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Simmel_Johannes_Mario_-_Doch_mit_den_Clowns_kamen.pdf
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Johannes Mario Simmel

Doch mit den Clowns kamen die Tränen

Roman

Inhaltsübersicht

Widmung

Motto

Nur ein Teil der [...]

Prolog

Erstes Buch

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

Zweites Buch

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

Drittes Buch

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

34. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

Epilog

Danksagung

Für

L. S., K. K.-E. und A. M., wo immer sie jetzt sind,

in Liebe, Verehrung und Dankbarkeit

Wahnsinn bei Individuen ist selten,

aber in Gruppen, Nationen und Epochen ist er die Regel.

Friedrich Nietzsche,

Jenseits von Gut und Böse

Die einzige Möglichkeit, das Spiel zu gewinnen, ist die, es nicht zu spielen.

Aus dem amerikanischen Film Wargames

Nur ein Teil der Personen, der Handlung und der Institutionen in diesem Buch ist frei erfunden, so beispielsweise die französischen Sender PREMIÈRE CHAÎNE und TELE 2, die deutsche Nachrichtenzentrale WELT IM BILD, die gleichnamige Sendung und die »Spezialeinheiten«. Sehr viele Personen, Ereignisse und Institutionen entsprechen hingegen der Wirklichkeit. Insbesondere drei Menschen, die – äußerlich völlig verändert – zu den Hauptfiguren gehören, haben mein Leben mehr als alle anderen gelenkt und beeinflußt und werden das weiter tun, bis ich sterbe. Die Existenz eines der drei Menschen ermöglichte zwischen einem Mann und einer Frau, beide mit »amputierten« Leben, jene Liebe, von der hier berichtet wird.

Die ungeheuerlichen Experimente, über die ich informiere, wurden von international bekannten Forschern bereits erfolgreich durchgeführt – bis auf jenes grausige letzte. Alle katastrophalen oder grotesken Ergebnisse in diesem Zusammenhang sind Tatsachen.

Mündliche und schriftliche Äußerungen zahlreicher Personen der Zeitgeschichte, Ansichten, Entschlüsse und Pläne gleichermaßen mächtiger wie skrupelloser Männer, die über unser aller Schicksal bestimmen, sowie Szenen aus Fernsehsendungen, Abschnitte aus wissenschaftlichen oder politischen Werken beziehungsweise Aufsätzen, Reden, Artikeln und Zeitungsmeldungen habe ich exakt wiedergegeben und nur manchmal wegen rechtlicher Vorschriften oder dramaturgischer Notwendigkeiten Namen, Orte und Zeiten verändern müssen.

Ähnlichkeiten mit realen Personen und realen Geschehnissen sind also weder zufällig noch unbeabsichtigt, sondern nicht zu vermeiden.

J. M. S.

Prolog

Und nun kommen die Clowns.

Schon während sie in die Manege stolpern, erheben die Kinder ihre Stimmen zu einem einzigen schrillen Schrei des Entzückens. Der Clown in dem gelb-schwarz gewürfelten Kostüm ist sehr groß und sehr dick. Der Clown in dem rot-weiß gewürfelten Kostüm ist sehr klein und sehr dünn, ihre Gesichter sind zu grotesken Masken geschminkt, ihre Schuhe unförmig, die Pluderhosen schlottern an den Beinen. Beide tragen kleine Hütchen.

Ach, Leute, Leute, ist das eine Zirkusvorstellung!

Selig sitzen Jungen und Mädchen mit ihren Vätern und Müttern in dem Riesenzelt. Sie haben gejubelt, als die schwarzen Ponys tanzten, sie haben sich gegruselt, als die Löwen brüllten, und sie waren furchtbar aufgeregt, als die wunderschönen Damen in ihren silbernen Trikots hoch oben an Trapezen durch die Luft sausten.

Und nun die Clowns!

»Komm, wir spielen Wilhelm Tell!« ruft der in dem gelb-schwarzen Kostüm.

»Wir spielen wen?« ruft der in dem rot-weißen. Ihre Stimmen sind sehr laut, und jeder von ihnen wendet sich stets zu »seiner« Hälfte des Zirkusrunds, damit alle alles verstehen.

»Wilhelm Tell! Den, der mit Pfeil und Bogen einen Apfel vom Kopf seines Bübchens geschossen hat! Auf hundert Schritt Entfernung!«

»Au ja! Au ja! Au, prima!« ruft der Kleine. »Auf hundert Schritt Entfernung hat Wilhelm Tell seinem Bübchen mit Pfeil und Bogen einen Apfel vom Kopf geschossen. Ich bin das Bübchen, ja? Bitte, bitte, bitte!«

»Du bist das Bübchen!« »Wie heißt das Bübchen?« »Walterli heißt das Bübchen!«

»Das Bübchen heißt Walterli! Das kleine Walterli!« Der dünne Clown hält eine Hand an den Mund und vertraut seine Meinung dem Publikum an: »Der Alte trifft nie!«

Die Kinder lachen.

