
- •I. Lagutina
- •Vorlesungskurs in deutscher Sprache für Studentender Nationalen Universität «Juristische Akademie Odessa»
- •Teil I. Europäisches arbeitsrecht
- •Vorlesungen
- •Vorlesung 1. Einführung in das eu-Arbeitsrecht
- •Begriff des eu-Arbeitsrechts
- •Bedeutung des eu-Arbeitsrechts für das nationale Arbeitsrecht
- •Ränge der rechtlichen Bestimmungen der Union
- •Primäres Arbeitsrecht
- •Sekundäres Arbeitsrecht
- •Vorlesung 2. Diskriminierungsschutz
- •Europäische Entwicklung
- •Die verschiedenen Formen der unzulässigen Benachteiligung
- •Aktuelle Probleme der Geschlechtsdiskriminierung
- •Die Anti-Diskriminierungsrichtlinien 2000/43/eg und 2000/78/eg
- •Richtlinie 2000/43/eg – Rasse und Ethnie
- •Richtlinie 2000/78/eg – Religion und Weltanschauung
- •Gemeinsame Probleme der neuen Richtlinien
- •Vorlesung 3. Prekäre Arbeitsverhältnisse
- •Einordnung
- •Teilzeitbeschäftigung
- •Befristete Beschäftigung
- •Leiharbeit
- •Vorlesung 4. Arbeitszeit
- •Allgemeines
- •Arbeitszeitgestaltung
- •Ruhezeit
- •Ruhepause
- •Jahresurlaub
- •Nacht – und Schichtarbeit
- •Vorlesung 5. Nachweis von Arbeitsbedingungen
- •Entstehung der Richtlinie 91/533/ewg
- •Regelungsinhalt
- •Umsetzung in das nationale Recht
- •Vorlesung 6. Kollektives Arbeitsrecht der eu
- •Europäisches Tarifvertrags – und Arbeitskampf recht
- •Europäische Betriebsräte
- •Richtlinie Information und Konsultation 2002/14/eg
- •Recht der Mitbestimmung
- •Seminare
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 1:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 2:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 3:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 4:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 5:
- •Teil II. Deutsches arbeitsrecht
- •Vorlesungen
- •Vorlesung 1. Einleitung
- •Begriff des Arbeitsrechts
- •Aufteilung des Arbeitsrechts
- •Arbeitsrechtliche Rechtsquellen
- •Vorstufen zur Einstellung
- •Entstehen des Arbeitsverhältnisses. Vertrag
- •Vorlesung 2. Lohnzahlungspflicht
- •Allgemeines
- •Betriebliche Übung-Gleichbehandlungsgrundsatz
- •Flexible Gestaltung von Lohnzahlungen
- •Überstundenvergütung
- •Vorlesung 3. Urlaub und Elternzeit
- •Urlaubsanspruch
- •Elternzeit
- •Vorlesung 4. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- •Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 123 bgb
- •Anfechtung nach § 119 bgb
- •Typische Fehler im Kündigungsschutzprozess
- •Fehler bei Klageerhebung:
- •Vorlesung 5. Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis
- •Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
- •Pflichten des Arbeitgebers
- •Arbeitnehmerdatenschutz
- •Vorlesung 6. Besonderheitendes arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens
- •Seminare
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 1:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 2:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 3:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 4:
- •Vorträge und seminarprojekte zu seminar 5:
Aktuelle Probleme der Geschlechtsdiskriminierung
Die recht umfangreiche Rechtsprechung des EuGH und die Literatur zum Verbot der Geschlechtsdiskriminierung lassen sich nur schwer in Gruppen ordnen. Einige klassische und aktuelle Probleme der Geschlechtsdiskriminierung können jedoch genannt werden:
a) Unklar ist zum einen das Verhältnis von Förderung und Gleichbehandlung, inwieweit also insbesondere Frauen gegenüber Männern bevorzugt werden können. Art. 157 Abs. 4 AEUV bestimmt, dass im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligung in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.
