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Kapitel I

Grundbegriffe und grungprobleme der stilistik

Über die Grundprobleme der gegenwärtigen Linguostilistik könnte man viel schreiben, weil sich die Möglichkeiten und Regularitäten des Sprachgebrauchs in stilistischer Sicht sehr mannigfaltig und verzweigt darbieten, daher auch mehrere Aspekte der theoretischen Betrachtung (jeder mit seinem eigenen Problemkreis) ermöglichen. Aber auf die Beleuchtung dieser Mannigfaltigkeit wird hier verzichtet, weil es einfach nicht möglich wäre, die vielen stark verwickelten Problemknoten zu lösen. Da aber das eigentliche Ziel des Vorhabens darin besteht, an die Begründung und Beschreibung der funktionalstilistischen Varianten der deutschen Gegenwartssprache (der Funktionalstile) von verschiedenen Ebenen des Sprachsystems (der lexikalischen, morphologischen, syntaktischen) anhand der Materialbelege heranzugehen, wird ausschließlich zu denjenigen Problemen und Fragen Stellung genommen, die damit unmittelbar verbunden sind. Die Probleme selbst und die auf sie bezogenen Grundbegriffe ergeben sich aus der stilwissenschaftlichen Forschungsarbeit der letzten Jahrzehnte in der sowjeti­schen und in der DDR-Linguostilistik, zu deren Kern­bereich schon ganz deutlich die funktionalstilistische Differenzierung des Sprachgebrauchs geworden ist. Und in diesem ersten Kapitel soll es sich dementsprechend um Grundbegriffe und Grundprobleme der deutschen Linguostilistik mit mit hauptsächlicher Beachtung der Funktionalstilistik handeln.

Gegenstand ind Aufgaben der Stilistik

Stilistik als wissenschaftliche Disziplin, ihre Aufgaben. – Die Entwicklungsgeschichte der Die bedeutendsten Werke auf dem Gebiet der deutschen Stilistik.Die Stellung der Stilistik in der modernen

Über die Stilistik als Wissenschaft existieren verschiedene Meinungen in der sprachwissenschaftlichen Literatur. Unter ihnen gelten zwei Auffassungen als bestimmend: nach ersten Auffassung ist die Stilistik keine selbständinge Wissenschaft, sie existiert nur im Rahmen der allgemeinen Philologie; nach der zweiten Auffassung ist die Stilistik eine besondere wissenschaftliche Disziplin, nämlich ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft. Gerade diese zweite Auffassung liegt der modernen lingustischen Vorstellungen zugrunde, während erste hauptsächlich mit der alten Tradition in der Sprachwissenschaft die verbunden ist. Im Rahmen der Stilistik, wie z.B. auch innerhalb der Grammatik oder Phonetik usw., unterscheidet man nach ihrem Inhalt und ihren Aufgaben die allgemeine Stillistik (genauso wie die allgemeine Grammatik, die allgemeine Phonetik) und die Stilistik einer konkreten Sprache. Die letztere basiert auf der allgemeinen Stilistik, geht bei der Betrachtung des entsprechenden Sprachmaterials von ihren Grundprinzipien aus, mit Berücksichtigung aller Ebenen Sprachsystems: der phonetisch-phonologischen, der grammatischen, der lexikalischen.

Wenn man diese vielseitigen Beziehungen in Betracht zieht, so kann man behaupten, daß die Stilistik in der Wissenschaftsstruktur der Linguistik eine Art Integrationsdisziplin darstellt: es besteht ein enger Zusammenhang der stilistischen Forschungen mit dem Studium und den Ergebnissen der Grammatik, Lexikologie und Phonetik. Ihrerseits erweitert die Stilistik die Basis für die weitere Ausarbeitung der Grammatik, Lexikologie und Phonetik im Rahmen einer konkreten Sprache. Der Unterschied zwischen der Stilistik und allen diesen sprachwissenschaftlichen Disziplinen liegt darin, daß sprachliche Tatsachen von ihr „unter funktionalem und expressivem Gesichtspunkt betrachtet werden, während die Grammatik, Lexikologie und Phonetik ähnliche Erscheinungen losgelöst von ihren verschiedenen Anwendungsbereichen untersuchen und Fragen der sprachlichen Expressivität beiseite lassen“ [57, S. 134]. Im großen und ganzen also handelt es sich bei der Stilistik um den funktionalen Aspekt der Sprachforschung und Sprachbeschreibung [46, S. 533].

