
- •3. 1. Die Merkmale des Althochdeutschen
- •3. 2. Die zweite Lautverschiebung
- •3. 3. Vokale des Althochdeutschen
- •3. 4. Der lexikalische Aspekt des Althochdeutschen
- •3. 5. Der grammatische Aspekt des Althochdeutschen
- •3. 6. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen
- •Infinitiv im einfachen Satz
- •Der zusammengesetzte Satz
Infinitiv im einfachen Satz
Der Infinitiv und Infinitivgruppe kommen oft als Bestandteil biverbaler Wortgruppen im Prädikat vor:
Her frâgên gistuont. – Er begann zu fragen.
Quam the man Wasser bittan. – Es kam ein Mann Wasser bitten.
Die Dativform des Infinitivs wird mit der Präposition zi (zu) gebraucht:
Giengut ir mit zwerton inti mit stangon mih zi fâhanne. –
Ihr ginget mit Schwertern und Stangen mich zu fangen.
Gibôt her thô zi gebanne iru eƷƷan. – (Er) befahl, ihr essen
zu geben.
Der zusammengesetzte Satz
Die ersten althochdeutschen Sprachdenkmäler zeigen verschiedene Typen von zusammengesetzten Sätzen. Die Anzahl von Modellen solcher Sätze und Arten der Verbindungsmöglichkeiten im Rahmen des zusammengesetzten Sätzes ist natürlich viel geringer im Vergleich zu moderner deutscher Sprache. Aber dieses Teilgebiet der Syntax kennzeichnete sich in der Folgezeit durch relativ rasche Entwicklung und Vervollkommnung.
Die Satzreihe
Die Verbindung der Einzelsätze in der Satzreihe hat im Althochdeutschen zwei Hauptmodelle: a) konjunktionslose Verbindung und b) konjunktionale Verbindung. Beispiele:
Sum man habêt zuuênê suni, ic uueiƷu sie.
– Ein Mann hat zwei Söhne, ich kenne sie.
Dû bist dir alter Hun, ummet spahêr, spenis mih mit dînem wortun,
wili mih dînu speru werpan („Hildebrandslied“)
– Du bist ein sehr listiger alter Hunne, (du) lockst mich mit deinen Worten, willst mich mit deiner Lanze niederschlagen.
b) In der Rolle der Verbindungmittel treten oft auf: inti (und), ioh (und), doh (doch), abur (aber), odo (oder). Diese Konjunktionen erfüllen koordinierende Funktion (kopulative, adversative).
Thîn bruoder quam inti arsluog thin fater gifuotrit calb.
– Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater schlachtete ein gemästetes Kalb.
Mih hungrita inti ir gâbut mir eƷƷan.
– Mich hungerte und ihr gabt mir zu essen.
Ther fater habêta zi faran, abur thie liuti bigunnun inan frâgên.
– Der Vater musste fahren, aber die Leute begannen, ihn zu fragen.
Kausale und finale Verbindung zwischen den Teilen in der Satzreihe ist dem Ahd. nicht eigen.
Das Satzgefüge
Im Althochdeutschen zeigen sich fast dieselben Arten der Nebensätze, die im heutigen Deutsch sind, und zwar: Subjekt-, Objekt-, Attribut-, Prädikativ- und Adverbialsätze.
Der Subjektnebensatz umschreibt eine Person und wird vorwiegend durch das Relativpronomen ther, thiu, thaƷ, sô hwer sô (wer) und durch das unflektierte thie eingeleitet; im Hauptsatz stehen oft die Korrelate ther, thie und andere. Beispiele:
Sô hwer sô sint guote theganne thie scal guote geba infâhen
–Wer gute Krieger sind, sollen gute Geschenke empfangen.
Sie sint thie thâr guote theganne meinan.
– Sie sind diejenigen, die als gute Krieger gelten.
Her ist ther ther Hiltibrant riufan.
– Er ist der, der Hildebrant gerufen wird.
Prädikativsatz.
