Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
Vorlesungen_in_Lexikologie.rtf
Скачиваний:
29
Добавлен:
14.08.2019
Размер:
810.31 Кб
Скачать

Vorlesung IV: Wortbildung

1. Begriff der Wortbildung

2. Die Zusammensetzung

3. Arten der Zusammensetzung

4. Die semantische Struktur der Zusammensetzungen

Das wichtigste Mittel des Ausbaues des Wortbestandes unserer Sprache ist die Wortbildung. Die Wortbildungslehre nimmt im System der Sprachwissenschaft eine besondere Stellung ein. Ihr Gebiet ist so umfangreich, dass eine vollständige Darstellung über den Rahmen dieses Buches hinausginge.1 Wir wollen die deutsche Wortbildung nicht systematisch behandeln, sondern ihre Formen und Mittel vornehmlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutungsfunktion untersuchen.

Die beiden wichtigsten und häufigsten. Formen der Wortbildung sind die Zusammensetzung und die Ableitung. Zusammensetzungen entstehen, wenn zwei oder mehrere selbständige Wörter zu einer neuen Worteinheit verbunden werden (Mond-nackt, Freundes-hand, segens-reich, dunkel-rot, kinder-lieb, frei-sprechen, wider-legen, Kriegs-schau-platz, schwarz-rot-golden). Im Gegensatz zur Zusammensetzung liegt der Ableitung immer nur ein selbständiges Wort zugrunde. Die Ableitung erfolgt

a) durch Hinzufügung von Lauten oder Lautgruppen, von Affixen an den Stamm eines Wortes, z. B. dien-en, be-dien-en, Be-dien-ung, Dien-er, Dien-st, dien-lich.

So umfasst die „Deutsche Wortbildung" von Walter Henzen (2. Aufl. Bern 1954) rund 300 Druckseiten, und der Lehrbrief für das Fernstudium der Oberstufenlehrer (von Henrik Becker), der sich mit den „Hauptproblemen der deutschen Wortbildungslehre" beschäftigt, hat immerhin 125 Druckseiten.

Je nachdem, ob die Affixe (zu lat. affigere = anheften) vor oder hinter dem Wortstamm erscheinen, heißen sie Präfixe oder Suffixe. Die Bezeichnungen Vor- und Nachsilben sind deshalb ungenau, weil manche Affixe nur aus einem einzigen Laut (und nicht aus Silben) bestehen. Hier muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Grammatiken zwischen grammatischen Suffixen und Endungen unterscheiden. Sie verstehen unter grammatischen Suffixen jene Laute und Lautgruppen, die grammatische Formen bilden, wie das -en des Infinitiv-. das -en des Part. Perf. der starken Verben, das -t des Part. Perf. der schwachen Verben, das -st des Superlativ der Adjektive usw. Endungen sind die Bildungsmittel der Kasus der Deklination und der Personalformen bei der Konjugation.

Gemeint ist der Wortbildungsstamm, den man vom Flexionsstamm unterscheiden muss. Als Flexionsstamm bezeichnen wir den Teil eines Wortes, der durch Abtrennung der Endungen und der formbildenden Affixe der flektierbaren Wörter gewonnen wird, z. B.: des laut-est-en Schreier-s (Flexionsstämme sind laut und schreier). Den Wortbildungsstamm erhält man, wenn man von einer beliebigen Wortform außer den Endungen und form bildenden Affixen auch die wortbildenden Affixe abtrennt, also: des laut-est-en Schrei-er-s (Wortbildungsstämme sind laut und schrei).

b) durch Wortartwechsel mit oder ohne Hilfe von Stammveränderungen (Ablaut, Umlaut,

Konsonantenwechsel) ohne erkennbare Affixe, z.B.: trinken - Trank - Trunk, biegen - beugen - Bogen, heil - Heil - heilen.

Abgeleitete Wörter haben den Vorteil der Kürze und Übersichtlichkeit der Form, ihr begrifflicher Inhalt ist bestimmt und scharf umrissen; der Vorzug der Zusammensetzungen besteht darin, dass ihnen größere Anschaulichkeit und sinnfällige Bildhaftigkeit eignet. Sie sind jedoch, besonders im Deutschen, mitunter recht lang und unhandlich. Während das Lateinische und seine Tochtersprachen oder die slawischen Sprachen vorwiegend die Ableitung verwenden, tritt im Deutschen — weit stärker noch als im Griechischen oder Englischen — die Zusammensetzung in Erscheinung.