Die Definition der Stilistik, die Abgrenzung und Bestimmung ihres Gegenstandes bilden in der Sprachwissenschaft ein strittiges Problem. Darüber existieren verschiedene Meinungen. Doch läßt sich in ihnen eine gemeinsame Linie erkennen, die als Grundposition der modernen Sprachforscher bestimmt werden kann. Davon zeugt der Vergleich einiger konkreter Definitionen: E. Riesel u. E. Schendels – Stilistik „ist die Wissenschaft von der Verwendungsweise und Ausdrucksgestaltung der Sprache in sämtlichen Kommunikationsbereichen und Kommunikationssituationen“ [54, S. 5]: W. Fleischer u. G. Michel – Der Gegenstand der Stilistik als wissenschaftlicher Disziplin ist „die funktional bestimmte Nutzung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf allen Gebieten der gesellschaftlichen Praxis“ [37, S. 13]; I.W. Arnold – Die Stilistik ist ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das die Prinzipien der Auswahl und den Gebrauchswert verschiedener lexikalischer, grammatischer, phonetischer, überhaupt sprachlicher Mittel in verschiedenen Kommunikationssituationen erforscht [2. S. 6].

Aus den angeführten Definitionen ergibt sich, trotz ihrer scheinbaren Unterschiedlichkeit, die erwähnte Grundposition der Autoren, die zusammenfassend folgenderweise wiedergegeben werden kann: die Stilistik ist die sprachwissenschaftliche Disziplin, die die Art und Weise untersucht, in welcher die sprachlichen Ausdrucksmittel in Abhängigkeit von Charakter und Ziel der Aussage und von den Bedingungen der Kommunikation gebraucht werden. Mit anderen Worten: die Stilistik untersucht „die Gesetzmäßigkeiten der Entstehung und Entwicklung der funktional-kommunikativen und expressiv-semantischen Differenzierung im System einer Nationalsprache“ [57, S. 133— 134].

Dem so bestimmten Wesen der Stilistik entsprechen ihre Aufgaben, die sich in Thesen so formulieren lassen:

  • die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Inhalt und Ausdrucksform in sprachlichen Äußerungen, Texten, Kommunikationsbereichen;

  • die Aufdeckung und Begründung der Differenzen in verschiedenen Verwendungsweisen der Sprache vom Standpunkt ihrer sozialen Bedingtheit aus;

  • die Untersuchung verschiedener Arten von Expressivität mit ihren sämtlichen Schattierungen im Rahmen des sprachlichen Ausdrucks;

  • die Entwicklung von Methoden und Kriterien der Textanalyse.

Eine spezielle Aufgabe der modernen Stilistik besteht in der kritischen Überprüfung des Nachlasses der traditionellen Stilistik.

Neben der breiten sprachtheoretischen Bedeutung hat die Stilistik, wie aus den aufgezählten Aufgaben folgt, auch ihre engere praktische Bedeutung als Anleitungslehre zur Textinterpretation. Indem sie sprachliche Erscheinungen – Wörter, Wortverbindungen, Formen, Satzkonstruktionen usw. – unter dem Gesichtspunkt ihrer angemessenen Verwendung, ihrer funktionalen Bedeutung und Expressivität untersucht, lehrt sie ihre richtige Auswahl für bestimmte Ziele der Kommunikation, für den wirksamsten Ausdruck eines bestimmten Inhalts [57, S. 134].