Diese Form des Nebensatzes ist im Ahd. nicht häufig. Als Bindeelemente sind Relativpronomen ther, thiu, thaƷ und das unflektierte thiu:
ThiƷ ist, then man eƷƷan megi.
– Das ist das, was man essen könnte.
Objektsatz.
Berichtende Objektsätze werden durch die Konjunktionen dat, thaƷ (dass) eigeleitet:
Ik gehorte dat seggen, dat sih urhettun ænin muotin, …
– Ich hörte das sagen, dass sich Herausforderer einzeln trafen, ….
Ic zalta, thaƷ her min fater sei. –
– Ich erzählte, dass er mein Vater ist (sei).
Fragende Sätze ohne Fragewort werden durch die Konjunktionen oba (ob) eingeleitet. Dazu dienen auch Relativpronomen: hwer (wer), hwaƷ (was), huuelîh (welher). Beispiele:
Thu fragist,oba ic inon minnu. – Du fragst, ob ich ihn liebe.
Her frâgtâ, hwer sîn fater warî. – Er fragte, wer sein Vater sei (ist).
Sie quâmun inti fragun hwaƷ her wolle.
– Sie kamen und fragten, was er wolle (will).
Attributsatz.
Die meisten Attributsätze werden durch das Relativpronomen ther, thiu, thaƷ, thie eingeleitet:
Sie forstuontun thaƷ uuort, thaƷ her sprach zi in.
– Sie verstanden die Worte, die er zu ihnen sagte.
Wir hulfun zî therum man, ther ward stumman.
– Wir halfen dem Mann, der stumm war.
Adverbialsätze:
Temporalsätze (Konjunktionen: thô, thar, sô – da, also, thaƷ – als, mit thiu – als, während, afte thiu – nachdem u.a.):
Er ward frou thô that sehenti. – Er war froh, als er das sah.
Vwurdun taga gifulta, thaƷ siu bâri. – Es kam die Zeit, da sie niedergekommen sollte.
ThaƷ thô gihôrente ein after andaremo ûƷgieng.
– Als (sie) das gehört hatten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus.
Kausalsätze (Konjunktionen: uuanta, bithiu, uuanta bithiu, mit thiu – weil / da):
Bithiu her min scalk ist, her gihort ni dir.
– Da er mein Diener ist, gehört er dir nicht.
Finalsätze werden durch die Konjunktionen thaƷ (dass) und so thaƷ (so dass)
eingeleitet:
Gib imo Brot thaƷ er eƷƷan inti sagan maget.
–Gib ihm Brot, damit er essen und reden kann.
Bedingungssätze werden durch die Konjunktionen ibu, oba (wenn) eingeleitet:
Oba thû uuas mugis, hilf uns.
– Wenn du etwas (tun) kannst, hilf uns.
Besonderheiten im Gebrauch der subordinierenden Konjunktionen
1. Im Ahd. bildeten die temporalen Konjunktionen ein System für sich, in dem verschiedene Typen zeitlicher Verhältnisse einander gegenüberstellten. Ein Teil dieser Konjunktionen blieb in der Gegenwartsprache erhalten: thô (da), also (als), êr (ehe), sô ofto sô (sooft).
Viele ahd. temporale Konjunktionen wurden in der Folgezeit durch neue Konjunktionen verdrängt: ahd. mit thiu → nhd. während; ahd. unzan → nhd bis; ahd. after thiu → nhd. nachdem.
In verschiedenen ahd. Sprachdenkmälern kommen in derselben Bedeutung verschiedene Konjunktionen vor. Zum Beispiel die Konjunktion mit thiu wird in der Bedeutung „als“ und „während“ in der Übersetzung des Evangeliums von Tatian gebraucht. In den Sprachdenkmälern anderer Territorialdialekte wird die Konjunktion mit thiu überhaupt nicht verwendet. An ihrer Stelle treten die temporalen Konjunktionen sô, sar, thô, thâr, thanne auf.