Die Zusammensetzung

Die stark ausgeprägte Fähigkeit des Deutschen zur Bildung von Zusammensetzungen hat zu einer besonders weiten Ausdehnung des Wortbestandes geführt. So stehen uns vielfach Komposita zur Verfügung, wo sich andere Sprachen mit Umschreibungen behelfen müssen (vgl. Bücherschrank - lat. armarium librorum — russ. книжный шкаф. Mit der fast unbegrenzten Fähigkeit zur Bildung von Zusammensetzungen ist die hohe Ausdruckskraft unserer Muttersprache verbunden. Das kommt einem vor allem zum Bewusstsein, wenn man aus dem Deutschen in eine andere Sprache übersetzt. Da zeigt es sich, dass besonders der starke Stimmungsgehalt, der vielen deutschen Zusammensetzungen anhaftet, mit den Mitteln anderer Sprachen oft recht schwer wiederzugeben ist. So lassen sich Ausdrücke wie Muttersprache, Vaterhaus, Heimweh, Herzeleid, traumverloren und manche andere nur sehr schwer in fremde Sprachen übertragen.

Sprachgeschichtlich ist die Zusammensetzung aus der syntaktischen Verbindung zweier oder mehrerer Wörter entstanden, die in der lebendigen Rede nebeneinander standen und bei häufigerem Auftreten als eine neue Einheit aufgefasst wurden: (der) Mutter Sprache — Muttersprache, (des) Tages Licht — Tageslicht, wohl gesinnt — wohlgesinnt usw. Die meisten Komposita unserer Sprache sind dann freilich nach dem Muster solcher tatsächlich verschmolzener Fügungen analogisch gebildet worden. An Zusammensetzungen wie Junker (< junc-herre), glücklicher-weise, lob-singen u. a. ist es uns noch möglich, den Übergang von der syntaktischen Verbindung zum festen Kompositum zu verfolgen. Häufig weist auch die Unsicherheit in der Schreibweise darauf hin, dass eben ein Übergang von der syntaktischen Fügung zum Kompositum vor sich geht; so schreibt man treuergeben, schwerverständlich, aufgrund, vonseiten, maschineschreiben usw. neben treu ergeben, schwer verständlich, auf Grund, von seifen, ich schreibe Maschine,

Abgesehen von gewissen Sonderformen hat jedes Kompositum zwei Glieder, die ihrerseits wieder zusammengesetzt sein können: Haussier, Ofenschirm, rosenrot, hochmodern, niederschlagen, derjenige', Haus-tür-schlüssel, Bahn-hofs-vor-steher, Hauft-bahn-hof, Kriegsschauplatz, Aus den zuletzt genannten Beispielen geht hervor, daß beide Kompositionsglieder zusammengesetzt sein können. Andere Beispiele für mehrfache Komposita mit zusammengesetztem erstem Glied sind Brom-beer-ranke, Eisen-bahn-brücke, Elfen-bein-nadel, für Komposita mit zusammengesetztem zweitem Glied Salz-berg-werk, Reichs-kammer-gericht, Oberstudien-direktor. Die Vorliebe für Zusammensetzungen und die schier unbeschränkte Fähigkeit unserer Sprache, Komposita zu bilden, verführen jedoch oft zur Schaffung richtiggehender Wortungeheuer, die nicht nur unübersichtlich und schwer verständlich, sondern oft auch schwer aussprechbar sind. Schreib-maschinen-farb-band oder Maschinen-bau-schlosser-lehr-junge sind solche Bildungen, die wegen ihrer Länge möglichst vermieden werden sollten. Übrigens hilft sich unsere Sprache in vielen Fällen selbst durch das Mittel der Wortkürzung.

Wenn auch das Substantiv am stärksten an der Bildung von Zusammensetzungen beteiligt ist, so können doch so gut wie alle beliebigen Wortarten miteinander zusammengesetzt werden und sowohl als erstes wie auch als zweites Kompositionsglied erscheinen. Das zweite Glied einer Zusammensetzung ist ausschlaggebend für die Natur des Wortes; von ihm hängen die Wortart und — bei substantivischen Zusammensetzungen — das Geschlecht des Kompositums ab; es wird in der Regel allein flektiert1 (Haus-tor, Substantiv, sächl.; Gen.: Haustors), Wir nennen das zweite Glied der Komposita das Grundwort.

Die Arten der Komposita

Das erste Glied der weitaus meisten Zusammensetzungen bestimmt das Grundwort näher; es heißt deshalb Bestimmungswort, und die Zusammensetzungen dieser Art nennen wir Bestimmungs- oder Determmativkomposita (lat. determinare = bestimmen). In dem Kompositum Nähmaschine nennt das zweite Glied, das Grundwort, eine recht allgemeine Begriffskategorie, die durch das erste Glied, das Bestimmungswort, näher bestimmt wird. Dieses gibt an, um welche Art von Maschine es sich handelt, und grenzt so die Nähmaschine ausdrücklich ab von der Wirkmaschine, Strickmaschine.