Die Stilistik, wie auch jede andere wissenschaftliche Dis­ziplin, ist nicht traditionslos. Sie hat einen langen Ent­wicklungsweg hinter sich. Zu ihrer Entstehung haben zwei sehr alte Wissenschaften wesentlich beigetragen: die antike Rhetorik (die Lehre über die Kunst des Redens) und die Poetik (die Lehre über die Dichtkunst, die Kunst des Schreibens). Davon sagt z. B. G. Michel: „Bekannt ist die Tatsache, daß die traditionelle Stilistik stark von der Rhetorik und Poetik beeinflußt ist und viele Begriffe und Termini von den Griechen des Altertums übernommen hat" [45, S. 13]. Die Wurzeln der Stilistik sind in den Werken der altgriechischen Philologen und Philo­sophen zu suchen. Schon Aristoteles schrieb über drei Grundtypen des Stils (der öffentlichen Rede): die j u d i-ziale Rede (die Kunst des Auftretens im Gericht); die deliberative Rede (die Redekunst beim politischen Disput); die epideiktische Rede (die Kunst des Sprechens bei Festakten, feierlichen Ansprachen, Entlar vungsreden usw.) l. Die speziellen Mittel zur Ausgestal­tung der Rede, ihrer Verschönerung nannte er Tropen (Tropus – Tropen). Die Beschreibung und Systematisierung der Tropen und Redefiguren gehörte später zur Hauptaufgabe der Stilistik im Laufe vieler Jahrhunderte. Die alte Rhetorik hatte „bis tief in die Neuzeit“ nachgewirkt [30, S. 35].

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts, besonders in seiner zweiten Hälfte, trat die Rhetorik in den Hintergrund, weil es in der Sprachwissenschaft überhaupt zu einer entscheidenden Wende kam: immer mehr lenkten die Forscher ihre Aufmerksamkeit auf die konkreten, „lebenden“ Sprachen in ihrem gegebenen Zustand. Diese Zeit (das Ende des 19. Jahrhunderts) bereitete allmählich die Gründung der eigentlichen Stilistik vor, die nicht mehr intuitiv, sondern nach Möglichkeit objektiv wissenschaftlich sein sollte. Die deutsche Stilistik bekam seit dem 19. Jahrhundert eine zweifache Orientierung: nach der alten Tradition auf die Literaturwissenschaft, mit Einbeziehung der Rhetorik und Poetik; nach der neuen Tradition auf die Sprachwissenschaft. Die beiden Linien entwickelten sich parallel, obwohl die zweite immer produktiver wurde, bis sie gegen Mitte des 20. Jahrhunderts zur endgültigen Behauptung der Linguostilistik geführt hat. Die bedeutendsten Werke auf dem Gebiet der deutschen Stilistik beginnen gerade am Anfang des 20. Jahrhun-derst zu erscheinen, obwohl die ersten von ihnen noch keine Linguostilistik im eigentlichen Sinne des Wortes darstellten. So enthält das Buch von K. H. Meyer „Deutsche Stilistik" (1906) eine produktive Kritik an der alten Stilistik, die ganz der Rhetorik untergeordnet war. Diese Kritik wird mit der Zeit schärfer. Im Jahre 1929 erfolgt E. Winklers „Grundlegung der Stilistik“, und 1948 veröffentlicht W. Kayser sein Buch „Das sprachliche Kunstwerk“. In diesem letzten Werk muß der Verfasser zugeben, daß die veraltete Auffassung der Stilistik noch lebendig sei. Dieser Auffassung zugrunde liegt die Vorstellung vom ausdrucksstarken Text (Dichtung) als von einem ausgeputzten Stück Sprache, das seine Wirkungskraft und seine stilistische Qualität nur solchen Ausdrucks­mitteln wie Tropen und Figuren der alten Rhetorik verdankt.

In den 50er Jahren gibt H. S e i d l e r sein Werk „Allgemeine Stilistik“ heraus. Es bildet, nach der allgemeinen Anerkennung, eine gewisse Brücke zwischen der alten Tradition und der neuen Orientierung in der Stilistik. Die alte Stilistik befaßte sich nur mit der Sprache der schöngeistigen Literatur (mit dem belletristischen Stoff), die anderen Verwendungsweisen der nationalen Sprache (ihr Funktionieren in sämtlichen anderen Kommunikationsbereichen) wurden nicht berücksichtigt. H. Seidler überschritt diese verbotene Grenze und wandte sich der Spra­che in ihrem vollen Umfang zu. Darin läßt sich der Übergang zur Linguostilistik, nämlich zur Funktionalsti­listik der Gegenwart erkennen.

