen die Rede sein. Psychische Vorgänge sollen in der Sprache der Psychologie behandelt werden, ja es kann eigentlich gar nicht anders geschehen. Wenn wir statt „Vorstellung“ „Rindenerregung“ sagen wollten, so würde der letztere Ausdruck nur dadurch einen Sinn für uns haben, dass wir in der Verkleidung den guten Bekannten erkennen und die „Vorstellung“ stillschweigend wieder restituiren. Denn während Vorstellungen fortwährend Gegenstände unserer Erfahrung und uns in all' ihren Nuancen wohlbekannt sind, ist „Rindenerregung“ für uns mehr ein Postulat, ein Gegenstand künftiger, erhoffter Erkenntniss. Jener Ersatz der Termini scheint eine zwecklose Maskerade.

So möge der fast ausschliessliche Gebrauch psychologischer Terminologie vergeben werden.

Noch für Anderes muss ich im vorhinein um Nachsicht bitten. Wenn eine Wissenschaft rasch vorwärts schreitet, werden Gedanken, die zuerst von Einzelnen ausgesprochen wurden, alsbald Gemeingut. So kann Niemand, der heute seine Anschauungen über Hysterie und ihre psychische Grundlage darzulegen versucht, es vermeiden, dass er eine Menge Gedanken Anderer ausspreche und wiederhole, die eben aus dem Individualbesitz in den Gemeinbesitz übergehen. Es ist [162] kaum möglich, von ihnen immer zu constatiren, wer sie zuerst ausgesprochen hat, und auch die Gefahr liegt nahe, dass man für eigenes Product hält, was von ändern schon gesagt worden ist. So möge es entschuldigt werden, wenn hier wenig Citate gebracht werden und zwischen Eigenem und Fremdem nicht streng unterschieden wird. Auf Originalität macht das Wenigste von dem Anspruch, was auf den folgenden Seiten dargelegt werden soll.

I. Sind alle hysterischen Phänomene ideogen?

Wir sprachen in der „Vorläufigen Mittheilung“ über den psychischen Mechanismus „hysterischer Phänomene“; nicht „der Hysterie“, weil wir für denselben, und für die psychische Theorie der hysterischen Symptome überhaupt, uneingeschränkte Geltung nicht beanspruchen wollten. Wir glauben nicht, dass alle Erscheinungen der Hysterie auf die von uns dargelegte Weise zu Stande kommen, und auch nicht, dass alle ideogen, d. h. durch Vorstellungen bedingt seien. Wir differiren darin von Möbius,[1] der 1888 die Definition vorschlug: „Hysterisch sind alle diejenigen krankhaften Erscheinungen, die durch Vorstellungen verursacht sind.“ Später wurde dieser Satz dahin erläutert, dass nur ein Theil der krankhaften Phänomene den verursachenden Vorstellungen inhaltlich entspreche, nämlich die durch Fremd- oder Auto-Suggestion erzeugten; z. B. wenn die Vorstellung, den Arm nicht bewegen zu können, eine Lähmung desselben bedinge. Ein anderer Theil der hysterischen Phänomene sei zwar durch Vorstellungen verursacht, entspreche ihnen aber inhaltlich nicht; z. B. wenn in einer unserer Beobachtungen die Lähmung des Armes durch den Anblick von schlangenähnlichen Gegenständen erzeugt wird.

Möbius will mit dieser Definition nicht etwa eine Veränderung der Nomenclatur befürworten, so dass fortan nur die durch Vorstellungen bedingten, ideogenen krankhaften Phänomene hysterisch zu nennen wären; sondern er meint, dass alle hysterischen Krankheitserscheinungen ideogen seien. „Weil sehr oft Vorstellungen Ursache der hysterischen Erscheinungen sind, glauben wir, dass sie es immer seien.“ Er nennt dies einen Analogieschluss; ich möchte es eher eine Generalisation nennen, deren Berechtigung erst untersucht werden muss.