Ganz vorne, in der ersten Reihe hinter dem Manegenrand, sitzt eine Frau neben einem Jungen. Die Frau trägt einen mattgelben Hosenanzug, der Junge einen Blazer, eine Flanellhose, ein weißes Hemd und eine College-Krawatte. Er ist etwa sieben Jahre alt. Strahlend sieht er die Mutter an.

»Wo ist der Apfel?« fragt der dünne Clown.

»Hier!« Der dicke Clown zieht einen besonders großen, besonders schönen Apfel aus der Hosentasche und nimmt dem dünnen Clown das Hütchen fort. Dann legt er den Apfel auf den Kopf des Kleinen. Sofort rollt der Apfel herunter. Der Dicke hebt ihn auf, legt ihn wieder auf den Kopf des Dünnen und schlägt mit der Faust auf den Apfel. Der Apfel fällt herunter. Der dünne Clown fällt neben ihn.

Der dicke Clown zieht den Dünnen am Hosenboden hoch und stellt ihn vor sich hin. Legt den Apfel auf seine Stirn. Der Apfel fällt herunter. Die Kinder schreien. Die Erwachsenen lachen.

Die junge Frau sieht ihren applaudierenden Sohn voll Liebe an. Sie streicht über sein schwarzes Haar. Auch ihr Haar ist schwarz, sie trägt es als Windstoßfrisur, ganz kurz geschnitten. In dem schmalen Gesicht dominieren große schwarze Augen. Beständig hellwach sind sie, und stets liegt

Traurigkeit auf ihrem Grund, auch wenn die junge Frau lacht. Im Weiß des rechten Auges gibt es einen seltsamen Pigmentfleck, ähnlich einem Rußkorn und ebenso schwarz. So klein er ist, verleiht er dem Gesicht besonderen Reiz. Die Haut der Frau erinnert an jene eines Menschen, welcher den größten Teil seines Lebens im Freien verbringt.

»Mein Pierre«, sagt die Mutter. Der Junge hört es nicht, zu sehr lachen alle über den dünnen Clown, der mittlerweile gerufen hat: »Mit einem Apfel geht das nie, Papachen! Wir brauchen etwas anderes!« Er zieht eine Banane aus der Tasche und schmückt mit ihr seinen Kopf.

Jubel der Kinder.

»Laß den Quatsch, Walterli!« ruft der dicke Clown. »Ich werde dir zeigen, wie der Apfel liegen bleibt. Wirf die Banane fort!«

Der dünne Clown wirft die Banane fort.

Der dicke Clown beißt ein großes Stück des Apfels ab und setzt ihn dem dünnen Clown auf den Kopf. Nun bleibt der Apfel liegen. »Siehst du, so einfach ist das, mein Walterli! Jetzt hol ich Pfeil und Bogen.«

»Wo hast du denn Pfeil und Bogen, Papachen?« »Da drüben in dem Koffer.«

Der dicke Clown ist mit einem mächtigen schwarzen Koffer gekommen, der in der Mitte der Manege steht. Auf ihn geht er nun zu. Sobald er dem Kleinen den Rücken zugewandt hat, nimmt dieser den Apfel vom Kopf und beißt auch ein Stück ab. Er kaut, er schluckt, er reibt sich den Bauch. Mißtrauisch dreht der dicke Clown sich um. Aber der dünne Clown ist schneller gewesen. Der Apfel liegt schon wieder auf seinem weißgeschminkten haarlosen Schädel.

Ach, lachen die Kinder!

Der Mann, der all dies träumt, liegt in einem breiten Bett. Über sein Gesicht zuckt ein Lächeln. Tief und entspannt atmet der Mann, der all dies träumt.

Die Frau mit der Windstoßfrisur und den schwarzen Augen hört einen Mann laut loslachen. Sie dreht sich um. Zwei Reihen hinter ihr sitzt dieser Mann. Er hat ein zerfurchtes Gesicht und eisgraues Haar, obwohl er kaum über fünfundvierzig Jahre alt ist. Der Grauhaarige erkennt die junge Frau und neigt grüßend den Kopf. Auch sie grüßt. Neben dem Mann sitzen seine Frau, zierlich und zart, und zwei kleine Mädchen, Töchter, das weiß die Frau mit dem schwarzen Haar.