Die moderne Linguostilistik untersucht die Gesetzmäßigkeiten der funktional-kommunikativen und expressiv-semantischen Differenzierung im System einer Nationalsprache. Die Funktionalstilistik beschäftigt sich hauptsächlich mit dem ersten Aspekt dieser Differenzierung – mit der unterschiedlichen Verwendung der Sprache in verschiedenen Kommunikationsbereichen, sie richtet ihr Augenmerk auf die Auswahl von Wörtern, Wortverbindungen, Formen und Satzkonstruktionen aus dem System einer Nationalsprache zur Gestaltung der diesem oder jenem Kommunikationsbereich angemessenen Ausdrucksweise.

Sie beginnt sich besonders seit den 50er Jahren sehr intensiv zu entwickeln, dabei, was die deutsche Stilistik anbe­trifft, unter starkem Einfluß der sowjetischen Sprachwis­senschaft. Das betonen die deutschen Stilforscher selbst, indem sie z. B. schreiben, daß „die stilistische Lehre und Forschung in der DDR der sowjetischen Stilistik ... viele Anregungen verdankt“ [57, S. 133].

Im Ergebnis einer gründlichen Ausarbeitung ihrer Hauptproblematik verfügt die deutsche Stilistik heutzutage über mehrere zusammenfassende und bekannte Werke, die so­wohl in der Sowjetunion, als auch in der DDR erschienen sind, darunter: E. R i e s e 1. Stilistik der deutschen Sprache.– Moskau, 1963; T. Riesel u E. Schendels. Deutsche Stilistik. – Moskau, 1975; W. Schneider. Stilistische deutsche Grammatik. – Wien, 1967; G. Michel. Einführung in die Methodik der Stiluntersuchung. – Berlin, 1968; W. Fleischer u. G. Michel. Stilistik der deutschen Gegenwartssprache. – Leipzig, 1975; D. Fau1seit u. G. Kühn. Stilistische Mittel und Möglichkeiten der deutschen Sprache.—Leipzig, 1962 (1975); G. Moller. Praktische Stillehre. – Leipzig, 1970 u.a. Alle genannten Verfasser bemühen sich in ihren Werken um die Grundlegung der deutschen Linguostilistik in ihrem vollen Umfang. Während die traditionelle Stilistik nur auserwählte Stilerscheinungen betrachtet und klassifiziert hat, gehen die modernen Stiforscher von der Überzeugung aus, daß nicht die auserwählten Mittel und Redefiguren den Stil bestimmen und deshalb nicht sie der Hauptgegenstand der Forschung sein sollen. Jede sprachliche Einzelerscheinung steht im Dienst des Stils, sie schließt sich in ein ganzheitliches System von Mitteln und Gesetzmäßigkeiten ihrer Verwendung ein, das nach den Funktionsbereichen differenziert aussehen muß. Und nur aus diesem System von Gesetzmäßigkeiten oder Normen erwachsen die Stilbedeutungen (Stilwerte) einzelner sprachlicher Mittel, einzelner Redefiguren. Somit hat sich der Inhalt der modernen Stilistik im Vergleich zur traditionellen Problematik sehr erweitert. Das wird besonders klar, wenn man in Betracht zieht, daß die alte Stilistik nur der Kunstprosa und Dichtung mit ihren spezifischen Ausdrucksmitteln die Hauptaufmerksamkeit geschenkt hat. Aus dieser philologisch orientierten Stilkunde sind zwei wissenschaftliche Disziplinen entstanden, die heute von den Stilforschern als verschiedenartig orientierte Forschungsrichtungen betrachtet werden: die literaturwissenschaftliche Stilistik und die Linguostilistik. Das Wesen und die Aufgaben jeder von ihnen sind mehr oder weniger geklärt, obwohl ihre Abgrenzung voneinander immer noch auf manche Schwierigkeiten stößt. Die literaturwissenschaftliche Stilistik interessiert sich für die Sprache als Grundmaterial der schönen Literatur. Im Buch von. I. Arnold wird sie z.B. so charakterisiert: sie erforscht die Gesamtheit von Ausdrucksmitteln, die im Dienst der Bildlichkeit stehen und für ein bestimmtes literarisches Werk, für einen bestimmten Schriftsteller, für eine bestimmte literarische Richtung oder für die ganze Epoche typisch sind [2, S. 11 — 12].

