
Willy Brandt
Willy Brandt (1913-1992) ist dt. Politiker, aktiver Nazigegner, emigrierte 1933 nach Norwegen, arbeitete dort und in Schweden als Journalist. 1957-1966 war Brandt regierender Bürgermeister von Berlin. Mit dem Namen Willy Brandt ist der Wandel in der Außenpolitik der BRD verbunden. 1969 fand im Bundestag der Wechsel von der Koalition der CDU/CSU zur sozial-liberalen Koalition, mit der SPD an der Spitze, statt. Adenauer gelang die Westbindung der Bundesrepublik, Brandt will dieser Westbindung die Öffnung nach Osteuropa folgen lassen: «Wandel durch Annäherung». Das ist neue Strategie der sozialliberalen Koalition. Im März 1970 hatte in Erfurt in der DDR bereits das erste deutsche-deutsche Gipfeltreffen zwischen Brandt und dem Vorsitzenden des DDR-Ministerrates Willy Stoff stattgefunden.
Der Kniefall von Warschau: Es ist der 7. Dezember 1970. Willy Brandt reist nach Warschau. Anlass ist die Unterzeichnung des so genannten Warschauer Vertrags mit Polen, in dem die Bundesrepublik die Oder-Neiße-Grenze als feste Westgrenze Polens anerkennt – ein wichtiger Schritt hin zu einer Normalisierung des Verhältnisses zwischen beiden Staaten. Auf dem Besuchsprogramm steht jedoch auch ein Besuch des Mahnmals für die Opfer des Warschauer Gettos. Geplant ist, dass Brandt dort einen Kranz niederlegt und wieder geht. Er tritt vor, zieht die Kranzschleife zurecht, tritt einen Schritt zurück und ... fällt auf die Knie. Etwa eine halbe Minute verharrt der deutsche Kanzler im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus auf dem nassen Asphalt, die Hände ineinander gelegt, stumm zu Boden blickend. „Unter der Last der jüngsten deutschen Geschichte tat ich, was Menschen tun, wenn die Worte versagen. So gedachte ich der Millionen Ermordeten“, erklärte er später.
Das Bild geht in die Geschichte ein. Die Geste (der Kniefall von Warschau) wird zum Symbol für die Bitte Deutschlands um die Versöhnung.
Die Bitte verfehlt ihre Wirkung nicht und bringt sowohl dem Kanzler als auch der Bundesrepublik weltweite Anerkennung. Im eigenen Land ist die symbolische Geste jedoch umstritten: Nach einer Spiegel-Umfrage halten sie 48 Prozent der Bundesbürger für übertrieben, 41 Prozent für angemessen, elf Prozent haben keine klare Meinung. Unabhängig davon, ob die Geste spontan oder geplant war: Sie geht als der Kniefall von Warschau in die Geschichte ein.
1971 wird Willy Brandt für seine Politik der Verständigung mit den Staaten Osteuropas mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erkennt die Sowjetunion mit dem Viermächteabkommen die faktische Zugehörigkeit West-Berlins zur Wirtschafts-, Gesellschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik an. Es tritt zusammen mit den Ostverträgen 1972 in Kraft und entspannt die Lage im geteilten Berlin. 1973 vereinbaren die Bundesrepublik und die DDR im Grundlagenvertrag, dass sie „normale gutnachbarliche Beziehungen“ zueinander aufnehmen. Ebenfalls 1972 werden deutsche Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen.
Infolge der Guillaume-Affäre (nach der Enttarnung eines DDR-Spions in seinem unmittelbaren Umfeld) tritt Willy Brandt 1974 als Kanzler zurück. Sein Nachfolger wird Helmut Schmidt (SPD).