In einigen wenigen Fällen wird auch das erste Glied gebeugt, z. B. die Langeweile – der Langenweile; das Hohelied — des Hohenliedes; hier handelt es sich jedoch nicht eigentlich um Zusammensetzungen, sondern nur um Zusammenschreibungen. Waschmaschine, Dreschmaschine, Druckmaschine, Schreibmaschine, Rechenmaschine u. a.

Das Bestimmungsverhältnis des ersten Gliedes zum zweiten kann sehr verschiedenartig sein. In nominalen Zusammensetzungen können zunächst alle Beziehungen erfasst werden, die der Genitiv neben Substantiven bezeichnen kann. Aber der Funktionsbereich des ersten Gliedes einer nominalen Zusammensetzung ist weiter als der des Genitivs beim Substantiv. Es kann auch solche Beziehungen anzeigen, die wir sonst nur durch präpositionale Fügungen und andere Konstruktionen ausdrücken können. So kommt es, dass die Aussagemöglichkeiten zusammengesetzter Substantive schier unbegrenzt sind und dass somit auch die Anlässe, zusammengesetzte Substantive zu bilden, ungemein zahlreich sind.

Wir geben im Folgenden eine (keineswegs erschöpfende) Übersicht von Möglichkeiten des Verhältnisses zwischen Bestimmungswort und Grundwort in substantivischen Zusammensetzungen. Das Bestimmungswort kann das Grundwort näher bestimmen durch Angabe des Urhebers: Mutterliebe, Freundestat

des Besitzers: Staatsgut, Witwensitz, Jugendheim, Nibelungenhort des Abstammungsverhältnisses: Arbeiterkind, Königsspross, Araberscheich, Muttersprache

des Objekts: Krankenpflege, Hühnerzucht, Wahrheitsliebe, Selbstbeherrschung

des Ganzen, wovon der durch das Grundwort bezeichnete Gegenstand ein Teil ist: Wassertropfen, Menschenhaufen

des Ortes: Giebelfenster, Seegang, Alpenrose, Bergbahn, Linienrichter der Richtung oder des Zieles: Gebirgsbach, Südwind, Nordpolfahrt, Italiener eise

der Zeit und der zeitlichen Ausdehnung: Abendlied, Fünfuhrtee, Maikäfer, Sommerurlaub

des Stoffes: Roggenbrot, Strohhut, Lederschuh, Papiergeld des Mittels oder Werkzeuges: Windmühle (die Mühle wird vermittels des Windes betrieben), Dampfmaschine, Segelschiff, Maschinenstickerei, Kahnfahrt, Fußtritt

des Grundes: Frostbeule, Schmerzensschrei, Freudentränen

des Zweckes: Erholungsheim, Jagdfalke, Bügeleisen

des Gegenstandes, mit dem die durch das Grundwort bezeichnete Sache verglichen wird: Blutbuche, Königstiger, Hirschkäfer

des Gegenstandes, für den die durch das Grundwort bezeichnete Sache bestimmt ist: Tischtuch, Teelöffel, Teigschüssel, Geldtäschchen

dessen, wogegen die durch das Grundwort bezeichnete Sache gebraucht wird: Regenschirm, Kopfschmerztablette, Unfallversicherung, Bruchband

des Gegenstandes, der durch die vom Grundwort bezeichnete Person erzeugt wird: Orgelbauer, Nagel schmied, Möbeltischler

des Stoffes, mit dem sich die vom Grundwort bezeichnete Person beschäftigt: Buchhändler, Gold schmied, Glasschleifer, Kesselflicker, Scherenschleifer usw.

Ähnliche Bedeutungsbeziehungen bestehen zwischen dem substantivischen Grundwort und dem Bestimmungswort, das durch ein Pronomen oder präpositionales Adverbium gebildet wird. So kann das pronominale Bestimmungswort die Rolle eines Objekts spielen: Selbstversorger, Selbstbezichtigung, Selbstdarstellung Die präpositionalen Adverbien dienen der Umstandsbestimmung. So drückt das präpositionale Adverb vor in Vorhof naturgemäß eine Ortsbestimmung aus (== Hof vor einem anderen Raum), das Adverb mit gibt in Mitmensch entweder eine Zeitbestimmung (= ein Mensch, der zur selben Zeit lebt) oder eine Umstandsbestimmung der Art und Weise (== ein Mensch, der unter denselben Umständen lebt). Andere hierhergehörige Beispiele sind: Abart, Abbild, Abgrund; Angesicht, Anteil, Anzeichen; Ausflucht, Ausweg, Auszug; Beileid, Beiname, Beiwerk; Nachkomme, Nachsilbe, Nachsommer; Nebenmann, Nebensatz, Nebenzimmer; Umgegend, Umwelt, Umweg; Überbein, Übermensch, Überzahl; Vorgebirge, Vorrecht, Vorstadt u. a.