Die Linguostilistik beschäftigt sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Sprachverwendung in verschidenen Bereichen der gesellschaftlichen Kommunikation, mit den Ausdruckswerten verschiedener sprachlicher Erscheinungen in verschiedenen Kontexten usw. Im Buch von I. Arnold heißt es: die Linguostilistik vergleicht die allgemeingültigen Normen, das System einer Nationalsprache mit ihren besonderen Subsystemen, die für verschiedene Kommunikationsbereiche spezifisch sind und Funktionalstile heißen. Außerdem erforscht sie die Sprachelemente vom Standpunkt ihrer Fähigkeit aus, bestimmte gefühlsmäßige Bedeutungsschattierungen auszudrücken, bestimmte Assoziationen und Bewertungen hervorzurufen [2, S. 10—11]. Die Linguostilistik wird in zwei große Teile gegliedert – in die Mikrostilistik und die Makrostilistik [54; S. 11—12]. Zum Gegenstand der Mikrostilistik gehört die Erforschung und Systematisierung von Verwendungsmöglichkeiten verschiedener sprachlicher Einheiten (lexikalischer, grammatischer, phonetisch-phonologischer), ihrer stilistischen Funktionen im Zusammenhang des Kontextes, sgnantisch-expressiver Effekte ihres Gebrauchs usw. Die Makrostilistik hat zu ihrem Gegenstand solche Ganzheitsstrukturen wie die Funktionalstile, Textsorten usw., sie erforscht ihre Organisationsprinzipien in linguistischer und extralinguistischer Hinsicht. Die so aufgefaßte Makrostilistik entspricht eigentlich der schon charakterisierten Funktionalstilistik, die zu einem der wichtigsten Forschungsbereiche der modernen Sprachwissenschaft geworden ist. So betonen W. Fleischer und G. Michel, daß die Funktionalstilistik (die Theorie der Funktionalstile) „innerhalb der gegenwärtigen linguistischen Stilforschung in immer stärkerem Maße zum tragenden Fundament der marxistisch-leninistischen Linguostilistik wird“ [37, S. 23 –24]. Und der übergreifende Gegenstand der ganzen modernen Stilistik als eigenständiger wissenschaftlicher Teildisziplin liegt laut der schon erwähnten Bestimmung von W. Fleischer und G. Michel „im Bereich der funktional bestimmten Nutzung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf allen Gebieten der gesellschaftlichen Praxis“.

Der Funktionalstil und die funktional begründete Stilklassifikation

Die Bestimmung des Begriffes „Fanktionalstil". – Das System der Funktionalstile des Deutschen. – Strittige Fragen der Stilklassifikation.Sprachliche Funktionen und einzelne Funktionalstile.

Der funktionale Stil bildet den Grundbegriff der modernen Stilistik, um so mehr der Funktionalstilistik. Deine Definition ist eine sehr komplizierte Frage. Der Terminus kommt, wie bekannt, vom lateinischen stilus in seiner ursprünglichen Bedeutung „Schreibgriffel“ – „das, womit man schreibt“. Dann erweitert sich diese Bedeutung zu „Art und Weise des Schreibers“, und noch später zu „Art und Weise der Darstellung überhaupt“. Wie M. Brandes und M. Pironkowa schreiben, wurde das Wort Ende des 18 Jahrhunderts „von der Kunstgeschichte beschlagnahmt; Stil bedeutete fortan nicht nur die Schreib-, sondern auch die Bauweise... Das 19. Jahrhundert hatte es nicht schwer, den Begriff noch mehr auszuweiten: auf Möbel, auf Bilder, auf Kleider...“ [30, S. 36]. In der Sprachwissenschaft ist die allgemeine Bedeutung dieses Terminus – „Art und Weise der sprachlichen Darstellung“.

