
- •Vorlesung 1
- •Vorgeschichte der deutschen sprache
- •1.1. Sprachen – Ursprungsmythen
- •1.1.1. Die Ursprache
- •1.1.2. Sprachenvielfalt
- •1.2. Das Deutsche als Teil des Indoeuropäischen (Indogermanischen) und des Germanischen
- •1.2.1. Genetische (genealogische) Verwandtschaftsverhältnisse
- •Die indoeuropäische Sprachfamilie
- •Gemeinsamkeiten indoeuropäischer Sprachen im Wortbestand
- •Indogermanische Sprachen im Vergleich
- •1.2.2. Wie viele Sprachen gibt es?
- •Die 20 bedeutendsten Sprachen der Welt
- •1.2.3. Vom Indoeuropäischen zum Germanischen
- •Die erste (germanische) Lautverschiebung
- •Vorlesung 2 zur allgemeinen einführung
- •In die deutsche sprachgeschichte
- •2.1. Gegenstand und Gegenwartsrelevanz der Sprachgeschichte
- •2.2. Sprachwandel
- •2.2.1. Ursachen, Bedingungen und Faktoren des Sprachwandels
- •Triebkräfte und Ausbreitungsbedingungen des Sprachwandels nach Hugo Moser
- •2.2.2. Diachrone und synchrone Sprachbetrachtung
- •Diasystematik / Varietätenmodell
- •Variation auf der Zeitachse
- •Diachronie vs. Synchronie
- •2.2.3. Diachrone Entwicklung der Sprachsystemebenen
- •Sprachwandel
- •2.4. Zur Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte
- •Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte
2.2. Sprachwandel
2.2.1. Ursachen, Bedingungen und Faktoren des Sprachwandels
Zu den Typen von Veränderungen [Barbour 1998, S. 56–59], die eindeutig außersprachlich (d. h. sozial und / oder politisch) bedingt sind, gehören
der Einfluss des Deutschen auf andere Sprachen
die Beeinflussung des Deutschen durch andere Sprachen
der Einfluss des Standards auf Nichstandard-Varietäten.
Vier Faktoren bestimmen den Sprachwandel (in wissenschaftsgeschichtlicher Reihenfolge) (zahlreiche Beispiele bei [Polenz 2000, S. 28–80]):
1. Ökonomie (Streben nach Vereinfachung).
2. Innovation(Streben nach Neuerungen).
3. Variation (Streben nach Alternativen) (regional, sozial, funktional, stilistisch etc.).
4. Evolution (z. B. als nichtintendierte Folgen intentionaler Handlungen; vgl. unsichtbare Hand).
Die Sprachökonomie äußert sich beispielsweise bei Wortzusammensetzungen (Polizeihund statt Hund, der im Dienst der Polizei steht, Waschmaschine statt Maschine zum Waschen), Ersetzung des Genitivs (durch die Präposition von oder durch den funktionsleichteren Akkusativ). Häufige mehrsilbige Wörter oder Wortgruppen wurden durch Kurzwörter (Auto statt Automobil, Bahn statt Eisenbahn, Foto statt Fotografie, Akku statt Akkumulator) oder Abkürzungen ersetzt (Pkw statt Personenkraftwagen).
Flektierte Adjektive wurden durch unflektierte nachgestellte Substantive (Appositionen) ersetzt: im 19. Jh. die Meyersche Fabrik, im 20. Jh. die Firma Meyer.
Im Satzbau wurden Nebensätze zu Partizipialgruppen verkürzt: Dort angekommen, ließ er seinen Wagen stehen statt Als er dort angekommen war, ließ er seinen Wagen stehen.
Der Konjunktiv II von werden erhielt seit dem 16. Jh. zunehmend eine neue, zusätzliche Funktion als analytisches Modalverb für den teiweise zurückgehenden flexivischen Konjunktiv: Das würde ich tun statt ... täte ... .
Abb. 2.1
Triebkräfte und Ausbreitungsbedingungen des Sprachwandels nach Hugo Moser
Haupt-klassen |
Unterklassen |
Einzelaspekte / Beispiele |
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1. primäre Ursachen: Triebkräfte |
1.1. innermenschliche |
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- physiologische |
Verhalten der Sprechwerkzeuge, z. B. beim kombinatorischen Lautwandel (Umlaut, Palatalisierung) |
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- psychologische |
Vereinfachungstrieb (bei Volksetymologien: mhd. sintfluot > nhd. Sündflut) Einordnungsbetrieb (bei Analogiebildungen: Plural auf -er; Umlaut) Spieltrieb (bei bestimmten Wortbildungen) |
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- geistige |
Bewusstseinsveränderungen (Bedeutungswandel: Tugend, Minne) |
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1.2. innersprachliche |
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- Betonungsverhältnisse |
Tonakzent (Tonhöhe) und Druckakzent (bewirkt Abschleifung der Endungen) |
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2. sekundäre Ursachen: Ausbreitungsbedingungen |
2.1. psychologisch-soziologische |
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- Nachahmungstrieb |
Einfluss der sozialen Stellung (Stellung der Hochsprache, Dichtersprache, Amtsdeutsch) |
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- Sprachregelung |
Einfluss der Oberschicht (bei Wortformen, Rechtschreibung etc.) |
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2.2. geschichtlich-geographische |
|||
- Besiedelung |
Einfluss der Bevölkerungsmischung (Ostkolonisation) |
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- Verkehr |
Einfluss von Straßen und Handelsverbindungen (z. B. bei Köln) |
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- politische Grenzen |
Einfluss der Territorialgrenzen nach 1648 (hochdeutsche Lautverschiebung) |