Offenbar muss vor jeder Discussion festgestellt werden, was man unter Hysterie versteht. Ich halte Hysterie für ein empirisch gefundenes, der Beobachtung entstammendes Krankheitsbild, gerade so wie die tuberculöse [163] Lungenphthise. Solche empirisch gewonnene Krankheitsbilder werden durch den Fortschritt unserer Erkenntniss geläutert, vertieft, erklärt; sie sollen und können dadurch aber nicht zerstört werden. Die ätiologische Forschung hat gezeigt, dass die verschiedenen Theilprocesse der Lungenphthise durch verschiedene Krankheitsursachen bedingt sind; der Tuberkel durch den Bacillus Kochii, der Gewebszerfall, die Cavernenbildung, das septische Fieber durch andere Mikroben. Trotzdem bleibt die tuberculöse Phthise eine klinische Einheit, und es wäre unrichtig, sie dadurch zu zerstören, dass man nur die „specifisch tuberculösen“, durch den Bacillus Koch's bedingten Gewebsveränderungen ihr zuschreiben, die anderen von ihr loslösen wollte. – Ebenso muss die klinische Einheit der Hysterie erhalten bleiben, auch wenn sich herausstellt, dass ihre Phänomene durch verschiedene Ursachen bedingt sind, die einen durch einen psychischen Mechanismus, die anderen ohne solchen zustande kommen.

Das ist nun meiner Ueberzeugung nach wirklich der Fall. Nur ein Theil der hysterischen Phänomene ist ideogen, und die Annahme der Möbius'schen Definition reisst die klinische Einheit der Hysterie, ja auch die Einheit eines und desselben Symptoms bei einem und demselben Kranken mitten entzwei.

Es wäre ein dem Analogieschluss Möbius' ganz analoger Schluss: „Weil sehr oft Vorstellungen und Wahrnehmungen die Erection hervorrufen, nehmen wir an, dass sie allein es immer thun, und dass auch die peripheren Reize erst auf dem Umwege über die Psyche jenen vasomotorischen Vorgang auslösen.“ Wir wissen, dass das ein Irrthum wäre, und doch lägen diesem Schluss gewiss so viele Thatsachen zu Grunde wie dem Satz Möbius' betreffs der Hysterie. In Analogie mit einer grossen Zahl physiologischer Vorgänge, wie Speichel- und Thränensecretion, Veränderung der Herzaction u. dgl. ist als möglich und wahrscheinlich anzunehmen, dass derselbe Vorgang sowohl durch Vorstellungen als durch periphere oder andere, aber nicht psychische Reize ausgelöst werden kann. Das Gegentheil ist zu beweisen, und dazu fehlt noch sehr viel. Ja es scheint sicher, dass viele der hysterisch genannten Phänomene nicht allein durch Vorstellungen verursacht werden.

Betrachten wir einen ganz alltäglichen Fall. Eine Frau bekommt bei jedem Affect an Hals, Brust und Gesicht ein erst fleckiges, dann confluirendes Erythem. Dies ist durch Vorstellungen bedingt und also nach Möbius ein hysterisches Phänomen. Dasselbe Erythem tritt aber, wenn auch in geringerer Ausbreitung bei Hautreiz auf, bei Berührung [164] u. dgl. Dies wäre nun nicht hysterisch. So wäre ein, sicherlich völlig einheitliches Phänomen einmal der Hysterie zugehörig und ein andermal nicht. Man kann ja zweifeln, ob man dieses, den Erethismus der Vasomotoren, überhaupt zu den specifisch hysterischen Erscheinungen rechnen soll, oder ob man es nicht besser dem einfachen „Nervosismus“ zuzählt. Aber nach Möbius müsste jene Zerfällung eines einheitlichen Vorgangs jedenfalls geschehen, und das affectiv bedingte Erythem allein hysterisch genannt werden.

Ganz ebenso verhält es sich bei den praktisch so wichtigen hysterischen Algien. Gewiss sind diese häufig direct durch Vorstellungen bedingt; es sind „Schmerzhallucinationen“. Untersuchen wir diese etwas genauer, so zeigt sich, dass zu ihrem Entstehen grosse Lebhaftigkeit der Vorstellung nicht genügt, sondern dass ein besonderer abnormer Zustand der schmerzleitenden und empfindenden Apparate nothwendig ist, wie zum Entstehen des affectiven Erythems die abnorme Erregbarkeit der Vasomotoren. Das Wort „Schmerzhallucination“ bezeichnet gewiss das Wesen dieser Neuralgie auf's prägnanteste, zwingt uns aber auch, die Anschauungen auf sie zu übertragen, die wir uns bezüglich der Hallucination im Allgemeinen gebildet haben. Diese eingehend zu discutiren, ist hier nicht am Platze. Ich bekenne mich zu der Meinung, die „Vorstellung“, das Erinnerungsbild, allein, ohne Erregung des Perceptionsapparates, erlange selbst in seiner grössten Lebhaftigkeit und Intensität nie den Charakter objectiver Existenz, der die Hallucination ausmacht.[2]