Aber wenn man vom Funktionalstil als Grundbegriff der stilistischen Forschungen spricht, genügt eine solche allgemeine Bestimmung nicht. Ein Grundbegriff bedarf der Präzisierung. Die vorhandenen Definitionen des Funktionalstils streben gerade nach seiner Präzisierung. Man braucht nur einige von ihnen anzuführen. Die Definition von I. Arnold lautet: Funktionalstile sind Subsysteme der Sprache, wobei jedes von ihnen über seine eigenen spezifischen Besonderheiten in der Lexik, Phraseologie, Syntax u.a. verfügt. Die Herausbildung der Funktionalstile ist durch die Spezifik des Sprachverkehrs in verschiedenen Sphären der menschlichen Tätigkeit bedingt [2, S. 54]. W. Fleischer und G. Michel behaupten: „Stil ist die auf charakteristische Weise strukturierte Gesamtheit der in einem Text gegebenen sprachlichen Erscheinungen, die als Ausdrucksvarianten... zur Realisierung einer kommunikativen Funktion in einem bestimmten Tätigkeitsbereich ausgewählt worden sind“ [37, S. 41]. E. Riesel und E. Schendels meinen, daß der Stil eine Gesamtheit sprachlicher Mittel darstellt, die auf Grund bestimmter Normen in einem bestimmten Kommunikationsbereich realisiert ist [54, S. 16].

Wenn man sich dem „Kleinen Wörterbuch der Stilkunde“ von S. Krahl und J. Kurz zuwendet, so findet man, daß der Funktionalstil einfach als Bereichsstil bestimmt wird. In dieser äußerst lakonischen Bestimmung liegt der eigentliche Kern der Frage: die Norm des Kommunikationsbereichs ist maßgebend, und der einzelne Autor muß sich ihr, unabhängig von seinem eigenen Stil und der konkreten Aussageabsicht, völlig unterordnen. Als stilprägende Kommunikationsbereiche werden hauptsächlich drei anerkannt, nämlich Alltagsverkehr, Sachprosa, Belletristik (künstlerische Prosa), denen zwei Kommunikationsarten entsprechen: die mündliche (Alltagsverkehr) und die schriftliche (Sachprosa, Kunstprosa). Die Sachprosa ist dabei vielumfassend, sie kann in engere Bereiche (amtlicher Verkehr, wissenschaftliche Kommunikation u. a.) gegliedert werden. Vom Standpunkt der nach gesellschaftlichen Bereichen gegliederten Kommunikation aus ist ein Funktionalstil die Gesamtheit der für bestimmten Bereich charakteristischen Stilzüge bzw. Stilprinzipien [42, S. 22]. In allen diesen Definitionen sind folgende allgemeine Momente zu erkennen:

  1. Der Funktionalstil ist keine zufällige Sammlung oder Anhäufung von sprachlichen Mitteln, sondern ein organisiertes System.

  1. Er beruht auf der Einheit seines typisierten Inhalts und der ihm zukommenden Ausdrucksform.

  1. Der Inhalt hängt irn allgemeinen vom betreffenden Kommunikationsbereich ab; die Ausdrucksform entsteht auf Grund der zweckentsprechenden, auf den Inhalt orientierten Auswahl und Organisierung sprachlicher Mittel.

4. Das Grundprinzip der Verwendung verschiedenersprachlicher Mittel im Rahmen des Funktionalstils ist ihre funktionale Angemessenheit. Und der ganze Funktionalstil bedeutet in diesem Sinne die Verwendungsweise der Sprache, die dem entsprechenden Kommunikationsbereich angemessen ist.

Aber auch Unterschiede liegen vor: während die sowjetischen Stilforscher (I. Arnold, E. Riesel, E. Schendels) im Funktionalstil ein Subsystem der Sprache sehen, betrachten W. Fleischer und G. Michel ihn als strukturierte Gesamtheit im Rahmen des Textes. Doch übereinstimmend meinen alle, daß die Auswahl der Varianten für die Strukturierung der Gesamtheit von der Realisierung der kommunikativen Funktion in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich abhängig ist. Der Text erscheint also jedesmal als Repräsentierung eines bestimmten Funktionalstils oder als Widerspiegelung der Gesetzmäßigkeiten des sprachlichen Gebrauchs im entsprechenden Bereich der gesellschaftlichen Kommunikation.

All dies berücksichtigend, kann man folgende allgemeine Definition des Grundbegriffs vorschlagen: der Funktionalstil ist eine Abart der Nationalsprache, die in einem bestimmten Kommunikationsbereich zum Zweck der angemessenen Realisierung seines typisierten Inhalts verwendet wird und durch die für ihn charakteristische Gesamtheit von lexikalischen, syntaktischen, morphologischen u. a. Zügen und Elementen gekennzeichnet ist. Die Züge und Elemente selbst können auch in einem anderen Funktionalstil wiederholt erscheinen, aber ihre bestimmte Kombinierung, zahlenmäßige Vertretung (Häufigkeit), anders gesagt die Art (der Typ) ihrer Organisierung bildet gerade die Spezifik (die Eigenart) nur dieses Funktionalstils [13, S. 9].