Das Verhältnis des adjektivischen ersten Gliedes zum substantivischen Grundwort ist seit jeher das eines Attributs: Heißluft, Kleinwagen, Rotbart,

Eine besondere Stellung nehmen die zusammengesetzten Partizipien ein. Das Part. Präs. hat als erstes Kompositionsglied oft einen Objektsakkusativ bei sich, wie feuers feiend, friedliebend, grundlegend, leidtragend, notleidend, segenbringend usw., oder das erste Glied steht für präpositionale Fügungen, wie himmelschreiend (== zum Himmel schreiend), postlagernd (= auf der Post lagernd), schweißtriefend (= von Schweiß triefend). Derlei Bildungen treten auch mit dem Part. Perf. auf: blutgetränkt, diamantenbesetzt, handgewebt, luftgekühlt, mondbeglänzt, notgedrungen, preisgekrönt, stadtbekannt u. a.

Wie viel unsere Sprache durch ihre Fähigkeit, Zusammensetzungen zu bilden, an Schmiegsamkeit und Bündigkeit des Ausdrucks gewinnt, geht aus der folgenden Gegenüberstellung hervor, in der wir einige Komposita mit ihren viel schwerfälligeren und umständlicheren Umschreibungen nennen:

Buchhülle - Hülle für ein Buch Goldkäfer - Käfer, der wie Gold schimmert Hochebene - hochgelegene Ebene

Ichmensch - Mensch, der immer nur an das eigene Ich denkt Kraftwagen - Wagen, der aus eigener Kraft fährt

Küstenfluss - Fluss, der entlang der Küste fließt Landsmann - Mann, der aus demselben Land stammt Sonnenschirm - Schirm zum Schutz gegen die Sonne Zuckerrübe - Rübe mit hohem Zuckergehalt

Bei den Zusammensetzungen, die im ersten Glied ein Substantiv und im zweiten Glied ein Adjektiv haben, gibt häufig das erste Glied einen Gegenstand an, der zur Vergleichung dient: aalglatt, erdfahl, grasgrün, himmelblau, steinhart, taghell, wachsweich usw. Danach entstanden andere, deren erstes Glied nur noch der Verstärkung dient: blitzblank, blitzsauber, feuerrot, fuchsteufelswild, funkelnagelneu, hundemüde, hundekalt; klapperdürr, mäuschenstill, mausertet, riesengroß, sackgrob, sperrangelweit, spindeldürr, splitternackt, stockfinster, todsicher, windelweich usw. Ebenso kann die Zusammensetzung zweier Substantive der Verstärkung dienen: Höllenangst, Hundekälte, Mordskälte, Affenliebe, Totenstille u.a.

Eine zweite Gruppe der Zusammensetzungen bilden die sog. Kopulativkomposita oder Reihenwörter. Sie bestehen aus gleich geordneten Ausdrücken, deren Einzelbedeutungen in dem fest gewordenen Kompositum summiert erscheinen. Hierher gehören unsere Additionszahlwörter dreizehn, vier-zehn usw., bis neunzehn1, hundertzehn, hundertzwanzig usw., ferner Adjektive wie bittersüß, dummdreist, dummstolz, heildunkel, nasskalt, schwarzweiß, lateinisch-deutsch, ugro-finnisch und mehrgliedrige Reihenwörter wie schwarz-rot-golden, rot-weiß-grün u. ä. Als substantivische Kopulativkomposita seien genannt: Südwest, Nordost, Strichpunkt, Hemdhose; femer Orts- und Ländernamen wie Budapest, Doberlug-Kirchhain, Hessen-Nassau, Österreich-Ungarn, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Tschechoslowakei usw.

Zu den Reihenwörtern rechnet man meist auch solche mit zwei koordinierten Gliedern, die jedes eine verschiedene Seite ein und derselben Person oder Sache bezeichnen, so z. B.: Dichterkomponist, Fürstbischof, Gottmensch, Königinmutter, Prinzregent, Werwolf ('Mann und Wolf); Hosenrock u. a.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]