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2.3 Sozialstaat

In der deutschen Verfassungsgeschichte stellt das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) ein Novum dar. Während sich nach dem älteren liberalen Rechtsstaatsverständnis der Staat darauf zu beschränken hatte, jeden Bürger formal gleich zu behandeln (Gleichheil vordem Gesetz), fordert das Sozialstaatsprinzip, auch die realen Voraussetzungen der rechtlich gebotenen Gleichheit zu sichern.

Sowohl inhaltlich als auch mit Blick auf seine Folgen ist das Sozialstaatsprinzip nur ungenau bestimmt und daher auslegungsbedürftig. Seine Konkretisierung ist weitgehend dem politischen Prozess überlassen.

Sozialpflichtigkeit des Staates bedeutet, dass im Sozialstaat alle staatlichen Organe, also Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen realer Freiheit und Gleichheit gewahrt werden. Der Staat muss jedem Bürger ein der Menschenwürde angemessenes Dasein sichern. Dazu gehört zunächst die Gewährleistung des materiellen Existenzminimums. Der Staat ist in sozialen Notlagen zur rsorge verpflichtet. Dies bedeutet zum einen die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung, seit 1992 auch Pflegeversicherung), zum anderen die Gewährleistung von Sozialhilfe. Jeden Bundesbürger umgibt heute ein Netz sozialer Sicherungen, das einen Absturz in existenzbedrohende materielle Not verhindern soll.

Darüberhinaus ist der Staat zu Maßnahmen allgemeiner Daseinsvorsorge verpflichtet, die die Leistungsfähigkeit von Individuen überschreiten.

Beispiel: Sicherung der Wasser- und Energieversorgung, Erhalt eines leistungsfähigen Straßen- und Schienennetzes sowie eines öffentlichen Verkehrssystems. Außerdem hat der Staat die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems zu erhalten und zu verbessern.

Der Zugang zu den Gerichten muss so ausgestaltet sein, dass jeder die reale Chance hat, sein Recht durchzusetzen. Dem dient unter anderem die Prozesskostenhilfe.

Auch das Steuerrecht hat sozialen Grundsätzen zu entsprechen.

Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat dazu, die Versorgung der Bevölkerung mit allen wichtigen Gütern sicherzustellen.

Den staatlichen Organen kommt eine soziale Gestaltungsfreiheit zu. Sie können entscheiden, wie sie ihren aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Pflichten nachkommen. Nur ausnahmsweise kann der Bürger unter Berufung auf das Sozialstaatsprinzip Leistungen einfordern. In aller Regel wird sich in derartigen Fällen sein Anspruch zusätzlich aus einem Grundrecht herleiten lassen.

Beispiel: Das materielle Existenzminimum ist jedem Bürger nicht nur durch das Sozialstaatsprinzip, sondern auch durch die Menschenwürde (Art. 11 GG) gewährleistet.

In letzter Zeit sehen viele den Sozialstaat in der Krise. Dabei wird auf die negativen Begleitumstände des modernen Sozialstaats verwiesen: erhebliche Kostenbelastung des Staates und der Unternehmen, Schwächung der Selbstverantwortung und des Leistungswillens beim Einzelnen, Außerkraftsetzung von Marktmechanismen mit zum Teil sehr unsozialen Folgen (Arbeitslosigkeit), Vernachlässigung von Arbeitslosen und Frauen zugunsten der Erwerbstätigen.