Das zentrale Problem der Stilistik ist die Stilklassifikation oder Stiltypologie – die Aussonderung und Begründung der wichtigsten Stiltypen. Der Lösung dieses Problems sind zahlreiche Untersuchungen gewidmet. Wie bekannt, beruht jede Klassifikation auf einer Verallgemeinerung, es können bei ihr nur allgemeine und wesentliche Merkmale in Betracht gezogen werden. Da die Merkmale der Sprachverwendung zahlreich sind und ihren verschiedenen Seiten angehören, sind im Prinzip verschiedenartige Stilklassifikationen möglich, abhängig davon, welche Seite oder welches Kriterium der Einteilung zugrunde gelegt wird.

Für die Ausgliederung der Funktionalstile gilt als Ausgangspunkt das Kriterium ihrer sozialen oder gesellschaftlichen Funktion, ihrer kommunikativen Aufgabe. Der Stiltyp ist dadurch bestimmt, in welchem Bereich der gesellschaftlichen Kommunikation die Sprache ihre Funktion als Verständigungsmittel erfüllt. Es handelt sich also um die funktional begründete Stilklassifikation. In bezug auf die deutsche Gegenwartssprache unterscheiden die Stilforscher folgende Funktionalstile:

Stil des öffentlichen Verkehrs (der sachlich-offizielle Stil)

Stil der Wissenschaft (der wissenschaftliche Stil)

Stil der Presse und Publizistik (der Pressestil, der Zeitungsstil)

Stil der Alltagsrede (der Alltagsstil, auch der Konversationsstil)

Stil der schönen Literatur (der belletristische Stil).

In den Arbeiten der meisten deutschen Stilforscher kann man oft finden, daß die ersten drei Stile (Presse und Publizistik, offizieller Verkehr und Wissenschaft) unter einem Begriff und Terminus vereinigt werden – die S a c h p r o s a. Ihnen wird der Stil der schönen Literatur als K u n s t-p r o s a gegenübergestellt.

Die genannten fünf Stiltypen sind in der deutschen Stilistik anerkannt, aber manche Fragen bleiben dabei strittig und rufen von Zeit zu Zeit Diskussionen hervor. Strittig ist für einige Stilforscher eine Frage betreffend felenStil der Presse und Publizistik:) sie bezweifeln die Einheitlichkeit dieses Stils und meinen, daß hier zwei selbständige Stiltypen ungerecht vereinigt werden – der eigentliche Pressestil (Zeitungsstil) und der publizistische Stil. Die Meinungen gehen noch weiter auseinander, wie es aus dem ,,Kleinen Wörterbuch der Stilkunde“ ersichtlich ist: „ ...innerhalb des Pressejournalismus, der dem publizistischen Sprachstil zugeordnet wird, hat die satirische Glosse eine andere Funktion als die Nachricht, diese eine andere als der Leitartikel und dieser eine andere als die Reportage“ [42, S. 22—23]. Doch ist das schon eine andere Frage, nämlich die Unterscheidung nach Gattungen und Genres (nach den Darstellungsarten) innerhalb ein-und desselben Stils. Der Stil als Ganzes kann trotzdem einheitlich bleiben.

Noch strittiger ist die Betrachtung .der Alltagsrede, (der Umgangssprache) als eines Funktionalstils: es gibt Stilforscher, die die Existenz eines solchen Stils stark bezweifeln. Doch verstehen die meisten sowjetischen und deutschen Stilisten darunter die Verwirklichung alltäglicher Sprachkontakte unter den Menschen (deshalb nennt man ihn noch Konversationsstil), die ihren bestimmten Organisationsregeln untergeordnet ist. E. Riesel hat in diesem Zusammenhang eine spezielle Monographie [52] herausgegeben, in welcher sie versucht, auf alle strittigen Fragen gründlich einzugehen und so den Stiltyp, seine Existenz zu begründen.