Bezeichneter ist, dass in ein und demselben Sprachdenkmal oft verschiedene Konjunktionen ohne jeglichen Bedeutungsunterschied gebraucht werden: Temporale Konjunktionen sô, alsô, sâ, thô, thanne in der Bedeutung „als und „wahrend“.
Dieselbe Situation ist auch mit den Konjunktionen in anderen Typen der Nebensätze. Bemerkenswert ist auch das, dass eine und dieselbe Konjunktion zu verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden kann, zum Beispiel, die Konjunktion mit thiu:
Mit thiu thanne noh ferro uuas, gasah inan sin fater. (Temporalnebensatz)
– Als er noch fern war, sah ihn sei Vater.
Mit thiu her ni habêta uuannân gulti, gibot inan ther hero zi forkoufann. (Kausalnebensatz)
– Da er nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn zu verkaufen.
Schriftliche Quellen der althochdeutschen Periode
Ausbildung und Schrifttum hatten in der althochdeutschen Zeit einen deutlich ausgedrückten klerikalen Charakter. Zum hauptesten Mittel der Ideologie wurde die lateinische Sprache.
Die Volksprache wurde in den kirchlichen Schulen nicht gelernt. Man benuzte sie aber beim Studium der lateinischen Sprache. Die Aufnahmen zu lateinischen Texten bekamen den Namen Glossen (Notizen).
Das lateinische Alphabet wurde im Althochdeutschen für die deutsche Sprache übernommen. Hierbei kam es einerseits zu Überschüssen an Graphemen wie <v> und <f> und andererseits zu ungedeckten deutschen Phonemen wie Diphthonge, Affrikaten (wie /pf/, /ts/, /tʃ/), und Konsonanten wie /ç/ <ch> und /ʃ/ <sch>, die es im Lateinischen nicht gab. Im Althochdeutschen wurde für das Phonem /f/ auch hauptsächlich das Graphem <f> verwendet, sodass es hier fihu (Vieh), filu (viel), fior (vier), firwizan (verweisen) und folch (Volk) heißt.
Der erste althochdeutsche Text ist der Abrogans, ein lateinisch-althochdeutsches Glossar. Generell besteht die althochdeutsche Überlieferung zu einem großen Teil aus geistlichen Texten (Gebeten, Taufgelöbnissen, Bibelübersetzung); nur vereinzelt finden sich weltliche Dichtungen (Hildebrandslied, Ludwigslied) oder sonstige Sprachzeugnisse (Inschriften, Zaubersprüche). Zum öffentlichen Recht gehören die Würzburger Markbeschreibung oder die Straßburger Eide von 842, die jedoch nur in der Abschrift eines romanischsprachigen Kopisten aus dem 10. und 11. Jahrhundert überliefert sind.
Der so genannte „Althochdeutsche Tatian“ ist eine Übersetzung der Evangelienharmonie des syrisch-christlichen Apologeten Tatianus (2. Jh.) in das Althochdeutsche. Er ist zweisprachig (lateinisch-deutsch). Die einzige erhaltene Handschrift befindet sich heute in St. Gallen. Der Althochdeutsche Tatian ist neben dem Althochdeutschen Isidor die zweite große Übersetzungsleistung aus der Zeit Karls des Großen.
Im Zusammenhang mit der politischen Situation ging im 10. Jahrhundert die Schriftlichkeit im Allgemeinen und die Produktion deutschsprachiger Texte im Besonderen zurück. Eine Neueinsetzung einer deutschsprachigen Schriftlichkeit und Literatur ist ab etwa 1050 zu beobachten. Da sich die schriftliche Überlieferung des 11. Jahrhundertsinlautlicher Hinsicht deutlich von der älteren Überlieferung unterscheidet, bezeichnet man die Sprache ab etwa 1050 als Mittelhochdeutsch.
Als Endpunkt der althochdeutschen Textproduktion wird oft auch der Tod Notkers in St. Gallen 1022 definiert. (Notker war der berühmte Mönche der Klosterschule in St. Gallen. Er übersetzte vom Latein eine Reihe von klassischen und klerikalen Werken).