Nun kreischen die Kinder, sie ächzen, sie verschlucken sich. Jedesmal, wenn der große Clown zwei Schritte auf den schwarzen Koffer zu macht, beißt der dünne Clown ein neues Stück vom Apfel ab. Und jedesmal, wenn der mißtrauische Dicke sich umdreht, hat der Dünne den Apfel, der immer kleiner wird, bereits auf den Kopf zurückgelegt. Der Dicke kniet vor dem Koffer. Er versucht vergebens, ihn zu öffnen. Währenddessen gelingt es dem Dünnen, den Apfel ganz aufzuessen. Wieder jauchzen die Kinder.

Der dicke Clown ruft: »Walterli!« »Papachen?«

»Komm her, und hilf mir!«

Der Dünne lüpft seine Hosen, so daß violette Socken und grüne Sockenhalter sichtbar werden, und stolpert zu dem Dicken, der ihn argwöhnisch mustert.

»Wo ist der Apfel?«

Der Dünne zeigt auf seinen Bauch.

Der Dicke ruft: »Na schön! Wie du willst! Dann machen wir es ohne Apfel!« »Au, fein! Au, fein! Ohne Apfel! Ohne Apfel!«

»Hilf mir!«

Nun rütteln beide an den Schlössern des schwarzen Koffers. Plötzlich fliegt der Deckel auf. Plötzlich stehen die beiden Clowns nebeneinander. Jeder hält eine Maschinenpistole. Sofort schießen sie in jenen Sektor des Zuschauerraums, in dem die junge Frau mit ihrem Sohn und der grauhaarige Mann mit seiner Familie sitzen.

Panik bricht aus. Kinder weinen, Männer brüllen, Frauen schreien. Die Maschinenpistolen feuern ohne Unterlaß. Hier wird ein Kind getroffen, da eine Frau, dort noch ein Kind. Blutend brechen sie zusammen. Der grauhaarige Mann fliegt von der Bank, eine Kugel hat seine Stirn durchschlagen, Blut schießt hervor, Blut, so viel Blut. Seine Frau und die beiden kleinen Mädchen stürzen, blutüberströmt auch sie. Die Clowns feuern noch auf die Gestürzten.

Jetzt toben die Zuschauer. Sie versuchen, ihre Plätze zu verlassen. Die Treppen zwischen den Sektoren sind zu schmal. Männer prügeln sich den Weg frei, schlagen auf Frauen ein, auf Kinder. Viele straucheln. Andere trampeln über sie hinweg. Und Blut, Blut, Blut strömt von den Bänken auf die Stufen hinab in die Manege.

Ein uniformierter Zirkusangestellter rennt mit einer Pistole in der Hand vor. Der dünne Clown sieht ihn kommen. Drei Schüsse, und der Uniformierte bricht zusammen, bleibt auf dem Gesicht liegen. Rot färbt sich der Boden um ihn.

Die junge Frau in dem mattgelben Hosenanzug hat ihren Sohn sofort, als das Morden begann, unter die Bank gestoßen und ist zu ihm gekrochen. Sie handelt mit der Erfahrung und Schnelligkeit eines Soldaten. Auf dem Boden liegend sieht die junge Frau, wie die beiden Clowns, immer noch feuernd, rückwärtsgehend den Manegeneingang erreichen. Wer hier steht, weicht beiseite, wirft sich hin. Die beiden Clowns rennen aus dem Zirkus.

Natürlich wartet ein Fluchtwagen draußen, denkt die junge Frau.

Alle Gänge sind nun verstopft. Hier brüllen Verwundete. Dort schlagen Menschen einander, brutal, sinnlos, außer sich vor Angst. Da liegen Schwerverletzte, Tote. Aus den Lautsprechern dröhnt immer wieder eine Männerstimme. Niemand versteht, was sie sagt.

Unruhig wirft der Schlafende sich hin und her. Schweiß steht in kleinen Tropfen auf seiner Stirn. Er atmet keuchend, wirr ist das eisgraue Haar. In seinem Traum erblickt er ganz deutlich den Mann, der tot in einer Blutlache liegt. Der Träumende sieht sich selbst. – tot! Er sieht seine Frau, seine kleinen Töchter – tot, tot, tot! Die Kinder hängen über einer Bankreihe. Laut stöhnt der Träumende …

Die junge Frau springt auf. Sie zerrt ihren Sohn mit sich. Er taumelt hinter ihr her. Sehr viele Zuschauer sind nun in der Manege. Grauenhaft klingen die Schreie der Verwundeten. Die junge Frau bahnt sich energisch ihren Weg, immer den Sohn an der Hand. Der junge stolpert, knickt ein, wird weitergeschleift. Die junge Frau schlägt um sich. Menschen schlagen zurück.

»He, Sie! Verrückt geworden?« »Verflucht, na warte mal, du Sau!«

Die junge Frau erreicht den Vorraum mit den Kassen. Daneben stehen drei Telefonzellen. Sie reißt die Tür der ersten auf, zieht ihren Sohn nach, sinkt keuchend gegen eine Glaswand, wählt eine Nummer.