Das gilt schon von den Sinneshallucinationen und noch mehr von den Schmerzhallucinationen. Denn es scheint dem Gesunden nicht möglich zu sein, der Erinnerung an einen körperlichen Schmerz auch [165] nur jene Lebhaftigkeit, jene entfernte Annäherung an die wirkliche Empfindung zu verschaffen, welche doch bei optischen und acustischen Erinnerungsbildern erreicht werden kann. Selbst in dem normalen hallucinatorischen Zustand des Gesunden, im Schlafe, werden, wie ich glaube, niemals Schmerzen geträumt, wenn nicht eine reale Schmerzempfindung vorhanden ist. Die „rückläufige“, von dem Organ des Gedächtnisses ausgehende Erregung des Perceptionsapparates durch Vorstellungen ist also de norma für Schmerz noch schwieriger als für Gesichts- und Gehörsempfindungen. Treten bei Hysterie mit solcher Leichtigkeit Schmerzhallucinationen auf, so müssen wir eine anomale Erregbarkeit des schmerzempfindenden Apparates statuiren.

Diese tritt nun nicht bloss durch Vorstellungen, sondern auch durch periphere Reize angeregt in die Erscheinung, ganz wie der früher betrachtete Erethismus der Vasomotoren.

Wir beobachten täglich, dass beim nervös normalen Menschen periphere Schmerzen von pathologischen, aber selbst nicht schmerzhaften Vorgängen in andern Organen bedingt werden; so der Kopfschmerz von relativ unbedeutenden Veränderungen der Nase und ihrer Nebenhöhlen; Neuralgien der Intercostal- und Brachialnerven vom Herzen aus, u. dgl. m. Besteht bei einem Kranken jene abnorme Erregbarkeit, welche wir als Bedingung der Schmerzhallucination annehmen mussten, so steht sie, sozusagen, auch den eben erwähnten Irradiationen zur Verfügung. Die auch bei nicht Nervösen vorkommenden werden intensiver, und es bilden sich solche Irradiationen, die wir zwar nur bei Nervenkranken finden, die aber doch auf demselben Mechanismus begründet sind wie jene. So, glaube ich, hängt die Ovarie von den Zuständen des Genitalapparates ab. Dass sie psychisch vermittelt sei, müsste bewiesen werden, und das ist dadurch nicht geschehen, dass man diesen Schmerz, wie jeden anderen, als Hallucination in der Hypnose erzeugen, oder dass die Ovarie auch psychischen Ursprungs sein kann. Sie entsteht eben wie das Erythem, oder wie eine der normalen Secretionen sowohl aus psychischen als aus rein somatischen Ursachen. Sollen wir nun nur die erstere Art hysterisch nennen? jene, von der wir den psychischen Ursprung kennen? Dann mussten wir eigentlich die gewöhnlich beobachtete Ovarie aus dem hysterischen Symptomcomplexe ausscheiden, was doch kaum angeht.

Wenn nach einem leichten Trauma eines Gelenkes allmählich eine schwere Gelenksneurose sich entwickelt, so ist in diesem Vorgang gewiss ein psychisches Element: die Concentration der Aufmerksamkeit [166] auf den verletzten Theil, welche die Erregbarkeit der betreffenden Nervenbahnen steigert; aber man kann das kaum so ausdrücken, dass die Hyperalgie durch Vorstellungen bedingt sei.