b) Offen erscheint auch, wann das Geschlecht ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b) Richtlinie 2006/54/EG bzw. § 8 AGG und damit ein erlaubtes Merkmal der Unterscheidung ist. Der EuGH hat dies bislang nur in einer Entscheidung zu den britischen Streitkräften angenommen (EuGH v. 26.10. 1999 – Rs. C – 273/97, Slg. 1999 I, 7403 – Sirdar), dennoch dürfte es noch mehr solche Fälle geben. Was dies für das deutsche Recht heißt, ist bislang noch nicht ausgelotet. Zwischenzeitlich entschieden hat der EuGH zur Richtlinie 2004/113/EG, dass das Geschlecht eine Ungleichbehandlung bei der Berechnung von Versicherungstarifen (Männer und Frauen haben unterschiedliche Lebenserwartungen) nicht zu rechtfertigen vermag (EuGH v. 1. 3. 2011 – C-236/09, Eur-Lex).11
c) Ebenfalls im Ansatz offen ist die Frage, wann eine Arbeit gleichwertig im Sinne von Art. 1 5 7 Abs. 1 AEUV ist. Bei der Unterscheidung zwischen gleicher und gleichwertiger Arbeit wird erstere zumeist als im Wesentlichen gleichartige Arbeit verstanden. Es ist entscheidend, dass die üblichen Tätigkeiten der verglichenen Personen identisch oder unter Berücksichtigung von Belastung, Verantwortung, Arbeitsbedingungen und Qualifikationen jeweils gleichartig sind, so dass die Arbeitnehmer bei Bedarf einander ersetzen können (s. etwa EriK/Schlachter, Art. 157 AEUV Rn. 7).
d) Vielfach beschäftigt hat sich der EuGH auch mit Regelungen, die ein unterschiedliches Rentenalter für Fräuen und für Männer vorsahen.
e) Aktuelle Bedeutung hat auch die Ungleichbehandlung wegen der Schwangerschaft. Sie ist gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. c) der Richtlinie 2006/54/EG und § 3 Abs. 1 S. 2 AGG eine Unterscheidung wegen des Geschlechts.Das französische Recht verbietet daher ausnahmslos die Frage nach der Schwangerschaft, Art. L. 1132-1 i. V. m. Art. L. 1221-6 Code du travail. In einer Entscheidung vom 4.10. 2001 stellte der EuGH fest, dass bei befristeter Anstellung, auch wenn auf Grund der Schwangerschaft einer Bewerberin die Aufgabe über einen wesentlichen Zeitraum nicht wird ausgeführt werden können, die Unterscheidung wegen der Schwangerschaft als Geschlechtsdiskriminierung unzulässig ist {EuGH v. 4.10. 2001 – Rs. C-109/00, Slg. 2001 I, 6993). Zuvor hatte man allgemein vermutet, dass dieses strenge Verbot der Unterscheidung nur bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen galt. Nun stellte das Gericht fest: «Da nämlich die Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, und zwar unabhängig von der Art und dem Umfang des wirtschaftlichen Schadens, der dem Arbeitgeber durch die schwangerschaftsbedingte Fehlzeit entsteht, ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Entlassung diskriminierenden Charakter hat, unerheblich, ob der Arbeitsvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen wurde. In beiden Fälle beruht die Unfähigkeit der Arbeitnehmerin, den Arbeitsvertrag zu erfüllen, auf der Schwangerschaft». Weiter ausgedehnt hat der EuGH den Diskriminierungsschutz auch in der Rs. Danosa. Hier entschied er, dass auch Organe einer Kapitalgesellschaft Arbeitnehmer sein können, so dass eine Abberufung, die auf einer Schwangerschaft beruht, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt (EuGH v. 11.11. 2010 – C-232/09, NZA 2011, 143).12