»HAMBURGER ALLGEMEINE«, erklingt eine Mädchenstimme. »Hier ist Norma Desmond. Den Chefredakteur! Es ist dringend!« »Einen Moment, Frau Desmond.«

Klick, macht es in der Leitung.

Eine andere Frauenstimme: »Chefredaktion.« »Norma Desmond. Doktor Hanske, bitte! Schnell!« »Sofort!«

Klick.

Eine Männerstimme: »Norma?«

Die junge Frau spricht betont deutlich: »Günter! Ich bin im ›Zirkus Mondo‹ auf dem Heiligengeistfeld. Hier gab es einen Terroranschlag. Zwei Clowns schossen mit Maschinenpistolen in den Zuschauerraum.«

»Was?«

»In einen bestimmten Abschnitt, in dem auch ich mit Pierre saß.«

Draußen klingt das Gejaule von Sirenen auf: zwei, drei, vier, nicht mehr zu zählen. Durch den Vorraum rast mit zuckendem Blaulicht ein Polizeiwagen in die Manege, ein zweiter folgt. Menschen springen zur Seite. Norma sieht, daß vor dem Zirkus Ambulanzen halten.

»Polizei trifft ein … Rettungswagen … Ärzte, Sanitäter …«

Sie rennen an Norma vorbei in weißen Mänteln und grauen Uniformen. Immer weiter heulen Sirenen.

»Wie viele Tote? Wie viele Verletzte?« ertönt die Stimme des Chefredakteurs aus dem Hörer.

»Ich kann es nicht sagen. Vielleicht fünfzig! Vielleicht sechzig! Hör zu, Günter: Nach allem, was ich sah, hatten die Clowns einen ganz bestimmten Auftrag. Sie sollten einen ganz bestimmten Mann erschießen. Ihn und seine Familie. Auf ihn eröffneten sie das Feuer. Der Mann ist tot, die Frau, die Kinder.«

»Hast du eine Ahnung, wer der Mann …« »Ich weiß es!«

»Wer ist es?«

»Professor Martin Gellhorn.«

»Professor Gellhorn?«

Die Kabinentür wird aufgerissen. Norma fährt herum.

Ein großer Mann steht vor ihr. Sein Gesicht ist wachsbleich. Er trägt eine Brille mit ungefaßten Gläsern. Sein Anzug ist zerdrückt. Der Mann keucht.

»Was wollen Sie?« schreit Norma.

Der leichenblasse Mann weicht zurück. »Pardon … Ich habe nicht gesehen, daß jemand …« Die Tür fällt zu. Der Mann ist verschwunden.

»Norma! Norma!« klingt es aus dem Hörer. »Ja doch!«

»Was war das?«

»Keine Ahnung. Ein Mann …«

»Hast du Professor Gellhorn gesagt?« »Ja!«

»Vom Virchow-Krankenhaus?« »Ja!«

»Der ist doch Wissenschaftler!« »Mikrobiologe!«

»Mikrobiologe! Wieso erschießen die einen Mikrobiologen?« »Weiß ich nicht!«

»Bist du ganz sicher, daß es Gellhorn ist?«

»Verflucht, ich habe genug Bilder von ihm gesehen! Absolut sicher bin ich!« »Aber warum wurde er erschossen?«

»Herrgott, ich weiß es nicht! Schick sofort Fotografen her! Und Reporter! Joe! Franziska! Herbert! Jimmy! Ich bleibe hier! Und Platz, wir brauchen Platz! Was ist der Aufmacher?«

»EG-Konferenz in Brüssel wieder ohne Einigung. Schmeißen wir natürlich raus! Du hast die ganze

erste Seite. Und die dritte. Und mehr.«

»Okay, ich melde mich wieder.« Die junge Frau hängt ein. Im nächsten Moment sieht sie, daß ihr kleiner Sohn zusammengesunken ist. Um ihn hat sich eine Blutlache gebildet. Sie steht in der Lache. Nun kniet sie nieder.

»Pierre! Pierre!«

Pierre gibt keine Antwort. Pierre ist tot. Die junge Frau sieht einen Blutfleck auf der linken Brustseite seines Blazers. Das muß das Einschußloch sein. Sie öffnet die Jacke. Blut quillt ihr entgegen, über die Hände, den Anzug, die Schuhe. Norma stöhnt, ringt nach Luft. Er muß gleich zu Beginn getroffen worden sein, denkt sie. Noch bevor ich ihn unter die Bank riß. Ich habe es nicht bemerkt. Ich habe ihn bis hierher geschleppt.

Neue Sirenen heulen auf. Es kommen noch immer Ambulanzen und Polizeiwagen. Wir sind in Hamburg. Es ist 17 Uhr 54, am Montag, dem 25. August 1986.

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