Nicht anders steht es mit der pathologischen Herabsetzung der Empfindung. Es ist durchaus unerwiesen und unwahrscheinlich, dass die allgemeine Analgesie oder dass die Analgesie einzelner Körpertheile ohne Anästhesie, durch Vorstellungen verursacht sei. Und wenn sich auch die Entdeckung Binet’s und Janet’s vollständig bestätigen sollte, dass die Hemianästhesie durch einen eigenthümlichen psychischen Zustand bedingt sei, durch die Spaltung der Psyche, so wäre das zwar ein psychogenes, aber kein ideogenes Phänomen und wäre darum nach Möbius nicht hysterisch zu nennen.

Können wir so von einer grossen Zahl charakteristischer hysterischer Phänomene nicht annehmen, dass sie ideogen seien, so scheint es richtig, den Satz von Möbius zu reduciren. Wir sagen nicht: „Jene krankhaften Erscheinungen sind hysterisch, welche durch Vorstellungen veranlasst sind“; sondern nur: Sehr viele der hysterischen Phänomene, wahrscheinlich mehr, als wir heute wissen, sind ideogen. Die gemeinschaftliche, fundamentale krankhafte Veränderung aber, welche sowohl den Vorstellungen als auch nicht psychologischen Reizen ermöglicht, pathogen zu wirken, ist eine anomale Erregbarkeit des Nervensystems.[3] Inwieweit diese selbst psychischen Ursprungs ist, das ist eine weitere Frage.

Wenn also nur ein Theil der hysterischen Phänomene ideogen sein dürfte, so sind es doch gerade diese, welche man die specifisch hysterischen nennen darf, und ihre Erforschung, die Aufdeckung ihres psychischen Ursprungs macht den wesentlichsten neueren Fortschritt in der Theorie der Krankheit aus. Es stellt sich nun die weitere Frage: wie kommen sie zu Stande, welches ist der „psychische Mechanismus“ dieser Phänomene?

Dieser Frage gegenüber verhalten sich die beiden von Möbius unterschiedenen Gruppen ideogener Symptome wesentlich verschieden. Diejenigen, bei denen das Krankheitsphänomen der erregenden Vorstellung inhaltlich entspricht, sind relativ verständlich und durchsichtig. [167] Wenn die Vorstellung einer gehörten Stimme dieselbe nicht bloss wie beim Gesunden im „inneren Hören“ leise anklingen, sondern als wirkliche objective Gehörsempfindung hallucinatorisch wahrnehmen lässt, so entspricht das bekannten Phänomenen des gesunden Lebens (Traum) und ist unter der Annahme abnormer Erregbarkeit wohl verständlich. Wir wissen, dass es bei jeder willkürlichen Bewegung die Vorstellung des zu erreichenden Resultates ist, welche die entsprechende Muskelcontraction auslöst; es ist nicht ganz unverständlich, dass die Vorstellung, diese sei unmöglich, die Bewegung verhindert. (Suggestive Lähmung.)

Anders verhält es sich mit jenen Phänomenen, die keinen logischen Zusammenhang mit der veranlassenden Vorstellung haben. (Auch für sie bietet das normale Leben Analogien, wie z. B. das Schamerröthen u. dgl.) Wie kommen diese zustande, warum löst beim kranken Menschen eine Vorstellung gerade die eine, ganz irrationale, ihr gar nicht entsprechende Bewegung oder Hallucination aus?

Wir glaubten in der „Vorläufigen Mittheilung“ über diesen causalen Zusammenhang einiges auf Grund unserer Beobachtungen aussagen zu können. Wir haben aber in unserer Darlegung den Begriff „der Erregung, welche abströmt oder abreagirt werden muss“, ohne weiteres eingeführt und benützt. Dieser Begriff, für unser Thema und für die Lehre von den Neurosen überhaupt von fundamentaler Wichtigkeit, scheint aber eine eingehendere Untersuchung zu verlangen und zu verdienen. Bevor ich zu dieser schreite, muss ich es entschuldigen, dass hier auf die Grundprobleme des Nervensystems zurückgegriffen wird. Solches „Hinuntersteigen zu den Müttern“ hat immer etwas Beklemmendes; aber der Versuch, die Wurzel einer Erscheinung aufzugraben, führt eben unvermeidlich immer auf die Grundprobleme, denen man nicht ausweichen kann. Möge darum die Abstrusität der folgenden Betrachtungen nachsichtig beurtheilt werden!