Sehr problematisch ist in der heutigen Stilistik auch der Funktionalstil der schönen Literatur. Die Frage wird manchmal sogar so gestellt: gibt es einen Funktionalstil der schönen Literatur? Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten und Zweifeln geben folgende charakteristische Besonderheiten dieses Stils:

1. Seine Thematik ist nicht einheitlich, sie ist sehr mannigfaltig. Die schöne Literatur erstreckt sich auf alle Gebiete des menschlichen Lebens, ist also nicht nur mit einem bestimmten kommunikationsbereich verbunden, sondern mit allen.

2. Die Ausdrucksmittel dieses Stils sind auch sehr mannigfaltig, ihre Auswahl und Verwendung müssen nach der Meinung einiger Stilforscher vorwiegend als Geschmackssache des Verfassers beurteilt werden.

3. In der schönen Literatur findet man infolge der beiden genannten Faktoren Merkmale und Elemente aller anderen Funktionalstile.

4. Die schöne Literatur erfüllt eine ganz spezifische Aufgabe, die nur ihr eigen ist – die sogenannte ästhetische Funktion. Aus diesem Grund müßte man sie (nach bestimmter Auffassung) zum Bereich der Künste und nicht zum System der Funktionalstile rechnen.

Es ist in der Tat so, daß der Stil der schönen Literatur eine besondere Erscheinung darstellt. Aber trotz der Mannigfaltigkeit des thematischen Stoffs bestehen im Rahmen dieses Stils innere Gesetzmäßigkeiten, nach welchen der Stoff verarbeitet wird. Auch die Verwendung sprachlicher Ausdrucksmittel wird hier trotz ihrer Mannigfaltigkeit durch bestimmte Faktoren geregelt, sie ist keine bloße Willkür des Verfassers und darf nicht ausschließlich auf seinen Geschmack zurückgeführt werden. Richtig ist weiter die Behauptung, daß eine enge Verbindung von kommunikativer und ästhetischer Funktionen für den Funktionalistil der schönen Literatur typisch ist. Aber auch für die anderen Funktionalstile kann man ihre spezifischen Funktionen feststellen, die sich mit der kommunikativen Funktion sehr eng verbinden, was unten gerade versucht werden soll.

Die Frage nach den sprachlichen Funktionen in ihrer Beziehung zu den einzelnen Funktionalstilen ist in der Stilistik noch nicht allgemein ausgearbeitet. Es werden nur verschiedene individuelle Lösungen dieser Frage vorgeschlagen. Im Buch von I. Arnold finden wir z.B. eine Stelle, an der folgender Gedanke als Grundsatz formuliert ist: Die Spezifik jedes Stils ist durch die Besonderheiten der sprachlichen Funktionen in jedem Kommunikationsbereich bedingt. Jeder Funktionalstil hat eine andere Zusammenwirkung von Funktionen [2, S. 55]. Von allen Funktionen der Sprache ist nur eine bei jedem Gebrauch unbestreitbar – ihre kommunikative Funktion, die als Mitteilung und Austausch von Gedanken verwirklicht wird. Sie ist die Hauptfunktion in allen Funktionalstilen. Neben ihr existieren noch andere Funktionen, und jeder Stil ist durch seine spezifische Verbindung der Hauptfunktion mit diesen anderen Funktionen gekennzeichnet, er besitzt also sein spezifisches Bündel von Funktionen [2, S. 55].

Zur Veranschaulichung dieser Verhältnisse und Beziehungen wird im Anschluß das allgemeine Schema der Verteilung sprachlicher Funktionen nach den einzelnen Funktionalstilen angeführt. Ähnliches gibt I. Arnold in ihrem Buch [2, S. 55].

Funktionalstil

Funktionen der Sprache

die kommunikative

die voluntative

die emotive

die kontaktive

die ästhetische

der Alltagsrede

+

+

+

+

der schönen Literatur

+

+

+

der Presse und Publizistik

+

+

(+)

des öffentlichen Verkehrs

+

+

der Wissenschaft

+

Auf dem Schema sind zwei Funktionalstile deutlich einander gegenübergestellt: der Funktionalstil der Alltagsrede und der Funktionalstil der Wissenschaft. Der erste ist durch die höchste Anzahl der Funktionen charakterisiert, während dem zweiten nur eine Funktion eigen ist, die in diesem Stil als intellektuell-informierende verwirklicht wird.